Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 U 32/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 87/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18. Februar 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erkrankung seiner Wirbelsäule (WS) als Berufskrankheit - BK - zu entschädigen.
Der 1935 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung zum Polsterer und Dekorateur ab 1958 im Baugewerbe zunächst als Fußbodenverleger, später als Schornsteinbauer und Bauhelfer und vom 01.02.1974 bis zum 31.12.1993 als Marmorleger (Natursteinverleger) bei der H ... & O ... GmbH in D ... beschäftigt. Mit Bescheid vom 13.01.1994 wurde ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 01.01.1994 zuerkannt. Im März 1994 beantragte er die Anerkennung seiner WS-Erkrankung als BK und Zahlung von Verletztenrente. Nach Beiziehung der durch die behandelnden Ärzte des Klägers erstellten Röntgenaufnahmen holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von dem Chirurgen Dr. I ... ein. Dieser verneinte am 29.10.1994 das Vorliegen einer BK, weil an der Halswirbelsäule (HWS) und an der Lendenwirbelsäule (LWS) lediglich geringe Veränderungen ohne Hinweise auf eine Bandscheibendegeneration vorliegen. Nur im Segment C5/6 zeige sich ein Vorfall der Bandscheibe, jedoch eilten die Verschleißerscheinungen an der HWS nicht dem altersüblichen Ausmaß voraus. Dieser Beurteilung schloß sich der Staatliche Gewerbearzt- Obergewerbemedizinalrätin B ... - unter dem 07.12.1994 an.
Mit Bescheid vom 02.02.1995 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - ab, weil ein schicksalhaft aufgetretenes und eigenständig verlaufendes Krankheitsbild vorliege, das in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehe.
Der Kläger legte am 07.02.1995 Widerspruch ein und machte geltend, alle behandelnden Ärzte hätten seine Erkrankung auf das Tragen schwerer Lasten auch auf der Schulter zurückgeführt.
Die Beklagte holte eine Auskunft der H ... & O ... GmbH vom 12.05.1995 ein und veranlaßte eine Stellungnahme durch ihren Technischen Aufsichtsdienst - TAD -. Dieser nahm unter dem 16.08.1995 - gestützt auf die Dokumentation von dem Belastungsumfang des Maurers - eine anteilige Belastung des Klägers durch Heben und Tragen von Gewichten über 25 kg in einem Umfang von 35 %, durch das Heben und Tragen von Gewichten zwischen 10 und 25 kg in einem Umfang von 15 %, dem Heben und Tragen von Gewichten unter 10 kg in einem Umfang von 10 %, dem Arbeiten in einer Rumpfbeugehaltung von mehr als 90° in einem Umfang von 30 % und dem Tragen von Gewichten auf der Schulter über 50 kg in einem Umfang von 5 % an und bejahte eine die LWS belastende Tätigkeit.
Nachdem Dr. I ... unter dem 04.12.1995 an seiner Beurteilung festgehalten hatte, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.1995 als unbegründet zurück, weil Krankheitsbilder i.S.d. Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV nicht gegeben seien.
Der Kläger hat am 22.01.1996 vor dem Sozialgericht - SG - Detmold Klage erhoben und geltend gemacht, seit Oktober 1958 sei er ständig im Baugewerbe tätig gewesen und dabei schweren Belastungen ausgesetzt gewesen. Diese hätten zunächst im wesentlichen im Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bestanden, insbesondere bei der Tätigkeit für die Firma H ... & O ... habe er daneben schwere Gewichte gehoben und getragen. - Auf Anforderung des SG hat der Kläger einen Befundbericht des Dr. H ... für die LVA Westfalen vom 10.03.1993 vorgelegt.
Das SG hat ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. S ... in S ... eingeholt. Dieser ist unter dem 23.08.1996 zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vor, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - um 20 v.H. bedinge. Es liege eine bandscheibenbedingte Degeneration der LWS bei L3/L4, L4/L5 (leicht höhengeminderte Zwischenwirbelräume) und L5/S1 (einseitige Spondylolyse) vor, die zwar röntgenologisch nicht den altersentsprechenden Normbereich überschritten, aber trotz ihrer geringen Ausprägung als belastungsadäquate Lokalisation anzusehen seien. An der HWS seien keine wesentlichen Veränderungen feststellbar und die an der Brustwirbelsäule (BWS) feststellbare keilförmige Deformierung bei BWK 6 sei auf eine frühere Fraktur zurückzuführen. Da die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu bejahen seien und erste Beschwerden in einem Alter von 40 Jahren aufgetreten seien, seien die Voraussetzungen für eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV, nicht aber die bezüglich der BK Nr. 2109 anzuerkennen.
Die Beklagte ist diesem Gutachten mit einer Stellungnahme der Chirurgin Dr. H ... vom 12.12.1996 entgegengetreten, die insbesondere - auch unter Hinweis auf Veröffentlichungen des Dr. S ... - das Fehlen eines altersüberschreitenden Befundes der Bandscheibendegeneration der LWS als Indiz gegen das Vorliegen einer BK gewertet hat.
In einer dazu vom SG veranlaßten ergänzenden Stellungnahme ist Dr. S ... unter dem 25.02.1997 bei seiner Auffassung verblieben und hat ausgeführt, im Vordergrund der Zusammenhangsbetrachtung müsse das Krankheitsbild, nicht aber die röntgenologische Beurteilung ohne Bezug zum klinischen Bild stehen. Insoweit sei eine Individualbetrachtung notwendig, solange es wissenschaftlich nicht zweifelsfrei gelungen sei, Kategorien bzw. homogene Patientenkollektive zu bilden. Das Fehlen eines altersvorauseilenden Befundes könne nur ein Indiz sein, das gegen einen Zusammenhang spräche, vorliegend sprächen aber eine Reihe weiterer Indizien für eine BK.
Dem ist die Beklagte mit einer weiteren Stellungnahme von Dr. H ... vom 24.03.1997 entgegengetreten, die eine kernspintomographische Untersuchung der LWS angeregt hat, um die Verteilung des Schadensmusters zu verifizieren.
Das SG hat daraufhin ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. B ..., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses H ..., eingeholt. Dieser hat darin am 26.07.1997 das Vorliegen einer BK verneint. Er hat leicht- bis mittelgradig degenerative Veränderungen der HWS in den Segmenten C5/6 und C6/7 und der LWS am stärksten bei L5/S1 i.S. bandscheibenbedingter Veränderungen gefunden. Für den Schaden im letzteren Segment sei - so hat er dargelegt - insbesondere die erheblich verstärkte Kyphosehaltung der BWS, die zum größten Teil durch die traumatische Veränderung des 6. BWK, aber zusätzlich auch durch eine alte Scheuermann sche Krankheit mit degenerativen Veränderungen in der unteren Hälfte der BWS verursacht worden sei, von Bedeutung. Diese verstärkte Kyphosehaltung sei statisch durch eine verstärkte Lordosehaltung der LWS ausgeglichen worden, wodurch eine Instabilität im untersten LWS-Segment verursacht worden sei. Demgegenüber hätten die beruflichen Belastungen keine wesentliche Rolle gespielt. Hinzu komme, daß weder festgestellt werden könne, daß der Kläger infolge seiner WS-Erkrankung seine Berufstätigkeit habe aufgeben müssen, noch könne eine meßbare MdE festgestellt werden, weil eine noch weitgehend frei bewegliche LWS und fehlende Wurzelreizerscheinungen eine solche nicht bedingten.
Das SG hat hierzu eine weitere Stellungnahme von Dr. S ... eingeholt. Dieser hat unter dem 11.09.1997 dargelegt, die konkurrierende Ursache durch eine Fehlstatik sei nicht hinreichend zu belegen, zumal Prof. Dr. B ... selbst eine weitgehend normale Lordosehaltung der LWS bescheinigt habe und es sich bei dem Kläger um einen athletischen und muskulösen Mann handele, bei dem eindeutig ein kompensierter Status im Bereich des Lendenkreuzbeinübergangs zu verzeichnen sei. Die Einschätzung der MdE sei unter dem Gesichtspunkt erfolgt, daß die BK zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit gezwungen habe und der entsprechende Arbeitsmarkt verschlossen bleibe, was nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz eine MdE um 20 v.H. rechtfertige. Die Funktionseinschränkungen gewährleisteten allerdings lediglich eine MdE um 10 v.H ...
Mit Urteil vom 18.02.1998 hat das SG die auf Anerkennung und Entschädigung der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen der HWS und LWS als BK nach Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 12.03.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.03.1998 Berufung eingelegt. Er macht geltend, während seiner Tätigkeit als Fußbodenverleger habe er in hohem Maße Linoleum verlegen müssen, welches zu extrem schweren Rollen, die häufig zu tragen gewesen seien, angeliefert worden sei. Auch die im Anschluß ausgeführten Tätigkeiten im Baugewerbe seien insgesamt geeignet, WS-Schäden hervorzurufen. Bei der seit 1974 ausgeübten Tätigkeit seien ständig schwere Lasten von teilweise erheblichem Gewicht zu bewegen gewesen. Hierzu hat er eine Bescheinigung der H ... & O ... GmbH vom 22.08.1997 vorgelegt, in welcher bescheinigt ist, daß der Kläger Natursteinwerkstücke in verschiedenen Größen und Gewichten habe während seiner Beschäftigung vom 01.02.1974 bis 31.12.1993 heben und Mörtel im Speisträger auf der Schulter habe tragen müssen, deren Gewicht 50 bis 100 kg betragen konnte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Detmold vom 18.02.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.1995 zu verurteilen, die Gesundheitsstörungen im Bereich der HWS und LWS als BK en nach den Nrn. 2108 und/oder 2109 der Anlage zur BKV durch Gewährung einer Verletztenrente (nach einer MdE) um 20 v.H. zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ein Gutachten von dem Orthopäden Prof. Dr. P ... in E ... eingeholt. Dieser hat unter dem 15.02.1999 dargelegt, eine akute behandlungsbedürftige Erkrankung der WS sei nicht feststellbar. Es lägen lediglich Funktionseinschränkungen leichteren Grades an der HWS und LWS und ein diffus degenerativer Befall der BWS vor; ein altersvorauseilender Verschleiß sei nur an der BWS sichtbar. Die bandscheibenbedingten Syndrome hätten beim Kläger einen wechselhaften Verlauf genommen. Mit zunehmendem Alter sei eine zufriedenstellende Spontanbesserung eingetreten, wie Dr. S ... dargelegt habe. Der Schwerpunkt der WS-Veränderungen sei auf die unterste BWS und die oberen LWS lokalisiert, wobei der Eindruck entstehe, daß eine gewisse Abstützung des Segments L4/5 durch Spangenbildung erzielt worden sei. Bei der statischen Veränderung der WS und starken Beanspruchung des Brust-Lendenübergangs sei die Relevanz der Veränderungen der oberen LWS mit der beruflichen Belastung sehr wahrscheinlich. Die gegenteilige Annahme von Prof. Dr. B ... beruhe darauf, daß dieser nur schlechte, die LWS nicht richtig darstellende Röntgenaufnahmen bewertet habe. Eine Schädigung bei L5/S1 sei nicht gegeben. Die durch die BK verursachte MdE liege entsprechend den Darlegungen von Dr. S ... bei 20 v.H ...
Die Beklagte ist diesem Gutachten mit einer weiteren Stellungnahme von Dr. H ... vom 06.04.1999 entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Verletztenrente wegen der bei ihm bestehenden Veränderungen der WS zusteht.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO -, da er seinen Rentenanspruch auch für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Unfallversicherung) - SGB VII - zum 01. Januar 1997 geltend macht (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetztes - UVEG -, § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall, der nach § 547 RVO u.a. durch die Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist, auch eine BK. BK en sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 (RVO) genannten Tätigkeiten erleidet. Mit der am 01. Januar 1993 in Kraft getretenen zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992 - 2. ÄndVO - ist die BK-Liste um die Nrn. 2108 und 2109 erweitert worden. Erstere erfaßt bandscheibenbedingte Krankheiten der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch lang jährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder seien können. Letztere bestimmt bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK. Die Voraussetzungen dieser BK en sind vorliegend nicht erfüllt, weil sich bezüglich der BK Nr. 2109 schon nicht feststellen läßt, daß der Kläger hinreichenden Belastungen durch seine versicherten Tätigkeiten ausgesetzt gewesen ist, die geeignet gewesen sind, bandscheibenbedingte Schäden der HWS zu verursachen (haftungsbegründende Kausalität), und ferner nicht wahrscheinlich zu machen ist, daß das Erkrankungsbild der HWS wie LWS auf berufliche Belastungen zurückzuführen ist (haftungsausfüllende Kausalität).
Die Regelungen der BK en Nr. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV ist auslegungsbedürftig, weil zahlreiche Zweifelsfragen hin sichtlich der Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK en entstanden sind und der Gesetzgeber sich abstakter und unbestimmter Begrifflichkeiten bedient hat, um insbesondere die Berücksichtigung neuer medizinischer Erkenntnisse zu er möglichen (vgl. BSG SozR 3-5680 Art. 2 Nr. 1; BSG Urt. v. 18. November 1997 - 2 RU 28/96 -; BSG Urt. v. 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R -; LSG NRW Urt. v. 26. September 1995 - L 15 U 89/95 -). Es fehlt bisher eine einheitliche wissenschaftliche Lehrmeinung bezüglich der Frage, was unter "langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten" zu verstehen ist und in welcher Weise letztlich bandscheibenbedingte Veränderungen der HWS und LWS durch die Belastungen hervorgerufen werden, da sich das Schadensbild auch ohne körperliche Belastungen schicksalhaft entwickeln kann und derartige Erkrankungen in der Bevölkerung weit verbreitet sind (vgl. Ludolph/ Spohr/ Echtermeyer, BG 1994, 349, 352; Plagemann/ Hontschik, Medizinische Begutachtung im Sozialrecht, 3. Aufl. Seite 180).
Nach dem zur BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (abgedruckt bei Mehrtens/ Perlebach, Kommentar zur BKV, M 2109 S. 6 f.), das zwar keine verbindliche, im Range der Verordnung stehende Erläuterung darstellt, welches aber eine arbeitstechnische und medizinische Konkretisierung der BK beinhaltet (vgl. BSG Urt. v. 23. März 1999 - B 2 U 12/98 -), setzt der begründete Verdacht einer bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS eine mindestens zehnjährige Tätigkeit mit Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, bei Lastgewichten von 50 kg oder mehr und einem Tragen der Lasten mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten voraus. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Kläger nach den Feststellungen des TAD lediglich in 5 % der Arbeitsschichten Lastgewichte von entsprechender Schwere bewegt hat und diese Arbeiten daher nicht als prägend für seine versicherte Tätigkeit angesehen werden können.
Unabhängig davon sind weder an der HWS noch an der LWS Veränderungen feststellbar, die sich als Folge belastender Tätigkeiten wahrscheinlich machen lassen. Durch die BKV sind nur "bandscheibenbedingte" Erkrankungen der LWS und HWS als BK en anerkannt. Solche sind aber an der HWS nur im Segment C5/6 und an der LWS im Bereich C3 bis S1 vorhanden. Diese Veränderungen sind jedoch nach den Feststellungen von Dr. I ..., Dr. S ... und Prof. Dr. P ... nicht altersvorauseilender Natur, es finden sich nämlich lediglich diskrete röntgenologisch feststellbare Bandscheibendegenerationen. Nach dem ärztlichen Merkblatt zur BK Nr. 2108 (Mehrtens/ Perlebach a.a.O. M. 2108 S. 6) und der herrschenden medizinischen Lehrmeinung (vgl. Mehrtens/ Perlebach a.a.O. Rdn. 5 zu M 2108; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl., S. 529 f.; Seehausen, Der Medizinische Sachverständige, 1995, S. 203, 204 und BG 1996, 444 f.) begründen solche röntgenologische Veränderungen für sich jedoch noch nicht den Verdacht auf eine berufsbedingte Erkrankung, wenn sie nicht mit chronisch rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen einhergehen. Ebenso verlangt das ärztliche Merkblatt zur BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV (Mehrtens/ Perlebach a.a.O. M 2109 S. 2) den Eintritt osteophytärer Reaktionen im Bereich der Processus uncinati, die zu einer Einengung der Foramina intervertebralia führen. Fehlt es daher bei dem Kläger an derartigen altersvorauseilenden Veränderungen an HWS und LWS (sog. Linksverschiebung), läßt sich entgegen der hier bezüglich der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV von Dr. S ... vertretenen Ansicht - auch wenn Gesichtspunkte vorliegen, die für einen Zusammenhang sprechen könnten -, eine berufliche Verursachung nicht wahrscheinlich machen, weil sich eine Abgrenzung zu belastungsunabhängigen, dem natürlichen Verschleißprozeß unterliegenden Abnutzungserscheinungen der WS nicht herstellen läßt.
An dieser Betrachtung ändert sich auch dann nichts, wenn man mit dem Sachverständigen Prof. Dr. B ... im Gegensatz zu den Darlegungen der Sachverständigen Dr. S ... und Prof. Dr. P ... die im Bereich L5/S1 bestehenden Veränderungen der LWS als schwerwiegender ansieht. Für diese Veränderungen lassen sich nämlich, wie Prof. Dr. B ... schlüssig dargelegt hat, ohne weiteres anlagebedingte Komponenten - Fehlstatik der WS und eine alte Scheuermann sche Erkrankung - als allein relevante Ursachen finden.
Der Anspruch des Klägers scheitert darüber hinaus selbst bei Anerkennung zumindest der Voraussetzungen der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV, wie dies die Sachverständigen Dr. S ... und Prof. Dr. P ... angenommen haben, an dem Umstand, daß die LWS-Veränderungen keine MdE um 20 v.H. bedingen. Nach den insoweit heranzuziehenden Erfahrungssätzen zur Bewertung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung (zu deren Bedeutung vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 23, 27 und 28) begründen erst starke Funktionseinschränkungen der LWS eine solche um 20 v.H. (vgl. Mehrtens/ Perlebach a.a.O. Rdn. 10 zu M 2108), die unstreitig beim Kläger nicht gegeben sind, was auch Dr. S ... eingeräumt hat. Allein der mit der BK verbundene Unterlassungszwang der gefährdenden Tätigkeiten läßt hingegen nicht - vom konkreten Versicherungsfall und der bestehenden Funktionseinbuße unabhängig - die Einschätzung einer BK-bedingten MdE mit 20 v.H. zu, so daß auch insoweit der gegenteiligen Ansicht von Dr. S ... und Prof. Dr. P ... nicht gefolgt werden kann, sondern die von Prof. Dr. B ... vorgenommene Beurteilung zutreffend ist.
Läßt sich danach weder eine BK beim Kläger wahrscheinlich machen noch eine relevante MdE feststellen, mußte die Berufung mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erkrankung seiner Wirbelsäule (WS) als Berufskrankheit - BK - zu entschädigen.
Der 1935 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung zum Polsterer und Dekorateur ab 1958 im Baugewerbe zunächst als Fußbodenverleger, später als Schornsteinbauer und Bauhelfer und vom 01.02.1974 bis zum 31.12.1993 als Marmorleger (Natursteinverleger) bei der H ... & O ... GmbH in D ... beschäftigt. Mit Bescheid vom 13.01.1994 wurde ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 01.01.1994 zuerkannt. Im März 1994 beantragte er die Anerkennung seiner WS-Erkrankung als BK und Zahlung von Verletztenrente. Nach Beiziehung der durch die behandelnden Ärzte des Klägers erstellten Röntgenaufnahmen holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von dem Chirurgen Dr. I ... ein. Dieser verneinte am 29.10.1994 das Vorliegen einer BK, weil an der Halswirbelsäule (HWS) und an der Lendenwirbelsäule (LWS) lediglich geringe Veränderungen ohne Hinweise auf eine Bandscheibendegeneration vorliegen. Nur im Segment C5/6 zeige sich ein Vorfall der Bandscheibe, jedoch eilten die Verschleißerscheinungen an der HWS nicht dem altersüblichen Ausmaß voraus. Dieser Beurteilung schloß sich der Staatliche Gewerbearzt- Obergewerbemedizinalrätin B ... - unter dem 07.12.1994 an.
Mit Bescheid vom 02.02.1995 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - ab, weil ein schicksalhaft aufgetretenes und eigenständig verlaufendes Krankheitsbild vorliege, das in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehe.
Der Kläger legte am 07.02.1995 Widerspruch ein und machte geltend, alle behandelnden Ärzte hätten seine Erkrankung auf das Tragen schwerer Lasten auch auf der Schulter zurückgeführt.
Die Beklagte holte eine Auskunft der H ... & O ... GmbH vom 12.05.1995 ein und veranlaßte eine Stellungnahme durch ihren Technischen Aufsichtsdienst - TAD -. Dieser nahm unter dem 16.08.1995 - gestützt auf die Dokumentation von dem Belastungsumfang des Maurers - eine anteilige Belastung des Klägers durch Heben und Tragen von Gewichten über 25 kg in einem Umfang von 35 %, durch das Heben und Tragen von Gewichten zwischen 10 und 25 kg in einem Umfang von 15 %, dem Heben und Tragen von Gewichten unter 10 kg in einem Umfang von 10 %, dem Arbeiten in einer Rumpfbeugehaltung von mehr als 90° in einem Umfang von 30 % und dem Tragen von Gewichten auf der Schulter über 50 kg in einem Umfang von 5 % an und bejahte eine die LWS belastende Tätigkeit.
Nachdem Dr. I ... unter dem 04.12.1995 an seiner Beurteilung festgehalten hatte, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.1995 als unbegründet zurück, weil Krankheitsbilder i.S.d. Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV nicht gegeben seien.
Der Kläger hat am 22.01.1996 vor dem Sozialgericht - SG - Detmold Klage erhoben und geltend gemacht, seit Oktober 1958 sei er ständig im Baugewerbe tätig gewesen und dabei schweren Belastungen ausgesetzt gewesen. Diese hätten zunächst im wesentlichen im Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bestanden, insbesondere bei der Tätigkeit für die Firma H ... & O ... habe er daneben schwere Gewichte gehoben und getragen. - Auf Anforderung des SG hat der Kläger einen Befundbericht des Dr. H ... für die LVA Westfalen vom 10.03.1993 vorgelegt.
Das SG hat ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. S ... in S ... eingeholt. Dieser ist unter dem 23.08.1996 zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vor, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - um 20 v.H. bedinge. Es liege eine bandscheibenbedingte Degeneration der LWS bei L3/L4, L4/L5 (leicht höhengeminderte Zwischenwirbelräume) und L5/S1 (einseitige Spondylolyse) vor, die zwar röntgenologisch nicht den altersentsprechenden Normbereich überschritten, aber trotz ihrer geringen Ausprägung als belastungsadäquate Lokalisation anzusehen seien. An der HWS seien keine wesentlichen Veränderungen feststellbar und die an der Brustwirbelsäule (BWS) feststellbare keilförmige Deformierung bei BWK 6 sei auf eine frühere Fraktur zurückzuführen. Da die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu bejahen seien und erste Beschwerden in einem Alter von 40 Jahren aufgetreten seien, seien die Voraussetzungen für eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV, nicht aber die bezüglich der BK Nr. 2109 anzuerkennen.
Die Beklagte ist diesem Gutachten mit einer Stellungnahme der Chirurgin Dr. H ... vom 12.12.1996 entgegengetreten, die insbesondere - auch unter Hinweis auf Veröffentlichungen des Dr. S ... - das Fehlen eines altersüberschreitenden Befundes der Bandscheibendegeneration der LWS als Indiz gegen das Vorliegen einer BK gewertet hat.
In einer dazu vom SG veranlaßten ergänzenden Stellungnahme ist Dr. S ... unter dem 25.02.1997 bei seiner Auffassung verblieben und hat ausgeführt, im Vordergrund der Zusammenhangsbetrachtung müsse das Krankheitsbild, nicht aber die röntgenologische Beurteilung ohne Bezug zum klinischen Bild stehen. Insoweit sei eine Individualbetrachtung notwendig, solange es wissenschaftlich nicht zweifelsfrei gelungen sei, Kategorien bzw. homogene Patientenkollektive zu bilden. Das Fehlen eines altersvorauseilenden Befundes könne nur ein Indiz sein, das gegen einen Zusammenhang spräche, vorliegend sprächen aber eine Reihe weiterer Indizien für eine BK.
Dem ist die Beklagte mit einer weiteren Stellungnahme von Dr. H ... vom 24.03.1997 entgegengetreten, die eine kernspintomographische Untersuchung der LWS angeregt hat, um die Verteilung des Schadensmusters zu verifizieren.
Das SG hat daraufhin ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. B ..., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses H ..., eingeholt. Dieser hat darin am 26.07.1997 das Vorliegen einer BK verneint. Er hat leicht- bis mittelgradig degenerative Veränderungen der HWS in den Segmenten C5/6 und C6/7 und der LWS am stärksten bei L5/S1 i.S. bandscheibenbedingter Veränderungen gefunden. Für den Schaden im letzteren Segment sei - so hat er dargelegt - insbesondere die erheblich verstärkte Kyphosehaltung der BWS, die zum größten Teil durch die traumatische Veränderung des 6. BWK, aber zusätzlich auch durch eine alte Scheuermann sche Krankheit mit degenerativen Veränderungen in der unteren Hälfte der BWS verursacht worden sei, von Bedeutung. Diese verstärkte Kyphosehaltung sei statisch durch eine verstärkte Lordosehaltung der LWS ausgeglichen worden, wodurch eine Instabilität im untersten LWS-Segment verursacht worden sei. Demgegenüber hätten die beruflichen Belastungen keine wesentliche Rolle gespielt. Hinzu komme, daß weder festgestellt werden könne, daß der Kläger infolge seiner WS-Erkrankung seine Berufstätigkeit habe aufgeben müssen, noch könne eine meßbare MdE festgestellt werden, weil eine noch weitgehend frei bewegliche LWS und fehlende Wurzelreizerscheinungen eine solche nicht bedingten.
Das SG hat hierzu eine weitere Stellungnahme von Dr. S ... eingeholt. Dieser hat unter dem 11.09.1997 dargelegt, die konkurrierende Ursache durch eine Fehlstatik sei nicht hinreichend zu belegen, zumal Prof. Dr. B ... selbst eine weitgehend normale Lordosehaltung der LWS bescheinigt habe und es sich bei dem Kläger um einen athletischen und muskulösen Mann handele, bei dem eindeutig ein kompensierter Status im Bereich des Lendenkreuzbeinübergangs zu verzeichnen sei. Die Einschätzung der MdE sei unter dem Gesichtspunkt erfolgt, daß die BK zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit gezwungen habe und der entsprechende Arbeitsmarkt verschlossen bleibe, was nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz eine MdE um 20 v.H. rechtfertige. Die Funktionseinschränkungen gewährleisteten allerdings lediglich eine MdE um 10 v.H ...
Mit Urteil vom 18.02.1998 hat das SG die auf Anerkennung und Entschädigung der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen der HWS und LWS als BK nach Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 12.03.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.03.1998 Berufung eingelegt. Er macht geltend, während seiner Tätigkeit als Fußbodenverleger habe er in hohem Maße Linoleum verlegen müssen, welches zu extrem schweren Rollen, die häufig zu tragen gewesen seien, angeliefert worden sei. Auch die im Anschluß ausgeführten Tätigkeiten im Baugewerbe seien insgesamt geeignet, WS-Schäden hervorzurufen. Bei der seit 1974 ausgeübten Tätigkeit seien ständig schwere Lasten von teilweise erheblichem Gewicht zu bewegen gewesen. Hierzu hat er eine Bescheinigung der H ... & O ... GmbH vom 22.08.1997 vorgelegt, in welcher bescheinigt ist, daß der Kläger Natursteinwerkstücke in verschiedenen Größen und Gewichten habe während seiner Beschäftigung vom 01.02.1974 bis 31.12.1993 heben und Mörtel im Speisträger auf der Schulter habe tragen müssen, deren Gewicht 50 bis 100 kg betragen konnte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Detmold vom 18.02.1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.1995 zu verurteilen, die Gesundheitsstörungen im Bereich der HWS und LWS als BK en nach den Nrn. 2108 und/oder 2109 der Anlage zur BKV durch Gewährung einer Verletztenrente (nach einer MdE) um 20 v.H. zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ein Gutachten von dem Orthopäden Prof. Dr. P ... in E ... eingeholt. Dieser hat unter dem 15.02.1999 dargelegt, eine akute behandlungsbedürftige Erkrankung der WS sei nicht feststellbar. Es lägen lediglich Funktionseinschränkungen leichteren Grades an der HWS und LWS und ein diffus degenerativer Befall der BWS vor; ein altersvorauseilender Verschleiß sei nur an der BWS sichtbar. Die bandscheibenbedingten Syndrome hätten beim Kläger einen wechselhaften Verlauf genommen. Mit zunehmendem Alter sei eine zufriedenstellende Spontanbesserung eingetreten, wie Dr. S ... dargelegt habe. Der Schwerpunkt der WS-Veränderungen sei auf die unterste BWS und die oberen LWS lokalisiert, wobei der Eindruck entstehe, daß eine gewisse Abstützung des Segments L4/5 durch Spangenbildung erzielt worden sei. Bei der statischen Veränderung der WS und starken Beanspruchung des Brust-Lendenübergangs sei die Relevanz der Veränderungen der oberen LWS mit der beruflichen Belastung sehr wahrscheinlich. Die gegenteilige Annahme von Prof. Dr. B ... beruhe darauf, daß dieser nur schlechte, die LWS nicht richtig darstellende Röntgenaufnahmen bewertet habe. Eine Schädigung bei L5/S1 sei nicht gegeben. Die durch die BK verursachte MdE liege entsprechend den Darlegungen von Dr. S ... bei 20 v.H ...
Die Beklagte ist diesem Gutachten mit einer weiteren Stellungnahme von Dr. H ... vom 06.04.1999 entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Verletztenrente wegen der bei ihm bestehenden Veränderungen der WS zusteht.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO -, da er seinen Rentenanspruch auch für Zeiten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Unfallversicherung) - SGB VII - zum 01. Januar 1997 geltend macht (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetztes - UVEG -, § 212 SGB VII).
Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall, der nach § 547 RVO u.a. durch die Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist, auch eine BK. BK en sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 (RVO) genannten Tätigkeiten erleidet. Mit der am 01. Januar 1993 in Kraft getretenen zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992 - 2. ÄndVO - ist die BK-Liste um die Nrn. 2108 und 2109 erweitert worden. Erstere erfaßt bandscheibenbedingte Krankheiten der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch lang jährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder seien können. Letztere bestimmt bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK. Die Voraussetzungen dieser BK en sind vorliegend nicht erfüllt, weil sich bezüglich der BK Nr. 2109 schon nicht feststellen läßt, daß der Kläger hinreichenden Belastungen durch seine versicherten Tätigkeiten ausgesetzt gewesen ist, die geeignet gewesen sind, bandscheibenbedingte Schäden der HWS zu verursachen (haftungsbegründende Kausalität), und ferner nicht wahrscheinlich zu machen ist, daß das Erkrankungsbild der HWS wie LWS auf berufliche Belastungen zurückzuführen ist (haftungsausfüllende Kausalität).
Die Regelungen der BK en Nr. 2108 und 2109 der Anlage zur BKV ist auslegungsbedürftig, weil zahlreiche Zweifelsfragen hin sichtlich der Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK en entstanden sind und der Gesetzgeber sich abstakter und unbestimmter Begrifflichkeiten bedient hat, um insbesondere die Berücksichtigung neuer medizinischer Erkenntnisse zu er möglichen (vgl. BSG SozR 3-5680 Art. 2 Nr. 1; BSG Urt. v. 18. November 1997 - 2 RU 28/96 -; BSG Urt. v. 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R -; LSG NRW Urt. v. 26. September 1995 - L 15 U 89/95 -). Es fehlt bisher eine einheitliche wissenschaftliche Lehrmeinung bezüglich der Frage, was unter "langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten" zu verstehen ist und in welcher Weise letztlich bandscheibenbedingte Veränderungen der HWS und LWS durch die Belastungen hervorgerufen werden, da sich das Schadensbild auch ohne körperliche Belastungen schicksalhaft entwickeln kann und derartige Erkrankungen in der Bevölkerung weit verbreitet sind (vgl. Ludolph/ Spohr/ Echtermeyer, BG 1994, 349, 352; Plagemann/ Hontschik, Medizinische Begutachtung im Sozialrecht, 3. Aufl. Seite 180).
Nach dem zur BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (abgedruckt bei Mehrtens/ Perlebach, Kommentar zur BKV, M 2109 S. 6 f.), das zwar keine verbindliche, im Range der Verordnung stehende Erläuterung darstellt, welches aber eine arbeitstechnische und medizinische Konkretisierung der BK beinhaltet (vgl. BSG Urt. v. 23. März 1999 - B 2 U 12/98 -), setzt der begründete Verdacht einer bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS eine mindestens zehnjährige Tätigkeit mit Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, bei Lastgewichten von 50 kg oder mehr und einem Tragen der Lasten mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten voraus. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Kläger nach den Feststellungen des TAD lediglich in 5 % der Arbeitsschichten Lastgewichte von entsprechender Schwere bewegt hat und diese Arbeiten daher nicht als prägend für seine versicherte Tätigkeit angesehen werden können.
Unabhängig davon sind weder an der HWS noch an der LWS Veränderungen feststellbar, die sich als Folge belastender Tätigkeiten wahrscheinlich machen lassen. Durch die BKV sind nur "bandscheibenbedingte" Erkrankungen der LWS und HWS als BK en anerkannt. Solche sind aber an der HWS nur im Segment C5/6 und an der LWS im Bereich C3 bis S1 vorhanden. Diese Veränderungen sind jedoch nach den Feststellungen von Dr. I ..., Dr. S ... und Prof. Dr. P ... nicht altersvorauseilender Natur, es finden sich nämlich lediglich diskrete röntgenologisch feststellbare Bandscheibendegenerationen. Nach dem ärztlichen Merkblatt zur BK Nr. 2108 (Mehrtens/ Perlebach a.a.O. M. 2108 S. 6) und der herrschenden medizinischen Lehrmeinung (vgl. Mehrtens/ Perlebach a.a.O. Rdn. 5 zu M 2108; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl., S. 529 f.; Seehausen, Der Medizinische Sachverständige, 1995, S. 203, 204 und BG 1996, 444 f.) begründen solche röntgenologische Veränderungen für sich jedoch noch nicht den Verdacht auf eine berufsbedingte Erkrankung, wenn sie nicht mit chronisch rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen einhergehen. Ebenso verlangt das ärztliche Merkblatt zur BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV (Mehrtens/ Perlebach a.a.O. M 2109 S. 2) den Eintritt osteophytärer Reaktionen im Bereich der Processus uncinati, die zu einer Einengung der Foramina intervertebralia führen. Fehlt es daher bei dem Kläger an derartigen altersvorauseilenden Veränderungen an HWS und LWS (sog. Linksverschiebung), läßt sich entgegen der hier bezüglich der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV von Dr. S ... vertretenen Ansicht - auch wenn Gesichtspunkte vorliegen, die für einen Zusammenhang sprechen könnten -, eine berufliche Verursachung nicht wahrscheinlich machen, weil sich eine Abgrenzung zu belastungsunabhängigen, dem natürlichen Verschleißprozeß unterliegenden Abnutzungserscheinungen der WS nicht herstellen läßt.
An dieser Betrachtung ändert sich auch dann nichts, wenn man mit dem Sachverständigen Prof. Dr. B ... im Gegensatz zu den Darlegungen der Sachverständigen Dr. S ... und Prof. Dr. P ... die im Bereich L5/S1 bestehenden Veränderungen der LWS als schwerwiegender ansieht. Für diese Veränderungen lassen sich nämlich, wie Prof. Dr. B ... schlüssig dargelegt hat, ohne weiteres anlagebedingte Komponenten - Fehlstatik der WS und eine alte Scheuermann sche Erkrankung - als allein relevante Ursachen finden.
Der Anspruch des Klägers scheitert darüber hinaus selbst bei Anerkennung zumindest der Voraussetzungen der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV, wie dies die Sachverständigen Dr. S ... und Prof. Dr. P ... angenommen haben, an dem Umstand, daß die LWS-Veränderungen keine MdE um 20 v.H. bedingen. Nach den insoweit heranzuziehenden Erfahrungssätzen zur Bewertung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung (zu deren Bedeutung vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 23, 27 und 28) begründen erst starke Funktionseinschränkungen der LWS eine solche um 20 v.H. (vgl. Mehrtens/ Perlebach a.a.O. Rdn. 10 zu M 2108), die unstreitig beim Kläger nicht gegeben sind, was auch Dr. S ... eingeräumt hat. Allein der mit der BK verbundene Unterlassungszwang der gefährdenden Tätigkeiten läßt hingegen nicht - vom konkreten Versicherungsfall und der bestehenden Funktionseinbuße unabhängig - die Einschätzung einer BK-bedingten MdE mit 20 v.H. zu, so daß auch insoweit der gegenteiligen Ansicht von Dr. S ... und Prof. Dr. P ... nicht gefolgt werden kann, sondern die von Prof. Dr. B ... vorgenommene Beurteilung zutreffend ist.
Läßt sich danach weder eine BK beim Kläger wahrscheinlich machen noch eine relevante MdE feststellen, mußte die Berufung mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.
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