B 7 AL 104/01 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 104/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. August 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Das klagende Unternehmen wendet sich gegen die Forderung der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) auf Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und der darauf entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für den Zeitraum vom 5. April 1997 bis 31. Dezember 1998.

Der am 1. Januar 1939 geborene K. B. (B) war seit April 1955 bei der Klägerin als Kaufmann beschäftigt. Er ist bei der Betriebskrankenkasse (BKK) der Klägerin krankenversichert. Am 1. Juli 1996 schloss B mit der Klägerin einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 1996 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 52.406,00 DM beendet wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnte B nach dem einschlägigen Tarifvertrag nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. B meldete sich am 13. November 1996 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. In dem Antrag vom 8. Dezember 1996 verneinte er die Fragen, ob er vom Arzt arbeitsunfähig krankgeschrieben sei und ob seine Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeiten oder Arbeitsstunden eingeschränkt sei. Die Klägerin gab in der Arbeitsbescheinigung vom 3. Dezember 1996 an, dass in den letzten sieben Jahren des Beschäftigungsverhältnisses keine Unterbrechungen der Zahlung von Arbeitsentgelt von mehr als vier Wochen vorgelegen hätten; ebenso wurden keine Gründe für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses angegeben. B selbst nannte als Grund für den Aufhebungsvertrag Personalanpassungsmaßnahmen. Am 20. März 1997 gab B die Erklärung zu § 105c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ab. Nach Ablehnung der Leistung wegen Eintritts einer Sperrzeit (vom 1. Januar bis 25. März 1997, Bescheid vom 6. Februar 1997) und wegen Ruhens auf Grund der Abfindung bis zum 2. April 1997 (weiterer Bescheid der Beklagten gemäß § 117a AFG vom 6. Februar 1997) bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 1997 dem B Alg für 689 Tage ab 3. April 1997 in Höhe von 673,80 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 1.890,00 DM, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 0). Ab 1. Januar 1998 erhielt B Alg in Höhe von 676,69 DM wöchentlich (Bescheid vom 12. Januar 1998) und ab 1. Dezember 1998 Alg in Höhe von wöchentlich 682,57 DM (nach einem Bemessungsentgelt von 1.910,00 DM). Seit 1. Januar 1999 bezieht B von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Die Beklagte unterrichtete die Klägerin erstmals durch Schreiben vom 6. Februar 1997 über eine mögliche Erstattungspflicht gemäß § 128 AFG und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 17. September 1998 wandte sich die Beklagte sodann mit mehreren Fragen an B. In dem Schreiben ist ausgeführt, der Beurteilungszeitraum der Befragung umfasse die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 31. August 1998. B sandte den Fragebogen am 29. September 1998 an die Beklagte zurück, wobei er verneinte, dass er für den Zeitraum arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen sei oder dass sich sein Gesundheitszustand verändert habe. Am 5. August 1999 richtete die Beklagte ein Schreiben an die Klägerin zur Anhörung anlässlich der Entscheidung über die Erstattungspflicht für den ehemaligen Arbeitnehmer B. Für die Zeit vom 3. April 1997 bis 31. Dezember 1998 habe die Beklagte Leistungen in Höhe von insgesamt 104.073,02 DM erbracht. Die Beklagte führte aus, sie habe zu den Veränderungen des Gesundheitszustands den ehemaligen Arbeitnehmer bereits befragt. Die Befragung sei hinsichtlich etwaiger Veränderungen seines Gesundheitszustands seit der Arbeitslosmeldung und Antragstellung ergebnislos geblieben. Diesem Anhörungsschreiben waren ein Berechnungsbogen und die Äußerung von B angefügt. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1999 forderte die Beklagte sodann die Klägerin zur Erstattung der Leistungen für den Zeitraum vom 3. April 1997 bis 31. Dezember 1998 in Höhe von insgesamt 104.073,02 DM auf. Hierbei entfielen auf Alg für 647 Leistungstage 61.588,69 DM, auf Beiträge zur Krankenversicherung 13.158,43 DM, auf Beiträge zur Rentenversicherung 27.550,46 DM und auf Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung 1.775,34 DM. Hiergegen legte die Klägerin am 10. Dezember 1999 Widerspruch ein. Am 7. Februar 2000 richtete die Beklagte ein weiteres Schreiben an den Arbeitnehmer B und übersandte einen Fragebogen über die Veränderung des Gesundheitszustands betreffend den Zeitraum vom 1. September 1998 bis 31. Dezember 1998. B antwortete am 8. Februar 2000, dass eine Veränderung seines Gesundheitszustands nicht eingetreten sei. Die Beklagte wies mit Bescheid vom 18. April 2000 den Widerspruch der Klägerin zurück. Diesem Bescheid war die Äußerung des B vom 8. Februar 2000 als Anlage angefügt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 2. Mai 2000 Klage, die das Sozialgericht (SG) durch Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2001 abgewiesen hat. Die Berufung zum Landessozialgericht (LSG) blieb erfolglos. Zur Begründung seines Urteils vom 28. August 2001 hat das LSG ausgeführt, dass ein Anhörungsmangel (§ 24 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) nicht vorliege. Entgegen der Auffassung der Klägerin beziehe sich die Anhörungspflicht nicht auf die Befragung des Arbeitslosen im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 20 SGB X), sie diene vielmehr der Vorbereitung der Entscheidung über die Erstattung. Mängel der Sachaufklärung seien nach § 42 Satz 1 SGB X nur erheblich, wenn sie zu einem anderen Verfahrensergebnis führen könnten. Auf die von der Klägerin gerügten Formulierungen in dem an B gerichteten Schreiben komme es für die Frage einer ordnungsgemäßen Anhörung im Rahmen des § 24 SGB X nicht an. Die hinsichtlich des Bescheides vom 2. Dezember 1999 mit Schreiben vom 5. August 1999 durchgeführte Anhörung der Klägerin sei ausreichend gewesen. Jedenfalls habe der Inhalt des genannten Anhörungsschreibens der Klägerin in Bezug auf Grund und Höhe der Erstattungsforderung - namentlich wegen deren dort berücksichtigten eigenen Angaben in der Arbeitsbescheinigung vom 3. Dezember 1996 (vgl § 24 Abs 2 Nr 3 SGB X) sowie wegen des als Anlage beigefügten Berechnungsbogens und der Antwort des B vom 29. September 1998 - hinreichende Kenntnisse verschafft, um sich zur Ausschöpfung ihres Rechts auf rechtliches Gehör ggf weitere Tatsachenkenntnis zu verschaffen. Die Beklagte habe die Klägerin in dem Anhörungsschreiben außerdem darüber unterrichtet, dass die Ermittlungen zum Gesundheitszustand des B nicht zu einer anderweitigen Sozialleistungsberechtigung geführt hätten.

Die Grundvoraussetzungen für eine Erstattung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 und 2 Halbsatz 1 Alternative 1 AFG seien gegeben. Auch liege der Ausschließungsgrund des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 2 AFG (anderweitige Sozialleistungsberechtigung) nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens in der gesamten streitbefangenen Zeit vom 3. April 1997 bis 31. Dezember 1998 nicht vor, sodass eine Beweislastentscheidung nicht in Betracht komme. Der Auflösungsvertrag vom 1. Juli 1996 sei auf Grund wirtschaftlich bedingten Personalabbaus erfolgt. B habe in seinem Antrag vom 8. Dezember 1996 die Fragen, ob er zurzeit vom Arzt arbeitsunfähig krankgeschrieben sei oder ob seine Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeit und Arbeitsstunden aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt sei, verneint. In der Arbeitsbescheinigung vom 3. Dezember 1996 seien für die letzten sieben Jahre des Beschäftigungsverhältnisses Unterbrechungen der Zahlung von Arbeitsentgelt für mehr als vier Wochen nicht vermerkt gewesen. Die Klägerin habe im vorliegenden Fall zwar über einen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit vom 8. August bis 10. September 1995 berichtet. Die Einmaligkeit dieses nur unwesentlich mehr als einen Monat dauernden Krankheitsgeschehens und die Tatsache, dass B bis Ende 1996 ohne weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten weitergearbeitet hat, sprächen jedoch dafür, dass diese Erkrankung den Gesundheitszustand des B nicht dauerhaft beeinträchtigt habe. Ausweislich seiner Schreiben vom 29. September 1998 und 8. Februar 2000 sei B in der Zeit ab 3. April 1997 weder arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen, noch habe sich seit seiner Arbeitslosmeldung sein Gesundheitszustand verändert. Ferner ergäben sich auch aus den Akten sonst - etwa durch eine Meldung der BKK im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung - keine Anzeichen für eine anderweitige Sozialleistungsberechtigung in der streitbefangenen Zeit. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe ohne konkrete Anhaltspunkte kein Anlass zu weitergehenden Ermittlungen. Mangels Vorhandenseins konkreter Umstände finde der Amtsermittlungsgrundsatz vielmehr seine Grenze an der Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten. Die Klägerin vermöge ihrer Erstattungspflicht auch keine Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 bis 7 und Abs 2 AFG entgegenzuhalten. Eine Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 4 AFG komme nicht in Betracht, weil das Beschäftigungsverhältnis mit B auf Grund eines Auflösungsvertrags vereinbarungsgemäß beendet worden sei. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gegen die Regelung des § 128 AFG nicht. Die Erstattungsforderung von 104.073,02 DM sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe B zu Recht erst ab 3. April 1997 Alg bewilligt. Die Höhe des Alg sei richtig berechnet worden. Hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung der für B entrichteten Sozialversicherungsbeiträge habe sich die Beklagte allerdings zu Gunsten der Klägerin verrechnet, was aber dahinstehen könne.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 2 AFG, der §§ 20, 24 SGB X und des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Im Übrigen macht sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 128 AFG geltend. Sie sei im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend angehört worden. Soweit ihr die Beklagte mitgeteilt habe, aus ihrer Sicht sei eine anderweitige Sozialleistungsberechtigung nicht gegeben, trage dies mindestens inzidenter die Behauptung in sich, dass das Vorliegen entsprechender Tatbestände auch geprüft worden sei. Ohne Beteiligung des ehemals Beschäftigten könne die Beklagte sich jedoch über das Vorliegen einer anderweitigen Sozialleistungsberechtigung überhaupt keine Gedanken machen. Demzufolge gehöre zur entsprechenden Anhörung der Klägerin einerseits, dass ehemals Beschäftigte überhaupt zuvor befragt würden. Andererseits sei auch erforderlich, dass das hierbei ermittelte Ergebnis sorgfältig und voll umfänglich mitgeteilt werde. Die Beklagte habe sich im vorliegenden Fall angesichts der Äußerungen von B auf den Standpunkt gestellt, dass wegen des unveränderten Gesundheitszustands ein anderweitiger Sozialleistungsbezug nicht in Betracht komme. Dies sei eine denkgesetzlich nicht begründete Schlussfolgerung. Einen solchen Schluss hätte die Beklagte nur ziehen können, wenn ihr der frühere Gesundheitszustand von B bekannt gewesen wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Auch sei ihr - der Klägerin - lediglich mitgeteilt worden, dass die Befragung von B ergebnislos geblieben sei. Auf Grund dieser Informationslage könne nicht entschieden werden, ob B überhaupt nicht reagiert, ob er die Fragen inhaltlich nicht ausreichend beantwortet oder aber ob er die Fragen beantwortet habe und die Beklagte hieraus keine Schlüsse ziehen wolle und könne. Die Beklagte hätte mithin auf Grund der Mitteilung von B über einen unveränderten Gesundheitszustand zunächst die Ausgangslage erforschen müssen. Dies sei im vorliegenden Fall unterblieben. Es sei daher ein Verstoß gegen § 24 SGB X gegeben, da die Bescheide formell rechtswidrig seien. Die Beklagte habe im Rahmen der Ermittlungen zu einer anderweitigen Sozialleistungsberechtigung ihre Amtsermittlungspflichten verletzt. Die Beklagte hätte insbesondere deshalb, weil bei B einmal eine Arbeitsunfähigkeitszeit von 34 Tagen vorgelegen habe, zusätzliche Ermittlungen anstellen müssen. Insbesondere habe sie die Ausgangsposition (Gesundheitszustand des B) bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht festgestellt. Durch die Art ihrer Befragung habe sie die Beantwortung der Fragen durch B geradezu provoziert. Die Beklagte habe auch nicht berücksichtigt, dass im Alter von 55 bis 60 Jahren bei nicht weniger als 42,7 % der für Verfahren nach § 128 AFG relevanten Personen eine gesundheitliche Einschränkung gegeben sei. Da die Beklagte ihren Verpflichtungen gemäß § 20 SGB X nicht nachgekommen sei, seien die Bescheide allein deshalb aufzuheben. § 42 Satz 1 SGB X sei nicht anwendbar, weil der Verfahrensfehler hier gleichzeitig eine Grundrechtsverletzung darstelle. Auch das LSG sei seiner Verpflichtung, den Sachverhalt gemäß § 103 SGG umfassend aufzuklären, nicht nachgekommen. Schon das SG hätte etwa den Hausarzt des B oder die BKK der Klägerin hinsichtlich möglicher weiterer Erkrankungen befragen können. Insbesondere hätte das LSG die einmalige Arbeitsunfähigkeitszeit des B berücksichtigen müssen. Dies hätte ein konkreter Anlass zu weiteren Ermittlungen sein müssen. Schließlich seien die Ausführungen des LSG zu der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 128 AFG nicht überzeugend. Diese Norm verstoße gegen Art 12 Grundgesetz (GG). Hierbei dürfe nicht unerwähnt bleiben, dass die Beklagte gerade im Falle einer Anwendung des § 105c AFG im Allgemeinen sämtliche Vermittlungsbemühungen einstelle. Die Wahrscheinlichkeit einer Vermittlung sei daher praktisch gleich Null, wenn ehemals Beschäftigte ohne Gefährdung des Alg-Anspruchs zumutbare Tätigkeiten ablehnen könnten und zusätzlich die Beklagte solche zumutbaren Tätigkeiten nur in Ausnahmefällen ermittele. Die gesamte Norm des § 128 AFG dürfe nicht nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip zu Lasten der Arbeitgeberseite ausgelegt oder angewendet werden.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. August 2001 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie habe weder gegen ihre Amtsermittlungspflichten gemäß § 20 SGB X noch gegen ihre Anhörungspflicht gemäß § 24 SGB X verstoßen. Eine anderweitige Sozialleistungsberechtigung iS des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG habe nicht vorgelegen, und deren Vorliegen sei vom LSG auch in zutreffender Weise verneint worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 128 AFG bestünden nicht.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 SGG) erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten das dem B im Zeitraum vom 5. April 1997 bis 31. Dezember 1998 gewährte Alg nebst der darauf entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu erstatten.

Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 128 AFG (idF des Gesetzes zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044), der gemäß § 431 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 242x Abs 6 und Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG (jeweils idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594) hier anzuwenden ist, weil B innerhalb der Rahmenfrist (hier 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1996) mindestens 360 Kalendertage vor dem 1. April 1997 in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat.

Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der BA vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres, längstens für 624 Tage. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn der am 1. Januar 1939 geborene B war seit 12. April 1955 bis zum 31. Dezember 1996 bei der Klägerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet (§ 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 1 AFG). Die Dauer des Erstattungszeitraums verlängerte sich hier nach Maßgabe des § 431 Abs 1 Satz 2 SGB III.

Auch die negativen Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 2 AFG liegen nicht vor. Danach tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Zutreffend ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Erstattungszeitraum vom 3. April 1997 bis zum 31. Dezember 1998 dem B keine der in § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 2 AFG erwähnten anderweitigen Sozialleistungen zustand.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 ist nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil der Beklagten im Verwaltungsverfahren insoweit erhebliche Verfahrensfehler unterlaufen wären. Zunächst liegt kein Anhörungsfehler vor, der gemäß § 24 Abs 1 iVm § 42 Satz 2 SGB X zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führen könnte. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist der Klägerin Gelegenheit zu geben, "sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern". Diese Forderung ist hinsichtlich der - hier allein im Streit stehenden - Tatsachen, die eine Ausnahme von der Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 2 AFG begründen könnten, erfüllt. Hierbei ist insbesondere zu betonen, dass dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom 5. August 1999 die Antwort des B vom 29. September 1998 im Original angefügt war. Dies hat das LSG den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt. Insofern sind die Angriffe der Klägerin gegen diese Anhörung gegenstandslos, weil sie sowohl die Fragen als auch die Antworten (wenn auch in Form von Durchstreichungen) des B im Original enthalten hat. Soweit die Beklagte nach dem Erlass des Erstattungsbescheides vom 2. Dezember 1999 noch eine weitere Befragung des B hinsichtlich des Zeitraums 1. September 1998 bis 31. Dezember 1998 durchgeführt hat, wurde der Klägerin das Ergebnis dieser Befragung allerdings erst mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000 mitgeteilt. Hierin liegt jedoch ebenfalls kein Anhörungsmangel, weil bereits der Bescheid vom 2. Dezember 1999 den gesamten Erstattungszeitraum bis 31. Dezember 1998 einbezogen und die Beklagte keine neuen, rechtserheblichen Tatsachen erfahren hat, die die Rechtsnatur ihrer Entscheidung verändert hätten. Der Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000 enthält insofern keine zusätzliche Beschwer der Klägerin, zu deren Tatsachengrundlage diese hätte angehört werden müssen. Wie der Senat bereits betont hat (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 15 S 134), hängt der Umfang der Anhörungspflicht jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl insoweit BSG SozR 1300 § 24 Nr 4 S 6; SozR 3-1300 § 24 Nr 18 S 38). Nach den gesamten Feststellungen des LSG und den Angriffsmitteln der Klägerin ist hier nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte - über die Mitteilung der Antwort des B hinaus - die Klägerin zu entscheidungserheblichen Tatsachen nicht angehört hätte.

Ebenso wenig führt zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide die Rüge der Klägerin, die Beklagte habe gegen ihre Amtsermittlungspflicht gemäß § 20 SGB X verstoßen. Hinsichtlich der Folgen eines solchen Verstoßes hat sich der erkennende Senat (vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 15 S 135) der Rechtsprechung des 11. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) (vgl nur BSGE 81, 259, 262 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; BSGE 87, 132, 138 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 10) angeschlossen. Mängel der Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren sind grundsätzlich nach § 42 Satz 1 SGB X von den Tatsacheninstanzen zu beheben. Die Neufassung des § 42 SGB X durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 1983) hat hieran nichts geändert, denn hiermit hat der Gesetzgeber eine Erweiterung der Heilungsmöglichkeiten bezweckt und nicht etwa bereits bestehende Heilungsmöglichkeiten eingeschränkt (vgl BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 15 S 135). Für den Bereich der gebundenen Verwaltung gelten die bisherigen Grundsätze fort (BSG aaO mwN). Bei der Entscheidung über die Erstattungspflicht nach § 128 AFG handelt es sich um einen solchen gebundenen Verwaltungsakt. Ermessen oder ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum steht der Beklagten nicht zu. Dann aber kann die Anfechtungsklage nur Erfolg haben, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des überprüften Verwaltungsakts nicht erfüllt sind. Hierzu aber gehören - entgegen der Ansicht der Klägerin - die Vorschriften über die Amtsermittlungspflicht der Behörde nicht. Der Senat hat auch bereits entschieden, dass aus der Grundrechtsrelevanz der Erstattungsbescheide nach § 128 AFG nichts anderes folgt (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 15 S 135 f).

Schließlich beruhen auch die tatsächlichen Feststellungen des LSG zur anderweitigen Sozialleistungsberechtigung nicht auf Verfahrensfehlern, die von der Klägerin gerügt sind. Das LSG hat insoweit seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) genügt. Das Tatsachengericht bestimmt im Rahmen seines Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind. Sein Ermessen ist dabei durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht sich zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen (grundlegend BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 15). So liegt der Fall hier aber nicht. Das LSG ist auf Grund einer sorgfältigen Würdigung der ihm vorliegenden Ermittlungsergebnisse zu der Überzeugung gelangt, die Voraussetzungen für eine anderweitige Sozialleistungsberechtigung lägen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens während der gesamten streitbefangenen Zeit vom 3. April 1997 bis 31. Dezember 1998 nicht vor. Entgegen der Ansicht der Revision beruht diese Feststellung des LSG nicht auf einem fehlerhaften Verständnis des Ermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG). Denn das LSG hat aus den sonstigen Angaben der Klägerin und des B selbst geschlossen, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Vertiefung der Amtsermittlungen nicht vorgelegen hätten. Dies ist nicht zu beanstanden. Insbesondere kann nicht mit der Klägerin gefordert werden, dass allein auf Grund des statistisch erwartbaren Eintretens von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, weitergehende Ermittlungen im Einzelfall ohne weitere Veranlassung anzustellen wären (hierzu bereits BSGE 87, 132, 138 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10 S 86 f). Auch kann nicht generell gefordert werden, dass die Beklagte den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers im Zeitpunkt seines Ausscheidens zu ermitteln hätte. Zwar hat die Klägerin hierzu vorgetragen, bei B habe im Jahre 1995 (8. August bis 10. September) eine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Nähere Angaben zur Art der Erkrankung fehlen indes und sind auch nicht aus den Akten ersichtlich. Das LSG musste dem auch nicht weiter nachgehen, weil es diese Erkrankung als einmaliges Geschehen betrachtet hat. Der Senat folgt hierbei dem 11. Senat des BSG, der zu § 128 Abs 1 Satz 2 AFG davon ausgeht, dass es grundsätzlich nicht naheliegend sei, dass ein Arbeitsloser trotz der Belehrungen der BA über seine Obliegenheiten (etwa auch im Rahmen von Erklärungen gemäß § 105c AFG) den Eintritt schwerwiegender Erkrankungen und darauf beruhender Einschränkungen seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit verschweigt (BSGE 87, 132, 138 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10 S 87). Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn die Antworten des Arbeitnehmers im Vergleich zu sonstigen Erkenntnissen über frühere Erkrankungen während des Beschäftigungsverhältnisses oder über Krankheitszeiten während der Zeit des Alg-Bezugs widersprüchlich bzw nicht mehr nachvollziehbar wären (vgl hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tage - B 7 AL 102/01 R).

Der Klägerin stehen auch nicht die Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 bis 7 AFG zur Seite. Ein Entfallen der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs 2 AFG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Senat hat schließlich ebenso wie der 11. Senat des BSG mehrfach entschieden, dass die Erstattungspflicht des Arbeitgebers als solche keine verfassungsrechtlichen Bedenken aufwirft (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 15; zuletzt Urteil vom 20. Juni 2002 - B 7 AL 8/01 R). Im Gegenteil steht die erörterte Rechtslage mit der Verfassung, insbesondere auch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23. Januar 1990 (BVerfGE 81, 156 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1), im Einklang. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass B von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG in Anspruch zu nehmen (vgl hierzu auch Senatsurteil vom 3. Dezember 1998 - B 7 AL 110/97 R -, NZA/RR 1999, 330 mwN). Nichts anderes ergibt sich schließlich aus dem Beschluss des BVerfG vom 10. November 1998 (BVerfGE 99, 202 = SozR 3-4100 § 128a Nr 9), wie der Senat ebenfalls entschieden hat (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 15 S 142). Es besteht daher keine Veranlassung, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Auch der Höhe nach ist die Erstattungsforderung nach den Feststellungen des LSG nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat den Erstattungszeitraum durch ihre Erklärung vom 5. Februar 2003 auf den Zeitraum ab 5. April 1997 (statt ab 3. April 1997) reduziert. Es kann daher dahinstehen, ob es rechtmäßig war, dass die Beklagte dem B bereits ab 3. April 1997 Alg bewilligt hat. Die Beklagte hatte insofern durch Bescheid vom 6. Februar 1997 den Eintritt einer Sperrzeit (vom 1. Januar 1997 bis 25. März 1997) und durch weiteren Bescheid vom 6. Februar 1997 einen daran anschließenden Ruhenszeitraum (gemäß § 117a AFG iVm § 242x Abs 3 AFG) lediglich bis zum 2. April 1997 festgestellt. Die Beklagte hat dabei den Ruhenszeitraum (gemäß § 117 Abs 3 Satz 2 Nr 1 iVm § 117a Abs 2 Satz 1 AFG) so ermittelt, dass sie das "kalendertäglich verdiente Arbeitsentgelt" errechnete, indem sie die Monate pauschal mit 30 Tagen als Divisor ansetzte, wodurch im vorliegenden Fall eine Teilung des während der letzten Beschäftigungszeit (Juni bis November 1996) verdienten Arbeitsentgelts durch 180 erfolgte, während bei einer strikt kalendertäglichen Berechnungsweise eine Teilung durch 183 hätte erfolgen müssen. Bei dieser Berechnungsweise hätte der Ruhenszeitraum zu Lasten des Arbeitslosen länger ausfallen müssen. Dies kann jedoch auf Grund der Erklärung der Beklagten vom 5. Februar 2003 dahinstehen, ebenso wie die weitere Frage, ob der Ruhenszeitraum für den Anspruch auf Alg gemäß § 117 Abs 1 AFG sich auf Leistungstage (sechs Wochentage vgl § 114 AFG) oder Kalendertage bezieht. Schließlich war auch die Höhe des dem B ab 3. April 1997 bewilligten Alg auf Grund der in dem sechsmonatigen Bemessungszeitraum abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume (§ 112 Abs 2 AFG idF des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353) richtig berechnet. Hinsichtlich der mit der Erstattungsforderung geltend gemachten Beiträge zur Krankenversicherung, Rentenversicherung und Pflegeversicherung stimmte die Berechnungsweise der Beklagten vor Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 zwar nicht voll mit dem Gesetz überein, ohne dass sich dies hier zu Gunsten der Klägerin auswirkt (vgl hierzu im Einzelnen BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 15 S 143).

Bei der Kostenentscheidung hat der Senat berücksichtigt, dass die Neuregelung des § 197a SGG idF des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 7. August 2001 (BGBl I 2144) nicht anwendbar ist, weil der Rechtsstreit bereits vor dem 1. Januar 2002 anhängig war (vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24; Urteil des Senats vom 20. Juni 2002 - B 7 AL 8/01 R).
Rechtskraft
Aus
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