B 7 AL 54/00 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 54/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. April 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt Teilarbeitslosengeld (Teil-Alg) für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis 31. Juli 1998.

Die im Jahre 1970 geborene Klägerin war bei der Universität Hohenheim als Chemielaborantin beschäftigt, und zwar mit 19,25 Stunden wöchentlich befristet vom 1. Juni 1993 bis 26. März 1998. Darüber hinaus war sie mit 19,25 Stunden wöchentlich unbefristet bei derselben Universität beschäftigt. Insoweit wurde die Tätigkeit über den 26. März 1998 hinaus während des gesamten streitigen Zeitraums ausgeübt. Die Klägerin meldete sich am 26. März 1998 bei der Beklagten teilarbeitslos. Das Antragsformular auf Teil-Alg gab sie jedoch erst nach einer Vorsprache bei der Beklagten am 25. Juni 1998 ab.

Am 1. April 1998 nahm die Klägerin neben der weiterbestehenden eine zusätzliche Teilzeitbeschäftigung von 19,5 Stunden wöchentlich als Chemielaborantin in Freiburg auf, die bis zum 31. Mai 1998 befristet war. Die Aufnahme dieser Tätigkeit teilte die Klägerin der Beklagten durch Veränderungsmitteilung vom 22. April 1998 mit. Am 20. Mai 1998 meldete sich die Klägerin erneut mit Wirkung zum 1. Juni 1998 teilarbeitslos. Am 25. Juni 1998 fand ein Beratungsgespräch zwischen der Klägerin und einer Angestellten der Beklagten statt. Danach gab die Klägerin sowohl das am 20. Mai 1998 erhaltene Antragsformular (betreffend die Teilarbeitslosmeldung zum 1. Juni 1998) als auch das am 26. März 1998 erhaltene Antragsformular (betreffend die Teilarbeitslosmeldung zum 27. März 1998) bei der Beklagten ab. Zum 1. August 1998 nahm die Klägerin eine neue Teilzeitstelle auf.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin Teil-Alg in Höhe von 192,92 DM wöchentlich für den Zeitraum vom 27. März 1998 bis 31. März 1998 (Bescheid vom 28. September 1998). Mit Bescheid vom 23. September 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Teil-Alg ab 1. Juni 1998 ab. In einem weiteren Bescheid vom 23. September 1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß der Anspruch auf Teil-Alg ab 1. April 1998 erloschen sei, weil die Klägerin ab 1. April 1998 eine Beschäftigung für mehr als zwei Wochen und mit einer Arbeitszeit von mehr als fünf Stunden wöchentlich aufgenommen habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 1998).

Das Sozialgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 21. Oktober 1998 die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 19. April 2000 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin auf Teil-Alg vom 1. Juni 1998 bis 31. Juli 1998 bestehe nicht. Bereits durch die Teilarbeitslosmeldung zum 27. März 1998 sei ein Anspruch der Klägerin auf Teil-Alg gemäß § 150 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) entstanden. Die Klägerin sei am 27. März 1998 teilarbeitslos gewesen, habe sich teilarbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit für Teil-Alg erfüllt. Für die Teilarbeitslosigkeit sei dabei unerheblich, daß beide zuvor ausgeübten Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber, der Universität H, ausgeführt worden seien. Mehrere Beschäftigungsverhältnisse iS des § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) könnten, mit jeweils verschiedenen Inhalten, auch bei demselben Arbeitgeber bestehen. Unerheblich für die Frage der Entstehung des Teil-Alg-Anspruchs sei es, wann und ob die Klägerin einen Antrag auf Teil-Alg gestellt habe. Der Antragstellung komme nach dem SGB III generell nur noch verfahrensrechtlicher Charakter zu. Das Vorliegen eines Antrags sei keine materielle Anspruchsvoraussetzung mehr. Mit der Arbeitslosmeldung zum 27. März 1998 sei der Anspruch auf Teil-Alg folglich entstanden. Dieser am 27. März 1998 entstandene Anspruch sei am 1. April 1998 gemäß § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III wieder erloschen, weil die Klägerin eine Beschäftigung für mehr als zwei Wochen und mit einer Arbeitszeit von mehr als fünf Stunden wöchentlich aufgenommen habe. Durch die neue Tätigkeit vom 1. April 1998 bis 31. Mai 1998 sei auch kein neuer Anspruch auf Teil-Alg entstanden, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit gemäß § 150 Abs 2 Nr 2 Satz 1 SGB III nicht erfüllt habe. Gemäß § 150 Abs 2 Nr 2 Satz 2 SGB III iVm § 124 Abs 2 SGB III reiche die Rahmenfrist auch für das Teil-Alg nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose bereits eine Anwartschaftszeit erfüllt habe. Damit erstrecke sich die Rahmenfrist für einen Anspruch auf Teil-Alg ab 1. Juni 1998 vom 31. Mai 1998 bis zum 27. März 1998. Der Klägerin stehe auch kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Durch diesen könnten Gegebenheiten tatsächlicher Art nicht ersetzt werden. Die zum 27. März 1998 erfolgte Arbeitslosmeldung könne als Tatsachenerklärung nicht im Wege des Herstellungsanspruchs wieder beseitigt werden. Zum anderen könne die Beklagte, deren Aufgabe es sei, Arbeitslose zu vermitteln, nicht verpflichtet sein, Arbeitslose dahingehend zu beraten, eine Beschäftigung zum Zweck der Aufrechterhaltung eines Anspruchs auf Teil-Alg nicht anzunehmen. Ein Herstellungsanspruch käme allerdings dann in Betracht, wenn dem Antrag auf Teil-Alg materiell-rechtliche Bedeutung zukommen würde. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung der §§ 150 und 323 SGB III. Weiterhin macht sie geltend, die Erlöschensregelung des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III sei verfassungswidrig. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, daß ein Arbeitsloser im Wege des Herstellungsanspruchs so gestellt werden könne, als habe er seinen Antrag auf Alg erst zu einem späteren Zeitpunkt gestellt. Dies müsse auch im vorliegenden Fall gelten. Aus § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III sei im übrigen zu folgern, daß dem Antrag auf Teil-Alg weiterhin materiell-rechtliche Bedeutung zukomme. Unabhängig von seiner Entstehung könne das Stammrecht auf Teil-Alg ohne antragsmäßige Klarstellung des zeitlichen Beginns des Anspruchs nicht bedient werden. Würde dem Antragserfordernis ausschließlich ein verfahrensrechtlicher Charakter zukommen, so wäre entgegen § 46 Sozialgesetzbuch Erstes Buch ein rückwirkender Anspruchsverzicht des Begünstigten nicht mehr möglich. Die Erlöschensvorschrift des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III verletze Art 3 Abs 1, Art 12 Abs 1 und Art 14 Abs 1 Grundgesetz.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. April 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 1999 sowie die Bescheide der Beklagten vom 23. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Teilarbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis 31. Juli 1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, daß die Leistungsablehnung von Teil-Alg ab 1. Juni 1998 berechtigt sei, allerdings aus anderen Gründen, als sie das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Die Klägerin habe zwei Beschäftigungen von jeweils 19,25 Stunden bei demselben Arbeitgeber, nämlich der Universität H, ausgeübt. Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber seien sozialversicherungsrechtlich, unabhängig von der arbeitsvertraglichen Gestaltung, als einheitliches Beschäftigungsverhältnis zu werten. Die Klägerin habe somit innerhalb der Teil-Alg-Rahmenfrist nur eine einzige Beschäftigung, nicht aber zwölf Monate lang zwei versicherungspflichtige Beschäftigungen ausgeübt. Die Anwartschaftszeit für Teil-Alg sei also nicht erfüllt worden (§ 150 Abs 2 Nr 3 SGB III). Bereits am 27. März 1998 habe deshalb kein Anspruch auf Teil-Alg entstehen können. Die weitere Beschäftigung vom 1. April 1998 bis 31. Mai 1998 habe nur zwei Monate umfaßt, so daß auch durch diese Beschäftigung die von § 150 Abs 1 Nr 3 iVm § 150 Abs 2 Nr 2 SGB III geforderte versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens zwölf Monaten innerhalb der Teil-Alg-Rahmenfrist nicht erfüllt worden sei.

II

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis 31. Juli 1998 ein Anspruch auf Teil-Alg zusteht.

1. Nach § 150 Abs 1 SGB III idF des Art 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) hat Anspruch auf Teil-Alg ein Arbeitnehmer, der 1. teilarbeitslos ist, 2. sich teilarbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit für Teil-Alg erfüllt hat. Die Klägerin war am 1. Juni 1998 zwar teilarbeitslos iS des § 150 Abs 1 Nr 1 SGB III iVm § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III, weil sie mit der bis zum 31. Mai 1998 befristeten Beschäftigung in Freiburg eine versicherungspflichtige Beschäftigung (19,5 Wochenstunden) iS des § 25 Abs 1 iVm § 27 Abs 2 SGB III (idF des AFRG) verloren hatte. Diese Beschäftigung übte sie bei einem anderen Arbeitgeber als der Universität H aus. Weiterhin hat sich die Klägerin gemäß § 150 Abs 1 Nr 2 SGB III zum 1. Juni 1998 teilarbeitslos gemeldet. Die Klägerin hat aber keine neue Anwartschaftszeit nach dem 26. März 1998 für Teil-Alg erfüllt iS des § 150 Abs 1 Nr 3 SGB III iVm § 150 Abs 2 Nr 2 SGB III. Die Anwartschaftszeit für das Teil-Alg hat erfüllt, wer in der Teil-Alg-Rahmenfrist von zwei Jahren neben der weiterhin ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung mindestens zwölf Monate eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (§ 150 Abs 2 Nr 2 Satz 1 SGB III). Nach § 150 Abs 2 Nr 2 Satz 2 SGB III gelten für die Teil-Alg-Rahmenfrist die Regelungen zum Alg über die Rahmenfrist entsprechend. Gemäß § 124 Abs 1 SGB III (idF des AFRG) beginnt die Rahmenfrist mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Mithin begann die Rahmenfrist für das Teil-Alg hier frühestens am 31. Mai 1998 zu laufen. Die maßgebliche Rahmenfrist endete allerdings am 27. März 1998. Denn nach § 124 Abs 2 SGB III reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. Die Beklagte hat der Klägerin ab 27. März 1998 Teil-Alg bewilligt. Die Rahmenfrist für diese Bewilligung endete am 26. März 1998. Die Rahmenfrist für das ab 1. Juni 1998 beanspruchte Teil-Alg lief mithin gemäß § 124 Abs 2 SGB III iVm § 150 Abs 2 Nr 2 Satz 2 SGB III vom 27. März 1998 bis 31. Mai 1998. In dieser Rahmenfrist hat die Klägerin keine neue Anwartschaftszeit von zwölf Monaten iS des § 150 Abs 2 Nr 2 SGB III erworben.

2. Nicht entschieden werden kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG allerdings, ob der Klägerin noch ein Anspruch auf Teil-Alg ab 1. Juni 1998 aufgrund eines am 27. März 1998 entstandenen Stammrechts auf Teil-Alg zusteht.

Die Klägerin hat sich zwar nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG zum 27. März 1998 teilarbeitslos gemeldet iS des § 150 Abs 1 Nr 2 SGB III. Es kann aber nicht entschieden werden, ob die Klägerin am 27. März 1998 überhaupt teilarbeitslos iS des § 150 Abs 1 Nr 1 SGB III iVm § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III war bzw die Anwartschaftszeit für einen Teil-Alg-Anspruch ab 27. März 1998 iS des § 150 Abs 1 Nr 3 SGB III iVm § 150 Abs 2 Nr 2 SGB III erfüllt hatte. Die Beklagte hat in der Revisionsinstanz nunmehr vorgetragen, die beiden von der Klägerin vor dem 27. März 1998 ausgeübten Teilzeitbeschäftigungen bei der Universität H hätten rechtlich ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis dargestellt mit der Folge, daß am 27. März 1998 bei der Klägerin lediglich eine Reduzierung der Arbeitszeit innerhalb eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sei und gerade keine Teilarbeitslosigkeit vorgelegen habe.

Der Senat kann die Beantwortung der Frage, ob die Tätigkeiten der Klägerin bei der Universität H zwei Beschäftigungsverhältnisse iS des § 150 SGB III darstellten (vgl hierzu unter c) auch nicht deshalb offenlassen, weil der Anspruch der Klägerin auf Teil-Alg aufgrund der Aufnahme der weiteren Beschäftigung ab 1. April 1998 gemäß § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III ohnehin erloschen wäre. Entgegen der Rechtsansicht des LSG setzt das Erlöschen nach § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III die Entstehung des Zahlungsanspruchs auf Teil-Alg und nicht nur die Entstehung des Stammrechts voraus (s hierzu sogleich unter a); dieser Zahlungsanspruch wäre möglicherweise nicht entstanden, wenn die Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (hierzu unter b) so zu stellen wäre, als ob sie den Antrag auf Zahlung von Teil-Alg auf den 1. Juni 1998 verschoben bzw den Antrag zum 27. März 1998 zurückgenommen hätte.

a) Gemäß § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III erlischt der Anspruch auf Teil-Alg, wenn der Arbeitnehmer "nach Entstehung des Anspruchs" eine Beschäftigung, selbständige Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger für mehr als zwei Wochen oder mit einer Arbeitszeit von mehr als fünf Stunden wöchentlich aufnimmt. Diesen Kriterien genügte die von der Klägerin ab 1. April 1998 aufgenommene Teilzeitbeschäftigung, die 19,5 Wochenstunden umfaßte und bis zum 31. Mai 1998 befristet war. Mithin wäre der Anspruch der Klägerin - ob nur der Zahlungsanspruch oder auch das Stammrecht bleibt offen - gemäß § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III grundsätzlich ab 1. April 1998 erloschen, wenn nicht nur das Stammrecht, sondern auch der Zahlungsanspruch bereits entstanden war. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Erlöschensregelung des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III, wie er sich aus den Gesetzesmaterialien erschließen läßt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das neu eingeführte Teil-Alg das Problem lösen, daß jemand bei längerer paralleler Ausübung von mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungen trotz Beitragszahlung keinen Anspruch auf Alg hat, solange er noch die andere versicherungspflichtige Beschäftigung ausübt und damit nicht arbeitslos ist. Diese Teilarbeitslosigkeit soll künftig mit einem Teil-Alg ausgeglichen werden (vgl BT-Drucks 13/4941 S 146). Hinsichtlich der Erlöschensregelung des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III ist in den Gesetzesmaterialien ausgeführt: "Da die Verfügbarkeit bei weiterer Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung für eine neue Beschäftigung ohnehin eingeschränkt ist, soll bei Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung nach Eintritt der Teilarbeitslosigkeit der Anspruch erlöschen, wenn diese Beschäftigung länger als zwei Wochen oder fünf Stunden wöchentlich dauert. Ohne diese Einschränkungen wäre das Risiko zu hoch, daß Teilarbeitslosengeld trotz praktisch nicht bestehender Verfügbarkeit geleistet werden müßte" (BT-Drucks 13/4941, aaO). Wie aus letzterem deutlich wird, soll § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III der Gefahr entgegenwirken, daß Teil-Alg bei nicht bestehender Verfügbarkeit zu Unrecht "geleistet" wird. Der Zweck der Erlöschensregelung des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III, auf den entstandenen Zahlungsanspruch auf Teil-Alg einwirken zu wollen, kommt noch deutlicher in der Gesetzesbegründung zu § 151 des AFRG-Gesetzesentwurfs (wortgleich mit dem späteren § 150 SGB III) zum Ausdruck. Dort heißt es: "Das Teilarbeitslosengeld ist auf Beschäftigungsverluste ausgerichtet, die durch die Aufnahme einer geringfügigen Nebenbeschäftigung schnell annähernd ausgeglichen werden können. Die Motivation der Teilarbeitslosen, den Versicherungsfall schnellstmöglich zu beenden, könnte deshalb durch die Einnahmen aus einer solchen Nebenbeschäftigung gemindert werden. Aus diesem Grunde wäre es schlüssig, während des Bezuges von Teilarbeitslosengeld die Ausübung einer Nebenbeschäftigung ganz zu untersagen. Die Vorschrift läßt jedoch gelegentlich Nebenbeschäftigungen in unwesentlichem Umfang zu" (BT-Drucks 13/4941, S 181). Dies zeigt, daß in § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III mit "Anspruch" nur der Zahlungsanspruch auf Teil-Alg gemeint sein kann. Das Erlöschen bereits des Stammrechts auf Teil-Alg vor Entstehung des Zahlungsanspruchs entspricht nicht der soeben beschriebenen Funktion des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III. Hieraus folgt, daß trotz der Aufnahme einer weiteren Beschäftigung ab 1. April 1998 der Klägerin ein Zahlungsanspruch auf Teil-Alg zustehen könnte, wenn sie die Entstehung des Zahlungsanspruchs auf Teil-Alg "rückgängig" machen könnte.

b) Die Klägerin ist möglicherweise im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie den Antrag auf Teil-Alg zum 27. März 1998 nicht gestellt hätte. Dies hätte zur Folge, daß zwar am 27. März 1998 bereits das Stammrecht auf Teil-Alg, nicht aber der Zahlungsanspruch, entstanden wäre, immer vorausgesetzt, daß die beiden Teilzeittätigkeiten bei der Universität H nicht ein einziges Beschäftigungsverhältnis dargestellt haben (s hierzu unter c). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zunächst zur Voraussetzung, daß der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat (vgl hierzu die Urteile des Senats: BSGE 76, 84, 90 = SozR 3-8825 § 2 Nr 3; SozR 3-4100 § 249e Nr 4; SozR 3-4100 § 37 Nr 1; SozR 3-4100 § 134 Nr 14 und SozR 3-4100 § 110 Nr 2). Aus dieser Verletzung einer Beratungspflicht muß dem Sozialversicherten ein Nachteil entstanden sein. Schließlich ist weitere Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, daß dieser erlittene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann (BSG SozR 3-4100 § 134 Nr 14, S 56; BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSGE 51, 89, 52 = SozR 2200 § 381 Nr 44; BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2, S 10). Es spricht aufgrund des Akteninhalts vieles dafür, daß die Klägerin spätestens im Juni 1998 von der Beklagten nicht ausreichend über die Rechtsfolgen der Antragstellung auf Teil-Alg im Hinblick auf die von der Klägerin aufgenommene Zwischenbeschäftigung ab 1. April 1998 beraten worden ist. Die Klägerin hat am 25. Juni 1998 bei der Beklagten vorgesprochen und offensichtlich zwei Antragsformulare auf Teil-Alg (ab 27. März 1998 und ab 1. Juni 1998) mit sich geführt. Aus dem Antrag auf Teil-Alg für den Zeitraum ab 1. Juni 1998 ging zudem klar hervor, daß die Klägerin ab 1. April 1998 eine weitere Teilzeitbeschäftigung aufgenommen hatte, die gemäß § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III zu einem Erlöschen des Zahlungsanspruchs geführt hätte. Es war mithin erkennbar, daß die Klägerin mit der gemäß § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III fingierten Antragstellung zum 27. März 1998 den Teil-Alg-Anspruch für die Zeit ab 1. Juni 1998 insgesamt verlieren würde. Insofern wird das LSG aber noch im einzelnen die Umstände der Antragsabgabe im Juni 1998 festzustellen haben. Dabei ist zu ermitteln, ob die Klägerin bei richtiger Beratung durch die Beklagte den Antrag auf Teil-Alg zum 27. März 1998 zurückgenommen hätte.

Die Verschiebung bzw Rücknahme dieses Antrags ist mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs möglich. Zwar hat das LSG zu Recht entschieden, daß das Stammrecht auf Teil-Alg mit der Teilarbeitslosmeldung entsteht, ohne daß es hierzu noch einer gesonderten Antragstellung bedarf. Unter Hinweis auf die Neuregelung der Anspruchsvoraussetzungen auf Alg in § 117 SGB III (idF des AFRG) hat das LSG zutreffend ausgeführt, daß der bis zum 31. Dezember 1997 als materielle Anspruchsvoraussetzung ausgestalteten Antragstellung nach dem SGB III nunmehr lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt (vgl BT-Drucks 13/4941, S 175 zu § 117; Niesel, SGB III, RdNr 2 ff zu § 323 SGB III; Steinmeyer in Gagel, SGB III, RdNr 3 zu § 117 SGB III). Ergänzend hierzu bestimmt § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III, daß mit der Teilarbeitslosmeldung das Teil-Alg als beantragt gilt, dies allerdings nur, wenn der Arbeitslose keine andere Erklärung abgibt.

323 Abs 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB III ermöglicht es mithin dem Arbeitslosen, bei der Arbeitslosmeldung eine "andere Erklärung" hinsichtlich des Beginns der Zahlung abzugeben. Mit der Antragstellung gemäß § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III kann der Arbeitslose also konkretisieren, zu welchem Zeitpunkt aus dem Stammrecht Einzelansprüche auf Auszahlung von Alg (und entsprechend von Teil-Alg) realisiert werden sollen (vgl Niesel, SGB III, § 323, RdNr 1 und 10). Mit einer Erklärung über den Zahlungszeitraum kann die Klägerin zwar, was das LSG zutreffend gewürdigt hat, die Entstehung des Stammrechts auf Teil-Alg zum 27. März 1998 nicht verhindern, sie kann aber die Erlöschenswirkung des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III ausschließen, die sich - wie ausgeführt - ausschließlich auf den Zahlungsanspruch bezieht. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats zum Arbeitsförderungsgesetz konnte der Antrag auf Alg (dem damals noch materielle Bedeutung zukam) bis zum Wirksamwerden der Entscheidung über die Bewilligung (§ 39 Abs 1 SGB X) widerrufen werden, weil er so lange ohne Außenwirkung geblieben ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 110 Nr 2 S 10; BSGE 60, 79, 83 = SozR 4100 § 100 Nr 11). Insofern bestehen auch keine Bedenken gegen eine Verschiebung des Datums der Antragstellung auf Teil-Alg im Wege des Herstellungsanspruchs zur Vermeidung der Erlöschenswirkung des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III. Eine solche "Korrektur" stünde mit dem Gesetzeszweck des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III (ua Mißbrauchsabwehr) und des § 323 Abs 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB III (Bestimmung des Auszahlungszeitpunkts) im Einklang, zumal der Antrag als Willenserklärung den entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten (ggf sogar einer Anfechtung gemäß §§ 119 ff BGB) unterliegt (vgl hierzu im einzelnen SozR 3-4100 § 110 Nr 2, S 10 mwN). Da zum Zeitpunkt der Beratungssituation (25. Juni 1998) noch keine Bewilligung von Teil-Alg durch die Beklagte vorlag, hätte die Klägerin mithin noch eine Rücknahme des Antrags zum 27. März 1998 vornehmen können. Eine solche "Rücknahme" des fingierten Antrags auf Teil-Alg hätte zur Folge gehabt, daß aus dem am 27. März 1998 entstandenen Stammrecht auf Teil-Alg erstmals mit der Antragstellung zum 1. Juni 1998 ein Zahlungsanspruch entstanden wäre. Der Zahlungsanspruch - und nur auf diesen kommt es gemäß § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III an - wäre mithin noch nicht erloschen.

c) Folglich kommt es - das Vorliegen der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unterstellt - darauf an, ob der Klägerin ab 27. März 1998 tatsächlich ein Stammrecht auf Teil-Alg zustand. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht abschließend geklärt werden, ob die Klägerin am 27. März 1998 tatsächlich teilarbeitslos iS des § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III war. Das LSG hat zur näheren - insbesondere arbeitsvertraglichen, aber auch tatsächlichen - Ausgestaltung der Teilzeitbeschäftigungen bei der Universität H keine näheren Feststellungen getroffen und lediglich ausgeführt, daß auch bei einem Arbeitgeber zwei Teilzeitbeschäftigungen iS des § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III bestehen könnten. Der Gesetzgeber hat in den Materialien zu § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III ausgeführt: "Die Vorschrift definiert den Versicherungsfall der Teilarbeitslosigkeit. Er liegt vor, wenn der Arbeitnehmer eine von mehreren versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigungen verloren hat. Die bloße Verminderung der Arbeitszeit eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ist nicht als Verlust in diesem Sinne anzusehen" (BT-Drucks 13/4941 S 181). Dieser Formulierung ("Verminderung der Arbeitszeit", keine Beschränkung auf mehrere Arbeitgeber) kann entnommen werden, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit mehrerer Beschäftigungsverhältnisse bei nur einem Arbeitgeber gedanklich vorausgesetzt hat. Hieraus folgt, daß in jedem Einzelfalle konkret zu ermitteln ist, ob es sich bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeiten um mehrere Beschäftigungsverhältnisse iS des § 150 Abs 1 Nr 1 iVm § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III gehandelt hat.

Damit kann nicht von einem Grundsatz ausgegangen werden, wie ihn die Beklagte offenbar ihrer Revisionserwiderung zugrunde legt, daß bei einem Arbeitgeber - ungeachtet der arbeitsvertraglichen Ausgestaltung im einzelnen - grundsätzlich nur ein Beschäftigungsverhältnis bestehen könne. Dies hat das BSG zwar zu § 8 SGB IV (Zusammenrechnung zweier geringfügiger Beschäftigungen) entschieden (BSGE 55, 1 = SozR 2200 § 168 Nr 7), und der Senat ist dem im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg beigetreten (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 9, insbesondere S 14 mwN; vgl hierzu auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Dezember 2000 - L 1 AL 51/00 - NZS 2001, 274). Jedoch können die in diesen Entscheidungen entwickelten Grundsätze nicht unbesehen auf den Anspruch auf Teil-Alg übertragen werden. Zumindest hätte es nahegelegen, daß der Gesetzgeber im Wortlaut der Anspruchsvoraussetzungen des § 150 Abs 1 und Abs 2 SGB III eine entsprechende Einschränkung vorgenommen hätte, wenn er grundsätzlich davon ausgegangen wäre, daß in keinem Falle mehrere Teilzeitbeschäftigungen bei einem Arbeitgeber anspruchsbegründend für einen Anspruch auf Teil-Alg sein könnte.

Wie aus der oben zitierten Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, ging der Gesetzgeber vielmehr davon aus, daß prinzipiell auch bei einem Arbeitgeber zwei anspruchsbegründende Teilzeitbeschäftigungen iS des § 150 Abs 1 Nr 1 iVm § 150 Abs 2 Nr 1 SGB III bestehen können. Zu unterscheiden ist dann nur zwischen der bloßen Arbeitszeitreduktion innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses und der Beendigung einer Teilzeitbeschäftigung. Hierzu wird das LSG zunächst die konkrete arbeitsvertragliche Ausgestaltung der beiden Teilzeittätigkeiten der Klägerin bei der Universität H zu ermitteln haben. Lagen schon formal keine zwei getrennten Arbeitsverträge für die beiden Tätigkeiten vor, so dürfte es sich schon deshalb nicht um zwei getrennte Teilzeitbeschäftigungen iS des § 150 SGB III gehandelt haben. Lag eine arbeitsvertragliche Aufspaltung der beiden Tätigkeiten vor, so wird das LSG weiter zu prüfen haben, wie die Ausübung der Tätigkeiten tatsächlich ausgestaltet war. Dabei ist davon auszugehen, daß zwei Teilzeittätigkeiten, die in jeweils zwei getrennten "Betrieben" ausgeübt wurden, jedenfalls anspruchsbegründend iS des § 150 SGB III sein können. Denn die Beschäftigung setzt die Eingliederung in einen Betrieb voraus, der damit auch Anknüpfungspunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines oder mehrerer Beschäftigungsverhältnisse iS von § 150 SGB III sein kann. Ob und inwieweit darüber hinaus (auch bei Tätigkeiten innerhalb eines "Betriebs") zwei Beschäftigungsverhältnisse iS des § 150 SGB III begründet werden können, muß noch offenbleiben. Dies hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (identischer Inhaber der Direktionsbefugnis gegenüber dem Beschäftigten in beiden Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen, Finanzierung der beiden Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse aus unterschiedlichen Quellen, unterschiedliche Aufgabenstellung trotz Ausführung der Tätigkeiten innerhalb eines Betriebs etc), die das LSG noch im einzelnen zu ermitteln haben wird.

Von daher bestand keine Veranlassung, die Vereinbarkeit der Erlaubnisregelung des § 150 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB III mit höherrangigem Recht - wie von der Revisionsklägerin angeregt - zu überprüfen.

Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits unter Beachtung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Rechtskraft
Aus
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