L 17 U 111/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 U 139/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 111/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 62/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23. April 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Herabsetzung der Gefahrklasse für die Gefahrtarifperiode vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 nach Teil II Nr. 2 a des Gefahrtarifs 1998 (GT 98).

Die Klägerin, die bis 2001 als ... Zeitarbeit GmbH firmierte, betreibt ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und ist seit März 1992 im Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen. Mit Bescheid vom 27.10.1995 wurde sie nach dem ab 01.01.1995 gültigen Gefahrtarif 1995 (GT 95) zu der Gefahrtarifstelle 23 mit der Gefahrklasse 1,60 und der Gefahrtarifstelle 24 zeitlich gestaffelt mit den Gefahrklassen 12,80 (1995), 15,80 (1996) und 18,80 (1997 bis 1999) veranlagt.

Nach Maßgabe von Teil II Nr. 2 des GT 95 ermäßigte die Beklagte mit Bescheid vom 22.10.1996 die Gefahrklasse der Gefahrtarifstelle 24 um 20 %. Sie stützte sich dabei auf den von ihr 1995 aufgestellten Kriterienkatalog für zusätzliche modellhafte Arbeitsschutzmaßnahmen in Bezug auf die Gefahrtarifstelle 24 sowie einen Prüfbericht des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Da Pont vom 08.03.1996. Dieser hatte dargelegt, die Klägerin habe derzeit 47 Mitarbeiter unter Vertrag, wovon 10 Elektriker, 20 Schlosser, 3 Schlosser/Schweißer, 6 Schweißer, 6 Helfer und einer Kaufmann seien. Die Prüfung "Standard Arbeitsschutz" sowie die von Arbeitsplätzen bei einem Entleiher habe keine Beanstandungen ergeben und die Kriterien 1 - 9 des Kriterienkatalogs seien sämtlich erfüllt. Den Widerspruch vom 13.11.1996, mit dem die Klägerin eine Herabsetzung um 50 % geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.1998 als unbegründet zurück, nachdem hinsichtlich der Veranlagung für 1995 in einem Vergleich am 27.01.1997 ein Nachlass von weiteren 17,5 % gewährt worden war. Außerhalb des nachfolgenden Klageverfahrens verglichen sich die Beteiligten auch hinsichtlich der Beiträge von 1996 und 1997.

Mit Bescheid vom 24.06.1998 wurde die Klägerin nach § 159 Abs. 1 des Siebten Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) nach dem GT 98 zu der Gefahrtarifstelle 48 (Unternehmer der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwalten den Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten) mit der Gefahrklasse 0,57 und zu der Gefahrtarifstelle 49 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 48 genannten Voraussetzungen erfüllen) mit der Gefahrtarifstelle 10,66 veranlagt. Dagegen erhob die Klägerin am 10.07.1998 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.1999 zurückwies.

Am 11.08.1998 beantragte die Klägerin eine Herabsetzung der Beiträge nach Teil II Nr. 2a des GT 98. Dieser bestimmt, dass dann, wenn sich in Einzelfällen ergibt, dass wegen einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise oder Betriebseinrichtung ein Unternehmen wesentlich geringeren oder höheren Gefährdungen unterliegt als die Unternehmen, für die die Gefahrklasse im Teil I berechnet ist, die Beklagte die Gefahrklasse um 10 bis 30 % herab- oder heraufsetzen kann. Nr. 2b enthält die Klarstellung, dass die Einhaltung der üblichen Vorkehrungen zur Verhütung von Unfällen und zur Abwehr von Gesundheitsgefahren keine Herabsetzung der Gefahrklasse begründet.

Die Klägerin begründete ihren Herabsetzungsantrag mit der Erfüllung des Kriterienkataloges, dem für ihren Betrieb ausgearbeiteten Arbeitssicherheitskonzept und der 1999 erfolgten Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems (QMS) nach den DIN EN ISO 9002. Die Beklagte zog dazu einen Ergänzungsfragebogen zur Ermittlung der Betriebsverhältnisse von der Klägerin sowie eine Stellungnahme ihres Präventionsstabes vom 15.10.1999 bei und lehnte mit Bescheid vom 04.04.2000 den Antrag ab. Sie begründete dies damit, dass nach den Ermittlungen weder eine von der üblichen abweichende Betriebseinrichtung vorliege, noch sich die Arbeitsweise der Klägerin von denen anderer Zeitarbeitsunternehmen wesentlich unterscheide und deshalb eine wesentlich geringere Unfallgefährdung vorliege. Die Erfüllung des Kriterienkataloges im Sinne einer besonderen Arbeitsschutzorganisation für die Jahre 1995 bis 1997, was seinerzeit als Indiz für eine Abweichung in Bezug auf die Gefahrengemeinschaft "gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung" gewertet worden sei, stelle nach der Regelung in Teil II Nr. 2a des GT 98 keinen Grund mehr für eine Herabsetzung dar, und das QMS beschreibe das Vorhandensein von Maßnahmen zur Sicherung der Kundenanforderungen und stelle selbst keine Betriebsweise dar. Im Übrigen seien die besonderen Arbeitsschutzorganisationen zwischenzeitlich von einer Vielzahl der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen umgesetzt worden, so dass von einer "Unüblichkeit" insoweit auch gar nicht mehr ausgegangen werden könne.

Dagegen erhob die Klägerin am 11.04.2000 Widerspruch. Sie machte geltend, zum einen sei ihr bereits mit Bescheid vom 22.10.1996 eine 20%ige Herabsetzung bis 1999 gewährt worden. Diesbezüglich bestehe - auch im Hinblick auf die von ihr gemachten Aufwendungen - ein Vertrauensschutz. Zum anderen habe sie nicht nur den Kriterienkatalog der Beklagten umgesetzt, sondern sei nach DIN EN ISO 9002 zertifiziert. Ersteres sei nur bei etwa 20%, Letzteres sogar nur bei etwa 10% der Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen der Fall. Es sei daher bei ihr von einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise auszugehen, weshalb eine Herabsetzung der Gefahrklassen um 30% geboten sei. Im Übrigen sei die Entscheidung der Beklagten auch deshalb fehlerhaft, weil sie Ermessenserwägungen i.S.v. § 35 Abs. 1 des Zehnten Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) gar nicht angestellt habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2000 zurück. Sie führte aus, Maßnahmen der besonderen Arbeitsschutzorganisation und deren Einbindung in ein zertifiziertes Qualitätsmanagement stellten keine besondere Betriebsweise dar. Letztere kennzeichne die Art und Weise, wie ein Unternehmen den Unternehmensgegenstand verwirkliche. Maßgeblich seien Betriebsabläufe und -einrichtungen und die ausgeführten Verrichtungen im Sinne von Produktionsverfahren und -techniken. Klassischer Anwendungsbereich für eine Gefahrklassenherabsetzung sei z.B. eine in der Unternehmensart außergewöhnliche Automatisierung oder Ausgliederung der die Unternehmensart prägenden Arbeiten. Ihre für 1995 bis 1997 abweichende Auffassung, bei der sie die besondere Arbeitsschutzorganisation als Betriebsweise fingiert habe, habe nicht in Einklang mit der herrschenden Rechtsauffassung gestanden. Deshalb habe sie sich Ende 1997 entschlossen, keinen neuen Kriterienkatalog aufzustellen. Ein Vertrauensschutz bestehe nicht, denn mit Ende des alten Gefahrtarifs hätten alle für vorausgegangene Gefahrtarifzeiträume gewährten Herabsetzungen geendet. Ein Verstoß gegen § 35 Abs. 1 SGB X liege nicht vor, weil hier schon die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Herabsetzung der Gefahrklasse nicht vorlägen.

Dagegen hat die Klägerin am 07.06.2000 vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen Klage erhoben, ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend darauf hingewiesen, dass in ihrem Unternehmen nennenswerte Arbeitsunfälle gar nicht auf getreten seien. Aus § 162 Abs. 2 SGB VII folge daher ebenfalls, dass Nachlässe zu gewähren seien. Im Übrigen sei ein Herabsetzungsbescheid bis 1999 ergangen und jedenfalls bis dahin eine Beitragsreduzierung von 20% umzusetzen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Unfallverhütung und Arbeitsschutz seien im Rahmen von § 162 Abs. 1 und 2 SGB VII zu berücksichtigen. Sie habe insoweit in § 28 ihrer Satzung nur von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Erhebung von Zuschlägen Gebrauch gemacht; Nachlässe könnten daher hier nicht gewährt werden. Im Übrigen sei der Regelungszweck in Teil II Nr. 2 des GT 98 ein ganz anderer; er beschränke sich auf die Berücksichtigung extremer Risiken in Bezug auf die Produktionsweise im Sinne der Produktionsverfahren und der eingesetzten Betriebsmittel und sei in seiner Anwendung entsprechend der herrschenden Auffassung auf außergewöhnliche extreme Ausnahmefälle beschränkt.

Mit Urteil vom 23.04.2001, auf dessen Gründe verwiesen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das ihr am 27.04.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.05.2001 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, die von der Beklagten über Jahre hinweg gewährte Herabsetzung nach Abschnitt II Nr. 2 des GT 95 aufgrund von Arbeitssicherheitsmaßnahmen sei als Nachlasssystem im Sinne von § 162 SGB VII anzusehen. Auch das Bundesversicherungsamt werte die Regelung als besondere Form der Prämienzahlung nach der vorgenannten Bestimmung. Unabhängig von der rechtlichen Zuordnung erfülle sie auch die Tatbestandsvoraussetzungen des Teils II Nr. 2a des GT 98. Die erheblich abweichende Betriebsweise sei von der Beklagten über Jahre hinweg als Präventionsmaßnahme auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit definiert worden. Der Kriterienkatalog sei von ihr auch noch im Jahre 2000 bei Betriebsprüfungen angewandt worden und habe am häufigsten zu einer Herabsetzung der Gefahrklassen geführt. Wenn sie bei der Arbeitnehmerüberlassung nicht nur zwingende gesetzliche Vorschriften beachte, sondern in erheblichem Umfang Maßnahmen zum Arbeitsschutz umsetze, weiche ihre Betriebsweise von der durchschnittlicher Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen ab. Bei ihr sei weiter zu berücksichtigen, dass sie ihre Mitarbeiter regelmäßig für längere Zeiträume überlasse, der Kundenstamm sich aus wenigen Entleihunternehmen zusammensetze, sie ausschließlich Facharbeiter beschäftige und diese ausschließlich auf Arbeitsplätze vermittle, die wenig unfallgefährdend seien. Dies habe zur Folge gehabt, dass sich die Unfallquote in ihrem Unternehmen wesentlich reduziert habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.04.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2000 zu verurteilen, sie bezüglich des Herabsetzungsantrages vom 11.08.1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Streitgegenstand sei allein die Prüfung der Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II Nr. 2 des GT 98, nicht aber die veranlagungsunabhängige Frage der Rechtmäßigkeit ihrer Satzungsregelung zum Beitragszuschlagsverfahren im Sinne von § 162 SGB VII. Auch die neben der Einführung des QMS mit integrierter Arbeitsschutzorganisation von der Klägerin weiter dargelegten Umstände rechtfertigten nicht die Annahme einer "unüblichen" Betriebsweise. Damit sei - im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - auch nicht eine "durchschnittliche" "oder am häufigsten vorkommende" Betriebsweise gemeint; der Vergleich eines statistischen Idealunternehmens mit dem der Klägerin führe nicht weiter. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es - wie das Landessozialgericht (LSG) Berlin mit Urteil vom 07.03.1991 (L 3 U 12/89) für Bewachungsunternehmen entschieden habe - auch für Firmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verschiedene Varianten der Betriebsweise gebe, z.B. hinsichtlich der Dauer der Verleihung der Arbeitnehmer, der Zahl der Entleiher, der Ausbildung und Qualifikation der Arbeitnehmer. Schließlich sieht sich die Beklagte durch die Urteile des LSG Schleswig-Holstein vom 06.02.2002 (L 8 U 57/01 ) und des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.09.2002 (L 3 U 127/01) in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Beitragsakte lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verurteilung der Beklagten zu einer erneuten Ermessensentscheidung über die Herabsetzung der Gefahrklassen nach dem GT 98.

Der Anspruch der Klägerin beurteilt sich allein nach Teil II Nr. 2a des GT 98. Der Gefahrtarif wird nach § 157 Abs. 1 Satz 1 SGB VII als autonomes Recht vom Unfallversicherungsträger gesetzt. Dieser hat im Rahmen der rechtlich zulässigen Regeln einen weiten inhaltlichen Regelungsspielraum (BSGE 27, 237, 240; BSG SozR 2200 § 734 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar], § 157 SGB VII Rdnr. 3.1; Kass. Komm. - Ricke - § 157 SGB VII Rdnr. 6; Wannagat - Schulz -, SGB VII § 157 Rdnr. 81). Die Beklagte hat hier - wie allgemein üblich - in Abschnitt I die Tarifstellen für die Gefahrgemeinschaften nach den Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung des versicherungsmäßigen Risikoausgleichs (vgl. § 157 Abs. 2 SGB VII) gebildet. In Abschnitt II hat sie sonstige Bestimmungen zur Veranlagung u.a. hinsichtlich einer Heraufsetzung bzw. Herabsetzung der Gefahrklassen getroffen. Der GT 98 ist entsprechend § 158 Abs. 1 SGB VII vom Bundesversicherungsamt am 15.12.1997 genehmigt worden. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Teils II Nr. 2a - c begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

Auch nach den bis zum 31.12.1996 geltenden Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung (RVO), die diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung traf, wurden derartige Bestimmungen im Gefahrtarif für zulässig erachtet (BSGE 27, 237, 243; BSG Urteil vom 24.02.1982 - 2 RU 89/80 -; BSG Beschluss vom 27.02.1985 - 2 BU 81/83 -). Daran hat das SGB VII - entgegen der Ansicht des Bundesversicherungsamtes - grundsätzlich nichts geändert (so zutreffend Kass. Komm. a.a.O.; Schulz, Der Gefahrtarif der Gewerblichen Berufsgenossenschaften, März 1999, 337). Die Überprüfungsbefugnis der Gerichte beschränkt sich auf die Übereinstimmung des Gefahrtarifs mit den in § 162 SGB VII zum Ausdruck gekommenen tragenden Grundsätzen der Beitragsberechnung in der gesetzlichen Unfallversicherung; Nützlichkeits- oder Zweckmäßigkeitserwägungen spielen keine entscheidende Rolle (BSG SozR 2200 § 731 Nr. 2; § 734 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 159 Rdnr. 3). Bei der Auslegung des Gefahrtarifs hat der Versicherungsträger keinen Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum, es sei denn, dass dies ausdrücklich im Gefahrtarif so bestimmt ist (BSG SozR 2200 § 730 Nr. 2).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist der erkennende Senat der Auffassung, dass ein der Beklagten zustehendes Entschließungs- und Auswahlermessen hinsichtlich des Herabsetzungsantrages nach der Regelung in Teil II Abschnitt 2a des GT 98 zu verneinen ist, weil schon die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Satzungsbestimmung nicht vorliegen. Eine Ermessensausübung ist danach erst möglich, wenn feststeht, dass 1. eine erheblich abweichende Betriebsweise oder Betriebseinrichtung vorliegt, 2. es sich insoweit um einen Einzelfall handelt, 3. das Unternehmen geringeren Gefahren unterliegt und 4. ein Ursachenzusammenhang zwischen 1. und 3. besteht (LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., vgl. auch Wannagat, a.a.O. § 159 Rdnr. 6). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist gerichtlich voll überprüfbar (so auch LSG Niedersachsen in Breithaupt 2001, 340 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2002 - L 17 U 632/99 -; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.; Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. § 157 Rdnr. 3.2). Ein Beurteilungsspielraum steht der Beklagten entgegen der Auffassung des LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) nicht zu.

Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist kennzeichnend für die Betriebsweise eines Unternehmens die Art und Weise, wie das jeweilige Unternehmen seinen Unternehmenszweck verwirklicht. Maßgebend sind die jeweiligen Betriebsabläufe, die bestimmt werden durch die auszuführenden Tätigkeiten (Schulz, SGb 1993, 402, 404; Wannagat, a.a.O. Rdnr. 7). Wenn dabei selbstverständlich auch Unfallverhütungsmaßnahmen zu treffen und die entsprechenden Vorschriften zu beachten sind - das folgt bereits unmittelbar u.a. aus § 21 SGB VII -, kann dies Auswirkungen auf die konkreten Arbeitsabläufe haben, jedoch werden dadurch nicht die Betriebsabläufe im Kern berührt. Unter Betriebsweise im Sinne von Teil II Abschnitt 2a des GT 98 sind daher nur die tatsächlichen Arbeitsabläufe und die bei den Tätigkeiten auftretenden Unfallgefahren, nicht aber die Durchführung von Unfallverhütungsmaßnahmen zu verstehen (so LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.; LSG Schleswig-Holstein, a.a.0.; Kass. Komm., a.a.O. Rdnr. 17; Schulz, a.a.O.). Für eine solche Auslegung des Begriffs "Betriebsweise" spricht schließlich, dass die Auswirkungen von Maßnahmen der Unfallverhütung und des Arbeitsschutzes des Unternehmens auf die Unfallgefahr im Rahmen des Beitragsausgleichsverfahrens nach § 162 SGB VII Berücksichtigung finden können. Diese Norm bezweckt die Förderung der Prävention durch Beitragsanreize und will so die nivellierende Wirkung der Gefahrklassen bei Berechnung der Beiträge abschwächen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 162 SGB VII Rdnr. 2; Kass. Komm., a.a.O. § 162 Rdnr. 2). Soweit die Beklagte sich für ein reines Zuschlagsverfahren entschieden hat und Beitragsnachlässe nicht gewährt, handelt sie rechtmäßig und im Rahmen der durch § 162 SGB VII gegebenen Befugnis (so LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.; vgl. auch Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. Rdnr. 3; Wannagat, a.a.O. § 162 Rdnr. 6). Die Wirkungen des reinen Zuschlagsverfahrens entsprechen nämlich im Prinzip denen eines Nachlasssystems, weil die zu gewährenden Nachlässe von allen Unternehmen über ein höheres Umlagesoll und damit einen höheren Beitragsfuß aufgebracht werden. Dagegen wird beim Zuschlagsystem das Umlagesoll um die Zuschläge gemindert, der Beitragsfuß also niedriger (vgl. Kass. Komm., a.a.O. Rdnr. 8). Wenn die Klägerin unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesversicherungsamtes vom 01.07.1998 der Auffassung ist, die Herabsetzungsregelung in Teil II Abschnitt IIa des GT 1998 sei in Wirklichkeit eine besondere Form der Prämienzahlung nach § 162 Abs. 2 SGB VII, wird diese Auslegung, die nicht der herrschenden Meinung entspricht (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 157 Rdnr. 3.2; Kass. Komm., a.a.O. § 157 Rdnr. 17; Wannagat, a.a.O. § 159 Rdnr. 6), auch vom erkennenden Senat nicht geteilt. Den dazu vom LSG Schleswig-Holstein (a.a.O.) und insbesondere vom LSG Rheinland-Pfalz a.a.O. gemachten Rechtsausführungen schließt sich der Senat an; ihnen ist nichts hinzuzufügen.

Im letztgenannten Urteil vom 20.09.2002 ist ebenso eingehend wie zutreffend dargelegt worden, dass der Begriff der "erheblich abweichenden Betriebsweise" sowohl nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes wie auch des BSG eng auszulegen und auf wenige Einzelfälle zu beschränken ist, weil eine andere Auslegung die Gefahr mit sich bringt, dass die Tarifstellenstruktur ausgehöhlt und die Gefahrklassenberechnung entwertet würde (so auch LSG Baden-Württemberg a.a.O.; Kass. Komm., a.a.O.; Wannagat a.a.O. Rdnr. 6; Schulz, a.a.O. S. 403). Soweit die Beklagte für den GT 95 durch die Aufstellung des Kriterienkatalogs die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften als besondere Betriebsweise im Sinne des damaligen GT angesehen hat, entsprach dies - wie die Beklagte selbst erkannt hat - nicht der Rechtslage. Dies hat die Beklagte im Teil II Nr. 2 b des GT 98 klargestellt. Ist danach die Einführung von Maßnahmen einer besonderen Arbeitsschutzorganisation im Rahmen des QMS nicht als "Betriebsweise oder Betriebseinrichtung" i.S.v. Teil II Nr. 2 a des GT 98 anzusehen, so kommt hinzu, dass es sich auch nicht um eine erhebliche Abweichung bzw. um einen Einzelfall i.S.d. oben angeführten Definition handeln würde. Die Beklagte hat schon im Verwaltungsverfahren unwidersprochen darauf hingewiesen, dass 1998 bereits über 20 % der Zeitarbeitsunternehmen Maßnahmen der besonderen Arbeitsschutzorganisationen durchgeführt hatten und dies mehr als 40 % der in Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung Beschäftigten zugute gekommen sei.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 22.08.2002 erstmals darauf hingewiesen hat, dass auch Besonderheiten im Vergleich zu anderen Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen bestünden, weil sie die Beschäftigten über längere Zeit überlasse, nur mit wenigen Entleihbetrieben zusammenarbeite, nur Facharbeiter beschäftige und Mitarbeiter ausschließlich für Tätigkeiten überlasse, die wenig unfallgefährdend seien, werden damit gegenüber der Antragsbegründung im Verwaltungsverfahren wie auch im ersten Rechtszug gänzlich neue Gesichtspunkte vorgetragen, die nunmehr eine Beitragsreduzierung begründen sollen. Handelt es sich danach - wie im Richterbrief vom 16.07.2002 mit geteilt - wegen der Änderung des Klagegrundes um eine Klageände rung i.S.v. § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist diese nur deshalb zulässig, weil sich die Beklagte darauf mit Schriftsatz vom 10.10.2002 eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG). Das Vorbringen der Klägerin, das teilweise - z.B. hinsichtlich der ausschließlichen Beschäftigung von Facharbeitern und der angeblichen Vermittlung in nur wenig unfallgefährdende Tätigkeiten - den diesbezüglichen Feststellungen des TAD vom 08.03.1996 bzw. des Präventionsstabes der Beklagten vom 15.10.1999 widerspricht, ist im Übrigen allgemein gehalten, pauschal, nicht hinreichend substantiiert und lässt in keiner Weise erkennen, an welchen Kriterien der "Üblichkeit" oder "Unüblichkeit" der verschiedenen Formen der Arbeitnehmerüberlassung sich die Klägerin orientiert. Unabhängig davon hat die Beklagte insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass es auf dem Markt unterschiedlichste Gestaltungsformen von Zeitarbeitsunternehmen gibt, solche die mit wenigen oder mit vielen Kunden zusammenarbeiten, solche, die nur Facharbeiter bestimmter Berufe oder solche verschiedenster Berufe, solche die Gelernte und Ungelernte vermitteln, solche, die nur kurzfristig oder nur langfristig vermitteln. Dabei sind die unterschiedlichsten Kombinationen - auch abhängig von der Unternehmensgröße oder von seiner Ausrichtung - möglich. Abgesehen davon, dass hier gar nicht erkennbar ist, was mit einer Verleihung über längere (?) Zeiträume und der Zusammenarbeit mit wenigen (?) Kunden gemeint ist, ist der Senat der Rechtsansicht, dass die behaupteten Abweichungen hier lediglich Varianten üblicher Betriebsweisen (vgl. dazu auch LSG Berlin, Urteil vom 07.03.1991 - L 3 U 12/98 -) darstellen, die einen Anwendungsfall für eine Beitragsherabsetzung i.S.v. Teil II Nr. 2 des GT 98 nicht begründen können. Den zu diesem Komplex im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.09.2002 (a.a.O.) gemachten eingehenden Ausführungen tritt der Senat bei und hat dem nichts hinzuzufügen, zumal das Vorbringen der Klägerin in diesem Verfahren bei Identität des Prozessbevollmächtigten mit dem der Klägerin vor dem LSG Rheinland-Pfalz deckungsgleich ist.

Der Anspruch auf eine erneute Entscheidung über die Herabsetzung der Gefahrklassen lässt sich auch nicht aus Vertrauensschutzgründen herleiten. Die für den Zeitraum von 1995 bis 1997 nach Maßgabe des damaligen Gefahrtarifs erfolgte Ermäßigung der Gefahrklasse der Tarifstelle 24 auf der Grundlage des Kriterien katalogs hat die Beklagte nicht für die Zukunft gebunden. Es gilt der Grundsatz, dass die Veranlagung eines Unternehmens nur für den Geltungszeitraum des Gefahrtarifs erfolgt (BSG SozR 2200 § 734 Nr. 4; LSG Bremen, Urteil vom 30.11.1995 - L 2 U 25/94 -; LSG Niedersachsen, Urteil vom 09.01.2001 - L 6 U 313/99 -; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.; Kass. Komm. § 157 Rdnr. 20; Wannagat, a.a.O. § 157 Rdnr. 75); dieser beläuft sich auf höchstens 6 Kalenderjahre (§ 157 Abs. 5 SGB VII). Da auch eine Nachprüfung möglicher Belastungsänderungen im Rahmen des für die Aufstellung des Gefahrtarifs aufgrund der Satzungsautonomie bestehenden weiten Regelungsspielraums vor Ablauf der Tarifzeit zulässig ist (so ausdrücklich LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; Kass. Komm., a.a.O.), war die Beklagte berechtigt, den GT 95 bereits ab 01.01.1998 durch einen neuen Gefahrtarif zu ersetzen. Damit waren auch für die mit Bescheid vom 22.10.1996 für die Jahre 1998 und 1999 gewährten Beitragsnachlässe gegenstandslos geworden. Vertrauensschutzregelungen wie sie in §§ 45 - 48 SGB X enthalten sind, gelten im Hinblick auf die Sonderregelung in § 160 SGB VII auch nicht sinngemäß (vgl. BSG SozR 2200 § 734 Nr. 5; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 160 Rdnr. 2).

Zu dieser (vorzeitigen) Neuregelung war die Beklagte hier auch deshalb gehalten, weil sie erkannt hatte, dass die den Zeitarbeitsunternehmen nach Maßgabe des Kriterienkatalogs gewährten Ermäßigungen wegen "fingierter unüblicher Betriebsweise" nicht der Rechtslage entsprach und - wie die nachfolgenden Klageverfahren über eine höhere Herabsetzung zeigten - auch verwaltungsmäßig gar nicht zu handhaben war.

Dass die gewährte Herabsetzung nach Teil 2 Nr. 2 des GT 95 auf den Geltungszeitraum dieses Gefahrtarifs i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X befristet war, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Herabsetzungsbescheid vom 20.10.1996 selbst und war den Zeitarbeitsunternehmen allgemein zuvor durch ein mit der Information über den GT 95 beifügtes Schreiben zu dem neuen Kriterienkatalog mitgeteilt worden. Soweit die Klägerin auf Presseveröffentlichungen der Beklagten und Tagungsberichte verweist, in denen die Fragen einer modellhaften Arbeitsschutzorganisation erörtert worden sind, bezogen sich diese auf den zu dem GT 95 aufgestellten Kriterienkatalog und können - unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt auch immer - den von der Klägerin hier verfolgten Anspruch in keiner Weise stützen. Wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch zuletzt noch meinte, eine rechtswidrige Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Zeitarbeitsunternehmen mit der Behauptung beweisen zu können, es seien auch noch bis in das Jahr 2000 hinein Beitragsermäßigungen gewährt worden, dann kann dieses Vorbringen als Irreführung des Gerichts gewertet werden, denn dabei wird die Tatsache unterschlagen, dass - wie die Beklagte schon vor dem SG unwidersprochen dargetan hatte - dies allein Folge unrichtiger, noch nach Maßgabe des GT 1995 Anfang 1998 erteilter rechtsverbindlich gewordener Veranlagungsbescheide war. Schließlich kann auch die Tatsache, dass sich die Beklagte in den wegen der Gewährung höherer Beitragsnachlässe nach Teil II Nr. 2 des GT 95 anhängig gewesenen Streitverfahren im letzten Jahr außergerichtlich verglichen hat, nachdem ein LSG wegen nicht ausreichend dargelegter Ermessenserwägungen i.S.v. § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X die angefochtenen Bescheide aufgehoben hatte, hier gerade nicht als Argument für die von der Klägerin vertretene Rechtsposition verstanden werden. Eine rechtswidrige Ungleichbehandlung wird - anders als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der in den o.a. Streitverfahren beteiligt war, meint -, gerade nicht belegt und auch als Beweis für die Verletzung schutzwürdiger Vermögensinteressen durch die mit dem Inkrafttreten des GT 98 geänderte Praxis der Beklagten in Bezug auf die Gewährung von Beitragsnachlässen ist dieses Vorbringen gänzlich ungeeignet. Dass es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt und der Unfallversicherungsträger nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, die einmal als rechtswidrig erkannte Gewährung von Beitragsnachlässen für die Zukunft nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen aufzugeben, bedarf keiner weiteren Begründung.

Eine Zusage i.S.v. § 34 SGB X über die Gewährung von Beitragsnachlässen auch nach dem GT 98 durch die Beklagte wird von der Klägerin selbst nicht behauptet. Soweit sie schließlich auf § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X verwiesen und insoweit die Ansicht vertreten hat, die Bescheide seien auch aus formellen Gründen rechtswidrig, hält der Senat ein Eingehen darauf für nicht erforderlich, nachdem die Beklagte dazu das Nötige gesagt hat.

Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.

Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des BSG zum Gefahrtarif ab und die Rechtssache hat auch deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil dem Teil II Nr. 2 des GT 98 entsprechende Bestimmungen in den neuen Gefahrtarifen fehlen.
Rechtskraft
Aus
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