L 10 AL 87/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 80 AL 2317/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AL 87/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Kläger begehrt Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand.

Mit den Bescheiden vom 5. und 18. Juni 2001 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 2. und 4. Juli 2001 hatte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) aufgehoben und die Erstattung der ab 22. Mai 2001 gezahlten Alhi gefordert. Zur Begründung hatte sie ausgeführt, wegen einer Erkrankung des psychiatrischen Formenkreises sei der Kläger nur noch in der Lage, in einer beschützenden Einrichtung zu arbeiten und stehe dem allgemeinen Arbeitsmarkt daher nicht zur Verfügung. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Klage zum Sozialgericht Berlin. Mit Bescheid vom 19. März 2002 hob die Beklagte die angefochtenen Bescheide auf. Die Weiterzahlung der Leistung erfolge nach Abrechnung mit dem Sozialamt.

Der Kläger hat das sozialgerichtliche Verfahren trotz richterlichen Hinweises nicht für erledigt erklärt, sondern beantragt, festzustellen, dass er gesund sei. Wegen der Hilfsanträge wird auf das Protokoll vom 11. September 2002 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. September 2002 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, sie sei unzulässig. Der Kläger sei durch die belastenden Verwaltungsakte nicht mehr beschwert, da diese aufgehoben worden seien. Die ärztlichen Gutachten, die die Beklagte eingeholt habe, stellten keine Verwaltungsakte dar. Es könne allenfalls erwogen werden, ob die vorliegenden Beurteilungen Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) darstellten, die nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Berichtigung zugänglich seien. Hierüber habe zunächst die Arbeitsverwaltung zu entscheiden. Eine solche Verwaltungsentscheidung fehle aber.

Gegen das ihm am 16. Oktober 2002 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung vom selben Tag. Zur Begründung macht er geltend, in seinen Krankenakten, auf denen die Schlussfolgerungen der ihn begutachtenden Ärzte beruhten, sei vermerkt, er leide an einer paranoid halluzinatorischen Schizophrenie. Hierüber sei mittels eines ärztlichen Gutachtens oder gerichtlich zu entscheiden. Ansonsten bestehe der paradoxe und unglaubliche Zustand, dass niemand unwissenschaftliche Krankheitsdiagnosen fragwürdiger Ärzte in Zweifel ziehen dürfe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, festzustellen,

er sei gesund, hilfsweise ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf das ihrer Auffassung nach zutreffende Urteil des Sozialgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten (Stamm-Nr. 962 A 172160) und auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klage unzulässig ist. Zutreffend hat es ausgeführt, dass die zunächst zulässig erhobene Anfechtungsklage unzulässig geworden ist, weil die Beklagte die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat. Damit ist eine Beschwer im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG entfallen. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist offensichtlich nicht gegeben (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG). Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte beabsichtigt, die Leistungsbewilligung aus denselben Gründen erneut aufzuheben (Wiederho-lungsgefahr). Ein anerkennenswertes Rehabilitationsinteresse des Klägers besteht nicht. Einen Schadensersatzanspruch kann er schon deshalb nicht geltend machen, weil die Beklagte die zunächst entzogene Leistung wiederbewilligt hat und daher kein materieller Schaden ersichtlich ist.

Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, er sei gesund, ist eine darauf gerichtete Klage nicht rechtsschutzbedürftig und deshalb unzulässig, weil die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet ist, derartige Feststellungen mit verbindlicher Wirkung - auch für Dritte - zu treffen. Dies ist aber in der Sache das Begehren des Klägers. Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zulässt (§ 31 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch - SGB I -). Ein Gesetz, das die Beklagte oder die Sozialgerichte verpflichten würde, von einem Leistungsanspruch losgelöste Feststellungen zum Gesundheitszustand eines Versicherten zu treffen, existiert nicht.

Die vom Sozialgericht in Erwägung gezogene Berichtigung der ärztlichen Gutachten nach §§ 67 Abs. 1 Satz 1, 84 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheitert schon daran, dass die ärztlichen Schlussfolgerungen, die der Kläger angreift, auf Denkvorgängen beruhen und daher Werturteile darstellen, die sich einer Berichtigung entziehen (vgl. Bundesgerichtshof [BGH] in Arztrecht, 1999 S. 214, 215). Werturteile sind daher keine Sozialdaten im Sinne der genannten Vorschriften.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved