Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 11 U 31/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2000 verurteilt, dem Kläger aus Anlass des Vorliegens einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. nach Maßgabe der gesetzliche Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagten werden die Kosten des Klägers auferlegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung der Meniskusschäden an den Kniegelenken des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der geborene Kläger absolvierte nach dem Hauptschulabschluss zu nächst eine Lehre als Bauklempner bzw. Gas- und Wasserinstallateur mit Abschluss. Seit dem Abschluss der Lehre ist der Kläger durchgängig als Dachdecker tätig.
Im Januar und im Februar erfolgten Knieoperationen beidseits mit arthroskopischen Behandlungen im Hospital,. Als Beginn der Schmerzen im Bereich der Kniegelenke gab der Kläger das Jahr an. Im Rahmen der stationären Behandlung in der Zeit vom bis zum stellten die Ärzte des Hospitales folgende Diagnosen:
1. Degenerative mediale Meniskopathie links mit Sandwichrissen, Lappenrissen, Längsrissen,
2. Chondromalazie II. Grades medialer Femurcondylus
3. Gefensterte Plica medio-patellaris
4. Psoriasis.
Im histologischen Befund fand sich eine hochgradige Degeneration des linken Innenmeniskus. Nach Durchführung der Arthroskopien verspürte der Kläger zu nächst eine Besserung.
Im Sommer trat jedoch wiederum eine Verschlechterung hinsichtlich der Beschwerden ein. In einem Bericht über eine Untersuchung des Klägers am führte der Chefarzt der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhauses , Dr. aus, bei dem Kläger liege eine mediale Gonarthorse beidseits, links mehr als rechts vor. Er halte aufgrund der nahezu vollständigen Aufhebung des medialen Gelenkspaltes eine weitere Operation für erforderlich, um die Notwendigkeit einer frühzeitigen Plastik im Bereich des rechten Kniegelenkes zu vermeiden.
Diesen Bericht nahm die Beklagte zum Anlass, ein Verwaltungsverfahren bezüglich der BK 2102 einzuleiten. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen befragte die Beklagte ihren Technischen Aufsichtsdienst zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitbefangenen BK. Unter dem führte der technische Aufsichtsbeamte unter Bezugnahme auf eine vom Technischen Aufsichtsdienst zusammengestellte "Bildmappe über die kniebelastenden Tätigkeiten des Dachdeckers" aus, dass circa 20 bis 25 Prozent der Gesamttätigkeiten des Klägers mit Meniskusbelastungen im Sinne der BK Nr. 2102 verbunden gewesen seien. Es sei jedoch zu Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitbefangenen BK ein zeitlicher Umfang der Meniskusbelastungen in einem wesentlichen Teil der täglichen Arbeitszeit erforderlich. Dieser sei wohl nicht unter 1/3 der täglichen Arbeitszeit anzusetzen. Es seien daher im vorliegenden Fall mit einem Zeitanteil der kniebelastenden Tätigkeiten von circa 20 bis 25 Prozent der Arbeitsschicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Arzt für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin Dr. ,. Dieser führte unter dem aus, der innere Aufbau des Kniegelenkes sei fehlerhaft im Sinne einer Genuvarumfehlstellung, der eine überragende Bedeutung beim Zustandekommen der degenerativen Meniskusveränderungen zukomme. Die Anerkennung der BK könne daher nicht vorgeschlagen werden.
Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, die maßgeblichen Voraussetzungen der streitbefangenen BK seien nicht gegeben.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, seine Kniegelenkesbeschwerden seien durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden. Eine berufsfremde Ursache sei nicht ersichtlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben und führt zur Begründung aus, die Dachdeckerarbeiten seien meniskusbelastend. Er arbeite in einem typischen Dachdeckerbetrieb, der eine Vielzahl von meniskusbelastenden Tätigkeiten mit sich bringe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, ihm aus Anlass des Vorliegens einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Chefarzt der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Sporttraumatologie der Klinik , Dr ... Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das im Mai erstellte Gutachten von Dr. nebst ergänzenden Stellungnahmen vom und verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Durch den angefochtenen Bescheid wird der Kläger beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil dieser Bescheid rechtswidrig ist.
Zu Unrecht hat die Beklagte die Anerkennung der BK 2102 und die Erbringung von Entschädigungsleistungen abgelehnt.
Der Kläger leidet an einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Maße bedingt.
Verletztenrente gewährt der Versicherungsträger gemäß § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) nach Eintritt des Versicherungsfalles.
Gemäß Nr. 2102 der Anlage zur BKV gehören zu den Berufskrankheiten auch: Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.
Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung bezüglich der BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV (abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheitenverordnung, M2102) ist eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke im Sinne der genannten BK biomechanisch gebunden an eine Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder eine häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage. Diese Voraussetzungen sind auch durch die von dem Kläger ausgeübte Dachdeckertätigkeit erfüllt. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers, die er durch die Vorlage von Stundenbüchern belegt hat, hat der Kläger sowohl auf Flachdächern als auch auf Steildächern gearbeitet, ohne dass der Dachdeckerbetrieb, bei dem er angestellt ist, gravierende Abweichungen gegenüber typischen Dachdeckerbe trieben erkennen lässt. Da es schon aufgrund des Zeitablaufes nicht möglich ist, genau festzustellen, welchen Zeitanteil jeweils welche Verrichtung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Klägers im Verlaufe einer jeden Arbeitsschicht in Anspruch genommen hat, mußte und konnte sich die Kammer bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich des Zeitanteiles der kniebelastenden Tätigkeiten auf die vorgelegten Unterlagen und Aussagen des Klägers stützen, die die Kammer als uneingeschränkt glaubhaft angesehen hat. Hiernach handelt es sich bei der beruflichen Tätigkeiten des Klägers um diejenige eines Dachdeckers in einem typischen Dachdeckerbetrieb.
Bei dieser Tätigkeit musste der Kläger laufend kniend arbeiten, wobei auch dann eine Meniskusbelastung anzunehmen ist, wenn der Kläger mit gespreizten Füßen auf einer Leiter oder auf einem Steildach stehend aus dem Oberkörper heraus körperliche Tätigkeiten ausüben musste. Soweit der TAD der Beklagten gleichwohl lediglich 20 bis 25 Prozent dieser Tätigkeit als kniegelenks- belastend beurteilt hat, widerspricht dies der herrschenden Anschauung, wonach gerade die Tätigkeit des Dachdeckers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK Nr. 2102 der Anlage zur BKV erfüllt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.06.1996, Az.: L 17 U 90/95 m. w. N.).
Dem steht nicht entgegen, dass das genannte Merkblatt die Dachdeckertätigkeit nicht ausdrücklich nennt, denn die dort aufgeführten Arbeiten enthalten nur eine beispielhafte Aufstellung wie der Zusatz z.B. und der allgemeine Hinweis auf "Tätigkeiten unter ganz besonders beengten Raumverhältnissen" zeigt.
Zum anderen hat der gerichtlich gehörte Sachverständige Dr. zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass jedenfalls dann die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitbefangenen BK erfüllt sind, wenn die Tätigkeit - wie im Fall des Klägers - bereits weit über 20 Jahre ausgeübt wurde. Diese Einschätzung hat auch der von der Beklagten gehörte Orthopäde Dr. in seiner von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom bestätigt. Ergänzend hat Dr. unter Bezugnahme auf die von der Beklagten vorgelegten Bildmappe ausgeführt, diese sei hinsichtlich des Umfanges der kniebelastenden Tätigkeiten bei Dachdeckern unvollständig. Dr. sieht auch die auf Blatt 3 der o.g. Bildmappe dargestellten Tätigkeiten der Dachdecker als meniskusbelastend an, weil in der dort dargestellten Drehbeugestellung des Kniegelenkes der Innenmeniskus erheblich belastet wird. Rechnet man diese Zeiträume aber den auch von der Beklagten anerkannten meniskusbelastenden Tätigkeiten hinzu, ergibt sich zwanglos ein deutliche Überschreitung des von der Beklagten geforderten Zeitanteiles in Höhe von 1/3 einer jeden Arbeitsschicht.
Soweit sich die Beklagte selbst gegen die Stellungnahme ihres Beratungsarztes wendet und sich auf das Urteil des LSG NW vom 26.09.2001 (Az.: L 17 U 26/01) beruft, konnte die Kammer dem nicht folgen. Entgegen der Behauptung der Beklagten, es handele sich dabei um einen ähnlich gelagerten Fall, ist darauf hinzuweisen, dass dem o.g. Urteil des LSG der Fall eines Stukkateurs zugrundelag. Die Tätigkeit eines Stukkateurs unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von der eines Dachdeckers, so dass eine Vergleichbarkeit nicht gegeben ist.
Die haftungsbegründende Kausalität ist daher zu bejahen.
Dies gilt auch für die haftungsausfüllende Kausalität, denn die Tätigkeit als Dachdecker ist wesentlich ursächlich für die Schädigung der Kniegelenke des Klägers geworden.
Auch insoweit folgt die Kammer den schlüssigen Darlegungen des gerichtlich gehörten Sachverständigen Dr. und den überzeugenden Ausführungen von Dr ... In der Anamnese des Klägers fand sich kein Trauma, keine sportlichen Aktivitäten, kein Übergewicht; die Ursache für die Meniskopathien ist daher in einer Gewebsdegeneration zu suchen, für die als Ursache nur die berufliche Tätigkeit des Klägers in Betracht kommt.
Insbesondere konnte die Einschätzung des Arbeitsmediziners Dr. nicht bestätigt werden, der innere Aufbau des Kniegelenkes des Klägers sei fehlerhaft. Auch Dr. hat wie schon vor ihm Dr. überzeugend ausgeführt, dass bei dem Kläger regelrechte Beinachsen vorliegen und auch keine unfalltypischen Verletzungen vorliegen. Die bei dem Kläger vorliegende hochgradige Generation der Innenmeniski mit Horizontalriß lässt auf einen eingeklemmten Innenmeniskus schließen. Zu solchen Einklemmungserscheinungen kommt es nahezu ausschließlich bei starker Kniebeugestellung. Dieses Schadensbild passt zu einer Tätigkeit, die wie die des Klägers zu 3/4 aus mehr oder weniger kniebelastenden Verrichtungen besteht.
Die Kammer ist dem Vorschlag des gerichtlichen Sachverständigen auch hinsichtlich der MdE-Bewertung gefolgt, die die Kammer nach eigener Prüfung als zutreffend ansieht.
Der Grad der MdE hängt maßgebend von der Schwere des noch vorhandenen unfallbedingten Krankheitszustandes, den damit verbundenen Funktionseinbußen und dem Umfang der den Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab (vgl. nur BSG SozR 2200, § 580 Nr. 27 m. w. N.).
Für die gesetzliche Unfallversicherung haben sich MdE-Erfahrungswerte herausgebildet, die zwar Verwaltung und Rechtsprechung nicht binden, bei der Rentenfeststellung regelmäßig zu berücksichtigen sind, da sie eine Grundlage für eine gerechte und gleiche Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelen des täglichen Lebens bilden (vgl. nur Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, [Handkommentar], Anm. 10.3 zu § 56 SGB VII).
Nach diesen Erfahrungswerten in der gesetzlichen Unfallversicherung setzt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. einen Zustand voraus, wie er z.B. bei einer Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes auf eine Streckung/Beugung von 0/0/90 Grad vorliegt oder bei einer unvollständig kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparates mit Gangunsicherheit (vgl. nur Bereiter-Hahn/Mehrtens, Anhang 12, Seite J 029).
Bei dem Kläger hat schon der Arbeitsmediziner Dr. ein Wechsel seitiges Schonhinken mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung festgestellt. Dr. hat ergänzend darauf hingewiesen, dass ein heftiger lokaler Druckschmerz über dem medialem Gelenkspalt an beiden Kniegelenken besteht. Die subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers, der über durchgehende Schmerzzustände berichtet hat, bewertete Dr. als glaubhaft. Angesichts der Verteilung der damit anhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen auf beide Kniegelenke und damit auf paarige Organe, hat die Kammer in der Bewertung der MdE mit 20 v.H. durch Dr. keinen Verstoß gegen die o.g. Erfahrungswerte gesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung der Meniskusschäden an den Kniegelenken des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der geborene Kläger absolvierte nach dem Hauptschulabschluss zu nächst eine Lehre als Bauklempner bzw. Gas- und Wasserinstallateur mit Abschluss. Seit dem Abschluss der Lehre ist der Kläger durchgängig als Dachdecker tätig.
Im Januar und im Februar erfolgten Knieoperationen beidseits mit arthroskopischen Behandlungen im Hospital,. Als Beginn der Schmerzen im Bereich der Kniegelenke gab der Kläger das Jahr an. Im Rahmen der stationären Behandlung in der Zeit vom bis zum stellten die Ärzte des Hospitales folgende Diagnosen:
1. Degenerative mediale Meniskopathie links mit Sandwichrissen, Lappenrissen, Längsrissen,
2. Chondromalazie II. Grades medialer Femurcondylus
3. Gefensterte Plica medio-patellaris
4. Psoriasis.
Im histologischen Befund fand sich eine hochgradige Degeneration des linken Innenmeniskus. Nach Durchführung der Arthroskopien verspürte der Kläger zu nächst eine Besserung.
Im Sommer trat jedoch wiederum eine Verschlechterung hinsichtlich der Beschwerden ein. In einem Bericht über eine Untersuchung des Klägers am führte der Chefarzt der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhauses , Dr. aus, bei dem Kläger liege eine mediale Gonarthorse beidseits, links mehr als rechts vor. Er halte aufgrund der nahezu vollständigen Aufhebung des medialen Gelenkspaltes eine weitere Operation für erforderlich, um die Notwendigkeit einer frühzeitigen Plastik im Bereich des rechten Kniegelenkes zu vermeiden.
Diesen Bericht nahm die Beklagte zum Anlass, ein Verwaltungsverfahren bezüglich der BK 2102 einzuleiten. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen befragte die Beklagte ihren Technischen Aufsichtsdienst zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitbefangenen BK. Unter dem führte der technische Aufsichtsbeamte unter Bezugnahme auf eine vom Technischen Aufsichtsdienst zusammengestellte "Bildmappe über die kniebelastenden Tätigkeiten des Dachdeckers" aus, dass circa 20 bis 25 Prozent der Gesamttätigkeiten des Klägers mit Meniskusbelastungen im Sinne der BK Nr. 2102 verbunden gewesen seien. Es sei jedoch zu Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitbefangenen BK ein zeitlicher Umfang der Meniskusbelastungen in einem wesentlichen Teil der täglichen Arbeitszeit erforderlich. Dieser sei wohl nicht unter 1/3 der täglichen Arbeitszeit anzusetzen. Es seien daher im vorliegenden Fall mit einem Zeitanteil der kniebelastenden Tätigkeiten von circa 20 bis 25 Prozent der Arbeitsschicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht gegeben.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Arzt für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin Dr. ,. Dieser führte unter dem aus, der innere Aufbau des Kniegelenkes sei fehlerhaft im Sinne einer Genuvarumfehlstellung, der eine überragende Bedeutung beim Zustandekommen der degenerativen Meniskusveränderungen zukomme. Die Anerkennung der BK könne daher nicht vorgeschlagen werden.
Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der Begründung ab, die maßgeblichen Voraussetzungen der streitbefangenen BK seien nicht gegeben.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, seine Kniegelenkesbeschwerden seien durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden. Eine berufsfremde Ursache sei nicht ersichtlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben und führt zur Begründung aus, die Dachdeckerarbeiten seien meniskusbelastend. Er arbeite in einem typischen Dachdeckerbetrieb, der eine Vielzahl von meniskusbelastenden Tätigkeiten mit sich bringe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, ihm aus Anlass des Vorliegens einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Chefarzt der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Sporttraumatologie der Klinik , Dr ... Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das im Mai erstellte Gutachten von Dr. nebst ergänzenden Stellungnahmen vom und verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Durch den angefochtenen Bescheid wird der Kläger beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil dieser Bescheid rechtswidrig ist.
Zu Unrecht hat die Beklagte die Anerkennung der BK 2102 und die Erbringung von Entschädigungsleistungen abgelehnt.
Der Kläger leidet an einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Maße bedingt.
Verletztenrente gewährt der Versicherungsträger gemäß § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 7. Buch (SGB VII) nach Eintritt des Versicherungsfalles.
Gemäß Nr. 2102 der Anlage zur BKV gehören zu den Berufskrankheiten auch: Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.
Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung bezüglich der BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV (abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheitenverordnung, M2102) ist eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke im Sinne der genannten BK biomechanisch gebunden an eine Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder eine häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage. Diese Voraussetzungen sind auch durch die von dem Kläger ausgeübte Dachdeckertätigkeit erfüllt. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers, die er durch die Vorlage von Stundenbüchern belegt hat, hat der Kläger sowohl auf Flachdächern als auch auf Steildächern gearbeitet, ohne dass der Dachdeckerbetrieb, bei dem er angestellt ist, gravierende Abweichungen gegenüber typischen Dachdeckerbe trieben erkennen lässt. Da es schon aufgrund des Zeitablaufes nicht möglich ist, genau festzustellen, welchen Zeitanteil jeweils welche Verrichtung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Klägers im Verlaufe einer jeden Arbeitsschicht in Anspruch genommen hat, mußte und konnte sich die Kammer bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich des Zeitanteiles der kniebelastenden Tätigkeiten auf die vorgelegten Unterlagen und Aussagen des Klägers stützen, die die Kammer als uneingeschränkt glaubhaft angesehen hat. Hiernach handelt es sich bei der beruflichen Tätigkeiten des Klägers um diejenige eines Dachdeckers in einem typischen Dachdeckerbetrieb.
Bei dieser Tätigkeit musste der Kläger laufend kniend arbeiten, wobei auch dann eine Meniskusbelastung anzunehmen ist, wenn der Kläger mit gespreizten Füßen auf einer Leiter oder auf einem Steildach stehend aus dem Oberkörper heraus körperliche Tätigkeiten ausüben musste. Soweit der TAD der Beklagten gleichwohl lediglich 20 bis 25 Prozent dieser Tätigkeit als kniegelenks- belastend beurteilt hat, widerspricht dies der herrschenden Anschauung, wonach gerade die Tätigkeit des Dachdeckers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der BK Nr. 2102 der Anlage zur BKV erfüllt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.06.1996, Az.: L 17 U 90/95 m. w. N.).
Dem steht nicht entgegen, dass das genannte Merkblatt die Dachdeckertätigkeit nicht ausdrücklich nennt, denn die dort aufgeführten Arbeiten enthalten nur eine beispielhafte Aufstellung wie der Zusatz z.B. und der allgemeine Hinweis auf "Tätigkeiten unter ganz besonders beengten Raumverhältnissen" zeigt.
Zum anderen hat der gerichtlich gehörte Sachverständige Dr. zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass jedenfalls dann die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitbefangenen BK erfüllt sind, wenn die Tätigkeit - wie im Fall des Klägers - bereits weit über 20 Jahre ausgeübt wurde. Diese Einschätzung hat auch der von der Beklagten gehörte Orthopäde Dr. in seiner von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom bestätigt. Ergänzend hat Dr. unter Bezugnahme auf die von der Beklagten vorgelegten Bildmappe ausgeführt, diese sei hinsichtlich des Umfanges der kniebelastenden Tätigkeiten bei Dachdeckern unvollständig. Dr. sieht auch die auf Blatt 3 der o.g. Bildmappe dargestellten Tätigkeiten der Dachdecker als meniskusbelastend an, weil in der dort dargestellten Drehbeugestellung des Kniegelenkes der Innenmeniskus erheblich belastet wird. Rechnet man diese Zeiträume aber den auch von der Beklagten anerkannten meniskusbelastenden Tätigkeiten hinzu, ergibt sich zwanglos ein deutliche Überschreitung des von der Beklagten geforderten Zeitanteiles in Höhe von 1/3 einer jeden Arbeitsschicht.
Soweit sich die Beklagte selbst gegen die Stellungnahme ihres Beratungsarztes wendet und sich auf das Urteil des LSG NW vom 26.09.2001 (Az.: L 17 U 26/01) beruft, konnte die Kammer dem nicht folgen. Entgegen der Behauptung der Beklagten, es handele sich dabei um einen ähnlich gelagerten Fall, ist darauf hinzuweisen, dass dem o.g. Urteil des LSG der Fall eines Stukkateurs zugrundelag. Die Tätigkeit eines Stukkateurs unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von der eines Dachdeckers, so dass eine Vergleichbarkeit nicht gegeben ist.
Die haftungsbegründende Kausalität ist daher zu bejahen.
Dies gilt auch für die haftungsausfüllende Kausalität, denn die Tätigkeit als Dachdecker ist wesentlich ursächlich für die Schädigung der Kniegelenke des Klägers geworden.
Auch insoweit folgt die Kammer den schlüssigen Darlegungen des gerichtlich gehörten Sachverständigen Dr. und den überzeugenden Ausführungen von Dr ... In der Anamnese des Klägers fand sich kein Trauma, keine sportlichen Aktivitäten, kein Übergewicht; die Ursache für die Meniskopathien ist daher in einer Gewebsdegeneration zu suchen, für die als Ursache nur die berufliche Tätigkeit des Klägers in Betracht kommt.
Insbesondere konnte die Einschätzung des Arbeitsmediziners Dr. nicht bestätigt werden, der innere Aufbau des Kniegelenkes des Klägers sei fehlerhaft. Auch Dr. hat wie schon vor ihm Dr. überzeugend ausgeführt, dass bei dem Kläger regelrechte Beinachsen vorliegen und auch keine unfalltypischen Verletzungen vorliegen. Die bei dem Kläger vorliegende hochgradige Generation der Innenmeniski mit Horizontalriß lässt auf einen eingeklemmten Innenmeniskus schließen. Zu solchen Einklemmungserscheinungen kommt es nahezu ausschließlich bei starker Kniebeugestellung. Dieses Schadensbild passt zu einer Tätigkeit, die wie die des Klägers zu 3/4 aus mehr oder weniger kniebelastenden Verrichtungen besteht.
Die Kammer ist dem Vorschlag des gerichtlichen Sachverständigen auch hinsichtlich der MdE-Bewertung gefolgt, die die Kammer nach eigener Prüfung als zutreffend ansieht.
Der Grad der MdE hängt maßgebend von der Schwere des noch vorhandenen unfallbedingten Krankheitszustandes, den damit verbundenen Funktionseinbußen und dem Umfang der den Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab (vgl. nur BSG SozR 2200, § 580 Nr. 27 m. w. N.).
Für die gesetzliche Unfallversicherung haben sich MdE-Erfahrungswerte herausgebildet, die zwar Verwaltung und Rechtsprechung nicht binden, bei der Rentenfeststellung regelmäßig zu berücksichtigen sind, da sie eine Grundlage für eine gerechte und gleiche Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelen des täglichen Lebens bilden (vgl. nur Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, [Handkommentar], Anm. 10.3 zu § 56 SGB VII).
Nach diesen Erfahrungswerten in der gesetzlichen Unfallversicherung setzt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. einen Zustand voraus, wie er z.B. bei einer Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes auf eine Streckung/Beugung von 0/0/90 Grad vorliegt oder bei einer unvollständig kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparates mit Gangunsicherheit (vgl. nur Bereiter-Hahn/Mehrtens, Anhang 12, Seite J 029).
Bei dem Kläger hat schon der Arbeitsmediziner Dr. ein Wechsel seitiges Schonhinken mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung festgestellt. Dr. hat ergänzend darauf hingewiesen, dass ein heftiger lokaler Druckschmerz über dem medialem Gelenkspalt an beiden Kniegelenken besteht. Die subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers, der über durchgehende Schmerzzustände berichtet hat, bewertete Dr. als glaubhaft. Angesichts der Verteilung der damit anhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen auf beide Kniegelenke und damit auf paarige Organe, hat die Kammer in der Bewertung der MdE mit 20 v.H. durch Dr. keinen Verstoß gegen die o.g. Erfahrungswerte gesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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