L 8 AL 63/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 AL 1519/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 63/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -, ob dem Kläger bereits von einem früheren Zeitpunkt an und höheres Arbeitslosengeld zusteht.

Der 1961 geborene Kläger hat ein Studium zum Diplom-Juristen absolviert. Nach Tätigkeiten an der Akademie der Wissenschaften der DDR als wissenschaftlicher Mitarbeiter war er anschließend vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1996 mit einem befristeten Arbeitsvertrag an der Freien Universität Berlin als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Am 13. Januar 1997 beantragte er die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) und legte dazu eine Arbeitsbescheinigung vor, wonach er zuletzt im Rahmen seiner Teilzeitbeschäftigung ein monatliches Entgelt von 3.134,26 DM erzielte und auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse 3 eingetragen war. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 20. Januar 1997 ab 13. Januar 1997 Alg nach Leistungsgruppe C/0 für 312 Tage auf der Grundlage eines monatlichen Bruttoentgeltes von 3.134,26 DM mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 330,60 DM. In seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte er geltend, bei einem Leistungsanspruch von 60 % seines durchschnittlichen Nettoentgeltes von 2.372,07 DM ergäbe sich ein Betrag von 1.423,24 DM, erzielt in durchschnittlich 21 Arbeitstagen und damit ein Tagesleistungssatz von 67,77 DM und damit ein wöchentlicher Leistungssatz von 406,64 DM. Außerdem stünden ihm Leistungen nicht erst ab dem 13. Januar 1997 zu, weil er bereits am 12. Dezember 1996 in der Anmeldung vorgesprochen und danach nochmals Ende Dezember dort gewesen sei und Unterlagen für die Arbeits- und Verdienstbescheinigung für den letzten Arbeitgeber abgeholt habe. Am 6. Januar 1997 sei er erneut bezüglich seiner Arbeitslosmeldung im Arbeitsamt gewesen und dieses Datum sei auch im Zentralcomputer vermerkt. Erst als er am 13. Januar 1997 mit den Unterlagen seines Arbeitgebers erneut vorgesprochen habe, sei ihm erstmalig der Antrag für das Arbeitslosengeld ausgehändigt worden. Nach interner Prüfung blieb die Beklagte bei ihrer Auffassung, dass ein Leistungsanspruch erst ab 13. Januar 1997 mit der Vorsprache in der Leistungsabteilung gegeben und die Leistungsberechnung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt sei (Widerspruchsbescheid vom 7. März 1997).

Nachdem der Kläger mit Veränderungsmitteilung vom 2. April 1997 eine Arbeitsaufnahme zum 15. April 1997 angezeigt hatte, hob die Beklagte dementsprechend mit Bescheid vom 15. April 1997 die Leistungsbewilligung ab diesem Tage auf. Aufgrund einer Überschneidungsmittelung wurde der Beklagten anschließend bekannt, dass die Beschäftigung bereits am 1. April 1997 begonnen hatte, so dass sie nach Anhörung mit Bescheid vom 9. Februar 1998 die Leistungsgewährung bereits ab 1. April 1997 aufhob und einen überzahlten Betrag von 661,20 DM zurückforderte. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. April 1998). Die dagegen gerichtete Klage (S 56 Ar 1819/98) nahm der Kläger im Termin am 1. Dezember 1998 zurück.

Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1998 beantragte er eine Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 20. Januar 1997 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. März 1997) und wiederholte hinsichtlich der seines Erachtens noch offenen Ansprüche im Wesentlichen sein damaliges Widerspruchsvorbringen zum Bewilligungsbescheid. Eine Rechtswidrigkeit der damaligen Entscheidung vermochte die Beklagte nicht zu erkennen und lehnte den Überprüfungsantrag demzufolge ab (Bescheid vom 25. Februar 1999, Widerspruchsbescheid vom 23. März 1999).

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner zum Sozialgericht - SG - Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der er unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens weitere und höhere Leistungen beansprucht und schließlich auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2000 zur Berücksichtigung von Einmalzahlungen verwiesen hat.

Nachdem die Beklagte im Termin am 29. Mai 2001 ein (Teil-)Anerkenntnis in der Weise abgegeben hat, dass sie sich verpflichtet hat, dem Kläger für den Zeitraum vom 6. bis 12. Januar 1997 noch 330,60 DM (= wöchentlicher Leistungssatz) zu gewähren, hat das SG die Klage mit Urteil vom 29. Mai 2001 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme der Bewilligung vom 20. Januar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. März 1997. Nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten für den Zeitraum vom 6. bis 12. Januar 1997 sei die Beklagte von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und habe auch das Recht richtig angewandt; eine frühere Arbeitslosmeldung des Klägers als am 6. Januar 1997 sei nicht feststellbar. Dem Kläger stehe auch kein höherer als zuerkannter Leistungsanspruch zu, wie bereits im Rahmen des Verfahrens vor der Kammer S 56 Ar 1819/98 festgestellt worden sei. Dem Kläger komme auch nicht die pauschale Erhöhung des Bemessungsentgeltes gemäß § 434 c Abs. 1 SGB III zugute, denn diese Vorschrift gelte nur für Bescheide, die noch nicht bestandskräftig gewesen seien. Die mit Bescheid vom 20. Januar 1997 erfolgte Bewilligung von Arbeitslosengeld an den Kläger sei jedoch bestandskräftig gewesen; der Antrag gemäß § 44 SGB X habe die Bestandskraft nicht beseitigt.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewandt, mit der er weiterhin einen früheren Leistungsbeginn und eine höhere Leistung beansprucht. Im Übrigen sei auch zu beachten, dass auch in der Klage vom 8. April 1999 (S 56 Ar 1819/98) die Bestandskraft des Bescheides vom 20. Januar 1997 angegriffen worden sei.

Der Kläger beantragt nach dem Inhalt seines Vorbringens,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 20. Januar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. März 1997 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger vom 1. Januar bis 31. März 1997 höheres Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegte Leistungsakte sowie die beigezogene Gerichtsakte S 56 Ar 1819/98, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie auch im Hinblick auf den Beschwerdewert statthaft, denn streitig ist ein Anspruch von mehr als 1.000,- DM. Der Kläger beansprucht Leistungen bereits ab 1. Januar und damit noch für vier Leistungstage und damit zumindest 220,40 DM (Leistungssatz 55,10 DM täglich). Außerdem beansprucht er mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 406,64 DM eine Differenzzahlung vom 1. Januar bis 31. März 1997 von insgesamt 975,59 DM (77 Leistungstage x 12,67 [67,77 - 55,10]).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger über das - nach seinem Vorbringen zumindest konkludent angenommene - Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus eine weitergehende Korrektur der Bewilligung beansprucht. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass mit der - durch das Teilanerkenntnis modifizierten - Bewilligung das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 SGB X).

Die von der Beklagten vorgenommene Bemessung entspricht der damaligen Gesetzeslage. Der Kläger erzielte in dem gemäß § 112 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG - maßgebenden Bemessungszeitraum der letzten sechs Monate vor dem Ausscheiden nach der Bescheinigung seines Arbeitgebers ein durchschnittliches (gleichbleibendes) monatliches Bruttoentgelt von 3.134,26 DM aus dem sich unter Beachtung des nach Maßgabe des § 111 AFG zu ermittelnden pauschalen Nettoentgeltes unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse 3 in der Leistungsgruppe C/0 ein wöchentlicher Leistungssatz von 330,60 DM ergibt, wie die Beklagte zutreffend mit dem zur Überprüfung gestellten Bewilligungsbescheid gewährt hat. Die weiteren vom Kläger angeführten Entgeltzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) waren in Anwendung des § 112 Abs. 1 Satz 2 AFG als einmalige Zuwendungen seinerzeit nicht zu berücksichtigen. Der das Arbeitslosengeld in dieser Höhe bewilligende Bescheid vom 20. Januar 1997 ist bindend geworden, nachdem der Kläger lediglich den erfolglos gebliebenen Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt hatte.

Da der Kläger den seinerzeitigen Bewilligungsbescheid hat bindend werden lassen, steht ihm auch unter Beachtung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2000 (SozR 3-2400 § 23 a Nr. 1) und der diese umsetzenden Übergangsregelung des § 434 c SGB III durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1971) für den streitigen Zeitraum keine höhere Leistung zu. Die Bindungswirkung ist durch die Klageerhebung vom 4. Mai 1998 (Schriftsatz vom 30. April 1998 - S 56 Ar 1819/98) entgegen der Auffassung des Klägers nicht beseitigt worden. Mit dieser Klage begehrte der Kläger einerseits die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 2. April 1998 (also die Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückforderung der noch vom 1. April bis 14. April 1997 erhaltenen Leistungen) und „die Zahlung von ausstehendem Arbeitslosengeld in Höhe von 933,42 DM“ (Anspruch nach eigener Berechnung 5.286,32 DM - gezahlte 4.352,90 DM). Diese Klage hat der Kläger am 1. Dezember 1998 zurückgenommen, wobei lediglich anzumerken ist, dass diese Klage - wollte man sie auch auf einen Rücknahme- bzw. Korrekturanspruch gemäß § 44 SGB X gerichtet ansehen - mangels vorangegangenem Verwaltungsverfahren insoweit bereits unzulässig war und im Übrigen (nur) ein Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X die Bindungswirkung nicht entfallen lässt. Eine Korrektur der Leistungshöhe kommt daher auch im Hinblick auf die vom Kläger angeführten Einmalzahlungen (Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld) nicht in Betracht.

Das SG hat auch zutreffend entschieden, dass dem Kläger nicht bereits ab 1. Januar 1997 und damit für weitere 4 Leistungstage Arbeitslosengeld zusteht. Eine frühere bereits zum 1. Januar 1997 wirkende Arbeitslosmeldung hat sich nicht feststellen lassen. Auch wenn der Kläger entsprechend seinem Vorbringen bereits im Dezember 1996 im Arbeitsamt N der Beklagten vorgesprochen hat, so lässt sich dem nicht die für eine Leistungsgewährung u.a. erforderliche ausdrückliche Arbeitslosmeldung entnehmen. Die Schilderungen des Klägers waren, wie sich der Leistungsakte entnehmen lässt, für die Beklagte Anlass zu internen Ermittlungen, ohne dass sich ein entsprechender als Arbeitslosmeldung zu verstehender Vorgang hat feststellen lassen. Hinzu kommt, dass im Hinblick auf das klar geregelte Verfahren der Arbeitslosmeldung und Antragstellung der Akteninhalt nicht darauf hindeutet, dass sich der Kläger diesem Verfahren unterworfen hat. Denn die Vorsprache an zuständiger Stelle mit förmlicher Arbeitslosmeldung und Antragstellung führt grundsätzlich zur Ausgabe eines Leistungsantrages, auf dem das Datum der Arbeitslosmeldung und Antragstellung dokumentiert wird. Der Leistungsantrag des Klägers bescheinigt jedoch erst eine Meldung am 13. Januar 1997. Dem klägerischen Begehren kann auch nicht im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entsprochen werden. Ob die Beklagte der in diesem Zusammenhang bedeutsamen Beratungspflicht hinreichend nachgekommen ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn im Rahmen des Instituts des Herstellungsanspruchs lassen sich regelmäßig verspätete oder versäumte Anträge als fristgerecht annehmen. Dagegen lassen sich Begebenheiten tatsächlicher Art durch einen Herstellungsanspruch grundsätzlich nicht ersetzen. Zu solchen nicht ersetzbaren Begebenheiten tatsächlicher Art (vgl. Niesel, SGB III, 2. Aufl. RdNr. 37 zu § 323) zählt auch die rechtzeitige persönliche Arbeitslosmeldung (BSG, Urteil vom 8. Juli 1993 Az. 7 RA 80/92 in SozR 3-4100 § 134 Nr. 14 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -; Kosten sind nicht zu erstatten, weil die Berufung erfolglos bleibt.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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