L 17 U 231/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 26 U 208/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 231/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 89/01 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 28. Juli 1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Hinterbliebenenleistungen (Sterbegeld und Witwenrente) sowie als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes Pflegegeldleistungen zu stehen.

Die Klägerin ist die Witwe des am ...1925 geborenen Versicherten H ... W ... (W.), der von der Beklagten seit dem 15.05.1973 (Bescheid vom 11.04.1974) Verletztenrente wegen der Berufskrankheit (BK) Asbestose mit einer als BK-Folge anerkannten Beeinträchtigung der Atem- und Kreislauffunktion durch asbestotische Lungenveränderungen bezog.

Die ursprünglich mit 20 vom Hundert (v.H.) festgesetzte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde im Laufe der Jahre auf 50 v.H. und mit Bescheid vom 23.02.1993 - gestützt auf ein Gutachten des Prof. Dr. K ..., Arzt für Innere Medizin und Pneumologie und Ärztlicher Direktor der ...klinik in E ..., vom 06.01.1993 - auf 60 v.H. ab dem 23.11.1992 erhöht.

Nachdem W. im November 1994 ein Inhaliergerät erhalten hatte und ihm am 19.12.1994 ein Sauerstoffgerät zur Verfügung gestellt worden war, wurde er am 23.01.1995 erneut durch Prof. Dr. K ... untersucht.

Am 06.05.1995 verstarb der Versicherte im J ...-Krankenhaus D ...-R ..., in das er am 28.04.1995 als Notfallpatient eingeliefert worden war.

Den Tod ihres Ehemannes teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch am 08.05.1995 mit. Laut Aktenvermerk der Beklagten von die sem Tage ergab eine telefonische Rücksprache mit dem Stationsarzt Dr. G ... vom genannten Krankenhaus, dass als Todesursache eine Gehirnembolie bescheinigt worden war. Die Klägerin erklärte sich mit einer Obduktion einverstanden, die am 08.05.1995 durch Ärzte des Instituts für Pathologie des Evangelischen Krankenhauses B ... in D ... (Chefarzt: Prof. Dr. K ...) erfolgte.

Unter dem 02.06.1995 erstattete Prof. Dr. K ... das Gutachten über die Untersuchung des W. im Januar 1995. Darin kam er zu dem Ergebnis, gegenüber der letzten Voruntersuchung im November 1992 habe sich eine deutliche Befundverschlechterung ergeben. Die bk-bedingte MdE betrage zumindest seit dem 01.10.1994 100 v.H ...

Mit dem an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des W. erteilten Bescheid vom 08.08.1995 erhöhte die Beklagte die Verletztenrente mit Wirkung vom 28.09.1994 bis zum 31.05.1995 auf 100 v.H., weil eine wesentliche Änderung der dem Bescheid vom 23.02.1993 zugrundeliegenden Verhältnisse durch Zunahme der Beeinträchtigung der Atem- und Kreislauffunktion infolge asbestotischer Lungenveränderungen eingetreten sei.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. K ... unter Berücksichtigung eines pathologisch-anatomischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. M ..., Institut für Pathologie der B ... Kliniken B ... in B ..., vom 13.11.1995 sein Gutachten am 14.12.1995. Darin führte er aus, als wesentliche Haupt- bzw. Grundleiden hätten sich

1. eine ausgeprägte allgemeine Arteriosklerose mit stenosierender Cerebralarteriensklerose, ausgedehnter Hirnerweichung, Hirnmassenblutung, stenosierender Coronarsklerose und Linksherzhypertrophie sowie

2. eine chronische Emphysembronchitis, eine fortgeschrittene Lungengerüstfibrose im Sinne einer Asbestose sowie ein Cor pulmonale gefunden.

Das erstgenannte Hauptleiden sei anlagebedingt gewesen. Die allgemeine Arteriosklerose habe in deutlicher Ausprägung bestanden. Insbesondere habe sich auch eine stenosierende Arteriosklerose der Halsgefäße sowie der Hirnbasisarterien mit nachweisbarer, nicht mehr ganz frischer Thrombose im Bereich der Arteria carotisinterna mit Übergreifen auf die Arteria cerebri media links gefunden. Auf dem Boden dieser Veränderungen sei es zu einer ausgedehnten, nicht mehr ganz frischen Erweichung nahezu der gesamten Großhirnhemisphäre gekommen. Es habe sich bereits ein deutliches Hirnödem entwickelt gehabt. Präfinal sei es schließlich zusätzlich zu einer offenbar hypertoniebedingten Hirnmassenblutung im Bereich des Hirnstammes mit Einbruch in das Ventrikelsystem gekommen. Diese Veränderungen hätten unmittelbar ein zentrales Herz- und Kreislaufregulationsversagen bedingt. Daneben hätten im Bereich des Herzens ebenfalls deutlich stenosierende coronarsklerotische Veränderungen bestanden. Bei dem zweiten Hauptleiden habe es sich um ein erworbenes Grundleiden gehandelt. Es habe bereits eine fortgeschrittene Lungengerüstfibrose im Sinne einer Asbestose, kombiniert mit einem - teils anlagebedingten - bullösen Lungenemphysem und eitriger Bronchitis vorgelegen. Ferner habe eine Pulmonalarteriensklerose bestanden. Aufgrund einer pulmonalen Hyptertonie mit deutlicher Druckbelastung der rechten Herzkammer habe sich ein chronisches Cor pulmonale mit entsprechender Blutstauung ausgebildet gehabt. Der Tod des W. sei jedoch unmittelbare schicksalhafte Folge der schweren allgemeinen Arteriosklerose mit stenosierender Cerebralarteriensklerose und -thrombose und ausgedehnter, nicht mehr ganz frischer Hirnerweichung sowie präfinaler Hirnmassenblutung gewesen. Die anerkannte BK (Asbestose) stelle keine wesentliche Teilursache des Todes dar und habe dessen Eintritt auch nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 04.01.1996 die Gewährung von Hinterbliebenenrente und Sterbegeld ab, bewilligte jedoch Witwenbeihilfe gemäß § 600 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Höhe von 21.991,62 DM. Zur Begründung führte sie aus, Anspruch auf Hinterbliebenenrente bestehe nur, wenn der Tod Folge der BK sei. Als Folge der BK sei eine Beeinträchtigung der Atem- und Kreislauffunktion infolge asbestotischer Lungenveränderungen anerkannt gewesen. Als Todesursache sei ein zentrales Herz- und Kreislaufregulationsversagen bei ausgedehnter Hirnerweichung sowie Hirnmassenblutung festgestellt worden. Der Tod sei danach nicht Folge der BK.

Dagegen legte die Klägerin am 22.01.1996 Widerspruch ein und machte geltend, infolge des Zusammenhangs der anerkannten BK-Folgen mit der Diagnose eines zentralen Herz- und Kreislauf regulationsversagens sei über die gesetzliche Vermutung des § 589 Abs. 2 RVO hinaus sogar der Zusammenhang konkret erwiesen in dem Sinne, dass wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Ursache ausreiche. Keinesfalls aber könne die gesetzliche Vermutung bei dieser Sachlage widerlegt werden.

Durch Bescheid vom 06.02.1996 lehnte die Beklagte die von der Klägerin am 22.01.1996 beantragten Pflegeleistungen nach § 558 RVO ab mit der Begründung, aus den vorliegenden Unterlagen sei eine Hilflosigkeit im Sinne der genannten Vorschrift nicht ersichtlich. Unabhängig davon sei eine rückwirkende Gewährung von Pflegegeld an die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin nicht möglich, weil zu Lebzeiten des Versicherten weder ein entsprechender Antrag vorgelegen habe noch ein entsprechendes Feststellungsverfahren anhängig gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 15.02.1996 Widerspruch ein und trug vor, der Versicherte habe in der letzten Zeit seiner Erkrankung nur noch gelegen. Der Hinweis, dass ein Feststellungsverfahren zu Lebzeiten nicht anhängig gewesen sei, gehe fehl. Die BK sei seit Jahren durch die Beklagte betreut worden. Auch die Tatsache, dass ein Sauerstoffgerät - wenn auch viel zu spät erst im Dezember 1994 - zur Verfügung gestellt worden sei, beweise, dass sich der Fall mit allen seinen in Betracht kommenden Leistungen im Feststellungsverfahren befunden habe. Im übrigen seien die Leistungen von Amts wegen zu erbringen.

Durch Widerspruchsbescheide vom 20.06.1996 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 12.07.1996 Klage beim Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben und ergänzend vorgebracht, es widerspreche schon dem anerkannten Krankheitszustand, wenn bei einem zentralen Herz- und Kreislaufversagen der asbestosebedingten Beeinträchtigung von Atem- und Kreislauffunktion die Mitursächlichkeit abgesprochen werde. Bis zu seinem Tode sei der Versicherte geistig völlig klar gewesen. Bei dieser Sachlage könne die Beklagte nicht den Beweis führen, dass offenkundig die BK nicht einmal mitursächlich gewesen sei. Im übrigen hat die Klägerin die Ansicht vertreten, sie sei so zu stellen, als habe die Beklagte sie im Rahmen der allgemeinen Beratungspflicht dahingehend beraten, dass es einer Obduktion nicht bedürfe, weil die gesetzliche Vermutung des § 589 Abs. 2 RVO hinsichtlich des Zusammenhangszwischen BK und Todeseintritt greife.

Die Beklagte hat sich demgegenüber auf den Inhalt ihrer Verwaltungsentscheidungen berufen und ergänzend vorgetragen, es sei unbestritten, dass sich der Zustand der anerkannten BK negativ auf die Atemfunktionen des Verstorbenen ausgewirkt habe. Eine Mitursächlichkeit für den am 06.05.1995 eingetretenen Tod im Sinne einer Beschleunigung um mindestens ein Jahr lasse sich vorliegend jedoch keinesfalls belegen.

Das SG hat einen Bericht der Abteilung für Anaesthesiologie und Intensivmedizin (Chefarzt T ...) des J ...-Krankenhauses R ... vom 27.08.1996 beigezogen und sodann Beweis erhoben durch Einholung eines pathologisch-anatomischen Gutachtens nach Aktenlage von Dr. S ..., Leitender Arzt der Abteilung Pathologie am Bundeswehrzentralkrankenhaus K ... Darin hat dieser Sachverständige (SV) am 20.03.1997 u.a. ausgeführt, der Tod des Versicherten sei ausschließlich auf den von der BK unabhängigen Schlaganfall zurückzuführen. Er sei ausschließlich Folge einer anlagebedingten und schicksalhaft verlaufenen Herz- und Gefäßkrankheit mit ihrer Komplikation durch eine Hirnmassenblutung, die das Leben durch eine zentrale Dysregulation plötzlich beendet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.07.1997, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen den ihr am 05.08.1997 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 03.09.1997 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie wiederholt im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und ist weiterhin der Auffassung, die gesetzliche, auch die wesentliche Mitursächlichkeit einschließende Vermutung des § 589 Abs. 2 RVO, dass der Tod des Versicherten Folge der Asbestose gewesen sei, sei nicht widerlegt. Den Nachweis, dass der Versicherte ohne die Asbestose zum selben Zeitpunkt gestorben wäre, könne die Beklagte nicht erbringen. Der Versicherte sei offenbar wegen höchster Atemnot am 28.04.1995 ins Krankenhaus aufgenommen worden. Auch der SV Dr. S ... habe "eine sicherlich zusätzliche Verschlechterung durch Ateminsuffizienz" eingeräumt. Die schwerste Astbestose habe seit Jahren zu einer Unterversorgung im Herz-/Kreislaufsystem und der Atmung geführt. Allein die Möglichkeit, dass die Astbestose sich ungünstig auswirken konnte, genügefür den Fortbestand der gesetzlichen Vermutung. Gestützt auf eine von ihr zum Gutachten des Prof. Dr. K ... vom 11.11.1999 vorgelegte Stellungnahme der Internistin Dr. K ... vom 06.01.2000 macht die Klägerin ferner geltend, es sei nicht auszuschließen, dass eine Vorschädigung des Gehirns durch die jahrelange bk-bedingte Sauerstoffunterversorgung für den Schlaganfall mitursächlich gewesen sei. Nicht auszuschließen sei auch, dass die von Prof. Dr. K ... im Gutachten vom 14.12.1995 festgestellte, durch die Astbestose mitbedingte pulmonale Hypertonie für die Hirnmassenblutung mitursächlich gewesen sei. Im übrigen könne von einer Offenkundigkeit i.S.d. § 589 Abs. 2 RVO nicht mehr gesprochen werden, wenn zusätzliche Gutachten eingeholt werden müssten. Auch die Voraussetzungen für ein Pflegegeld seien gegeben, weil der Versicherte aufgrund der Atem- und Kreislaufbeeinträchtigung längere Zeit bettlägerig gewesen sei. Die BK sei zu Lebzeiten gemeldet gewesen, weshalb auch ein Ausschlussgrund nach § 59 des Sozialgesetzbuches (SGB) I nicht bestehe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 28. Juli 1997 abzuändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 04. Januar 1996 und unter Aufhebung des Bescheides vom 06. Februar 1996, jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 20. Juni 1996 zu verurteilen, ihr Sterbegeld und Witwenrente sowie als Sonderrechtsnachfolgerin Pflegegeld aus Anlass der Asbestose des verstorbenen Ehemannes H ... W ... zu gewähren, hilfsweise entsprechend dem Schriftsatz vom 13.12.2000 weiteren Beweis zu erheben durch die Einholung eines kardiologischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen, hilfsweise wegen der grundsätzlichen Bedeutung, wie zu verfahren ist, wenn die Berufsgenossenschaft bei Anordnung der Obduktion pflichtwidrig den Hinweis auf die gesetzliche Vermutung des § 589 Abs. 2 RVO unterlässt (vgl. § 16 SGB I), die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und sieht sich in ihrer Auffassung durch das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt.

Der Senat hat die den Versicherten betreffende Versorgungsakte vom Versorgungsamt D ... beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. K ..., das nach Lage der Akten am 11.11.1999 erstattet und auf Veranlassung des Senats im Hinblick auf die Äußerung der Frau Dr. K ... unter dem 18.05.2000 ergänzt worden ist.

Der Senat hat ferner eine Stellungnahme des Prof. Dr. K ... vom 24.10.2000 eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 11.11.1999 sowie der Stellungnahmen vom 18.05.2000 und 24.10.2000 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Akte des Versorgungsamtes Duisburg, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sind rechtmäßig.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Sterbegeld und Witwenrente sowie von Pflegegeldleistungen.

Der Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der Versicherungsfall des Todes am 06.05.1995 und damit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) zum 01.01.1997 eingetreten ist (Art. 36 Unfallversicherungs- Einordnungsgesetz [UVEG], § 212 SGB VII).

Nach § 589 Abs. 1 RVO ist bei Tod durch Arbeitsunfall - als solcher gilt gem. § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK - Sterbegeld (Abs. 1 Nr. 1) und vom Todestage an Hinterbliebenenrente (Abs. 1 Nr. 3) zu gewähren.

Dem Tod durch Arbeitsunfall steht gemäß 589 Abs. 2 Satz 1 RVO der Tod eines Versicherten gleich, dessen Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer BK unter Berücksichtigung der Nrn. 30, 31, 34 oder 35 der Anlage zur BKV - hier in der Fassung der Siebten BKV vom 20.06.1968 (BGBl. I S. 721) - um 50 oder mehr v. H. gemindert war.

Die "formalen" Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, denn beim Versicherten war eine BK nach Nr. 30 der Anlage zur Siebten BKV - Astbeststaublungenerkrankung (Astbestose) - seit 1973 anerkannt und zuletzt zu seinen Lebzeiten nach einer MdE von 60 v. H. berentet. Objektiv hat im Zeitpunkt seines Todes aufgrund der Begutachtung im Januar 1995 sogar eine MdE von 100 v. H. vor gelegen.

Nach § 589 Abs. 2 Satz 1 RVO wird das Vorliegen des Kausalzusammenhangs zwischen dem Tod des Versicherten und seiner "privile gierten" BK - beschränkt widerlegbar - vermutet. Diese Vermutung beseitigt mit rechtlichen Mitteln die Ungewissheit über den ursächlichen Zusammenhang (vgl. z. B. BSG SozR 2200 § 589 Nr. 5). Sie gilt nach § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO nur dann nicht, wenn offenkundig ist, dass der Tod mit der BK nicht in ursächlichem Zusammenhang steht.

Dabei hat der Begriff "offenkundig" nicht die Bedeutung wie etwa in § 291 Zivilprozessordnung (ZPO). Denn die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des Kausalzusammenhangs zwischen einer "privilegierten" BK und dem Tod kann kaum je ohne Hinzuziehung medizinischer Sachverständiger entschieden werden, so dass es sich nicht um eine allgemeinkundige oder gerichtskundige Tatsache handeln kann. Zudem ergibt sich aus § 589 Abs. 2 Satz 3 RVO, dass der Gesetzgeber Beweiserhebungen über diese Frage für durchaus möglich hält; denn andernfalls hätte es nicht der Regelung bedurft, dass Leichenausgrabungen zu Beweiszwecken in diesen Fällen nicht gefordert werden dürfen (vgl. dazu BSGE 28, 38, 40 = SozR Nr. 4 zu § 589 RVO). Aus diesem Grunde kann die Klägerin auch nicht mit dem Argument gehört werden, von Offenkundigkeit im Sinne des § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO könne nicht mehr gesprochen werden, wenn die Einholung zusätzlicher Gutachten erforderlich sei.

Im Rahmen der Beweiserhebungen zur Feststellung der Offenkundigkeit sind auch Obduktionen zulässig, wenn Angehörige zustimmen (vgl. Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung - Handkommentar - Anm. 10 zu § 589 RVO). Hier hat die Klägerin der von der Beklagten veranlassten Obduktion des Versicherten zugestimmt. Bei Einholung der Zustimmung zur Obduktion muss der Unfallversicherungsträger die Hinterbliebenen auch nicht auf mögliche negative Folgen (Versagen der Witwenrente) aufmerksam machen (Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens a.a.O.). Von daher ist auch die Argumentation der Klägerin verfehlt, die Beklagte hätte sie auf die Rechtsvermutung des § 589 Abs. 2 RVO hinweisen müssen, wonach eine Obduktion gar nicht mehr erforderlich gewesen bzw. die Zustimmung dann nicht erteilt worden wäre. Deshalb kann aus dem Umstand, dass die Beklagte die Klägerin bei Einholung der Zustimmung zur Obduktion nicht auf die gesetzliche Vermutung des § 589 Abs. 2 Satz 1 RVO hingewiesen hat, auch kein Beratungsfehler (zum Anspruch auf Beratung vgl. § 14 SGB I) hergeleitet werden, der einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch mit der Folge nach sich ziehen könnte, dass die Klägerin so zu stellen wäre, als habe sie nach einer Beratung die Obduktion verweigert und deswegen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Dies gilt hier umso mehr, als der Beklagten am 08.05.1995 vom zuständigen Stationsarzt des J ...-Krankenhauses telefonisch die Auskunft erteilt worden ist, Todesursache sei eine Gehirnembolie gewesen und von daher die Annahme einer bk-unabhängigen Erkankung mit Todesfolge nahelag, so dass eine genaue Klärung der zum Tode führenden Umstände nur durch eine Obduktion, die ja auch zu einem für die Klägerin positiven Ergebnis hätte gelangen können, erfolgen konnte.

Die Voraussetzungen des Begriffs "offenkundig" i.S.d. § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO liegen dann vor, wenn die von Satz 1 erfasste "privilegierte" BK mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit den Tod des Versicherten in medizinischem Sinne nicht erheblich mitverursacht und ihn mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt hat (BSGE 28, 38, 41; BSG SozR 2200 § 589 Nrn. 5 und 9).

Die objektive Beweislast für die Offenkundigkeit hat der Unfallversicherungsträger zu tragen. Es bestehen aber keine Bedenken, wenn das Gericht aus dem Umstand, dass nur eine ganz entfernte, d.h. eine lediglich theoretische Möglichkeit besteht, dass die BK den Tod des Versicherten verursacht hat, annimmt, dass der Tod ohne jeden ernsthaften Zweifel nicht durch die BK verursacht ist (BSGE 28, 38, 41; BSG SozR 2200 § 589 Nrn. 5 und 7).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall die in § 589 Abs. 2 Satz 1 RVO normierte Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Tod des Versicherten und seiner zu Lebzeiten bestehenden Astbestose mit ihren Folgen als widerlegt anzusehen, weil es offenkundig ist, dass die BK mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit den Tod in medizinischem Sinne nicht erheblich mitverursacht und ihn mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit auch nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt hat.

Dies steht nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren zur Überzeugung des Senats fest.

Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

Wie der vom SG gehörte SV Dr. S ... festgestellt hat, ist Todesursache ein Herz- und Kreislaufversagen bei Hirnmassenblutung gewesen. Beim Versicherten bestand zwar als Folge seiner Asbestose eine fortgeschrittene Lungengerüstfibrose, die im Zusammenhang mit einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung zu einer massiven Behinderung der Lungenfunktion und zu einer Rechtsherzbelastung mit Ausbildung eines sog. Cor pulmonale geführt hatte.

Daneben lagen aber eine allgemeine Gefäßverkalkung mit Ausbildung eines Bauchaortenaneurysmas, deutliche Gefäßwandveränderungen im Bereich der Herzkranzgefäße und der Hirnbasisgefäße, ein Verschluß der linken Hals-Kopfschlagader durch ein Blutgerinnsel, eine aus gedehnte und nicht mehr ganz frische Hirnerweichung links und die Ausbildung einer Hirnmassenblutung (bei Bluthochdruckleiden und entsprechender Vermehrung der Herzmuskelmasse in der linken Herzkammer) vor. Auch Prof. Dr. K ... hat in seinem Gutachten vom 14.12.1995 eine ausgeprägte allgemeine Arteriosklerose mit stenosierender Cerebralarteriensklerose, ausgedehnter Hirnerweichung, Hirnmassenblutung, stenosierender Coronarseklerose und Linksherzhypertrophie festgestellt und dieses Leiden als anlagebedingtes Grundleiden bezeichnet, wobei die allgemeine Arteriosklerose schon eine deutliche Ausprägung erreicht hatte. Die Komplikationen die ses generalisierten Gefäßprozesses sind nach Dr. S ... wesentlich. Es ist nämlich zu seinem subtotalen Verschluß der linken Hals-Kopfschlagader durch ein Blutgerinnsel gekommen. Dieser Befund hat im Zusammenhang mit Verkalkungen im Bereich der Hirnbasisschlagadern zu einer subtotalen Erweichung mit multizentrischer Blutung im Bereich der linken Großhirnhälfte und der angrenzenden Areale im Marklager von Großhirn und Kleinhirn geführt. Der Tod des Versicherten ist durch zentrales Herz- und Kreislaufversagen aufgrund des massiven Insultes eingetreten, wobei die Ursache des Schlaganfalles ausschließlich auf Komplikationen des Herz- und Gefäßleidens beruht. Dieser Krankheitskomplex ist als völlig schädigungsunabhängig (bk-unabhängig) zu sehen. Zwar hat Dr. S ... auch von einer zusätzlichen Verschlechterung durch Ateminsuffizienz gesprochen. Dies kann aber nicht als das Aufzeigen einer realen Möglichkeit gewertet werden, daß die asbestosebedingte Ateminsuffizienz wesentlich zum Tod beigetragen hat. Denn die zentrale Dysregulation beeinflußt - so der SV - die übergeordnete Steuerung des Atemzentrums vom Hirnstamm her negativ, wobei dieser Befund wiederum völlig unabhängig von der anerkannten BK zu sehen ist, da er sich als Komplikation auf dem Boden eines Herz- und Gefäßleidens entwickelt hat. Die massive Hirnblutung ist nach Dr. S ... mit dem Leben nicht vereinbar. Seiner Beurteilung nach ist der Tod ohne Frage als Folge einer zentralen Dysregulation bei Hirnmassenblutung, Hirnerweichung und Hirnoedembildung eingetreten. Der Tod des Versicherten ist ausschließlich Folge seiner anlagebedingten und schicksalhaft verlaufenen Herz- und Gefäßkrankheit mit ihrer Komplikation durch eine Hirnmassenblutung, die sein Leben bei zentralem Versagen durch eine zentrale Dysregulation plötzlich beendete. Auch ohne die anerkannte BK und ihre schädigenden Auswirkungen auf die Lungen und das rechte Herz hätte der Versicherte - wie der SV abschließend ausgeführt hat - in Anbetracht der festgestellten Schädigungen am linken Herzen und am Gefäßsystem sowie der ausgedehnten zentralen Komplikationen durch die Hirnmassenblutung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein weiteres Jahr mehr zu leben gehabt.

Die Beurteilung des Dr. S ... deckt sich im wesentlichen mit derjenigen des Prof. Dr. K ..., wonach trotz des Ausmaßes der Asbestose, die zur Entstehung einer pulmonalen Hypertonie mit Ausbildung eines Cor pulmonale wesentlich beigetragen hat, der Tod als unmittelbare schicksalhafte Folge des Hauptleidens, nämlich der schweren allgemeinen Arteriosklerose mit stenosierender Cerebralarteriensklerose und -thrombose, ausgedehnter, nicht mehr ganz frischer Hirnerweichung sowie präfinaler Hirnmassenblutung gewesen ist und die anerkannte BK (Asbestose) keine wesentliche Teilursache des Todes dargestellt und dessen Eintritt auch nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt hat.

Schon diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme von "Offenkundigkeit" i.S.d. § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO und damit der Widerlegung des - gesetzlich vermuteten - Kausalzusammenhangs zwischen dem Tod des Versicherten und der anerkannten BK.

Dies wird durch das Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten medizinischen Beweisaufnahme in vollem Umfang bestätigt. Wie Prof. Dr. K ... in seinem Gutachten vom 11.11.1999 ausgeführt hat, ist es offenkundig, dass der Tod des Versicherten nicht unmittelbar oder mittelbar durch die bei ihm zu Lebzeiten bestehende BK und ihre anerkannten Folgen mitverursacht worden ist, denn die BK "Asbestose" hat - so der SV - mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit den Tod im medizinischen Sinne nicht erheblich mitverursacht und ihn auch nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt. Todesursache ist auch nach der Beurteilung von Prof. Dr. K ... eindeutig die Hirnmassen blutung mit ihren Folgen gewesen. An Herz und Lungen wurden (durch die Obduktion) hingegen keine krankhaften Befunde erhoben, die unmittelbar oder mittelbar den Tod des Versicherten mit herbeigeführt hätten. Die vom behandelnden Chefarzt T ... angenommene "sicherliche" Verschlechterung durch die Ateminsuffizienz ist - so der SV - lediglich eine Hypothese, die durch den dokumentierten Krankheitsverlauf nicht bestätigt wird. Die Hirnmassenblutung als Todesursache beruht wiederum auf dem vom Versicherten erlittenen Schlaganfall, der seinerseits ausschließlich auf die durch die Obduktion gesicherte allgemeine Arteriosklerose mit arteriosklerotischen Veränderungen auch an den Hirnbasisschlagadern und im Bereich der beiden Arteriae carotis internae zurückzuführen ist. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Asbestose und den beim Versicherten festgestellten Herz- und Gefäßerkrankungen (Arteriosklerose der Herzkranzgefäße, Hirnarterien und Schlagadern) kann - wie Prof. Dr. K ... dargelegt hat - nach heutiger wissenschaftli cher Erkenntnis zweifelsfrei ausgeschlossen werden. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich keine Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen fibrosierenden Lungenerkrankungen (z. B. Asbestose) und arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen. Dass die massive Luftnot als erstes Symptom des Schlaganfalls zur stationären Aufnahme des Versicherten führte, erklärt sich - so der SV - dadurch, dass das akute Ereignis des Schlaganfalls zu einer Steigerung des Atemantriebs führte, welcher bei der deutlich eingeschränkten bzw. nicht mehr vorhandenen Atemreserve sich als dramatische Luftnot manifestierte. Ein Rückschluss dahingehend, dass die Lungenerkrankung ursächlich beteiligt gewesen sei, ist unzulässig. Auch die Möglichkeit, dass das letztlich zum Tode führende Leiden durch die Asbestose verdeckt worden ist bzw. nicht rechtzeitig festgestellt oder behandelt werden konnte, ist nach Prof.Dr. K ... zu verneinen. Denn die zur Arteriosklerose prädisponierenden Faktoren, wie z. B. Fettstoffwechselstörungen oder Bluthochdruck, sind unabhängige Leiden und ihre Diagnose durch die gleichzeitig bestehende Asbestose nicht erschwert. Auch unter Berücksichtigung der massiven Ausdehnung der Hirnblutung ist es - so der SV - rein hypothetisch, ob der Versicherte bei einer stabileren Lungenfunktion, möglicherweise im Zustand des Hirntodes, noch einige Zeit länger überlebt hätte. Eine Verlängerung der Lebensspanne um ein Jahr war vielmehr unwahrscheinlich bzw. aus geschlossen.

Soweit die Internistin Dr. K ..., die den Versicherten von November 1994 bis zu seinem Tode behandelte, in ihrer Stellungnahme vom 06.01.2000 ausgeführt hat, es müsse von einer Körperschädigung, insbesondere einer Hirnschädigung durch die jahrelange Sauerstoffunterversorgung ausgegangen werden, deshalb sei nicht auszuschließen, dass für den Schlaganfall mitverursachend die Vorschädigung des Gehirns durch die Sauerstoffunterversorgung gewesen sei, kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn dabei handelt es sich - wie Prof. Dr. K ... in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.05.2000 dargelegt hat - um eine Hypothese, die durch die Ergebnisse der Obduktion nicht bestätigt wird. Auch wenn es außer Frage steht, dass es im Rahmen seiner BK beim Versicherten zu einer Sauerstoffunterversorgung gekommen war, die eine Langzeitsauerstoffbehandlung erforderlich gemacht hatte, sind hier die Ergebnisse der Obduktion entscheidend, wonach eine Arteriosklerose und Einengung der hirnversorgenden Gefäße bestanden hat und unmittelbare Todesursache die Hirnmassenblutung gewesen ist. Insoweit hat Prof. Dr. K ... nochmals hervorgehoben, dass keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse darüber vorliegen, dass hypoxämische Lungenerkrankungen das Auftreten eines Schlaganfalls begünstigen. Auch den weiteren Einwand von Dr. K ..., der Schlaganfall könne möglicherweise erst im Rahmen der Intensivbehandlung des Versicherten im Krankenhaus, etwa als Komplikation der Intubationsbeatmung aufgetreten sein, hat der SV entkräftet. Da die vom Versicherten bei Aufnahme ins Krankenhaus gebotene Symptomatik typisch für einen massiven Schlaganfall war, gibt es keinen begründeten Zweifel daran, dass dieser bereits ein getreten war und jedenfalls keine zusätzlichen Hinweise darauf, dass er erst während der stationären Behandlung aufgetreten ist.

Soweit die Klägerin schließlich unter Hinweis auf die Feststellungen im Gutachten von Prof. Dr. K ... geltend macht, präfinal sei es zu einer offenbar hypertoniebedingten Hirnmassenblutung im Bereich des Hirnstammes mit Einbruch in das Ventrikelsystem gekommen, insgesamt habe eine - durch die Asbestose mitbedingte - pulmonale Hypertonie vorgelegen, diese sei für die Hirnmassenblutung mitursächlich gewesen, die wesentliche Mitursächlichkeit der BK (Bluthochdruck mit Cor pulmonale) am Tod lasse sich nicht ausschließen, hat Prof. Dr. K ... in seiner dazu vom Senat eingeholten Stellungnahme vom 24.10.2000 überzeugend ausgeführt, dass für den Tod des Versicherten an einem zentralen Herz- und Kreislaufregulationsversagen bei Hirnmassenblutung ausschließlich eine arterielle Hypertonie im großen Kreislauf als ursächlich anzuschuldigen ist. Diese - bereits im Gutachten des Prof. Dr. K ... vom 07.07.1981 erwähnte - arterielle Hypertonie hatte wesentlich die anlagebedingte allgemeine, einschließlich einer stenosierenden Cerebralarteriensklerose, gefördert. Eine Mitursächlichkeit der pulmonalen Hypertonie kann nach den weiteren Darlegungen des Gutachters aufgrund pathologisch-anatomischer Kriterien sicher ausgeschlossen werden, da eine Beeinflussung des Bluthochdrucks im Körperkreislauf (sog. arterielle Hypertonie) durch einen Bluthochdruck im Lungenkreislauf (sog. pulmonale Hypertonie) nicht möglich ist. Insbesondere bestand beim Versicherten keine pathologische Verbindung zwischen Lungen- und Körperkreislauf, z. B. in Form eines Septumdefektes des Herzens oder eines offenen Foramen ovale. Das Vorliegen eines solchen Herzfehlers konnte durch die Obduktion sicher ausgeschlossen werden. Zusammenfassend ist auch Prof. Dr. K ... zu dem Ergebnis gelangt, es sei offenkundig, dass der Tod des Versicherten nicht rechtlich wesentlich durch die bei ihm zu Lebzeiten bestehende, als BK anerkannte und entschädigte Asbestose und ihre anerkannten Folgen mitverursacht worden sei. Die Asbestose habe also mit einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit den Tod in medizinischem Sinne nicht erheblich mitverursacht bzw. ihn auch nicht um wenigstens ein Jahr beschleunigt. Auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Asbestose mit ihren Folgen und der festgestellten Herz- und Gefäßerkrankung ist - wie der Gutachter weiter ausgeführt hat - mit einer jeden ernsthaften Zweifel aus schließenden Wahrscheinlichkeit zu verneinen.

Bei dieser eindeutigen medizinischen Sach- und Beweislage, wie sie sich aus den in der Beurteilung übereinstimmenden Gutachten und Stellungnahmen des Prof. Dr. K ..., des Dr. S ... und des Prof. Dr. K ... ergibt, bestand für den Senat kein Anlass, entsprechend dem von der Klägerin gestellten Hilfsantrag ein weiteres, kardiologisches Sachverständigengutachten einzuholen. Dafür die Feststellung der Todesursache und die Prüfung der Voraussetzungen des § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO in erster Linie die bei der Obduktion erhobenen Befunde ausschlaggebend sind, ist nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht substantiiert und schlüssig dargetan, zu welchen weiteren bzw. anderen Erkenntnissen über diejenigen hinaus, die sich aus den vorliegenden pathologisch-anatomischen Gutachten und dem des Internisten und Pneumologen Prof. Dr. K ... ergeben, ein kardiologisches Gutachten sollte führen können.

Als Ergebnis der durchgeführten medizinischen Ermittlungen bleibt demnach festzuhalten:

Es ist offenkundig im Sinne des § 589 Abs. 2 Satz 2 RVO, dass der Tod des Versicherten mit der zu seinen Lebzeiten bestehenden Asbestose und ihren Folgen nicht in ursächlichem Zusammenhang - auch nicht im Sinne einer Mitursächlichkeit - steht und damit die gesetzliche Vermutung des § 589 Abs. 2 Satz 1 RVO widerlegt ist.

Danach besteht für die Klägerin kein Anspruch auf Hinterbliebenen leistungen (Sterbegeld und Witwenrente).

Sie hat aber auch keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachten Pflegegeldleistungen.

Es kann hier dahingestellt bleiben und bedarf deshalb auch keiner weiteren Ermittlungen, ob der Versicherte vor seinem Tode tatsächlich hilflos i.S.d. § 558 RVO gewesen ist.

Denn der geltend gemachte Anspruch ist in jedem Falle nach § 59 SGB I ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift, die sowohl für die Sonderrechtsnachfolge als auch für die Vererbung gilt (vgl. z.B. Seewald in Kasseler Kommentar, Rdn. 3 zu § 59 SGB I) erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tode des Berechtigten (Satz 1). Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Bei der Gewährung von Pflege i.S.d. § 558 RVO handelt es sich - jedenfalls soweit es um die in Abs. 2 geregelten Alternativen geht - um eine Dienst- bzw. Sachleistung. Das nach Abs. 3 statt der Pflege gewährte Pflegegeld wird jedoch als Geldleistung bezeichnet.

Im Zeitpunkt des Todes des Versicherten war von der Beklagten ein Anspruch auf Pflege bzw. Pflegegeld durch irgendeine Verwaltungsentscheidung nicht festgestellt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war aber über den Anspruch auf Pflegegeldleistungen auch noch kein Verwaltungsverfahren anhängig. Weder war zu Lebzeiten des Versicherten von diesem selbst oder von dritter Seite bei der Beklagten ein entsprechender Anspruch geltend gemacht worden noch hatte die Beklagte durch irgendein Handeln zu erkennen gegeben, daß sie einen solchen Anspruch überhaupt prüfen wolle. Für § 59 Satz 2 SGB I ist zwar aus reichend, dass das Ziel der Behördentätigkeit, nicht allein die bereits erfolgten Handlungen als solche, Außenwirkung haben wird, so dass bereits dann von der "Anhängigkeit" eines Verwaltungsverfahrens ausgegangen werden kann. Anhängig ist ein Verwaltungsverfahren, wenn entweder der Berechtigte den für den Beginn des Verfahrens erforderlichen Antrag zu seinen Lebzeiten gestellt hat oder der Leistungsträger noch zu Lebzeiten des Berechtigten mit dem Verfahren zur Feststellung des Anspruchs von Amts wegen begonnen hat, wobei es für das Verfahren von Amts wegen genügt, wenn der Fall lediglich intern bearbeitet worden ist (Seewald a.a.O., Rdn. 11).

Keinesfalls kann es für die Annahme eines begonnenen Verwaltungsverfahrens in diesem Sinne ausreichen, dass die BK des Versicherten seit 1973 der Beklagten bekannt war und zur Rentengewährung mit Rentenerhöhungen in zeitlichen Abständen geführt hat. Die Bearbeitungen der Beklagten sind stets nur auf die Rentengewährung bzw. die Erhöhung der Rente ausgerichtet gewesen. Auch in dem Zurverfügungstellen eines Sauerstoffgerätes im Dezember 1994 kann kein Beginn der Bearbeitung in bezug auf die Gewährung von Pflege bzw. Pflegegeldleistungen erblickt werden.

Zwar handelt es sich bei dem Anspruch auf Pflege um eine Pflichtleistung, so daß die erforderlichen Feststellungen von Amts wegen durch den Versicherungsträger zu treffen sind. Es kann in diesem Zusammenhang aber dahingestellt bleiben, ob sich zur Zeit des Todes des Versicherten nach Aktenlage Hinweise auf dessen Hilflosigkeit i.S.d. § 558 RVO ergeben hatten und ob diesbezüglich insbesondere die erforderliche Zurverfügungstellung eines Sauerstoffgerätes als insoweit wichtiger Hinweis anzusehen ist. Denn die Beklagte ist danach in keiner Weise in bezug auf die Gewährung von Pflege bzw. Pflegegeldleistungen tätig geworden.

Entscheidend für § 59 Satz 2 SGB I ist aber die im Zeitpunkt des Todes bestehende tatsächliche Verfahrenslage (Seewald a.a.O., Rdn. 15 zu § 59 SGB I; BSG SozR 1200 § 59 Nr. 6). Fehlt es im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten am Beginn der internen Bearbeitung durch den Versicherungsträger, so kann dieses Fehlen auch nicht mit dem Hinweis ersetzt werden, dass der Leistungsträger verpflichtet gewesen wäre, von Amts wegen zu handeln (von Maydell im Gemeinschaftskommentar [GK] zum Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - [GK-SGB I], Rdn. 9 zu § 59 SGB I). Es kommt also nicht darauf an, welche Verfahrenslage im Zeitpunkt des Todes hätte bestehen können. Hat es der Leistungsträger unterlassen, noch zu Lebzeiten des Verstorbenen von Amts wegen ein Verfahren über den Leistungsanspruch anhängig zu machen, so steht dies dem Erlöschen des Anspruchs nach § 59 Satz 2 SGB I nicht entgegen (Hauck, Kommentar zum SGB I, § 59 SGB I, Rdn. 5, Fußnote 6; BSG SozR 1200 § 59 Nr. 6).

Hinzu kommt im vorliegenden Fall folgende Besonderheit: Bei der Pflege i.S.d. § 558 RVO handelt es sich - wie bereits dar gelegt - an sich um Dienst- bzw. Sachleistungen. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift kann statt der Pflege ein Pflegegeld gewährt werden. Obwohl es sich bei der Pflege um eine Pflichtleistung handelt, steht es im Ermessen des Unfallversicherungsträgers, in welcher Form er Pflege, also nach einer der Alternativen des Abs. 2 oder in Form von Pflegegeld nach Abs. 3, gewähren will (sog. Auswahlermessen). Im Zeitpunkt des Todes des Versicherten hat die Beklagte ein Ermessen in dieser Richtung nicht ausgeübt bzw. mangels Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen auch gar nicht ausüben können. Bei Ermessensleistungen ist überdies § 40 Abs. 2 SGB I zu beachten, wonach der Anspruch mit der Entscheidung über die Leistung entsteht, so dass er erst nach seiner Feststellung auf einen Rechtsnachfolger übergehen kann (Hauck a.a.O., Rdn. 6 zu § 59 SGB I; von Maydell a.a.O., Rdn. 13 zu § 59 SGB I).

Der Hinweis der Klägerin auf eine angebliche Verwaltungspraxis der Beklagten und den daraus abgeleiteten Anspruch auf Gleichbehandlung greift nicht, weil eine solche von der Klägerin behauptete Verwaltungspraxis rechtswidrig wäre und es einen Grundsatz der Gleichbehandlung im Unrecht nicht gibt. Abgesehen davon ist eine Verwaltungspraxis nur in der Form vorstellbar, dass die Beklagte in BK-Fällen mit entsprechend schwerem Krankheitsbild intern mit der Bearbeitung bzw. Prüfung eines Anspruchs auf Pflege begonnen hat, was für die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens und damit dessen Anhängigkeit i.S.d. § 59 Satz 2 SGB I ausreichend wäre, nicht aber in Form einer Untätigkeit in bezug auf die Prüfung eines solchen Anspruchs.

Nach alledem muß der von der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin erst am 22.01.1996 geltend gemachte Anspruch auf Pflegegeldleistungen für die Zeit bis zum Tode des Versicherten als nach § 59 SGB I ausgeschlossen angesehen werden.

Weil sich nach allem die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten als rechtmäßig erweisen, konnten Klage und Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Es bestand auch im Hinblick auf die von der Klägerin in ihrem Hilfsantrag aufgeworfene Frage kein Anlass, die Revision zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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