L 6 B 20/03 AL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 B 20/03 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Dezember 2002 geändert. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nur in dem Umfang begründet, der aus dem Tenor ersichtlich ist.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander (dem Grunde nach) Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren - so wie hier - anders als durch Urteil beendet wird. Dabei wird über die Kostenerstattung nach sachgemäßem Ermessen entschieden (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 m.w.N.). Das Beschwerdegericht ist dabei befugt, die Ermessenserwägungen des Vordergerichts in vollem Umfang und nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen und seine eigene Ermessenserwägung anstelle derjenigen des Vordergerichts zu setzen ist (vgl. Knittel in: Hennig, SGG, § 193 Rdnr. 38 auch m.w.N., auch auf die Gegenmeinung). Die Aussage, dass die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt, soll nur verdeutlichen, dass die Entscheidung nicht durch zwingende gesetzliche Bestimmungen vorgegeben ist, sondern alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

Der wesentliche ermessensleitende Gesichtspunkt ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits nach dem bisherigen Sach- und Streitstand (vgl. BSG, a.a.O.), wobei nur eine summarische Prüfung stattfindet. Danach ist hier eine Kostenteilung vorzunehmen, und diese Verteilung ist im Ergebnis nicht im Hinblick auf die Gründe zu modifizieren, die Anlass für die Erhebung und die Erledigung der Klage waren.

Ob der Kläger obsiegt hätte, ist zweifelhaft. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine bestimmte berufliche Tätigkeit und einen bestimmten Betrieb um einen einheitlichen Anspruch handelt. Dementsprechend stellen die einzelnen Tatbestände des § 285 Abs. 1 und Abs. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) bzw. des § 1 Abs. 2 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV), der ermächtigungskonform auf der Grundlage des § 288 SGB III erlassen worden ist, lediglich verschiedene Rechtsbegründungen für die im Einzelfall mögliche Erteilung dar (vgl. auch zum alten Recht BSG SozR 4100 § 19 Nr. 3, S. 15).Bei der Erteilung einer Arbeitserlaubnis an einen “an sich” nicht anspruchsberechtigten Ausländer, die die Beklagte nach ihrer Verwaltungspraxis (Dienstanweisung zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ArGV - Stand Mai 2000 - Punkt 2.1.221) unter bestimmten Voraussetzungen unter Härtefallgesichtspunkten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ArGV) vornimmt, wenn der Ehepartner auf eine ihm erteilte Arbeitserlabnis verzichtet, handelt es sich deshalb nicht um ein “aliud” im Rechtssinne gegenüber einer solchen “aus eigenem Recht”. Es ist daher auch verfahrensrechtlich entgegen der Auffassung der Beteiligten, wie sie im Widerspruchsschreiben und im Widerspruchsbescheid Ausdruck gefunden hat, nicht möglich lediglich hilfsweise eine “Austauscharbeitserlaubnis” geltend zu machen, da ein solcher Hilfsantrag gegenüber dem Hauptantrag (Arbeitserlaubnis “aus eigenem Recht”) einen anderen, selbständigen Verfahrens- bzw. Streitgegenstand erfordert hätte, der aber nach dem zuvor Ausgeführten gerade nicht vorlag. Somit hätte im Klageverfahren durch das Vordergericht auch darüber befunden werden müssen, ob ein “Arbeitserlaubnistausch unter Ehegatten” ein Fall der unzumutbaren Härte im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ArGV hätte abgeben können. Dies wäre auch der einzige Gesichtspunkt gewesen, der dem klägerischen Begehren zum Durchbruch hätte verhelfen können. Allein für die Belange der Kostenentscheidung bedarf es indes keiner abschließenden Beurteilung, ob die Verwaltungspraxis der Beklagten zur “Austauscharbeitserlaubnis” rechtmäßig ist, denn es würde den Grundsätzen der Prozessökonomie zuwiderlaufen, schwierige Rechtsfragen nur zum Zwecke einer sachgerechten Kostenverteilung zu klären (vgl. BVerwGE 46, 215, 218; BSG SozR Nr. 4 zu § 193 SGG). Um eine derartige Frage handelt es sich, da es einerseits systemwidrig erscheint, von der das Arbeitserlaubnisrecht grundsätzlich kennzeichnenden Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen in der Person des Antragstellers abzusehen und ein “Vertragselement” (Verzicht eines Dritten) ohne gesetzliche Grundlage einzuführen, die Dienstanweisung andererseits aber typische Härtefallgesichtspunkte adäquat und pragmatisch umsetzt (kritisch in der Literatur etwa Bartz in: Wissing, SGB III, § 285 Rdnr. 46). Diesen Unwägbarkeiten ist durch eine Kostenteilung sachgemäß Rechnung getragen.

Zu einer abweichenden Kostenverteilung nötigen auch nicht Billigkeitsgesichtspunkte (zur Möglichkeit, diese zu berücksichtigen BSG SozR 3-3100 § 5 Nr. 7), konkret die der Klageveranlassung und der Art der Erledigung (vgl. hierzu auch den in § 91 a Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken). Dass es zur Klageerhebung gekommen ist, liegt nicht nur im Verantwortungsbereich der Beklagten. Zwar hätte sie vor dem Erlass des die Klage eröffnenden Widerspruchsbescheides der Ehefrau des Klägers (zweckmäßigerweise unter Fristsetzung) die Möglichkeit einräumen müssen, die aus ihrer (der Beklagten) Sicht notwendigen Voraussetzungen zum Erlass einer Arbeitserlaubnis unter dem Gesichtspunkt des “Arbeitserlaubnistausches” (schriftliche Verzichtserklärung der Ehefrau) herbeizuführen. Die Erteilung des Widerspruchsbescheides ohne eine solche Aufforderung stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz des vorzeitigen Verfahrensabschlusses dar. Demgegenüber hat es jedoch auch der Kläger, der rechtskundig vertreten war, mitzuverantworten, dass eine entsprechende Verzichtserklärung seiner Ehefrau, sollte sie bereits in diesem Verfahrensstadium hierzu bereit gewesen sein, nicht vorgelegt worden ist. Denn er hat im Widerspruchsverfahren mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass es ihm in aller erster Linie auf die Erteilung einer Arbeitserlaubnis “aus eigenem Recht” ankomme und er lediglich “hilfsweise” einen auf einen “Arbeitserlaubnistausch” zurückzuführenden “Anspruch” auf eine Arbeitserlaubnis verfolge. Damit hat er die nicht gebotene (s.o.) “Vorabentscheidung über eine Arbeitserlaubnis aus eigenem Recht” zumindest unterstützt.

Die Beklagte kann schließlich nicht deshalb von der Übernahme von Kosten gänzlich freigestellt werden, weil sie nach Beibringung der schriftlichen Verzichtserklärung der Ehefrau des Klägers während des Klageverfahrens, dem Kläger unverzüglich eine Arbeitserlaubnis erteilt hat. Denn sie wäre - wie bereits ausgeführt - gehalten gewesen, bereits während des laufenden Widerspruchsverfahrens auf eine schriftliche Verzichtserklärung der Ehefrau des Klägers hinzuwirken.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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