L 14 AL 49/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 57 Ar 2371/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AL 49/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 1998 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 21. Januar 1997.

Die jetzt 58 Jahre alte Klägerin, die eine Lehre als Kellner/Büfettier abgeschlossen hat, arbeitete in diesem Beruf seit 1980 in einer Gaststätte der Handelsorganisation (HO) im Bezirk Pankow von Berlin, welche zu dieser Zeit von ihrem (jetzt 50 Jahre alten) Ehemann geleitet wur-de, der u.a. als Elektronik-Ingenieur, Kellner und Barmixer ausgebildet worden ist; außerdem hat er sich selbst Kochen angeeignet. Ihm wurde 1988 angeboten, eine „Kommissions-Gaststätte“ zu übernehmen, und am 30. März 1989 die Erlaubnis zur Ausübung des Gewerbes („Übernahme Eiscafé ‘V.“) erteilt. Mit Kaufvertrag vom 15. Juni 1989 erwarb er von dem früheren Inhaber der Gaststätte die „Grund- und Arbeitsmittel“ für einen Preis von 92.135,- Mark. Den Kaufpreis brachte er mit im Laufe der Ehe angesparten Eigenmitteln in Höhe von ungefähr 60.000,- Mark sowie einem ihm am 29. Juni 1989 von der Sparkasse gewährten Kredit auf, zu dessen Sicherung er der Sparkasse „aus Kredit und Eigenmitteln finanzierte Grundmittel lt. Taxurkunde“ verpfändete; ferner stimmten er und die Klägerin der Eintragung einer Hypothek in Höhe von 330.000,- Mark auf das mit Vertrag vom 22. Juni 1989 erworbene, dem Betrieb der Gaststätte dienende Grundstück zu, als deren Eigentümer beide „in ehelicher Vermögensgemeinschaft“ in das Grundbuch eingetragen wurden und für das ein Sachverständiger im November 1988 einen Wert von 330.800,- Mark ermittelt hatte. Die bei der Übernahme der Gaststätte dort tätigen 17 Werktätigen (darunter 4 Konditoren, Kellner, Büfettiers, Küchenpersonal sowie ein Hausmeister und ein Kraftfahrer) wurden - zunächst - weiterbeschäftigt. Außerdem arbeitete nunmehr auch die Klägerin in dieser Gaststätte, vorwiegend an der Bar.

Ein Teil der Beschäftigten kündigte „nach der Grenzöffnung“. „Zur Währungsunion“ kündigte der Ehemann der Klägerin allen Konditoren. Es verblieben dann noch zwei Kellner, ein Büfettier und ein Koch sowie die Klägerin.

Eine Erklärung zur Beibehaltung des gesetzlichen Güterstandes der Eigentums- und Vermögensgemeinschaft nach § 13 des Familiengesetzbuches (FGB) haben die Klägerin und ihr Ehemann nach dem 2. Oktober 1990 nicht abgegeben; sie haben auch sonst zu keiner Zeit eine Vereinbarung zum Güterstand getroffen.

Am 31. Dezember 1990 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann einen „Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte“, wonach die Klägerin ab 1. Januar 1991 als Barleiter für ein monatliches Gehalt von 1.100,- DM angestellt wurde. Das Gehalt erhöhte sich im Laufe der Zeit und betrug 1994 1.800,- DM monatlich und ab 1. Januar 1995 2.100,- DM monatlich. Im Laufe der Zeit übernahm die Klägerin auch andere Arbeiten. Nachdem die letzte beschäftigte Serviererin gekündigt hatte, arbeitete ihr Mann in der Küche und sie „vorn“.

Am 8. November 1996 kündigte der Ehemann der Klägerin ihr zum 31. Dezember 1996. Die Klägerin meldete sich am 21. Januar 1997 arbeitslos und beantragte, ihr Arbeitslosengeld zu gewähren. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. März 1997 ab, da die Klägerin nicht innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe. Sie sei nicht Arbeitnehmerin gewesen, sondern Mitunternehmer. Der Betrieb habe im gemeinschaftlichen Eigentum der Ehegatten gestanden und sei - auch wenn sie seit dem 3. Oktober 1990 im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten - in ihrem gemeinschaftlichen Eigentum verblieben.

Zur Begründung ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 1997) am 25. Juni 1997 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass der Erwerb des dem Betrieb der Gaststätte dienenden Grundstücks damals nur durch beide Ehegatten möglich gewesen sei. Von dem Eigentum an dem Grundstück sei jedoch die Inhaberschaft des Geschäftsbetriebes zu trennen. Die Gaststätte habe ihr Ehemann von Anfang an allein geführt, betrieben und finanziert. Er habe durch Erlöse aus der Geschäftstätigkeit den Betrieb komplett finanziert und aufrechterhalten. Die Gewerbeerlaubnis sei allein ihm erteilt worden. Sie habe an Unternehmensentscheidungen nicht mitgewirkt, keine Vertretungsbefugnis besessen und sei auch nicht am Gewinn und Verlust beteiligt gewesen. Der Geschäftsbetrieb sei auch niemals Bestandteil des gemeinschaftlichen Eigentums gewesen. Schon bei dessen Aufnahme habe eine - nach § 14 FGB zulässige - abweichende Vereinbarung bestanden, für die die Schriftform nicht erforderlich gewesen sei. Beide Eheleute seien gemeinsam davon ausgegangen, dass allein ihr Mann den Geschäftsbetrieb führen und betreiben solle.

Mit Urteil vom 19. März 1998 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 5. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 21. Januar 1997 Arbeitslosengeld zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bestimmten Voraussetzungen für die Ge-währung von Arbeitslosengeld seien erfüllt. Insbesondere habe die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. Sie sei Arbeitnehmerin gewesen und nicht Mitunternehmerin. Dies wäre nur dann der Fall, wenn alle Wirtschaftsgüter, die wesentliche Grundlage des Betriebes seien, zum gemeinschaftlichen Eigentum und Vermögen der Ehegatten gehörten und beide an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie Gesellschaftern oder vergleichbaren Personen oblägen, teilhätten. Die Klägerin habe zwar gemeinsam mit ihrem Ehemann das Betriebsgrundstück und Gebäude erworben, als nach den Regelungen des Familiengesetzbuches für die Ehegatten Gütergemeinschaft bestanden habe. Sie hätten jedoch nicht von der in Art. 234 § 4 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und innerhalb von zwei Jahren nach Wirksamwerden des Beitritts erklärt, dass für die Ehe der bisherige gesetzliche Güterstand fortgelten solle. Dementsprechend sei nach Art. 234 § 4 a EGBGB in der ab dem 25. Dezember 1993 geltenden Fassung das gemeinschaftliche Eigentum zu Eigentum zu gleichen Bruchteilen geworden. Die Kontrollrechte der Klägerin seien damit erloschen. Allein der hälftige Anteil am ursprünglichen gemeinschaftlichen Eigentum begründe keine Mitunternehmereigenschaft. Auch sei nicht erkennbar, dass die Klägerin eine Unternehmerinitiative entwickelt habe. Vielmehr habe ihr Ehemann von Anfang an den Betrieb, für den er allein die Gewerbeerlaubnis erhalten habe, geführt. Er habe entschieden, ob und welches Personal eingestellt bzw. entlassen werden solle, und sich allein um die Finanzen gekümmert. Auch dass er bereits im April 1989 den Betrieb geführt habe, während die Klägerin noch in einem anderen Beschäftigungsverhältnis gewesen und erst zum 1. Januar 1990 als zunächst mithelfendes Familienmitglied bei ihm tätig geworden sei, zeige, dass sie keine wesentliche Unternehmerinitiative entwickelt habe. Auch die übrigen Umstände deuteten auf ein reguläres Beschäftigungsverhältnis hin. Unschädlich sei, dass die Klägerin Arbeiten ausgeführt habe, ohne in jedem Fall von ihrem Mann besonders angewiesen worden zu sein. Dies sei angesichts der langjährigen Erfahrungen in ihrem Beruf eine Selbstverständlichkeit. Auch die teilweise unregelmäßigen Arbeitszeiten seien nicht unüblich und stünden der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen.

Gegen das ihr am 6. Mai 1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Mai 1998 eingelegte Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie vorträgt: Das Betriebsgrundstück bzw. die darauf betriebene Gaststätte gehöre bei der Errungenschaftsgemeinschaft zum gemeinschaftlichen Vermögen bzw. Eigentum der Ehegatten. Der gesetzliche Güterstand der „Eigentums- und Vermögensgesellschaft“ bestehe als vertragsmäßiger Güterstand nach dem 2. Oktober 1990 weiter, soweit die Ehegatten nach Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB vom 3. Oktober 1990 an im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten und der Betrieb in ihrem gemeinschaftlichen Eigentum verbleibe. Mit der Überleitung in die Zugewinngemeinschaft entstehe grundsätzlich kein neues gemeinschaftliches Vermögen mehr. Eine gesetzliche Aufteilung des am 3. Oktober 1990 bestehenden Eigentums und Vermögens der Ehegatten sei damit jedoch nicht verbunden. Die Klägerin lebe mit ihrem Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Ihr Ehemann habe an dem Grundstück kein Alleineigentum, sondern es gehöre zum gemeinschaftlichen Vermögen bzw. Eigentum. Die Klägerin habe darüber die gleiche Verfügungsgewalt wie ihr Ehemann. Darauf, ob sie davon tatsächlich Gebrauch mache, komme es nicht an, denn de facto habe sie diese Verfügungsgewalt. Sie habe auch nennenswertes Kapital zum Betreiben der gemeinsamen Gaststätte eingesetzt, die durch einen gemeinsam aufgenommenen Kredit finanziert worden sei. Darüber hinaus habe sie Arbeiten selbständig und allein verrichtet. Die Arbeitszeit sei häufig unregelmäßig gewesen und habe zudem über acht Stunden gelegen. Teilweise sei ihr wegen der schlechten Ertragslage kein Arbeitsentgelt gezahlt worden. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sei „arbeitsvertraglich“ auf zwei Wochen beschränkt worden. Vor Abschluss des Arbeitsvertrages habe sie in gleicher Position als mithelfendes Familienmitglied gearbeitet. Ergänzend weist die Beklagte auf ihren Dienstblatt-Runderlass 117/92 vom 26. August 1992 hin.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat im Erörterungstermin am 2. März 1999 durch den Berichterstatter sowie in der mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2000 den Ehemann der Klägerin als Zeugen gehört; wegen dessen Bekundungen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 2. März 1999 und vom 1. Februar 2000 verwiesen. Bei seiner Vernehmung am 1. Februar 2000 hat der Zeuge mehrere Schriftstücke übergeben, u.a. die - auszugsweise - Ablichtung des Kreditvertrages vom 29. Juni 1989 mit der Sparkasse der Stadt Berlin, den Verpfändungsvertrag vom 27./29. Juni 1989 sowie eine Haftungsfreigabeerklärung der Berliner Sparkasse vom 15. Oktober 1997.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften vom 19. März 1998, 2. März 1999 und vom 1. Februar 2000 sowie auf die beigezogene Leistungsakte - Stamm-Nr. 712194 - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) Berufung der Beklagten erweist sich als unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 5. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 21. Januar 1997 Arbeitslosengeld zu gewähren; die dafür erforderlichen Voraussetzungen liegen vor.

Die nach der Kündigung ihres Arbeits- und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31. Dezember 1996 arbeitslose (§ 101 AFG) Klägerin hatte sich am 21. Januar 1997 arbeitslos gemeldet (§ 105 AFG) und Arbeitslosengeld beantragt (§ 100 Abs. 1 AFG). Der Arbeitslosigkeit der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie nach dem 21. Januar 1997 ihrem Ehemann „ab und zu“ geholfen hat, wie dieser bei seiner Vernehmung durch das Sozialgericht am 19. März 1998 bekundet hat. Es besteht kein Anhalt anzunehmen, dass diese gelegentliche Hilfe den Umfang einer „kurzzeitigen Beschäftigung“ (§ 102 AFG in der bis zum 31. März 1997 geltenden und - gemäß § 242 y Abs. 1 AFG - bis zum 31. Dezember 1997 weiterhin anzuwendenden Fassung) überschritten hätte. Desgleichen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin aus irgendwelchen Gründen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden hätte (§ 103 AFG).

Schließlich hat die Klägerin auch die Anwartschaftszeit erfüllt, denn sie hat in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden (§ 104 Abs. 1 Satz 1 AFG). Nach § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG waren Personen beitragspflichtig, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt beschäftigt waren (Arbeitneh-mer). Die Klägerin war in der Gaststätte ihres Ehemannes abhängig (beitragspflichtig) beschäftigt.

Als Arbeitnehmer wird beitragspflichtig (jetzt: versicherungspflichtig) beschäftigt, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Auf die wirtschaftliche Abhängigkeit kommt es nicht an. Persönliche Abhängigkeit erfordert Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Das Weisungsrecht kann allerdings erheblich eingeschränkt sein und - insbesondere bei Diensten „höherer“ Art - unter Umständen völlig entfallen. In diesen Fällen genügt die Eingliederung der Dienstleistung in eine von anderer Seite vorgegebene Ordnung des Betriebes. Ist ein Weisungsrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also wesentlich frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und -zeit frei verfügen, oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegt (BSG, Urteile vom 30. Januar 1990 - 11 RAr 47/88 -, SozR 3-2400 § 7 Nr. 1, vom 6. Februar 1992 - 7 RAr 134/90 -, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8, vom 21. April 1993 - 11 RAr 67/92 - und vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 -, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11 und 18).

Auch kann ein Ehegatte in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dem anderen Ehegatten stehen, was sich bereits aus § 112 Abs. 5 Nr. 3 AFG ergibt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis setzt - in Abgrenzung zur Mithilfe als Familienangehöriger - neben der Eingliederung in den Betrieb und dem - gegebenenfalls abgeschwächten - Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, dass der beschäftigte Ehegatte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Weitere für die Abgrenzung zu berücksichtigende Gesichtspunkte sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 50/93 -, SozR 3-2500 § 5 Nr. 17 m.w.Nw.).

Im vorliegenden Fall ist ein abhängiges und beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht etwa auf Grund der Eigentumsverhältnisse an der Gaststätte zu verneinen. Allerdings hat das Bundessozialgericht angenommen, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränk-ter Haftung, der zudem über die Hälfte der Geschäftsanteile verfügt, nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft steht (Urteil vom 30. April 1976 - 8 RU 78/75 -, SozR 2200 § 723 Nr. 1 sowie Urteil vom 6. Februar 1992 - 7 RAr 134/90 -, a.a.O.). Ob und inwieweit diese Rechtsprechung ohne weiteres auf Beschäftigungsverhältnisse zwischen Ehegatten zu übertragen ist, kann hier dahinstehen. Denn entgegen den Vorstellungen der Beklagten war die Klägerin überhaupt nicht (Mit-)Eigentümerin der Gaststätte (d.i. des Betriebes bzw. Unternehmens als Gesamtheit von Sachen und Rechten) und dementsprechend auch nicht (Mit-)Unternehmerin. Vielmehr wurde die Gaststätte allein von ihrem Ehemann betrieben, dem allein seinerzeit auch die dafür erforderliche Erlaubnis erteilt worden war. Er war deren Inhaber und auch Eigentümer. Es trifft nicht zu, dass die Gaststätte und auch das ihrem Betrieb dienende Grundstück gemeinschaftliches Eigentum der Klägerin und ihres Ehe-mannes (geblieben) sind, wie die Beklagte nach wie vor meint. Bereits das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auf Grund des Art. 234 § 4 a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) das gemeinschaftliche Eigentum der Klägerin und ihres Ehemannes Eigentum zu gleichen Bruchteilen geworden ist. Entscheidend ist indes, dass die Gaststätte (der Betrieb) als Gesamtheit der dazugehörenden „Grund- und Betriebsmittel“ sowie der damit verbundenen ideellen Werte (Kundenstamm, Lieferantenbeziehungen, „know how“ usw.) niemals gemeinschaftliches Eigentum geworden war. Denn - abweichend von der grundsätzlichen Regelung in § 13 Abs. 1 FGB - waren nach § 13 Abs. 2 Satz 2 FGB die nur von einem Ehegatten zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse oder zur Berufsausübung genutzten Sachen dessen Alleineigentum, soweit nicht ihr Wert gemessen am gemeinschaftlichen Einkommen und Vermögen unverhältnismäßig groß war. Dementsprechend waren die nur von einem Ehegatten zur Berufsausübung genutzten Sachen auch dann dessen Alleineigentum, wenn sie mit gemeinsamen Mitteln erworben wurden. Ein mit gemeinschaftlichen Mitteln begründeter und der Berufsausübung als Handwerker oder Gewerbetreibender dienender Betrieb wurde gleichfalls - nur - dann gemeinschaftliches Eigentum, wenn er von beiden Ehegatten betrieben wurde. War hingegen nur ein Ehegatte als Inhaber (und der andere als mithelfendes Familienmitglied oder gar nicht im Betrieb) tätig, so war „der Betrieb als Summe aller Anlagen, Werkzeuge und finanziellen Fonds (Betriebskonto) grundsätzlich Alleineigentum, und zwar unabhängig davon, ob der Betrieb mit oder ohne Beschäftigte geführt (wurde)“ (Ministerium der Justiz [Hrsg.], Kommentar zum Familiengesetzbuch ..., 5. Aufl. [1982], Anm. 2.6. zu § 13). Dem entspricht es, dass der Ehemann der Klägerin den Kaufvertrag über die „Grund- und Arbeitsmittel“ der Gaststätte allein (und im Übrigen auch nur mit dem früheren Inhaber und nicht auch mit dessen Ehefrau) abgeschlossen hat und ebenso den Kredit - und den Verpfändungsvertrag mit der Sparkasse.

Der Betrieb war auch nicht etwa deswegen gemeinschaftliches Eigentum der Klägerin und ihres Ehemannes, weil das dem Betrieb dienende Grundstück - gemäß § 299 Abs. 1 des Zivilgesetzbuches - gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten geworden war. Grundstücksbestandteil im Rechtssinne war der Betrieb jedoch auch damals nicht. Angesichts des erheblich größe-ren Wertes des Grundstückes gegenüber dem der Gaststätte ist auch kein Ausnahmefall im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. FGB gegeben. Das danach entstandene Alleineigentum an der Gaststätte hat der Ehemann der Klägerin auch nicht nach dem 2. Oktober 1990 durch irgendwelche Umstände verloren.

Die übrigen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte führen gleichfalls nicht dazu, dass die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin anzusehen ist. Sie hat nicht selbst eine Ordnung vorgegeben, in die sie sich eingefügt hat, sondern hat sich in die von ihrem Ehemann vorgegebene Ordnung eingefügt. Dass dieser ihr womöglich nicht ständig ausdrücklich Weisungen erteilt hat, wird weniger auf eine Rücksichtnahme unter Eheleuten zurückzuführen sein (was allerdings ohnehin unschädlich wäre), sondern vielmehr darauf, dass die berufserfahrene Klägerin in der Tat wusste, was sie zu tun hatte. Im Übrigen ist daraus keineswegs zwingend eine Einschränkung des Weisungsrechts des Arbeitgebers abzuleiten. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag hatten die Klägerin und ihr Ehemann abgeschlossen. Das darin vereinbarte Arbeitsentgelt wurde - wenn auch teilweise verspätet - gezahlt und - wie der Ehemann der Klägerin glaubhaft bekundet hat - auf ein eigenes Konto der Klägerin überwiesen; Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer wurden einbehalten und abgeführt. Unschädlich ist ferner, dass das der Klägerin gezahlte Arbeitsentgelt unter dem tariflich vorgesehenen lag; die Lohn- und Gehaltstarifverträge für das Berliner Gaststättengewerbe waren und sind ohnehin nicht allgemeinverbindlich. Jedenfalls erhielt die Klägerin nicht lediglich ein „Taschen-geld“. Die Steigerungen des Arbeitsentgelts seit 1990 sind den Steigerungen der tariflich vorgesehenen Arbeitsentgelte im Gaststättengewerbe vergleichbar.

Ebensowenig spricht gegen das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass die Klägerin und ihr Ehemann seinerzeit eine Kündigungsfrist von nur drei Wochen zum Monatsende vereinbart haben; dies war im Dezember 1990 nach § 55 des noch fortgeltenden Arbeitsgesetzbuches (AGB) zulässig. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Vereinbarung der Lohnfortzahlung für nur zwei Wochen. Denn nach § 115 b Abs. 4 Satz 1 AGB bestand kein gesetzlicher Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Falle der Krankheit, da der Ehemann der Klägerin nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigte.

Unter Berücksichtigung aller dieser für bzw. jedenfalls nicht gegen die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin sprechenden Gesichtspunkte ist dem Umstand keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen, dass sie lediglich einmal einen Teil ihres Urlaubs in Anspruch genommen hat. Dies ist zwar ungewöhnlich; ein „normaler“ Arbeitnehmer würde sich wohl kaum so verhalten. Indes ist die Inanspruchnahme des - auch gesetzlich - zustehenden Urlaubs kein konstitutives Merkmal für die Eigenschaft als Arbeitnehmer.

Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung trägt dem Ausgang des Rechtsstreits angemessen Rechnung.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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