L 10 AL 93/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 Ar 2116/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AL 93/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 28. Mai 1997 bis zum 24. Juli 1997 und die Rückforderung von insgesamt 4.067,80 DM.

Der 1969 geborene Kläger war zuletzt vom 1. Juni 1992 bis zum 31. Januar 1997 als Installateur beschäftigt. Er meldete sich am 6. Januar 1997 arbeitslos und beantragte Alg. Im Antragsformular bestätigte er unter dem 21. Februar 1997, das Merkblatt für Arbeitslose („Ihre Rechte-Ihre Pflichten“), in dem auf die Mitwirkungspflichten im Einzelnen hingewiesen wird, erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 20. März 1997 Alg vom 1. Februar 1997 an in Höhe von 372,60 DM wöchentlich (gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt von 870,-- DM, Leistungsgruppe B, Kindermerkmal 1).

Durch Überschneidungsmitteilung vom 21. August 1997 erfuhr die Beklagte, dass der Kläger vom 20. bis zum 27. Mai 1997 versicherungspflichtig bei der L. GmbH Sanitär-Sofortdienst, Berlin, beschäftigt war. Der Arbeitgeber bescheinigte 37 abgerechnete Arbeitsstunden in fünf Arbeitstagen. Nach Anhörung hob die Beklagte die Bewilligung von Alg durch - bestandskräf-tig gewordenen - Bescheid vom 12. Februar 1998 für die Zeit vom 20. bis zum 27. Mai 1997 und durch weiteren Bescheid vom 12. Februar 1998 für die Zeit vom 28. Mai 1997 bis zum 24. Juli 1997 auf. In diesem Bescheid forderte sie insgesamt 4.067,80 DM (Alg und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurück). Der Kläger habe nach Beendigung des Beschäf-tigungsverhältnisses erst am 25. Juli 1997 beim Arbeitsamt vorgesprochen, so dass er vom 28. Mai bis zum 24. Juli 1997 nicht arbeitslos gemeldet gewesen sei und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe. Die Entscheidung beruhe auf § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III.

Den allein gegen den weiteren Bescheid vom 12. Februar 1998 (Zeitraum 28. Mai bis 24. Juli 1997) eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 1998 zurück. Die Bewilligung von Alg sei gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs.3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ganz aufzuheben. Die im angefochtenen Bescheid angeführte, dem § 152 Abs. 3 AFG entsprechende Vorschrift des § 330 SGB III sei erst am 1. Januar 1998 in Kraft getreten und auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar. Der Kläger habe seine Mitteilungspflicht verletzt, indem er die Arbeitsaufnahme nicht angezeigt habe. Zum anderen hätte er wissen müssen, dass er ohne Arbeitslosmeldung und Antragstellung keinen Leistungsanspruch habe. Das Verhalten sei grob fahrlässig, weil das Merkblatt ausführliche Hinweise enthalte, wie sich der Arbeitslose bei Arbeitsaufnahme und nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu verhalten habe, um seinen Leistungsanspruch geltend machen zu können.

Mit der hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe er nicht mehr erkennen können, dass er zu Unrecht Alg bezogen habe; er sei vielmehr davon ausgegangen, der Bewilligungsbescheid gelte weiter.

Durch Gerichtsbescheid vom 14. September 1998 wies das SG die Klage ab. Die angefochtenen Bescheide in der Fassung des Widerspruchsbescheides seien, soweit sie angegriffen worden seien, rechtmäßig. Wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X sei, dass der Kläger in der Zeit vom 28. Mai 1997 bis zum 24. Juli 1997 zwar arbeitslos und verfügbar gewesen sei, es aber an einer erneuten Arbeitslosmeldung fehle. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich die Kammer anschließe, sei die Wirksamkeit der Arbeitslosmeldung auf den angezeigten Eintritt der Arbeitslosigkeit beschränkt, so dass es nach dem Ende der die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung einer erneuten Arbeitslosmeldung bedürfe. Der Kläger habe die Leistungsüberzahlung schuldhaft herbeigeführt, indem er seine Arbeitsaufnahme nicht mitgeteilt habe. Er hätte wissen müssen bzw. habe sich grob fahrlässig der Kenntnis entzogen, dass die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses der Beklagten mitzuteilen sei. Die Unkenntnis sei bereits dann als grob fahrlässig zu werten, wenn der Kläger aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen so-wohl hätte erkennen können, dass die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses der Mitteilungspflicht unterliege als auch, dass diese Änderung eine wesentliche für ihn nachteilige Änderung darstelle. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Dabei sei nicht nur maßgeblich, dass die Beklagte in dem dem Kläger ausgehändigten Merkblatt auf das Erfordernis einer erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung im Anschluss an eine Zwischenbeschäftigung ausdrücklich hingewiesen habe, so dass allein der Umstand, dass der Kläger diesen Hinweis außer Acht gelassen habe, im Normalfall schon den Vorwurf einer besonders schweren Verletzung der Sorgfaltspflicht nach sich ziehe. Darüber hinaus sei aber auch ohne weiteres einsichtig - und dies mache den Rückgriff auf das Merkblatt möglicherweise überhaupt entbehrlich - dass man mit Aufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung keinen Anspruch mehr auf Alg habe. Unerheblich sei, ob man für die Aufhebung der Bewilligung die Regelungen des § 152 Abs. 3 AFG oder die gleichlautende Bestimmung des § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III heranziehe. Da die Aufhebungsentscheidung rechtmäßig sei, sei die Beklagte nach § 50 Abs. 1 SGB X zur Rückforderung des während des Aufhebungszeitraums geleisteten Arbeitslosengeldes berechtigt, so dass die Rückforderung rechtmäßig sei.

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, er habe nicht grob fahrlässig seine erneute Arbeitslosigkeit vom 28. Mai 1997 an bei der Beklagten nicht angezeigt. Insoweit könne nicht auf das Merkblatt abgestellt werden, dessen Kenntnisnahme im Januar 1997 zur Zeit des „Vorwurf(s) ... vom 28. Mai 1997“ bereits 4 ½ Monate zurückgelegen habe. Es sei allgemein unbe-kannt, dass die Verpflichtung zur erneuten Arbeitslosmeldung eine materielle Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Alg darstelle.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 14. September 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Im Merkblatt werde eindeutig darauf hingewiesen, dass es nach einer Zwischenbeschäftigung unabhängig davon, ob der Leistungsbezug unterbrochen worden sei, notwendig sei, sich erneut arbeitslos zu melden. Das Merkblatt enthalte auch den Hinweis, dass erst von diesem Zeitpunkt an die Leistung wiederbewilligt werden könne, selbst dann, wenn eine nur beabsichtigte, aber mitgeteilte Arbeitsaufnahme tatsächlich nicht erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des SG - S 52 Ar 2116/98 -) und der Leistungsakten der Beklagten (zur Stamm-Nr. 609333) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid rechtmäßig ist. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. § 330 Abs. 3 SGB III ist - mangels Übergangsvorschrift - auf alle Aufhebungsbescheide anzuwenden, die nach dem 1. Januar 1998, dem Inkrafttreten des SGB III, ergehen. Der Kläger hat grob fahrlässig seine Mitteilungspflicht verletzt, indem er seine Arbeitsaufnahme nicht mitgeteilt hat. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid und sieht gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigt die Ermächtigung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X die Aufhebung der Alg-Bewilligung nicht nur für die Dauer der Beschäftigung, sondern auch für den nachfolgenden Zeitraum, da auch insoweit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vorliegt. Die Rechtsfolge der Leistungsaufhebung auch für den Zeitraum nach Beendigung der Beschäftigung knüpft allein an die schuldhafte Verletzung einer Mitteilungspflicht an. Der Senat folgt der bereits vom SG zitierten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. Dezember 1995 - 11 RAr 75/95 = SozR 3-4100 § 105 Nr. 2).

Darüber hinaus sind die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III erfüllt. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse an u.a. aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ganz weggefallen ist. Die erforderliche Sorgfalt verletzt in besonders schwerem Maße, wer einfachste Überlegungen außer Acht lässt. Der Kläger konnte aufgrund einfachster Überlegungen erkennen, dass er auch nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses bis zur erneuten Arbeitslosmeldung keinen Anspruch auf Alg hatte. In dem ihm ausgehändigten Merkblatt wird darauf hingewiesen, dass nach einer Zwischenbeschäftigung selbst dann eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung erforderlich ist, wenn noch keine Einstellung der Leistung erfolgt war. Für Zeiten vor der Arbeitslosmeldung könne „keine Leistungszahlung erfolgen“. Es kommt nicht darauf an, dass der Kläger bereits im Januar oder Februar 1997 von dem Inhalt des Merkblatts Kenntnis genommen hatte, weil er jederzeit die Leistungsvoraussetzungen durch einen Blick in das Merkblatt feststellen konnte.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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