L 2 BA 31/24

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Osnabrück (NSB)
Aktenzeichen
S 10 BA 2/23
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 2 BA 31/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Sieht der beitragspflichtige Arbeitgeber zwar die Möglichkeit einer Heranziehung zu Beiträgen für die tatsächlich erbrachten Entgeltleistungen, erkennt er aber nicht die Möglichkeit einer Festsetzung von darüber hinausgehenden Beitragszahlungen auf der Basis von erst im Rahmen einer Hochrechnung im Sinne des § 14 Abs. 2 SGB IV zu ermittelnden weiteren fiktiven Entgeltleistungen, dann sind Säumniszuschläge lediglich nach Maßgabe der für die tatsächlich geleisteten Entgeltzahlungen geschuldeten Beiträge festzusetzen.

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung ihrer im Übrigen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 7. Mai 2024 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2022 wird nur insoweit aufgehoben, als höhere Säumniszuschläge als 32.300,-- Euro festgesetzt worden sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6; die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Aufhebung von Säumniszuschlägen, welche in einem auf der Grundlage einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV gegen den Kläger als Arbeitgeber ergangenen Beitragsnacherhebungsbescheid festgesetzt worden waren.

Der Kläger betreibt ein Transportunternehmen mit etwa zwölf festangestellten Fahrern. Er ist bereits seit 1997 selbständig tätig, und zwar seit 2005 im Transportgewerbe.

Am 22. Januar 2018 führte das Hauptzollamt M. eine Kontrolle auf der BAB 30 durch. Bei dieser wurde der spätere Beigeladene in einem Fahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen N. angetroffen.

Bei seiner Befragung am 11. März 2019 durch das Hauptzollamt gab der Beigeladene an, dass er als Selbständiger Kurierdienstfahrten für verschiedene Auftraggeber durchführe. Für den Kläger fahre er etwa seit 2015.

Daneben sei er auch noch für weitere Auftraggeber tätig; insbesondere liefere er noch Fahrzeugteile für die Firma O. aus. Für O. setze er eigene Fahrzeuge ein. Für den Kläger habe er anfangs auch eigene Fahrzeuge eingesetzt; da er aber nicht über einen hinreichend großen LKW verfüge, habe er in der Folgezeit Firmenfahrzeuge des Klägers genutzt. Es habe sich dabei jeweils um feste Touren gehandelt. Das Be- und Entladen erfolge durch die Kunden des Klägers.

Die einzelnen Aufträge habe der Kläger vergeben. Beim Kläger habe er so genannte „Manntage“ mit seinerzeit 150 € pro Tag abgerechnet. Sowohl dem Kläger als auch seinen anderen Auftraggebern sei bewusst, dass er jeweils noch für andere Auftraggeber tätig sei. Für den Kläger sei er meistens montags bis freitags von 9 bis 18.30 Uhr tätig; seine Einsatzzeiten für die Firma O. gestalte er flexibel.

Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren (400 Js 26202/21) wegen Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt wurde durch Beschluss des Amtsgerichts P. am 21. Februar 2022 nach Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 5.000 € nach § 153 a StPO endgültig eingestellt.

Nach Anhörung des Klägers vom 12. Juli 2021 forderte die Beklagte im Rahmen einer anlassbezogenen Betriebsprüfung mit Bescheid vom 3. Dezember 2021 und Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2022 Beiträge für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Juli 2019 aufgrund der Beschäftigung des Beigeladenen als Arbeitnehmer in Höhe von 183.377,59 € nach. In dem Betrag waren Säumniszuschläge in Höhe von 60.687,50 € enthalten. Der Beigeladene sei unter Abwägung aller Umstände nicht selbständig, sondern abhängig beschäftigt gewesen. Bei der Ermittlung der nachzuentrichtenden Beiträge und Säumniszuschläge hatte die Beklagte auf der Grundlage einer sog. Netto-Brutto-Hochrechnung (vgl. wegen der Einzelheiten die entsprechenden Anlagen zum Bescheid vom 3. Dezember 2021) ausgehend von einem sog. illegalen Beschäftigungsverhältnis die tatsächlichen vom Kläger an den Beigeladenen für dessen Fahrleistungen erbrachten Entgeltzahlungen hochgerechnet.

Mit der am 18. Januar 2023 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass sowohl der Beigeladene als auch er selbst und die beauftragte Steuerberaterin davon ausgegangen seien, dass der Beigeladene selbständig sei, da er weitere Auftraggeber gehabt habe. Deshalb habe man auch kein Clearing-Verfahren angestoßen. Er habe den Sachverhalt beiläufig mit der Steuerberaterin besprochen. Der Beigeladene sei in seinen Betrieb nicht eingegliedert gewesen. Er hätte den Beigeladenen sehr gern angestellt, das habe dieser aber nicht gewollt.

Das Sozialgericht hat den Kläger und den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung gehört sowie die Zeugen Q., R. und S. gehört. Letztere konnten nur von einer ganz vereinzelten Tätigkeit für den Beigeladenen berichten.

Mit Urteil vom 7. Mai 2024, der Beklagten zugestellt am 14. Mai 2024, hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid unter Abweisung der Klage im Übrigen lediglich hinsichtlich der Festsetzung von Säumniszuschlägen aufgehoben.

Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass nach dem Ergebnis des Verfahrens die Beklagte in der Sache zutreffend die Tätigkeit des Beigeladenen für den Kläger als abhängige Beschäftigung eingestuft habe. Einzelne für eine selbständige Tätigkeit sprechende Indizien müssten in der gebotenen Gesamtbewertung hinter den für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkten zurücktreten. Insbesondere habe der Beigeladene seine Tätigkeit als Fahrer für den Kläger ganz überwiegend persönlich mit den Firmenfahrzeugen des Klägers ausgeführt.

Zu Unrecht habe die Beklagte allerdings auch Säumniszuschläge festgesetzt. Auf die rückwirkende Erhebung von Säumniszuschlägen sei nach § 24 Abs. 2 SGB IV zu verzichten, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Sowohl der Kläger als auch der Beigeladene hätten deutlich gemacht, dass sie durchgehend von einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen ausgegangen seien und dass sie sich diesbezüglich auch bei ihrer gemeinsamen Steuerberaterin erkundigt hätten, die ebenfalls keine Veranlassung für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung gesehen habe.

Ein „zumindest für möglich halten“, wie es der bedingte Vorsatz erfordert, könne damit subjektiv nicht angenommen werden. Zwar hätte ohne weiteres die Möglichkeit eines Clearing-Verfahrens bestanden; dies setze aber voraus, dass gedanklich zumindest die Möglichkeit einer abhängigen Beschäftigung gesehen werde, was bei den Beteiligten nicht der Fall gewesen sei. Hinzu komme, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen fließend - wenngleich durchaus in einem überschaubaren Zeitraum - von einer selbständigen Tätigkeit zu einer abhängigen Beschäftigung entwickelt habe und letztlich durch die vorzunehmende Gesamtabwägung Rechtssicherheit auch erst durch eine Einzelfallentscheidung hergestellt werden könne, auch wenn diese im vorliegenden Fall nicht mit der Einschätzung des Klägers und des Beigeladenen übereingestimmt hat.

Mit ihrer am 4. Juni 2024 gegen die Teilaufhebung des zur Überprüfung gestellten Bescheides eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, dass der Kläger festangestellte Mitarbeiter beschäftigt habe, welche die gleiche Tätigkeit wie der Beigeladene ausgeübt hätten. Aus diesem Grund seien Zweifel an der Versicherungsfreiheit angebracht gewesen.

Auch ein Steuerberater habe die Möglichkeit, eine Entscheidung der Einzugsstelle gem. § 28h Abs. 2 SGB IV über eine Versicherungspflicht herbeizuführen. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall unterblieben.

Auf die Ausnahmevorschrift des § 24 Abs. 2 SGB IV könne sich der Kläger nicht berufen. Ein Verschulden auf Seiten der Abrechnungsstelle müsse sich der Arbeitgeber als Beitragsschuldner gem. § 278 BGB zurechnen lassen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.03.2009, Az.: L 16 R 49/08).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 07. Mai 2024 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

           die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Von seiner Seite, so hebt der Kläger hervor, sei umfassend ausgeführt worden, welche Umstände und berechtigten Annahmen dazu führten, dass er begründet von einer Selbstständigkeit des Beigeladenen ausgegangen sei und auch habe ausgehen dürfen und dass ein etwaiges Risiko einer im Raume stehenden Scheinselbstständigkeit ausgeschlossen worden sei.

Er sei ohne einen ihm anzulastenden Zweifel davon ausgegangen, dass der Beigeladene selbstständiger Unternehmer gewesen sei, so dass gerade keine Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten werden sollten. Die mit der Beauftragung des Beigeladenen „verbundenen Kosten“ seien „um ein Vielfaches“ höher gewesen als bei den in seinem Unternehmen abhängig beschäftigten Fahrern. Ein vollzeitig in seinem Unternehmen beschäftigter angestellter Kraftfahrer habe monatlich einen Bruttolohn in Höhe von durchschnittlich 2.200,00 EUR bis 2.500,00 EUR erhalten (vgl. Berufungserwiderung vom 15. August 2024; vgl. auch die davon teilweise abweichenden Angaben im Schriftsatz vom 7. November 2024).

Für die bei ihm fest angestellten Fahrer habe er stets „in absoluter Regelmäßigkeit“ alle geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Die von Seiten des Beigeladenen monatlich erstellten Rechnungen für die für das Unternehmen des Klägers erbrachten Fahrleistungen hätten sich auf deutlich über 3.000,00 EUR inkl. gesetzlicher Mehrwertsteuer belaufen. Die monatlichen Belastungen seien folglich für den Kläger Monat für Monat deutlich höher gewesen, als wenn er den Beigeladenen als angestellten Arbeitnehmer beschäftigt und eingesetzt hätte. Bereits diese Tatsache widerspreche der Annahme auch nur bedingten Vorsatzes oder etwaiger Fahrlässigkeit.

Er habe „proaktiv abgeklärt“, dass er nicht der einzige Auftraggeber des Beigeladenen gewesen sei und dass insbesondere keine wirtschaftliche und / oder persönliche Abhängigkeit anzunehmen gewesen sei. Auch die Vernehmung seiner Steuerberaterin T. durch das Hauptzollamt P. am 05. Oktober 2021 habe im Ergebnis seine Gutgläubigkeit bestätigt.

Es handele sich im vorliegenden Fall gerade nicht um einen der typischen Fälle, in denen ein Unternehmer zur Optimierung reduzierter Betriebsausgaben oder mit dem Ziel einzusparender Sozialversicherungsbeiträge auf die Idee verfallen sei, Selbstständigkeit einer für seine betrieblichen Belange in Anspruch genommenen Person zu konstruieren. Vielmehr sei der Beigeladene als ein „anfänglich tatsächlich Selbstständiger“ zunächst auch völlig unkritisch und von niemanden infrage gestellt als selbständiger Unternehmer für den Kläger tätig geworden. Nur aufgrund zunehmender Häufigkeit zunächst gelegentlicher und dann regelmäßiger Beauftragung sei ein im Verhältnis überwiegender Teil der Tätigkeit des Beigeladenen im Auftrag des klägerischen Unternehmens entstanden, aus dem sich überhaupt die Annahme einer Scheinselbstständigkeit ergeben konnte.

Auch die Voraussetzungen des § 166 BGB lägen nicht vor. Es sei nicht erkennbar, warum die Steuerberaterin bereits zu Beginn des Prüfungszeitraums in tatsächlicher Hinsicht Kenntnis davon gehabt haben sollte, dass bezogen auf den Beigeladenen Scheinselbstständigkeit anzunehmen gewesen sein dürfte.

Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung durch den Senatsvorsitzenden im Erörterungstermin hat der Kläger insbesondere erläutert, dass der Beigeladene ganz überwiegend die von seiner Seite erteilten Fahraufträge mit Firmenfahrzeugen des Klägers erledigt habe, so dass er dementsprechend nur die reine Fahrtätigkeit als seine persönliche Arbeitsleistung erbracht habe. Der Beigeladene habe sog. Tagessätze von 140,- Euro in Rechnung gestellt. Später seien es zeitweilig dann auch 180,- Euro gewesen. Die Dauer eines damit abgegoltenen Tageseinsatzes habe etwa sechs bis sieben Stunden betragen.

Er habe sich mit dem Beigeladenen immer über die einzelnen Touren verständigt. Einige Tage vorher habe er mit ihm abgesprochen, ob dieser für die in Betracht kommende Tour die erforderliche Zeit habe. Mitunter habe der Beigeladene auch vorgefühlt, ob der Kläger auf seine Mitarbeit an einem zunächst abgesprochenen Einsatztag verzichten und die betroffene Tour entweder selbst fahren oder durch einen anderen Fahrer erledigen lasse könne. Das sei aus seiner Sicht ganz normales Geschäftsgebaren, wie es unter Geschäftsleuten üblich sei.

Der Beigeladene sei ihm gegenüber immer als Selbständiger aufgetreten. Er habe das Ziel verfolgt, weiter zu expandieren und weitere Lastkraftwagen für sein eigenes Unternehmen zu erwerben. Von daher habe sich aus seiner Sicht gar nicht die Frage gestellt, ob der Beigeladene möglicherweise auch Arbeitnehmer gewesen sei.

Der Begriff der Scheinselbständigkeit begleite schon seit längerem seine berufliche Tätigkeit. Vor etwa 15 bis 20 Jahren habe er der Diskussion entnommen, dass ein „Arbeitsdienstleister" mindestens zwei bis drei Kunden benötige, um hinsichtlich einer Scheinselbständigkeit gewissermaßen nicht in der Gefahrenzone zu sein.

Gerade auch im Hinblick auf die damit verbundene bessere soziale Absicherung habe er den Beigeladenen ausdrücklich danach gefragt, ob dieser an einer Anstellung als Fahrer interessiert sei. Eine solche Anstellung sei aus seiner eigenen Sicht in seinem Unternehmen durchaus in Betracht gekommen. Der Beigeladene habe dies aber abgelehnt, da er weiterhin selbständig tätig sein wollte.

In diesem Zusammenhang habe er auch einmal seine Steuerberaterin beiläufig auf den Einsatz des Beigeladenen angesprochen. Diese habe ihm erklärt, dass aus ihrer Sicht keine Probleme mit der Sozialversicherung zu befürchten seien.

Zu einem späteren Zeitpunkt habe ihn der Beigeladene dann gefragt, ob er ihm einen geeigneten Steuerberater empfehlen könne, nachdem er offenbar Probleme mit seinem vormaligen Steuerberaterbüro hatte. Er habe ihm seinerzeit seine eigene Steuerberaterin, die Zeugin U., vorgeschlagen.

Der Senat hat ferner durch seinen Vorsitzenden die Steuerberaterin U. als Zeugin gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vernehmungsprotokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

Im vorliegenden Fall ist die Beitragspflicht des Klägers als Arbeitgeber des Beigeladenen für den Prüfzeitraum Februar 2015 bis Juli 2019 bereits geklärt. Insoweit hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 3. Dezember 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2022 abgewiesen. Nachdem der Kläger von einer Berufung Abstand genommen hat, sind die entsprechenden Beitragsfestsetzungen in Bestandskraft erwachsen.

Zu überprüfen ist mithin im vorliegenden Berufungsverfahren auf die Berufung der Beklagten gegen den entsprechenden erstinstanzlichen Teilerfolg des Klägers allein die Frage, ob und ggfs. in welcher Höhe der Kläger zusätzlich zu den insgesamt in Höhe von insgesamt 122.690,09 € festgesetzten Beiträgen weitere 60.687,50 € als Säumniszuschläge zu zahlen hat.

Nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens bedarf es einer differenzierten Betrachtung der von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Säumniszuschläge: Diese sind rechtmäßig erhoben worden, soweit sie auf die Nichtabführung der nach Maßgabe der tatsächlich erbrachten Entgeltzahlungen von Seiten des Klägers als Arbeitgeber abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge zurückzuführen sind. Dies betrifft einen Teilbetrag in Höhe von 32.300 € der festgesetzten Säumniszuschläge (vgl. wegen der Einzelheiten der Berechnung die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15. Januar 2025 vorgelegte Aufstellung).

Demgegenüber fehlt die erforderliche Rechtsgrundlage, soweit die Beklagte in Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht nur die tatsächlich erbrachten Entgeltzahlungen, sondern darüber hinaus auch zusätzliche Beträge im Rahmen der sog. Netto-Brutto-Hochrechnung als beitragspflichtiges Einkommen der Beitragsberechnung zugrunde gelegt hat. Bezogen auf diese zusätzlich festgesetzten Beitragszahlungen schuldet der Kläger nach den gesetzlichen Vorgaben keine Säumniszuschläge.

Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (Abs. 2).

Die mit der Erhebung von Säumniszuschlägen angestrebte Drucksituation bleibt nach der Einschätzung des BSG „unspezifisch“ und ist nicht zur Durchsetzung der rechtzeitigen Zahlung im Einzelfall geeignet, wenn der Zahlungspflichtige keinen hinreichenden Anhaltspunkt für seine Beitragsschuld hat (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 12 R 15/18 R –, Rn. 17, juris).

Dementsprechend setzt ein Verschulden im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV – ebenso wie bei § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV – voraus, dass dem Arbeitgeber wenigstens bedingter Vorsatz vorzuwerfen ist (BSG Urteil vom 12.12.2018 - B 12 R 15/18 R - BSGE 127, 125; Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 R 7/20 R –, Rn. 28, juris; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 – L 2 BA 39/18 –, Rn. 176, juris). Erst mindestens bedingter Vorsatz schließt die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht aus (BSG, Urteil vom 04. September 2018 – B 12 KR 11/17 R –, BSGE 126, 235-244, SozR 4-2400 § 7a Nr 10, Rn. 26). Der betroffene Arbeitgeber muss im Sinne eines jedenfalls bedingten Vorsatzes seine Zahlungspflicht zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen (BSG, U.v. 12. Dezember 2018, aaO, Rn. 17).

Das Wissenselement des bedingten Vorsatzes ist nicht erst dann gegeben, wenn der Täter „zwangsläufig” mit dem Eintritt des Erfolges rechnet. Vielmehr handelt er bereits dann mit bedingtem Vorsatz, wenn er den Erfolgseintritt als (nur) möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (BGH, Urteil vom 30. 8. 2006 - 2 StR 198/06 - NStZ-RR 2007, 43).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist – zunächst bezogen auf Handlungsdelikte - das Willenselement des bedingten Vorsatzes gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Erfolges billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der maßgebliche Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Urteil vom 18. 10. 2007 - 3 StR 226/07 - NStZ 2008, 93, bezogen auf einen Tötungsvorsatz).

Schon im Ausgangspunkt ist damit klarzustellen, dass das sog. voluntative Vorsatzelement keine Billigung im Sinne einer subjektiven Wertschätzung des jeweiligen Taterfolges und noch weniger im Sinne einer rechtspolitischen Befürwortung der maßgeblichen rechtlichen Vorgaben zum Ausdruck bringen soll. Der Umstand, dass ein Arbeitgeber es beispielsweise rechtspolitisch für verfehlt erachten mag, bestimmte Ausprägungen einer abhängigen Beschäftigung der Beitragspflicht zu unterwerfen, steht als solcher der Annahme einer sog. billigenden Inkaufnahme der Möglichkeit einer Missachtung einer von der Rechtsordnung geforderten Anmelde- und Beitragspflicht nicht entgegen. Es genügt auch ein „Sich-Abfinden“ mit der Tatbestandsverwirklichung BGH, B.v. 20.11.1986 - 4 StR 633/86 NStZ 1987, 362); dabei kann sich der Täter auch mit einem an sich unerwünschten Erfolg im Sinne des voluntativen Vorsatzelements „abfinden“ (BGH, U.v. 18. 10. 2007 - 3 StR 226/07 NStZ 2008, 93; vgl. auch BGH, U.v. 08. September 2011 – 1 StR 38/11NStZ 2012, 160: Ob der Täter will, dass ein Steueranspruch besteht, ist für den Hinterziehungsvorsatz bedeutungslos).

Bei der Konkretisierung der erläuterten Grundsätze im Beitragsrecht ist weiter zu berücksichtigen, dass bei einer sog. Beitragshinterziehung dem Beitragsschuldner keine aktive Tathandlung, sondern ein Unterlassen zur Last gelegt wird. Er hat in Fallgestaltungen der vorliegenden Art versäumt, die gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung und damit korrespondierend die Entrichtung entsprechender Beiträge vorzunehmen. Im Strafrecht wird für einen Vorsatz bei Unterlassungsdelikten im Ausgangspunkt gefordert, dass der Unterlassende zu dem Zeitpunkt, zu dem er handeln sollte, die Gefahr für das Rechtsgutssubjekt sowie die Umstände kennt, die seine Garantenpflicht begründet. Hinzukommen muss für den Vorsatz die individuelle Möglichkeit des Täters, zur Abwehr der Gefahr tätig zu werden, die Erwartung oder mindestens die Erkenntnis der konkreten Möglichkeit des Erfolgseintritts sowie die Abhängigkeit des Erfolgseintritts davon, dass der Täter die ihm gebotene und mögliche Handlung nicht vornimmt (BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 1 StR 160/18StV 2018, 736).

Bezeichnenderweise genügt es nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung für die Annahme eines Vorsatzes bei Steuerhinterziehungsdelikten (bei denen es sich ebenfalls um Unterlassungsstraftaten handelt), dass der Täter es für möglich hält, dass er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dass durch sein Verhalten Steuern verkürzt werden. Weitergehende Einschränkungen der Annahme eines Eventualvorsatzes ergeben sich diesbezüglich nach Auffassung des BGH insbesondere auch nicht aus der voluntativen Seite des Vorsatzes (BGH, Urteil vom 08. September 2011 – 1 StR 38/11NStZ 2012, 160, Rn. 26). Für einen bedingten Vorsatz reicht es bereits aus, dass sich der Täter mit den Taterfolgen im Sinne der Nichtzahlung geschuldeter Steuern zumindest „abfand“, um sich etwa dem operativen Geschäft widmen zu können, mögen diese Erfolge ihm auch unerwünscht gewesen sein (BGH, B.v. 10. Januar 2023 – 1 StR 333/22 –, Rn. 2, juris)

Diese Rechtsprechung läuft im Ergebnis auf einen Verzicht auf ein voluntatives Element für die Vorsatzfeststellung bei Unterlassungsdelikten insbesondere in Form von Steuerhinterziehungen hinaus, wobei Beitragshinterziehungen vergleichbare Grundstrukturen aufweisen.

Damit konzentriert sich die Vorsatzfrage im Ergebnis regelmäßig auf die Prüfung der subjektiven Erkenntnis der konkreten Möglichkeit des Erfolgseintritts. Eine solche Erkenntnis fehlt im Ergebnis, wenn der Betroffene ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der maßgebliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. 10. 2007, aaO). Ein Vertrauen auf den Nichteintritt eines Erfolges beinhaltet im vorliegenden Zusammenhang ein Vertrauen darauf, dass die Heranziehung einer Arbeitskraft von den gesetzlichen Beitragspflichten nicht erfasst wird, so dass weder eine entsprechende Anmeldung des Erwerbstätigen zur Sozialversicherung noch eine Abführung von Beiträgen durch den Arbeitgeber von Gesetzes wegen gefordert wird.

Für die Rechtsanwendung im Einzelfall ist es in diesem Zusammenhang nicht ausschlaggebend, ob das ernsthafte – nicht nur vage – Vertrauen auf den Nichteintritt des maßgeblichen Erfolges (also in Fallgestaltungen der vorliegenden Art auf die Nichterfassung der Heranziehung der Arbeitskraft von dem Pflichtbeitragstatbestand der abhängigen Beschäftigung) dogmatisch als Bestandteil des kognitiven Vorsatzelementes oder als Ausdruck eines eigenständigen voluntativen Vorsatzelementes zu verstehen ist (vgl. zum Vorstehenden auch Senatsurteil vom 19. Dezember 2018, aaO).

§ 24 Abs. 2 SGB IV sieht eine Exkulpation des Zahlungspflichtigen vor, "soweit" er eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht glaubhaft macht. Damit kann eine unverschuldete Unkenntnis auch lediglich hinsichtlich eines Teils der Beitragsschuld – wie etwa in zeitlicher Hinsicht - bestehen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018, aaO, Rn. 21).

Für die unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht trägt der Arbeitgeber die objektive Beweislast. § 24 Abs. 2 SGB IV ist als Ausnahme von der Erhebung von Säumniszuschlägen ausgestaltet, so dass derjenige beweispflichtig ist, der sich auf die rechtsbegründenden Tatsachen der Ausnahme beruft (vgl BSG, Urteil vom 2.12.2008 - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 30 ff). Dabei genügt der abgesenkte Beweisgrad der Glaubhaftmachung (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018, aaO, Rn. 25).

Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung kann im Rahmen bedingten Vorsatzes vorwerfbar sein, wenn ein Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen (vgl BSG, Urteil vom 9.11.2011 - B 12 R 18/09 R - BSGE 109, 254 = SozR 4-2400 § 14 Nr 13, RdNr 33; BSG, Urteil vom 24.3.2016 - B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 29, RdNr 35). Allerdings darf nicht das gesamte Risiko der Einordnung komplexer sozialversicherungsrechtlicher Wertungsfragen den Arbeitgebern überantwortet werden, so dass sich Schematisierungen verbieten. Es bedarf deshalb der individuellen Überprüfung des bedingten Vorsatzes unter sorgfältiger Beweiswürdigung im Einzelfall (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018, aaO, Rn. 24).

a) Soweit die Beklagte Säumniszuschläge aufgrund der Nichtabführung der nach Maßgabe der tatsächlich erbrachten Entgeltzahlungen von Seiten des Klägers als Arbeitgeber abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge festgesetzt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Auch in der gebotenen Gesamtwürdigung sieht der Senat keine verlässliche Grundlage, um sich auch nur im Sinne einer Glaubhaftmachung davon überzeugen können, dass der Kläger nicht einmal mit bedingtem Vorsatz die Möglichkeit gesehen hat, dass er zur Abführung dieser Beiträge nach Maßgabe der tatsächlich an den Beigeladenen für seine Fahrertätigkeiten erbrachten Entgeltzahlungen rechtlich verpflichtet war.

Der Kläger verfügte bereits bei Beginn des streitbetroffenen Nacherhebungszeitraums über langjährige Erfahrungen als selbständiger Fuhrunternehmer. Andere in seinem Betrieb eingesetzte Fahrer waren auch aus seiner Sicht abhängig beschäftigt. Für diese hat er regelmäßig die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Im Ausgangspunkt war er mit der ihm als Arbeitgeber obliegenden Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen für die in seinem Unternehmen beschäftigten Fahrer bestens vertraut.

Nach eigenem Bekunden kannte der Kläger auch schon viele Jahre vor dem streitbetroffenen Nacherhebungszeitraum die Problematik der Scheinselbständigkeit. Ihm war auch persönlich bewusst, dass es im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht ausreichen kann, eine Selbständigkeit einer eingesetzten Arbeitskraft lediglich verbal zu konstruieren, sondern dass es einer inhaltlichen Prüfung bedarf, ob der Betroffene nach den sozialrechtlichen Maßstäben unternehmerisch tätig ist oder aber schwerpunktmäßig wie ein abhängig beschäftigter Mitarbeiter eingesetzt wird.

Als langjährig erfahrenem Unternehmer kann dem Kläger bei lebensnaher Betrachtung auch nicht verborgen geblieben sein, dass eine Person mit Teilen der Arbeitskraft eine selbständige Tätigkeit ausüben und in demselben Zeitraum auch einer (etwa Teilzeit‑)Beschäftigtung als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer nachgehen kann.

Dem Kläger stand ebenfalls natürlich klar vor Augen, dass der Beigeladene (abgesehen von vereinzelten anfänglichen Ausnahmen) die Fahraufträge für das klägerische Unternehmen mit Firmenlastkraftwagen des Klägers verrichtete und dass mithin der eigene Beitrag des Beigeladenen (abgesehen von anfänglichen vereinzelten Ausnahmen) allein in der höchstpersönlichen Erbringung der maßgeblichen Arbeitsleistungen als Fahrer bestand. Die für die Auftragserledigung erforderliche Bereitstellung von Kapital insbesondere in Form des kapitalintensiven Lastkraftfahrzeuges oblag demgegenüber dem Kläger.

Bei dieser Ausgangslage kann dem Kläger im Rahmen der insoweit maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre bei lebensnaher Betrachtung nicht verborgen geblieben sein, dass zumindest die Möglichkeit bestand, dass nach den rechtlichen Vorgaben die Heranziehung des Beigeladenen im Rahmen einer abhängigen und damit beitragspflichtigen Beschäftigung erfolgte.

Dem Kläger als erfahrenem Unternehmer musste auch klar vor Augen stehen, dass es bei der beschriebenen ihm bekannten Ausgangslage einer ernsthaften und sorgfältigen Prüfung bedurfte, um eine eventuell fehlende Versicherungspflicht näher einschätzen zu können. Es mag sein, dass dem Kläger das spezifische Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Statusfeststellungsverfahren nicht genau bekannt war. Ihm muss aber klar gewesen sein, dass in Zweifelsfällen Nachfragen jedenfalls bei einem der betroffenen – fachkundigen –Sozialversicherungsträger in Betracht zu ziehen waren, wenn eine ernsthafte Abklärung gewünscht war. Davon hat er aber abgesehen.

Die von ihm berichteten Rücksprachen bei seiner Steuerberaterin haben schon im Ausgangspunkt nicht das Stadium einer ernsthaften Prüfung des konkreten Sachverhalts erreichen können. Der Kläger selbst legt dar, dass er die Steuerberaterin nur „beiläufig“ auf das Thema angesprochen habe. Es ist nicht einmal erkennbar, dass er dieser bei dem „beiläufigen“ Gespräch auch nur den konkreten Sachverhalt detailliert erläutert hat. Nach den glaubhaften Erinnerungen der Steuerberaterin ist das Gespräch sogar losgelöst von einer Heranziehung konkreter Arbeitskräfte wie etwa des Beigeladenen geführt worden.

Eine entsprechende nach den einleuchtenden Erinnerungen der Steuerberaterin auf die die allgemeine Frage der Scheinselbständigkeit ausgerichtete Nachfrage beinhaltete gerade keine ernsthafte Prüfung der konkreten Heranziehung des Beigeladenen, welcher über Jahre hinweg Arbeitsleistungen als Fahrer auf Fahrzeugen des Klägers in ganz erheblichem Umfang erbracht hatte. Dies muss auch der Kläger erkannt haben.

Es mag sein, dass die Steuerberaterin im Rahmen des „beiläufig“ geführten Gesprächs (rechtsirrtümlich, vgl. etwa BSG, Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 17/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 63 RdNr. 19) angedeutet haben mag, dass eine Heranziehung auf der Grundlage von Einzelaufträgen eher gegen ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis spreche. Auch dem Kläger war aber klar, dass entsprechende beiläufige Äußerungen keine ernsthafte und verlässliche Prüfung der konkreten intensiven Heranziehung der Arbeitskraft des Beigeladenen beinhalten konnten.

Insbesondere hat der Kläger nichts dafür nachvollziehbar aufgezeigt, dass die Ausführungen der Zeugin ihm im Rahmen der von ihm angeführten „beiläufigen“ Nachfrage den Eindruck einer ernsthaften Prüfung der betroffenen komplexen Rechtsfragen vermitteln konnten.

Bezeichnenderweise ist die Zeugin bei ihrer Vernehmung im Erörterungstermin auch gefragt worden, worauf sie ihre rechtliche Einschätzung stütze, dass bei einer Auftragsvergabe im Rahmen von Einzelaufträgen keine Sozialversicherungspflicht begründet werde. Sie hat sich daraufhin auf folgende Einlassung zurückgezogen: „Das kann ich so eigentlich gar nicht sagen. Das ist eine sozialversicherungsrechtliche Frage, in die ich mich erst einarbeiten müsste.“ Auch vor diesem Hintergrund ist nichts dafür erkennbar, dass sie gegenüber dem Kläger im Rahmen der „beiläufigen“ Rückfrage den Eindruck einer ernsthaften inhaltlichen Prüfung der rechtlichen Vorgaben vermittelt hat.

b) Der Senat vermag jedoch nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens den erforderlichen (jedenfalls bedingten) Vorsatz auf Seiten des Klägers nicht festzustellen, soweit Säumniszuschläge nicht nur für die nicht fristgerechte Abführung der nach Maßgabe der tatsächlich erbrachten Entgeltzahlungen geschuldeten Beiträge, sondern darüber hinaus auch für die nicht fristgerechte Abführung der zusätzlichen Beträge erhoben worden sind, welche die Beklagte  unter Heranziehung fiktiver weiterer Entgeltzahlungen im Rahmen der sog. Netto-Brutto-Hochrechnung als weiteres beitragspflichtiges Einkommen der Beitragsberechnung zugrunde gelegt hat. Soweit die Beklagte solche weiteren Säumniszuschläge für die nicht fristgerechte Abführung der zusätzlichen Beträge erhoben hat, welche sie erst unter Heranziehung fiktiver weiterer Entgeltzahlungen im Rahmen der sog. Netto-Brutto-Hochrechnung als weiteres beitragspflichtiges Einkommen der Beitragsberechnung zugrunde gelegt hat, hat der Kläger glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV keine Kenntnis von dieser (zusätzlichen) Zahlungspflicht hatte.

Angesichts des erläuterten begrenzten Streitgegenstandes im vorliegenden Berufungsverfahren ist nicht der Frage nachzugehen, ob die Beklagte im vorliegenden Fall in Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV zu Recht eine entsprechende Netto-Brutto-Hochrechnung vorgenommen hat. Auch insoweit ist vielmehr der angefochtene Bescheid aufgrund des auch diesbezüglich die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils in Bestandskraft erwachsen.

Zu prüfen ist hingegen, ob auch bezogen auf diesen Teil der Beitragsfestsetzungen die weiteren Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SGB IV für eine Festsetzung von Säumniszuschlägen vorliegen und ob insbesondere auch bezüglich dieses Teils der Beitragsforderungen ein Verschulden im Sinne dieser Vorschrift und im Sinne der erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung in Form eines zumindest bedingten Vorsatzes zu erkennen ist.

Das BSG hat, wie bereits angeführt, klargestellt, dass eine differenzierte Beurteilung des (fehlenden) Verschuldens im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV geboten sein kann, wie dies auch der Gesetzgeber mit der Formulierung „soweit“ zum Ausdruck gebracht hat. Insoweit kommen nicht nur in zeitlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht Differenzierungen in Betracht.

Das BSG lässt sich im Ausgangspunkt von dem Ansatz leiten, dass der Gesetzgeber mit der Erhebung von Säumniszuschlägen eine „Drucksituation“ für die Zahlungspflichtigen anstrebe. Eine solche stelle sich als nur unzureichend spezifisch dar, wenn (und soweit) der Zahlungspflichtige keinen hinreichenden Anhaltspunkt für seine Beitragsschuld habe. In solchen Ausprägungen sei eine Erhebung von Säumniszuschlägen nicht zur Durchsetzung der rechtzeitigen Zahlung im Einzelfall hinreichend geeignet (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2018 – B 12 R 15/18 R –, Rn. 17, juris).

Insbesondere bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und die Beitragspflicht in komplizierten Vorschriften geregelt sind und inhaltlich nicht voll deckungsgleich sind, muss das Vorliegen eines Vorsatzes nach der Rechtsprechung des BSG besonders eingehend geprüft und festgestellt werden, da Fehler bei der Beitragsentrichtung in diesen Fällen nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R –, BSGE 120, 209, Rn. 65).

Dieser Ansatz ist bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen in Bezug auf Beitragspflichten, die nicht an das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt, sondern lediglich an nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 SGB IV hochgerechnete fiktive Entgeltzahlungen anknüpfen, entsprechend heranzuziehen. Die Einzelheiten einer solchen Hochrechnung und deren maßgebliche Voraussetzungen sind sehr komplex ausgestaltet, wobei es keine konkreten Parallelen zum Steuerrecht gibt.

Schon objektivrechtlich sind die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen in Bezug auf die im realen Wirtschaftsleben in Betracht zu ziehenden durchaus unterschiedlichen Ausprägungen einer Missachtung „zentraler arbeitgeberbezogenen Pflichten“ als Merkmal für ein illegales Beschäftigungsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift (BSG, Urteil vom 9. November 2011 – B 12 R 18/09 R – aaO) noch gar nicht umfassend höchstrichterlich geklärt. Bei der gewissermaßen klassischen Form der Schwarzarbeit soll die Heranziehung der Arbeitskraft den Finanzbehörden und Sozialleistungsträgern insgesamt verborgen bleiben, so dass nach dem gewollten Ablauf die eingesetzte Arbeitskraft die als Entlohnung gewährten Zuwendungen ohne Abzüge in voller Höhe behalten soll. Daneben finden sich aber auch vielgestaltige Erscheinungsformen, bei denen der Einsatz der Arbeitskraft durchaus im Ausgangspunkt aktenkundig dokumentiert wird, allerdings den daran anknüpfenden Lohnsteuer- und Beitragsabführungspflichten nicht oder jedenfalls nicht vollständig Rechnung getragen wird. In solchen Fällen verbleibt zwar regelmäßig eine maßgebliche (Teil-)Missachtung zentraler arbeitgeberbezogenen Pflichten, das Ausmaß des Schadens und daran anknüpfend auch des Verschuldens ist jedoch vielfach spürbar geringer als bei klassischen Ausprägungen von Schwarzarbeit.

Höchstrichterlich geklärt ist bislang die Konstellation, dass der Arbeitgeber nur einen Teil des tatsächlichen Entgelts der Meldung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sowie den Lohnsteuerzahlungen zugrundelegt und den weiteren Betrag heimlich auszahlt. In solchen Fällen ist lediglich der Schwarzlohnanteil isoliert auf einen Bruttolohn hochzurechnen und dem gemeldeten Teil der Lohnsumme hinzurechnen, damit anschließend von dem insgesamt ermittelten Bruttolohn der gemeldete Bruttolohn wieder abgezogen werden kann (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2016 – 1 StR 185/16 –, Rn. 24 - 25, juris).

In Fällen der vorliegenden Art wird ebenfalls nicht das volle Ausmaß des Verschuldens wie bei klassischer Schwarzarbeit erreicht. Der Kläger hat den Beigeladenen – wie ausgeführt: bedingt vorsätzlich – als Subunternehmer behandelt, obwohl er diesen im Ergebnis als Beschäftigten eingesetzt hat. Dementsprechend hat er als Arbeitgeber für den Beigeladenen keine Beiträge zur Sozialversicherung (und keine Lohnsteuern) abgeführt. Die tatsächliche Heranziehung des Beigeladenen hat er allerdings nicht – wie bei klassischer Schwarzarbeit – verheimlicht, sondern gerade (natürlich auch im eigenen Interesse der Vermeidung einer steuerrechtlich nachteiligen Nichterfassung von betriebsbedingten Ausgaben) aktenkundig gemacht. Er hat von dem Beigeladenen Abrechnungen für die erbrachten Leistungen gefordert, welche er als Betriebsausgaben im Rahmen der Buchführung erfasst und dokumentiert hat. Damit hat er sehenden Auges dafür Sorge getragen, dass diese Vorgänge bei nachfolgenden Betriebsprüfungen der Sozialversicherungsträger und/oder Steuerbehörden behördlich überprüft werden konnten.

Auch im vorliegenden Fall hat gerade dieses Vorgehen der Beklagten die Aufdeckung der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ermöglicht. Ohne die Erfassung des Einsatzes des Beigeladenen in der klägerischen Buchführung wäre dessen Heranziehung den Prüfern der Beklagten angesichts deren in der Verwaltungspraxis regelmäßig nur sehr begrenzten Erkenntnismöglichkeiten voraussichtlich verborgen geblieben.

Da zugleich auch dem Beigeladenen natürlich bewusst war, dass der Kläger die von ihm ausgestellten Rechnungen zu dessen Buchführung nehmen werde und diese damit der behördlichen Kontrolle bei Betriebsprüfungen offenstanden, war das vereinbarte Geschäftsmodell im Ausgangspunkt ernsthaft darauf ausgerichtet, dass der (in Deutschland wohnende) Beigeladene seinerseits die erhaltenen Entgeltzahlungen (auf der Basis der formal vereinbarten Subunternehmertätigkeit) versteuern musste und werde. Im vorliegenden Fall wird dieser übereinstimmende Ansatz des Klägers und des Beigeladenen noch dadurch zusätzlich verdeutlicht, dass der Beigeladene den Kläger um Rat hinsichtlich der Auswahl des Steuerberaters zur Vorbereitung insbesondere der auf der erläuterten einvernehmlichen Basis von seiner Seite vorzunehmenden Steuererklärungen gebeten hat. Überdies hat sich der Kläger, wie sowohl von ihm als auch von der als Zeugin gehörten Steuerberaterin erläutert worden ist, nachfolgend auch noch vergewissert, dass tatsächlich die entsprechende steuerrechtliche Aufarbeitung der Einkünfte des Beigeladenen erfolgt ist. Inwieweit alle in diesem Zusammenhang dem Kläger von Seiten der Steuerberaterin erteilten Auskünfte in Angelegenheiten des Beigeladenen vollumfänglich den datenschutz- und berufsrechtlichen Anforderungen Rechnung getragen haben, ist nicht von Seiten des Senates zu hinterfragen.

Damit ist in Fällen der vorliegenden Art der steuerrechtliche Schaden jedenfalls nachhaltig geringer als in Fällen klassischer insgesamt verborgen bleibender Schwarzarbeit. Inwieweit dieser Umstand objektivrechtlich zu einer Modifizierung der nach § 14 Abs. 2 SGB IV vorzunehmenden Hochrechnung führen kann, bedarf noch der höchstrichterlichen Klärung. Im Ausgangspunkt hat sich der Gesetzgeber, welcher an die Nichtzahlung von Steuern „und“ Sozialversicherungsbeiträgen anknüpft, jedenfalls schwerpunktmäßig an Fallgestaltung klassischer Schwarzarbeit orientiert. Im vorliegenden Verfahren sind diese objektivrechtlichen Voraussetzungen für die beitragsrechtliche Hochrechnung, wie bereits ausgeführt, angesichts des begrenzten Streitgegenstandes des Berufungsverfahrens nicht zu hinterfragen.

Bezogen auf den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens bringt die erläuterte objektivrechtliche Ausgangslage allerdings zugleich Gesichtspunkte für die erforderliche Gesamtwürdigung zum Ausdruck, ob im Ergebnis der erforderliche jedenfalls bedingte Vorsatz auf Seiten des Beitragsschuldners wie hier des Klägers festzustellen ist. Gerade auch angesichts der Komplexität der materiellrechtlichen Vorgaben, bedarf es der sorgfältigen Prüfung im Einzelfall, inwieweit der jeweils Betroffene Beitragsschuldner im Rahmen einer sog. Parallelwertung in der Laiensphäre über die Möglichkeit einer Heranziehung zu Beiträgen für die tatsächlich erbrachten Entgeltleistungen hinaus auch im Sinne eines zumindest bedingten Vorsatzes erkannt hat, dass er zusätzliche Beitragszahlungen für erst im Rahmen einer Hochrechnung im Sinne des § 14 Abs. 2 SGB IV zu ermittelnde fiktive Entgeltleistungen aufzubringen hat.

Eine sorgfältige Prüfung dieser Vorsatzfrage ist auch schon unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten: Das Schuldprinzip folgt aus dem Zusammenspiel von Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem wertsetzenden Gehalt des Art. 1 Abs. 1 GG: Jede Strafe, nicht nur die Strafe für kriminelles Unrecht, sondern auch die strafähnliche Sanktion für sonstiges Unrecht, setzt Schuld voraus. Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und dem Verschulden des Täters stehen. Dem Richter muss grundsätzlich die Möglichkeit belassen werden, die von ihm verhängte Strafe dem Grad des Verschuldens und der Schwere des Unrechts anzupassen, die im Einzelfall gegeben sind. Er darf nicht durch eine zu starre gesetzliche Strafandrohung gezwungen sein, eine Strafe zu verhängen, die nach seiner Überzeugung Unrecht und Schuld des Täters nicht entspräche. Insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Übermaßverbot (vgl. zum Vorstehenden: BVerfG, B.v. vom 20. Dezember 2007 – 2 BvR 1050/07 –, EuGRZ 2008, 75, Rn. 11, mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung).

Zu den strafähnlichen Sanktionen zählt auch eine nach § 14 Abs. 2 SGB IV vorzunehmende „Hochrechnung“ der tatsächlichen erbrachten Entgeltzahlungen auf ein hypothetisches Bruttoarbeitsentgelt als Beitragsbemessungsgrundlage insbesondere in den Fällen, in denen damit das vertragliche Austauschverhältnis beitragsrechtlich nicht mehr adäquat abbildet wird, so dass im Ergebnis ein „sanktionsähnlicher Charakter“ festzustellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 09. November 2011 – B 12 R 18/09 R –, BSGE 109, 254, Rn. 26).

Auch Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV stellen sich als staatliche Sanktionen dar (BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268, vgl. in diesem Sinne auch BT-Drs. 16/3100, S. 182; vgl. dazu und zum Folgenden auch Senatsurteil vom 27. Juli 2021 – L 2 BA 26/21 –, Rn. 113, juris). Nur die Zinsausgleichskomponente der Säumniszuschläge verfolgt das Ziel einer Abschöpfung des (Zins-)Gewinns. Dieses Ziel ist schon unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkt sachgerecht und weist als solches keine pönale Natur auf (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 –, BVerfGE 110, 1-33, Rn. 63). Die Strafkomponente der Säumniszuschläge geht bewusst über eine Abschöpfung des (Zins-)Gewinns hinaus und weist einen pönalen Charakter auf. Die Strafkomponente prägt jedenfalls in den zurückliegenden Jahren den überwiegenden Teil der nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV monatlich in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beiträge zu erhebenden Säumniszuschläge (vgl. auch BVerfG, B.v. 8. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14 –, BVerfGE 158, 282, Rn. 203, wonach für Verzinsungszeiträume ab 2014 auch ein Zinssatz von monatlich nur 0,5 % entsprechend § 238 Abs. 1 Satz 1 AO evident nicht mehr in der Lage ist, den Erhebungszweck von Nachzahlungszinsen realitätsgerecht abzubilden).

Dabei fordern der Schuldgrundsatz in seinen erläuterten die Strafe begrenzenden Auswirkungen und das verfassungsrechtliche Übermaßverbot nicht nur eine schuldangemessene Bemessung der jeweiligen einzelnen Strafe oder strafähnlichen Sanktion, vielmehr gebieten sie auch mit besonderer Dringlichkeit, dass sich die Gesamtheit der an dieselbe Tat anknüpfenden Strafen und strafähnlichen Sanktionen im Ergebnis als schuldangemessen darstellt. Im vorliegenden Zusammenhang lassen allerdings die mitbetroffenen sozialrechtlichen Regelungen hinsichtlich der erläuterten mit Beitragshinterziehungen verbundenen strafähnlichen Sanktionen schon im Ausgangspunkt keine konkrete Ausrichtung an dem dargelegten verfassungsrechtlichen Schuldprinzip erkennen; die gesetzlichen normierten Vorgaben für die betragsmäßige Ermittlung dieser Sanktionen nach §§ 14 Abs. 2 Satz 2, 24 SGB IV bringen keine adäquate Abbildung von schuldbemessenden Faktoren zum Ausdruck.

Dabei ist gerade bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art auch das Zusammenwirken mehrerer vom Gesetzgeber normierter strafähnlichen Sanktionen für dieselbe Tat zu berücksichtigen:

Bei sog. illegalen Beschäftigungsverhältnissen ist zunächst als Maßnahme mit „sanktionsähnlichem Charakter“ der Beitragsberechnung nicht das tatsächliche, sondern ein vielfach sehr deutlich darüber hinaus gehendes erst im Wege einer Hochrechnung ermitteltes fiktives Entgelt zugrunde zu legen. Als zweite strafähnliche Sanktion sind für die nicht fristgerecht abgeführten anfänglich geschuldeten Beitragszahlungen Säumnisschläge in einer den Zinsnachteil auf Seiten der Sozialleistungsträger nachhaltig überschreitenden Höhe zu entrichten. Und schließlich sind – in der Sache als dritte strafähnliche Sanktion – für die sich aus der Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ergebenden strafähnlich wirkenden zusätzlichen Beitragspflichten auch noch zusätzlich Säumniszuschläge zu entrichten, obwohl entsprechende zusätzliche Beitragspflichten bei ordnungsgemäßer Meldung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nie entstanden wären. Neben diesen sozialrechtlichen Sanktionen treten die von den dafür zuständigen Strafverfolgungsorganen in gesonderten Verfahren zu ermittelnden strafrechtlichen Sanktionen.

Es ist durchaus bezeichnend, dass auch im vorliegenden Fall die strafrechtliche Beurteilung zu einer ganz anderen – für den Kläger viel günstigeren – Bewertung der Schuld geführt hat als sich nach Maßgabe der vom Gesetzgeber normierten Vorgaben bei der sozialrechtlichen Bewertung ergibt. Die Strafverfolgungsorgane haben es für angemessen erachtet, das Strafverfahren nach Zahlung einer (nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers eher überschaubaren) Geldauflage in Höhe von 5.000 € nach § 153 a StPO einzustellen; die Summe der von der Beklagten nach den sozialrechtlichen Vorgaben in dem angefochtenen Bescheid verhängten strafähnlichen Sanktionen beläuft sich insgesamt auf einen Schätzbetrag von nicht weiter unterhalb von 100.000 € und erreicht damit ganz andere finanzielle Dimensionen.

Bei der beschriebenen rechtlichen Problemlage, deren Bewältigung die Möglichkeiten einer Auslegung der einfachgesetzlichen von der Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG erfassten sozialrechtlichen Vorgaben deutlich überschreitet, beinhaltet in Fallgestaltungen der vorliegenden Art eine sorgfältige Prüfung des erforderlichen spezifischen Vorsatzes auf Seiten des Beitragsschuldners auch hinsichtlich einer Hinterziehung von sich erst im Rahmen der erläuterten Hochrechnung ergebenden weiteren Beitragsschulden einen wichtigen Aspekt (aber auch nicht mehr), um ein nicht mehr hinnehmbares Auseinanderklaffen zwischen dem tatsächlichen Schuldausmaß und der sich rechnerisch ergebenden Höhe der sozialrechtlichen strafähnlichen Sanktionen zu vermeiden.

Im vorliegenden Fall sieht der Senat nach Maßgabe der gebotenen Gesamtbewertung unter Auswertung insbesondere auch des persönlichen Eindrucks vom Kläger und namentlich der Ergebnisse seiner Befragung im Erörterungstermin keinen Raum für die Feststellung eines entsprechenden Vorsatzes. Der Kläger war sicherlich im streitbetroffenen Zeitraum ein durchaus erfahrener und insbesondere mit der Problematik einer Scheinselbständigkeit nach eigenem Vortrag durchaus vertrauter Unternehmer und Arbeitgeber, weshalb ihm im Ergebnis durchaus, wie im Einzelnen bereits dargelegt, in Bezug auf die Vorenthaltung von nach den tatsächlich erbrachten Entgeltzahlungen zu erbringenden Sozialversicherungsbeiträge ein bedingter Vorsatz anzulasten ist.

Weitergehende sozialrechtliche Detailkenntnisse hatte der Kläger aber nicht. Der Senat sieht im Ergebnis keinen Anlass für eine Feststellung, dass er darüber hinaus auch im Sinne eines jedenfalls bedingten Vorsatzes die Möglichkeit gesehen hat, zu Beitragszahlungen auf der Grundlage weiteraus höherer als der tatsächlich erbrachten Entgeltzahlungen auf der Basis von deren Hochrechnung herangezogen zu werden. Nach Überzeugung des Senates hat der Kläger im Rahmen der ihm allein möglichen Parallelwertung in der Laiensphäre nicht erkannt, dass er zusätzlich zu den schon aufgrund der tatsächlichen erbrachten Entgeltzahlungen zu erbringenden Beitragszahlungen noch weitere Beiträge anknüpfend an eine entsprechende Netto-Brutto-Hochrechnung unter Heranziehung der dabei ermittelten (fiktiven) weiteren Entgeltzahlungen abzuführen hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.

 

Rechtskraft
Aus
Saved