L 17 U 105/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 148/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 105/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 131/01
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15. März 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin wegen der als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannten Hauterkrankung im Gesichtsbereich Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente hat.

Die 1934 geborene Klägerin erlernte nach eigenen Angaben von 1948 bis 1951 den Beruf der Floristin, arbeitete in diesem Beruf bis 1962 als abhängig Beschäftigte und bis 1978 als selbstständige Unternehmerin. Zum 30.09.1978 gab sie diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf und führte bis 1998 als selbstständige Unternehmerin ein Einzelhandelsgeschäft für Damenoberbekleidung. Die Klägerin erhält nunmehr Altersrente und wegen eines im Jahre 1991 erlittenen Arbeitsunfalles außerdem Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H ...

Im Februar 1997 beantragte die Klägerin die Gewährung von Verletztenrente wegen einer BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV, da sie die selbstständige Tätigkeit als Floristin 1978 wegen einer berufsbedingten allergischen Erkrankung im Bereich des Gesichts habe aufgeben müssen. Sie legte einen am 15.10.1976 ausgestellten Allergiepass vor, wonach bei ihr eine Allergie gegenüber Vorsommer- und Herbstblumen sowie Lorbeeröl bestehe und des Weiteren eine Bescheinigung der Hautärztin Dr. L ... vom 11.09.1978 zur Vorlage bei dem Finanzamt, wonach die Klägerin an einem spätendogenen Ekzem und einer starken Allergie auf Frühjahrs- und Herbstblumen leide. Da die Klägerin Besitzerin eines Blumengeschäfts sei, wobei sie ständigen Kontakt mit Frühjahrs- und Herbstblumen habe, würden ständig neue Ekzemschübe provoziert. Da der Kontakt mit diesen Allergenen nicht zu meiden sei, sei der Klägerin zur Aufgabe des Geschäfts geraten worden. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der privaten Krankenversicherung bei und ließ die Klägerin außerdem durch Dr. Dr. E ..., Hautarzt in K ..., untersuchen. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 20.10.1997 nebst ergänzender Stellungnahme vom 06.02.1998 zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestehe eine beruflich bedingte Sensibilisierung gegenüber Korbblütlern, die in den Jahren 1970 bis 1978 zu wiederholten entzündlichen Hautveränderungen im Gesicht und seitlichen Halsbereich geführt habe. Nach dem geschilderten klinischen Bild und der Behandlungsdauer habe es sich um eine schwere Hauterkrankung gehandelt, die auch wiederholt rückfällig gewesen sei und zur Unterlassung der damals ausgeübten Tätigkeit als Floristin gezwungen habe. Nach Aufgabe der Tätigkeit seien die Hautveränderungen dauerhaft abgeheilt. Nach den Empfehlungen für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 18.05.1995 sei diese mit 10 v.H. zu bewerten. Nachdem der Hautarzt Priv.-Doz. Dr. B ... in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme ausgeführt hatte, unter Berücksichtigung der derzeit fehlenden Hautveränderungen und der nur leichten Auswirkungen der Allergie sei die MdE mit 0 v.H. einzuschätzen, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 27.03.1998 die Hauterkrankung unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 30.09.1978 als BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV an und lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mangels rentenberechtigender MdE ab. Als Folgen der BK wurden vollständig abgeheilte Erytheme im Gesichts- und Halsbereich anerkannt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.1998 als unbegründet zurück.

Am 09.07.1998 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung medizinischer Sachverständigengutachten. Prof. Dr. N ..., Zentrum für Dermatologie der Westfälischen Wilhelms-Universität M ..., hat in seinem Gutachten vom 19.07.1999 nebst ergänzender Stellungnahme vom 03.10.1999 dargelegt, die Klägerin habe im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Floristin eine Typ IV-Sensibilisierung gegen Pflanzen aus der Familie der Kompositen und außerdem eine Typ I-Sensibilisierung gegen Pflanzen aus der Familie der Kompositen und gegen Ficusarten erworben. Aufgrund der Kontaktsensibilisierung gegen Kompositen und der klinisch-relevanten Typ I-Sensibilisierung gegen Ficus sei die MdE seit Januar 1993 mit 10 v.H. einzuschätzen. Prof. Dr. A ..., Direktor der Dermatologischen Klinik der R ...Universität im St. J ... Hospital B ..., hat in seinem Gutachten vom 19.05.2000 nebst ergänzender Stellung nahme vom 20.07.2000 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe der Verdacht auf einen Zustand nach allergischem Kontaktekzem des Gesichtes bei Spättyp-Sensibilisierungen gegenüber Kompositenmix und atopischer Hautdisposition so wie Verdacht auf einen Zustand nach Kontakturtikaria bei Soforttyp-Sensibilisierungen gegen Kompositen, Pollen und Ficus benjamina. Da die Allergene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur gering verbreitet seien, sei die Auswirkung der Allergie nach der derzeit gültigen MdE-Tabelle für die Beurteilung berufsbedingter Hauterkrankungen als geringgradig einzustufen und unter Berücksichtigung der fehlenden Hauterscheinungen sei die MdE mit 0 v.H. zu bewerten.

Durch Urteil vom 15.03.2001, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das ihr am 26.03.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.04.2001 Berufung eingelegt.

Sie vertritt die Auffassung, die Auswirkungen der BK seien zumindest mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.03.2001 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.03.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.06.1998 zu verurteilen, ihr wegen der BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 10 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. Dr. S ..., Institut für Dermatologie, Umweltmedizin und Gesundheitstheorie der Universität O ... Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 16.01.2002 dargelegt, bei der Klägerin bestehe der Verdacht auf Zustand nach allergischem Kontaktekzem des Gesichts mit Streuung bei ausgeprägter Spättyp-Sensibilisierung gegen diverse Kompositen und bei Verdacht auf atopische Hautdisposition sowie der Verdacht auf allergische Rhinoconjunctivitis bei Soforttyp-Sensibilisierung gegen Kompositen-Pollen und Ficus. Unter Berücksichtigung der aus dem Jahre 1987 datierenden MdE- Tabelle der Arbeitsgemeinschaft für Berufsdermatologie ergebe sich eine MdE um 20 v.H. und unter Berücksichtigung der seit 1995 gültigen Tabelle der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie ergebe sich keine messbare MdE.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Akten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen einer BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV, da sich eine messbare MdE infolge der als BK anerkannten Hauterkrankung nicht feststellen lässt.

Der Entschädigungsanspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften des zum 01.01.1997 in kraft getretenen Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Zwar ist der Versicherungsfall, wie die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden anerkannt hat, zum 30.09.1978 und damit vor dem 01.01.1997 eingetreten. Die Rente war jedoch nach dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII festzusetzen. Dabei ist umstritten, was unter "erstmals festzusetzen" zu verstehen ist. Nach der in der Kommentarliteratur überwiegend vertretenen Meinung sind Leistungen erstmals festzusetzen, wenn die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, auch wenn die tatsächliche Feststellung erst später erfolgt. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der materiellen Anspruchsentstehung, auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Feststellung der Leistung kommt es nicht an (vgl. Bereiter- Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar] § 214 SGB VII Rdnr. 13.2; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung [Gesetzliche Unfallversichering] § 214 SGB VII Rdnr. 7; Hauck/Graeff, Sozialgesetzbuch - SGB VII - § 214 SGB VII Rdnr. 7). Demgegenüber sind nach anderer Auffassung die Worte "erstmals festzusetzen" so zu verstehen, dass damit der Zeitpunkt der Erteilung des Verwaltungsaktes über die erstmalige Festsetzung der Leistung gemeint ist (vgl. BSG vom 20.02.2001 - B 2 U 1/2000 R-). Welcher Auffassung zu folgen ist, hat das Bundessozialgericht (a.a.O.) zwar ausdrücklich offengelassen, die in dieser Entscheidung enthaltenen Hinweise auf den Zweck der Übergangsvorschrift sprechen jedoch nach Ansicht des erkennenden Senats für die Auffassung, dass es auf den Zeitpunkt der ersten tatsächlichen Verwaltungsentscheidung ankommt. Dies muss jedenfalls in den Fällen gelten, in denen der Antrag - wie hier - erst nach dem 01.01.1997 gestellt wird, denn in diesen Fällen greift das Argument der erstgenannten Auffassung, die Anwendung des neuen Rechts dürfe nicht von Zufälligkeiten der Verfahrensdauer abhängen, gerade nicht ein. Außerdem lässt sich nur auf diese Weise der wesentliche Zweck der Übergangsvorschrift erreichen, der darin liegt, dass in allen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, in denen über die in diesen Vorschriften genannten Leistungen oder Leistungsvoraussetzungen zu entscheiden ist, unabhängig von ihrem Ausgang Rechtssicherheit über das anzuwendende Recht besteht. Es muss nämlich vom ersten Tag des Inkrafttretens neuer Vorschriften namentlich bei "Altfällen" Klarheit darüber bestehen, ob noch das alte oder bereits das neue Recht anzuwenden ist. Hiermit wäre nicht zu vereinbaren, wenn sich erst lange Zeit nach Inkrafttreten des SGB VII herausstellte, welches Recht unmittelbar nach dem Inkrafttreten hätte angewendet werden müssen. Solches wäre jedoch der Fall, wenn auf die Entstehung des Leistungsanspruchs abgestellt würde. Denn ob und ggf. seit wann die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, lässt sich - wie der vorliegende Fall zeigt - oft erst nach langwierigen und zeitaufwendigen Ermittlungen, die u.U. mehrere Jahre in Anspruch nehmen können, klären. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass sich hier auch nach der erstgenannten Auffassung zur Auslegung des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII kein abweichendes Ergebnis ergäbe, da sich, wie unten noch ausgeführt wird, ein Rentenanspruch der Klägerin nicht feststellen lässt.

Eine BK, die gem. § 7 Abs. 1 SGB VII ein Versicherungsfall und durch Zahlung von Verletztenrente zu entschädigen ist, ist gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII eine Krankheit, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Verletztenrente wird nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gewährt, solange infolge der BK die Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrere Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vom-Hundert-Sätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Dabei sind die Folgen eines Versicherungsfalles nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind im Falle der Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erfüllt. Der Senat stützt sich insoweit auf die Gutachten von Prof. Dr. S ... und Prof. Dr. A ... sowie auf die Ausführungen des von der Beklagten gehörten Priv.-Doz. Dr. B ..., die im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten waren. Soweit Prof. Dr. N ... und Dr. E ... die MdE mit 10 v.H. einschätzen, ist ihrer Auffassung nicht zu folgen. In medizinischer Hinsicht ist danach vom folgenden Sachverhalt auszugehen:

Bei der Klägerin bestehen beruflich erworbene Sensibilisierungen vom Typ IV gegen Kompositenbestandteile sowie vom Typ I gegen Kompositenbestandteile und Birkenfeige, die zu einer schweren Hauterkrankung und letztlich zur Aufgabe ihres Berufes als Floristin führten. Dies wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen, die überdies mit den angefochtenen Bescheiden die Hauterkrankung als BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV anerkannt hat. Die Folgen der BK werden auch von allen Gutachtern und Sachverständigen übereinstimmend beschrieben.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens bedingt die BK aber keine messbare MdE. Die MdE richtet sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang, der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gem. § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens getroffenen Überzeugung trifft (vgl. BSG vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R m.w.N., siehe ferner: Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 56 SGB VII Rdnr. 10 ff.). Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Bei der Beurteilung der MdE sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (vgl. BSG a.a.O. m.w.N.). Bei einer Vielzahl von Unfallfolgen haben sich im Laufe der Zeit für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet. Sie sind in Form von Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und dienen als Anhaltspunkte für die MdE-Einschätzung im Einzelfall. Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte bilden lediglich die Basis für ein Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet und Gewähr leisten, dass alle Betroffenen bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE. Den Empfehlungen kommt ebenso wie den MdE-Tabellen nicht der Rechtscharakter einer gesetzlichen Norm zu, sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, um den unbestimmten Rechtsbegriff der MdE auszufüllen (vgl. BSG vom 30.06.1998 - B 2 U 41/97 R).

Da bei der Klägerin, wie die Beklagte bindend anerkannt hat, der Versicherungsfall bereits am 30.09.1978 eingetreten ist, ist im vorliegenden Fall entscheidungserheblich, ob hier die Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaft vom 18.05.1995 für den gesamten Zeitraum ab Eintritt des Versicherungsfalles anzuwenden sind oder ob für die vor dem 18.05.1995 liegende Zeit die Empfehlungen in den vorangegangenen Fassungen anwendbar sind.

Prof. Dr. S ... hat zutreffend dargelegt, dass die MdE nach den zurzeit gültigen Empfehlungen keinen messbaren Grad erreicht. Denn bei der Klägerin bestehen, wovon sämtliche gehörten Gutachter und Sachverständigen ausgehen und von der Klägerin auch selbst nicht in Abrede gestellt wird, seit Aufgabe der Tätigkeit als Floristin keine Hauterscheinungen mehr. Und die Auswirkungen der Allergie sind, weil Ficus benjamina und Sesquiterpenlactone (Kompositen-Bestandteile) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als wenig verbreitet angesehen werden müssen, lediglich als geringgradig einzustufen. Soweit Dr. E ... die Hauterscheinungen als leicht einstuft, kann seiner Auffassung nicht gefolgt werden, denn anlässlich seiner Untersuchung konnte er ausweislich des Gutachtens, ebenso wie auch die im Gerichtsverfahren gehörten Sachverständigen keinen krankhaften Hautbefund erheben. Wenn Prof. Dr. N ... die Auswirkung der Allergie als mittelgradig bewertet, kann seiner Einschätzung ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn Prof. Dr. A ... und Prof. Dr. S ... haben zutreffend darauf hingewiesen, dass die hier maßgeblichen Allergene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur wenig verbreitet sind. Außerdem handelt es sich bei diesen Allergenen zudem um Allergene mit weitgehend überlappendem Verbreitungsspektrum, so dass die Definition einer mittelgradigen Auswirkung einer Allergie gem. den Vorgaben der Empfehlungen, die vorsehen, dass mehrere Berufsstoffe gering verbreitet sein können, hier - wie Prof. Dr. S ... ausführt - nicht anwendbar ist, sondern vielmehr die genannten Sensibilisierung im Prinzip wie ein Allergen zu bewerten sind.

Demgegenüber wäre die MdE bei Zugrundelegung der früher gültigen Empfehlungen mit 20 v.H. zu bewerten, denn Prof. Dr. S ... hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Intensität der Sensibilisierung als stark zu bewerten ist und unter Berücksichtigung der geringen Verbreitung der Allergene hier eine MdE um 20 v.H. zutreffend war.

Die MdE ist hier für den gesamten Zeitraum unter Zugrundelegung der gemeinsamen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie und des HVBG in der derzeit gültigen Fassung zu bewerten. Zwar verstößt es nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.12.2000, a.a.O.) gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz, wenn die im Jahre 1994 neu gefassten Grundsätze der DOG auf den schon zuvor veränderten Gesundheitszustand des Klägers zur MdE-Einschätzung angewendet werden, denn bei einer Veränderung des Gesundheitszustandes dürften für eine auf diesem Zeitpunkt bezogene Neubewertung der MdE die Empfehlungen nur in der Fassung angewendet werden, die in diesem Zeitraum galten. Das BSG ist dabei davon ausgegangen, dass die Änderung der MdE zwar keine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse bedeutet, aber eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse sein kann. Es hat weiter angenommen, wenn die Empfehlungen der DOG die Auswirkungen bestimmter Augenleiden auf die Arbeitsmöglichkeiten des Verletzten zusammenfassten und sie wegen der ständigen Veränderungen der Arbeitswelt von Zeit zu Zeit nach entsprechender Überprüfung zu verändern seien, dürften sie für eine auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogene Neubemessung der MdE nur in dieser Fassung angewendet werden, die in diesem Zeitraum geholten habe. Das BSG geht mithin davon aus, dass die Änderung der Empfehlungen der DOG auf der Veränderung der Arbeitswelt beruhten und die jeweilige Fassung deshalb die für ihren Geltungszeitraum verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten widerspiegelt.

Entscheidungserheblich ist mithin, ob die Neufassung der Empfehlungen zur Einschätzung der MdE bei Hauterkrankungen aufgrund einer Änderung der Arbeitsmöglichkeit der betroffenen Versicherten beruhte, was für die Anwendung der im zu beurteilenden Zeitpunkt jeweils gültigen Fassung der Empfehlungen spricht oder ob die Änderung aufgrund der Verarbeitung neuer Erkenntnisse erfolgte, deren Anwendung rückblickend gesehen, schon immer richtig gewesen wäre, was für die Anwendung der überarbeiteten Fassung vom 18.05.1995 auch auf noch nicht bindend entschiedene Rechtsverhältnisse, in denen der Versicherungsfall vor dem 18.05.1995 liegt, spricht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 19.03.1997 - L 10 U 2677/95 -). Die Modifizierung der Tabelle durch die neuen MdE-Empfehlungen erfolgte, da die bisherigen Empfehlungen nach der übereinstimmenden Auffassung der Berufsdermatologen und der Spitzenverbände der Unfallversicherung in Teilen nicht zu einer zutreffenden Bewertung der tatsächlichen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit bei Hauterkrankungen geführt hatten und weil solche fehlerhaften Ergebnisse durch die Neufassung ausgeschlossen werden sollten (vgl. Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur BKV, M 5101 S. 34 f.). Dies hat auch Prof. Dr. S ... in seinem Gutachten klargestellt, indem er betont hat, durch die derzeit gültige Fassung der MdE-Empfehlungen sei die frühere Überbetonung verbliebener allergischer Berufskrankheiten-Folgen zu Gunsten einer paritätischen Berücksichtigung von ggf. resultierenden irritativen Hautschädigungen ersetzt worden. Da es sich mithin nicht um eine Anpassung an eine Veränderung der realen Lebensbedingungen, sondern um eine Modifizierung zur Umsetzung gewonnener Erfahrungen gehandelt hat, sind für den gesamten hier streitigen Zeitraum die aktuellen MdE-Empfehlungen aus dem Jahre 1995 anzuwenden, so dass die Folgen der BK bei der Klägerin keine messbare MdE bedingen.

Die Berufung musste daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG erfolglos bleiben.

Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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