L 6 SB 5688/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 1332/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5688/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13.10.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1958 geborene Kläger begehrt einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 60.

Der Kläger beantragte beim ehemaligen Versorgungsamt F., Außenstelle R. (VA), am 19.04.2002 die Feststellung seines GdB. Nach Beiziehung des Entlassungsberichts der A.-Sch.-Klinik K. vom 18.01.2002, Einholung des Befundberichts der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B.-M.vom 13.05.2002 mit beigefügten Arztbriefen und Beiziehung des Arztbriefs des H.-Klinikums S./E. vom 29.04.2002 berücksichtigte die Ärztin für Orthopädie G. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.09.2002 als Behinderungen eine Herzleistungsminderung, einen abgelaufenen Herzinfarkt, eine Stentimplantation, eine Herzrhythmusstörung und einen Herzklappenfehler (Teil-GdB 50) sowie eine Lungenblähung (Teil-GdB 10), bewertete den Gesamt-GdB mit 50 und führte aus, der Kläger sei in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Daraufhin stellte das VA mit Bescheid vom 30.09.2002 den GdB mit 50 seit 09.12.2001 und das Merkzeichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) fest. Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt hatte, holte das VA den ärztlichen Befundbericht der Dr. B.-M. vom 14.11.2002 mit beigefügten Arztbriefen ein, woraufhin Dr. W. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.11.2002 zu der Einschätzung gelangte, die bisherige Bewertung ändere sich hierdurch nicht. Hierauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid 05.12.2002 zurück.

Der Kläger beantragte am 05.08.2004 die Neufeststellung seines GdB. Das VA zog über den Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Dr. Sch. diverse Arztbriefe vom 02.02.2003, 14.08.2003, 12.01.2004 und 05.06.2004 bei. Dr. K. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.08.2004 als Behinderungen eine Herzleistungsminderung, einen abgelaufenen Herzinfarkt, eine Stentimplantation, Herzrhythmusstörungen und einen Herzklappenfehler (Teil-GdB 40) sowie eine Lungenblähung (Teil-GdB 10), bewertete den Gesamt-GdB mit 40 und führte aus, der Kläger sei nicht mehr in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Herzleiden zeige eine deutlich bessere Belastbarkeit. Unter dem 01.09.2004 hörte das VA den Kläger zur beabsichtigten Feststellung des GdB mit 40 ohne Feststellung des Merkzeichens "G" an. Mit Bescheid vom 11.10.2004 lehnte das VA eine höhere Bewertung des GdB ab, hob den Bescheid vom 30.09.2002 auf, stellte den GdB mit 40 ab 14.10.2004 fest und führte aus, die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G lägen nicht mehr vor.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2005 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 02.06.2005 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Entgegen der Auffassung des Beklagten habe seine Belastbarkeit in kardiologischer Hinsicht nicht zugenommen. Im Gegenteil habe sich darüber hinaus eine zusätzliche psychische Fixiertheit auf die Herzerkrankung ergeben.

Das SG hörte Dr. Sch. und Dr. B.-M. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. Sch. führte unter dem 03.02.2006 aus, im Laufe der Behandlung seit dem 29.11.2003 sei keine wesentliche Besserung der Belastbarkeit eingetreten. Es liege weiterhin ein GdB von 50 vor. Es bestehe eine schwere bis mittelschwere linksventrikuläre Funktionsstörung mit Dekompensationstendenz und Möglichkeit der Verschlechterung. Die als sachverständige Zeugin gehörte Dr. B.-M. führte unter dem 23.02.2006 unter Beifügung der Arztbriefe des Internisten Dr. D. vom 10.01.203, des Pathologen Prof. Dr. K. vom 03.04.2003 sowie des Dr. Sch. vom 03.06.2002, 21.09.2004, 05.11.2004, 03.04.2005, 14.09.2005 und 03.02.2006 aus, im Laufe der Behandlung sei es höchstens zu einer Stabilisierung der kardialen Leistungseinschränkung gekommen. Außerdem bestehe eine Belastungsdyspnoe und eine eingeschränkte Belastbarkeit bei körperlicher Belastung. Dr. B. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.04.2006 als Behinderungen eine Herzleistungsminderung und einen abgelaufenen Herzinfarkt (Teil-GdB 50) sowie eine Lungenblähung (Teil-GdB 10), bewertete den Gesamt-GdB mit 50 über den 13.10.2004 hinaus und befürwortete das Merkzeichen G. Das entsprechende Vergleichsangebot des Beklagten lehnte der Kläger ab.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.10.2006 hob das SG den Bescheid vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2005 insoweit auf, als darin der Bescheid vom 30.09.2002 aufgehoben wurde, und wies die Klage im Übrigen ab. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen liege nicht vor.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 18.10.2006 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 14.11.2006 Berufung eingelegt. Neben der Herzleistungsminderung und der Lungenblähung liege eine psychische Fixiertheit auf die Herzerkrankung vor, die GdB-erhöhend zu berücksichtigen sei. Außerdem liege eine beginnende Osteochondrose vor. Er hat den Arztbrief der Radiologen Dr. St./Dr. R. vom 22.07.2006 vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13.10.2006 abzuändern und den Beklagten unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2005 zu verurteilen, seinen GdB mit mindestens 70 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 16.02.2007 ausgeführt, der Kläger habe ihn einmalig und zwar am 10.08.2006 aufgesucht und über vom Rücken in das linke Bein ausstrahlende Schmerzen mit Verstärkung beim Husten geklagt. Sodann hat der Senat die beim SG im Rahmen eines auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichteten Klageverfahrens angefallenen ärztlichen Unterlagen, insbesondere das internistische Gutachten der Dr. B. vom 20.02.2007, das orthopädische Gutachten des Dr. C. vom 23.04.2007 und das nervenärztliche Gutachten des Dr. M. vom 23.04.2007, beigezogen. Hierzu hat Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.03.2008 ausgeführt, zusätzlich ergebe sich als Behinderung eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) und es verbleibe beim Gesamt-GdB von 50. Im Gutachten der Dr. B. werde ergometrisch eine Belastbarkeit bis 100 Watt ohne Auftreten von Ischämien bei einer Ejektionsfraktion des Herzens von circa 45 % angegeben, was einer mittelgradigen kardialen Funktionseinschränkung entspreche. Der diesbezügliche Teil-GdB von 50 müsse bereits als sehr weitreichend angesehen werden. Eine relevante Lungenfunktionseinschränkung sei dem Gutachten der Dr. B. nicht zu entnehmen, so dass der bisherige Teil-GdB von 10 für die Lungenblähung ebenfalls nicht erhöht werden könne. Dem Gutachten des Dr. C. lasse sich eine allenfalls endgradige Funktionseinschränkung der Wirbelsäule entnehmen, so dass diesbezüglich der Teil-GdB von 10 festzustellen sei. Dem Gutachten des Dr. M. lasse sich keine GdB-relevante Funktionseinschränkung entnehmen.

Sodann hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten des Dr. F. vom 30.07.2008 eingeholt. Der Sachverständige hat als Behinderungen ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit ischialgiformen Beschwerden links bei multiplen Bandscheibenvorfällen im Sinne von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen und häufig rezidivierenden und lange anhaltenden Schmerzsyndromen, eine Lendenwirbelsäulen-Skoliose und ein Halswirbelsäulen-Syndrom bei degenerativen Veränderungen C4 bis C7 (Teil-GdB 30), ein Schulter-Arm-Syndrom links bei Verdacht auf eine Läsion der Rotatorenmanschette mit Kalkschulter (Teil-GdB 10), eine Hüftdysplasie beidseits mit beginnenden degenerativen Veränderungen (Teil-GdB 10), ein Streck- und Bewegungsdefizit mittleren Grades im rechten Kniegelenk mit Gonarthrose (Teil-GdB 20), einen Zustand nach Osteosynthese der Sprunggelenke nach Frakturen mit Verknöcherungen im Bereich der Syndesmose (Teil-GdB 10), eine Arthrose in den Sprunggelenken links mehr als rechts (Teil-GdB 10) sowie einen Fersensporn beidseits (Teil-GdB 10) berücksichtigt und den Gesamt-GdB auf orthopädischem Fachgebiet mit 40 eingeschätzt.

Daraufhin hat Dr. P. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.11.2008 als zusätzliche Behinderung eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks und eine Funktionsbehinderung des oberen rechten Sprunggelenks (Teil-GdB 20) berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 60 ab 30.07.2008 eingeschätzt. Nicht zugestimmt werden könne der vom Sachverständigen vorgeschlagenen Teil-GdB-Bewertung von 30 für die Behinderung an der Wirbelsäule. Nach den von Dr. F. erhobenen Befunden bestehe keine wesentliche Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule. Auch die übrigen vom Sachverständigen angenommenen Teil-GdB-Werte von 10 seien nicht gegeben.

Der Kläger hat unter anderem die Arztbriefe der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Pf. vom 21.07.2006 und 15.10.2006, des Dr. F. vom 14.08.2006 sowie des Dr. Sch. vom 31.10.2006, 07.11.2006, 13.12.2006, 21.02.2007, 17.05.2007, 28.12.2007, 11.06.2008 und 11.11.2008 vorgelegt und den auf die Feststellung des Gesamt-GdB mit 60 gerichteten Vergleichsvorschlags des Beklagten nicht angenommen.

Dr. F. hat in seiner von Amts wegen eingeholten ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 12.02.2009 ausgeführt, nach nochmaliger Durchsicht der Untersuchungsbefunde, Vorgeschichte und Röntgenbilder sei in seinem Gutachten bedauerlicherweise die Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule mit Seitneigung und Rotationseinschränkung sowie doch deutlichen degenerativen Veränderungen nur mit leicht dokumentiert worden, obwohl eine Einschätzung mit mittelschwer zugrunde liege. Hinzu kämen noch die Skoliose und eine deutliche Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Dieser Befund lasse sich auch anhand der Röntgenbilder mit erheblichen, weit über das normale Altersmaß hinausgehenden Verschleißerscheinungen dokumentieren. Somit handle es sich an der Halswirbelsäule um mittelschwere funktionelle Auswirkungen und im Lendenwirbelsäulenbereich um mittelschwere bis schwere funktionelle Auswirkungen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Wurzelreizerscheinungen, Tage andauernd, und objektiven Bandscheibenschäden. Somit bleibe er bei der Einschätzung des Teil-GdB mit 30 für die Wirbelsäule.

Dr. Götz hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.05.2009 dargelegt, der Bericht des Dr. Sch. vom 11.06.2008 dokumentiere eine derzeit stabile kardiale Situation. Im Untersuchungsbefund sei der Kläger kardial kompensiert gewesen und es habe sich echokardiographisch eine Auswurffraktion von 40 bis 45 % ergeben, was einer leicht- bis mittelgradigen Verminderung der Pumpfunktion entspreche. Ergometrisch sei der Abbruch der Belastungsuntersuchung bei 100 Watt aufgrund von muskulärer Erschöpfung und Atemnot erfolgt. Auf dieser Belastungsstufe hätten sich keine Ischämiezeichen und keine Herzrhythmusstörungen gezeigt. Ein höherer GdB als 50 für das Herzleiden sei nicht zu begründen. Der Stellungnahme des Dr. F. sei nicht zu folgen. Angesichts der von ihm erhobenen Befunde sei dessen Einschätzung nicht nachvollziehbar. Es lägen nur geringgradige Bewegungseinschränkungen vor. Motorische Ausfälle seien nicht beschrieben. Allein aufgrund der röntgenologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen im Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulenbereich sei eine Höherbewertung des GdB nicht zu begründen.

Der Beklagte hat unter dem 25.05.2009 den GdB mit 60 ab 30.07.2008 anerkannt. Der Kläger hat dieses Teil-Anerkenntnis angenommen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat, ist unbegründet.

Weil das SG mit Gerichtsbescheid vom 13.10.2006 den Bescheid vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2005 insoweit aufgehoben hat, als darin vom Beklagten der Bescheid vom 30.09.2002 aufgehoben wurde, und sich der Beklagte aufgrund des vom Kläger angenommenen Anerkenntnisses verpflichtet hat, den GdB des Klägers ab 30.07.2008 mit 60 festzustellen war vorliegend nur noch darüber zu entscheiden, ob für den Kläger ab 05.08.2004 ein höherer GdB als 50 und ab 30.07.2008 ein höherer GdB als 60 festzustellen ist.

Der Kläger hat indes keinen Anspruch auf einen höheren GdB.

Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

Eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Behinderung liegt nur vor, wenn eine dauerhafte Änderung des Gesundheitszustands zu einer Änderung des GdB um wenigstens 10 führt.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A Nr. 3 d ee).

Für die Funktionsbehinderung auf kardiologischem Fachgebiet ist der GdB des Klägers nicht höher als mit 50 zu bewerten.

Nach den VG, Teil B, Nr. 9.1.1, S. 46 beträgt bei einer Einschränkung der Herzleistung ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen selbst bei gewohnter stärkerer Belastung, zum Beispiel sehr schnelles Gehen [7 bis 8 km/h], schwere körperliche Arbeit) oder ohne Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung der GdB 0 bis 10, mit einer Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (zum Beispiel forsches Gehen [5 bis 6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit) oder mit Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) der GdB 20 bis 40, mit einer Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (zum Beispiel Spazierengehen [3 bis 4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit) oder mit Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) der GdB 50 bis 70, mit gelegentlich auftretenden, vorübergehend schweren Dekompensationserscheinungen der GdB 80 sowie mit einer Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe (Ruheinsuffizienz, zum Beispiel auch bei fixierter pulmonaler Hypertonie) der GdB 90 bis 100.

Beim Kläger ist bei bekannter koronarer Herzkrankheit eine Stentimplantation erfolgt. Bei ihm liegt ausweislich der Arztbriefe des ihn behandelnden Kardiologen Dr. Sch. eine stabile kardiale Situation vor. So ergibt sich aus den Arztbriefen des Dr. Sch. vom 02.02.2003, 14.08.2003, 12.01.2004, 05.06.2004, 31.10.2006, 07.11.2006, 13.12.2006, 21.02.2007, 16.05.2007, 20.12.2007, 11.06.2008 und 11.11.2008, dass bei den durchgeführten fahrradergometrischen Untersuchungen erst ab einer Belastung von 100 Watt Dyspnoen und im Übrigen keine Ischämiezeichen oder Herzrhythmusstörungen aufgetreten sind. Dasselbe ergibt sich aus dem Gutachten der Dr. B. vom 22.02.2007. Bei einer solchen Leistungsfähigkeit ergibt sich jedenfalls kein höherer GdB als der vom Beklagten angenommene GdB von 50.

Die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks und des oberen rechten Sprungegelenks ist mit einem GdB von 20 angemessen bewertet.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14, S. 100 beträgt bei Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk geringen Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung bis 0/0/90 Grad) einseitig der GdB 0 bis 10 und beidseitig der GdB 10 bis 20, mittleren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung 0/10/90 Grad) einseitig der GdB 20 und beidseitig der GdB 40 sowie stärkeren Grades (zum Beispiel Streckung/Beugung 0/30/90 Grad) einseitig der GdB 30 und beidseitig der GdB 50.

Ausweislich des Gutachtens des Dr. F. vom 30.07.2008 liegt beim Kläger mit dem Bewegungsmaß 0/15/120 Grad ein deutliches Streckdefizit im rechten Kniegelenk vor. Dieser Zustand ist mit einer einseitigen Bewegungseinschränkung mittleren Grades zu beschreiben und mithin zutreffend mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die ebenfalls von Dr. F. erhobene leichte Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks rechts führt zu keiner GdB-Erhöhung für das rechte Bein. Die hierdurch bedingte Funktionsbeeinträchtigung ist erstmals am 30.07.2008 dokumentiert worden und kann daher erst ab diesem Datum berücksichtigt werden.

Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ist nicht mit einem höheren GdB als 10 zu bewerten.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9, S. 90 beträgt bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40, mit besonders schweren Auswirkungen (zum Beispiel Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [zum Beispiel Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab circa 70 Grad nach Cobb]) der GdB 50 bis 70 sowie bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit der GdB 80 bis 100.

Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 30.07.2008 im Bereich der Wirbelsäule ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit ischialgiformen Beschwerden links bei multiplen Bandscheibenvorfällen und häufig rezidivierenden und lange anhaltenden Schmerzsyndromen, eine Lendenwirbelsäulen-Skoliose und ein Halswirbelsäulen-Syndrom bei degenerativen Veränderungen C4 bis C7 diagnostiziert. Der hierfür von Dr. F. angesetzte GdB von 30 ist aber in Anbetracht der von ihm erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar. So hat Dr. F. in seinem Gutachten unter "Befunde" für den Bereich der Halswirbelsäule ausgeführt, bei der Inklination erreiche die Kinnspitze das Brustbein bis auf einen Abstand von 1 cm, bei der Extension erreiche der Nasenrücken die Horizontale und die Seitneigung sowie Rotation in den Halsgelenken sei frei. Für den Bereich der Lendenwirbelsäule hat er ausgeführt, die Beweglichkeit betrage bei Flexion/Extension 45/0/45 Grad, bei der Seitneigung rechts/links 35/0/35 Grad und bei der Rotation rechts/links 50/0/65 Grad. Dabei handelt es sich, worauf Dr. P. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.11.2008 zutreffend hingewiesen hat, allenfalls um geringe funktionelle Auswirkungen, so dass nach Überzeugung des Senats wirbelsäulenbedingt allenfalls ein GdB von 10 vorliegt. Nichts anderes ergibt sich aus der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme des Dr. F. vom 12.02.2009, in welcher ohne nachvollziehbare Begründung die degenerativen Veränderungen in der Halswirbelsäule als mittelschwer eingeschätzt worden sind. Soweit Dr. F. zur Begründung seiner GdB-Einschätzung in seinem Gutachten "häufig rezidivierende und lange anhaltende Schmerzsyndrome" sowie in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme "Tage andauernde Wurzelreizerscheinungen" aufgeführt hat, sind diese nicht durch Arztbriefe oder Konsultationen von Orthopäden belegt. Im Übrigen verweist der Senat auf das Gutachten des Dr. C. vom 24.04.2007, der die Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule als mäßig- bis mittelgradig herabgesetzt und diejenige der Halswirbelsäule als nicht gravierend beeinträchtigt beschrieben hat. Auch insoweit ist der GdB für den Wirbelsäulenschaden mit 10 als angemessen bewertet anzusehen.

Auch die übrigen von Dr. F. auf orthopädischem Fachgebiet in Ansatz gebrachten Teil-GdB-Werte von 10 für das Schulter-Arm-Syndrom, die Hüftdysplasie beidseits, die Arthrose im Sprunggelenk beidseits und den Fersensporn beidseits hält der Senat ebenso wie Dr. P. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.11.2008 in Anbetracht der nicht in ausreichendem Maße vorliegenden Funktionseinschränkungen für nicht angemessen.

Ferner bedingt die als Behinderung berücksichtigte Lungenblähung nach Überzeugung des Senats keinen höheren GdB als 10. Insoweit verweist der Senat auf das Gutachten der Dr. B. vom 22.02.2007, in dem keine relevante Lungenfunktionseinschränkung beschrieben worden ist, und die deshalb schlüssige Einschätzung von Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.03.2008.

Auf psychiatrischem Fachgebiet ergibt sich keine GdB-relevante Einschränkung. Insoweit verweist der Senat auf das Gutachten des Dr. M. vom 23.04.2007, in welchem psychopathologisch ein völlig unauffälliger Befund beschrieben worden ist. Im Übrigen hat auch Dr. F. in seiner Arztauskunft vom 16.02.2007 keine psychischen Auffälligkeiten beschrieben.

Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 50 ab 05.08.2004 und 60 ab 30.07.2008 in Betracht. Dabei stützt sich der Senat auf die schlüssigen und überzeugenden Darlegungen in der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. P. vom 17.11.2008.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 60.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung. Da das angenommene Teil-Anerkenntnis des Beklagten auf einer während des Berufungsverfahrens eingetretenen Gesundheitsverschlechterung beruht, hat er dem Kläger im Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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