Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 128 AS 2433/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 609/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
L 34 AS 1121/09 B PKH
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2009 geändert. Das beigeladene Land wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 01. August 2009 bis 31. Dezember 2009, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheides des beigeladenen Landes vom 23. Juni 2009, 20,45 EUR monatlich für hygienebedingten Mehraufwand zu gewähren. Dem Antragsteller wird für das Verfahren S 128 AS 2433/09 ER des Sozialgerichts Berlin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab dem 27. Januar 2009 bewilligt und Rechtsanwältin S, beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Das beigeladene Land hat dem Antragsteller 1/6 der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt von dem Antragsgegner bzw. dem beigeladenen Land die Zahlung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von insgesamt 53,69 EUR monatlich, wobei der Antragsgegner 35 EUR monatlich bewilligt hat, eine zusätzliche Energiepauschale in Höhe von 52,50 EUR monatlich, vorbeugende Gesundheitshilfe i.H.v. 70,20 EUR monatlich und eine zusätzliche Hygienepauschale in Höhe von 20,45 EUR monatlich. Außerdem wendet er sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz.
Der 1966 geborene Antragsteller bezieht seit 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), wobei ihm ab 22. Juli 2008 ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bewilligt worden war. Unter Einreichung zweier Atteste des ihn behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin und HIV-Schwerpunktarztes, Herrn C, vom 03. November 2008 beantragte der Antragsteller am 07. November 2008 bei dem Antragsgegner die Bewilligung von Mehrbedarfen. Herr C bescheinigte, dass der Antragsteller an einer fortgeschrittenen HIV-Infektion leide, die mit Nachtschweiß, Fieberschüben und zahlreichen Infekten einhergehe. Infolge starker Durchfälle habe der Antragsteller massiv an Gewicht abgenommen. Aufgrund dieser komplexen, unaufhaltsam fortschreitenden Krankheitsbilder, verbunden u.a. mit wechselnden Stadien von Nachtschweiß und Frösteln, permanenten, oft nässenden Hautausschlägen, teilweise mit Pilzbefall, sowie häufiger schwerer Durchfälle habe der Antragsteller einen sehr hohen Hygiene-Mehrbedarf. Als Folge resultierten außergewöhnliche Kosten - unter anderem für Körperpflegemittel, Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Zusätzlich fiele ein hoher Wasserverbrauch und hohe Stromkosten sowie ein hoher Wäscheverschleiß durch häufiges Wechseln und Waschen der Wäsche an. Um eine Stabilisierung seines Zustandes zu erreichen, benötige er eine hochkalorische Kost und daraus resultierend einen Mehrbedarf in Höhe von 53,69 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 18. November 2008 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis 30. April 2009 einschließlich eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 25,56 EUR monatlich. Nachdem der Antragsteller hiergegen Widerspruch eingelegt hatte, bewilligte der Antragsgegner mit Änderungsbescheid vom 07. Januar 2009 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 35 EUR monatlich und wies mit Widerspruchsbescheid vom 08. Januar 2009 den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (DV) sähen für die bei dem Antragsteller vorliegende Krankheit nur einen Mehrbedarf in Höhe von 35 EUR monatlich vor. Für die weiteren von ihm geltend gemachten Mehrbedarfe bestünde keine Rechtsgrundlage.
Am 27. Januar 2009 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem eingangs genannten Begehren gestellt und gleichzeitig Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 08. Januar 2009 erhoben. Er begehrte hilfsweise die Beiladung des Landes Berlin. Die in dem einstweiligen Anordnungsverfahren begehrten Mehrbedarfe seien am 26. Januar 2009 auch bei dem Bezirksamt Lichtenberg von Berlin beantragt, bis dato jedoch nicht beschieden worden.
Mit Beschluss vom 26. März 2009 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung über die bewilligten 35 EUR hinaus bestehe nach summarischer Prüfung nicht. Der DV empfehle bei verzehrenden Erkrankungen und gestörter Nährstoffaufnahme einen Mehrbedarf von 10% des Eckregelsatzes. Dies sei dem Antragsteller gewährt worden. Eine Rechtsgrundlage für eine Energiepauschale, eine Beihilfe zur vorbeugenden Gesundheitshilfe und eine Hygienepauschale finde sich im SGB II nicht. Gegen den Sozialhilfeträger habe der Antragsteller entsprechende Ansprüche nicht glaubhaft gemacht. Auch ein Anordnungsgrund bestünde nicht; dem Antragsteller sei das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten. Da kein Anordnungsgrund und kein Anordnungsanspruch bestünden, sei der Sozialhilfeträger auch nicht beizuladen gewesen.
Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Antragsteller vorgetragen, dass die Leistungen nach dem SGB II lediglich das Existenzminimum abdeckten. Es sei ihm daher nicht zuzumuten, bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufgrund seines krankheitsbedingten Mehrbedarfes über kein die Existenz sicherstellendes Einkommen verfügen zu können. Erfahrungsgemäß dauere ein Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin über ein Jahr. Es sei zu befürchten, dass der Antragsteller und Beschwerdeführer diese Entscheidung nicht mehr erleben werde.
Auf Nachfrage des Senats, ob, wenn zu befürchten stünde, dass der Antragsteller eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr erleben werde, noch Erwerbsfähigkeit vorliege, hat der Antragsteller ein für den ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit von Frau Dipl.Med. G erstelltes Gutachten nach Aktenlage vom 29. Mai 2009 eingereicht, in dem diese zu dem Ergebnis kommt, dass der Antragsteller voraussichtlich bis zu sechs Monaten weniger als drei Stunden täglich belastbar ist.
Der Senat hat einen Befundbericht von dem den Antragsteller behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin und HIV-Schwerpunktarzt, Herrn C, vom 03. Juli 2009 eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Befundbericht verwiesen.
Das beigeladene Land hat die Stellungnahme der Frau Dr. W von der Beratungsstelle für behinderte, chronisch kranke, krebs- und aidskranke Menschen des Bezirks Lichtenberg von Berlin vom 29. Juni 2009 eingereicht. Die Berichterstatterin hat am 30. Juli 2009 mit Frau Dr. W telefonisch Rücksprache gehalten. Diese hält einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 70,20 EUR monatlich sowie einen hygienebedingten Mehraufwand in Höhe von 20,45 EUR monatlich sowie Leistungen der vorbeugenden Gesundheitshilfe in Höhe von 12,94 EUR monatlich für Kondome für erforderlich. Diese Einschätzung erfolge aufgrund von Attesten des behandelnden Arztes sowie einer telefonischen Rücksprache mit diesem im Juni 2009. Eine Begutachtung des Antragstellers habe die Beratungsstelle nicht durchgeführt. Bei dem Antragsteller sei die Aidserkrankung ausgebrochen und er befinde sich in einem mittleren Stadium dieser Erkrankung. Ob er erwerbsfähig sei, könne sie nicht beurteilen, mit Sicherheit könne er keine körperlich schwere Arbeit verrichten. Der Mehrbedarf bezüglich der kostenaufwändigen Ernährung sei aufgrund der Umstände des Einzelfalles festgelegt worden. Er sei aufgrund der häufigen Durchfälle gerechtfertigt. Der Mehraufwand für Duschen und Bettwäsche sei durch die zusätzliche Hygienepauschale mit abgegolten, einen Bedarf für eine zusätzliche Energiepauschale sehe sie nicht.
Weder der Antragsgegner noch das beigeladene Land sind bereit, die von Frau Dr. W für notwendig erachteten Mehrbedarfe zu bewilligen. Der Antragsgegner sieht hierfür keine Rechtsgrundlage im SGB II; das beigeladene Land bezieht sich darauf, dass eine Erwerbsminderung unter drei Stunden täglich bei dem Antragsteller nicht festgestellt sei. § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) stelle keine generelle Auffangnorm für sämtliche Hilfearten dar. Vielmehr folge aus der systematischen Stellung im Gesetz, nach der sich die Vorschrift nur auf Hilfesituationen beziehen könne, die in ihrer Typizität nicht zur Hilfe zum Lebensunterhalt gehörten. Dies sei jedoch bei den Mehrbedarfen zumindest nach der Systematik des SGB XII der Fall.
Mit Bescheid vom 17. April 2009 und Änderungsbescheid vom 06. Juni 2009 hat der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009 bewilligt einschließlich eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 35 EUR monatlich. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller keinen Widerspruch eingelegt.
Das beigeladene Land hat mit Bescheid vom 23. Juni 2009 die Bewilligung der beantragten Mehrbedarfe abgelehnt. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt verwiesen. Die Akten des Antragsgegners und des beigeladenen Landes haben bei Beschlussfassung vorgelegen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2009 ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist in dem tenorierten Umfang begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ).
Der Antragsteller hat Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfes in Höhe von 20,45 EUR monatlich, da krankheitsbedingt ein erhöhter Hygienebedarf besteht.
Ein Anordnungsgrund ist vorliegend gegeben. Sofern dem Antragsteller ein Mehrbedarf zu gewähren ist, benötigt er diesen auf Grund seiner Erkrankung sofort und kann, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, das Ergebnis der Hauptsache nicht abwarten, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass sich seine Krankheit verschlimmert beziehungsweise er nicht die optimale, krankheitsangemessene Versorgung erhält.
Ob ein Anordnungsanspruch gegeben ist und auf welcher Rechtsgrundlage er gegebenenfalls beruht, lässt sich im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend klären. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es darauf an, ob der Antragsteller noch erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II ist, d.h., ob er in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies ist den vorliegenden ärztlichen Berichten, Gutachten und Stellungnahmen nicht eindeutig zu entnehmen. Der behandelnde Arzt des Antragstellers geht davon aus, dass dieser drei Stunden täglich belastbar ist. Der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit geht demgegenüber von einer unter dreistündigen Leistungsfähigkeit aus, attestiert diese jedoch nur für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten. Die Frage der Erwerbsfähigkeit kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden, dies würde die Einholung eines Gutachtens erfordern und mindestens mehrere Monate bis zu einer abschließenden Entscheidung in Anspruch nehmen. Sollte keine Erwerbsfähigkeit vorliegen, so wäre das beigeladene Land der für den Antragsteller zuständige Träger und es könnte den Hygienemehraufwand aufgrund des § 28 SGB XII gewähren. Sofern eine mindestens dreistündige Leistungsfähigkeit des Antragstellers besteht, käme als Anspruchsgrundlage gegenüber dem beigeladenen Land § 73 SGB XII in Betracht. Es kann jedoch offen bleiben, ob § 73 SGB XII als eine Art Auffangnorm als Rechtsgrundlage in den Fällen in Betracht kommt, in denen Leistungsempfänger nach dem SGB II, also Erwerbsfähigen, ein Mehrbedarf zusteht. Im SGB II findet sich, anders als im SGB XII, keine entsprechende Rechtsgrundlage, da die Höhe des Regelsatzes in § 20 SGB II abschließend festgelegt ist. Sofern festgestellt wird, dass der Antragsteller erwerbsfähig und auch § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage nicht geeignet ist, so müsste - im Hauptsacheverfahren - geprüft werden, ob die abschließende Festlegung von Regelsätzen im SGB II mit der Verfassung vereinbar ist. Vorliegend kann dies offen bleiben, da zunächst zumindest die Vorfrage der Erwerbsfähigkeit zu klären sein wird. Bis dahin ist dem Antragsteller der notwendige Mehrbedarf aufgrund einer Folgenabwägung zu bewilligen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2005 (Az. 1 BvR 569/05, dokumentiert in Juris, weitere Fundstelle NVwZ 2005, 927 bis 929) ausgeführt, dass Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens stellt, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen könnten, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (BVerfG, a.a.O., Juris Rn. 24). Das BVerfG führt weiter aus: "Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. BVerfG, a.a.O., Juris Rn. 26).
Die Folgenabwägung im vorliegenden Fall geht hinsichtlich der Gewährung einer zusätzlichen Pauschale wegen hygienebedingten Mehraufwandes zu Gunsten des Antragstellers aus. Vorliegend sind für den Antragsteller die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 2 GG (körperliche Unversehrtheit) tangiert. Bei dem Antragsteller liegt eine lebensbedrohliche Krankheit vor, bei der aufgrund ärztlicher Feststellung die Notwendigkeit einer bestimmten, von der Regel abweichenden hygienischen Versorgung besteht. Hierfür müssen dem Antragsteller die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, und zwar, wie oben bereits erläutert, sofort und nicht erst nach Durchführung des Hauptsacheverfahrens. Dem gegenüber steht allein das fiskalische Interesse des beigeladenen Landes beziehungsweise des Antragsgegners, keine Leistungen zu erbringen, für die, wie sich möglicherweise später im Hauptsacheverfahren herausstellt, keine Anspruchsgrundlage gegeben ist. Dieses fiskalische Interesse wiegt geringer als die Interessen des Antragstellers.
Der Senat hat das beigeladene Land (gemäß § 75 Abs. 5 SGG analog) und nicht den Antragsgegner verpflichtet, da die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass das beigeladene Land der richtige Leistungsträger ist, größer ist als bezüglich des Antragsgegners. Da es sich um ein einstweiliges Anordnungsverfahren handelt, in dem Entscheidungen nur vorläufig ergehen, wurde die Verpflichtung bis zum 31. Dezember 2009 begrenzt.
Im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet. Soweit der Antragsteller die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vor August 2009 begehrt, also für einen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufenen Zeitraum, fehlt es schon deshalb an einem Anordnungsgrund, weil das Bestehen solcher Ansprüche für die Vergangenheit grundsätzlich im Hauptsacheverfahren (hier im Klageverfahren des Antragstellers gegen den Antragsgegner beziehungsweise im Widerspruchsverfahren gegen das beigeladene Land ) zu klären ist. Denn die Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes besteht allein darin, eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen, da nur dann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden kann, den es abzuwenden gilt und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Nur ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit von Geldleistungen für die Vergangenheit zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2008, L 10 B 1693/08 AS ER; Beschluss vom 30. Januar 2008, L 9 B 600/07 KR ER, Beschluss vom 4. Januar 2008, L 28 B 2130/07 AS ER; jeweils abrufbar bei der Datenbank Juris).
Ein solcher gegenwärtig drohender Nachteil, dem mit einer einstweiligen Anordnung begegnet werden könnte und müsste, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann für die Vergangenheit keine zusätzliche Hygiene mehr betrieben werden. Dass der Antragsteller für den erhöhten Hygieneaufwand Mittel verwendet hat, die ihm jetzt anderweitig fehlen, und dieses Fehlen zu einer existenziellen Bedrohung führt, ist nicht dargetan.
Soweit der Antragsteller einen (weiteren) Mehraufwand wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit ab August 2009 begehrt, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Der Senat geht zwar aufgrund der durchgeführten Ermittlungen und insbesondere der Stellungnahme von Frau Dr. Wdavon aus, dass dem Antragsteller ein monatlicher Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von insgesamt 70,20 EUR gemäß § 21 Abs. 5 SGB II gegen den Antragsgegner zusteht (wobei im vorliegenden Fall der Antragsgegner lediglich zur Zahlung von 18,69 EUR monatlich hätte verpflichtet werden können, da der Antragsteller insgesamt (nur) einen Betrag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 53,69 EUR geltend gemacht hat und der Senat über das beantragte nicht hätte hinausgehen dürfen). Ein solcher Mehrbedarf ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zwar unter Beachtung der - inzwischen aktualisierten - Empfehlungen des DV (Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3., völlig neu bearbeitete Auflage vom 1. Oktober 2008) vorzunehmen. Es kann sich jedoch aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles ein höherer oder niedrigerer Mehrbedarf als in den Empfehlungen vorgesehen ist, ergeben. Maßgeblich ist stets der Betrag, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist (vgl. Urteil des BSG vom 27. Februar 2008, Az. B. 14/7b AS 64/06 R, Juris Rn. 28 = SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Frau Dr. W hat die Annahme der Notwendigkeit eines Mehraufwandes in Höhe von 70,20 EUR monatlich für den Senat nachvollziehbar mit der Aids-Erkrankung des Antragstellers und den häufigen Durchfällen begründet. Eine Verpflichtung des Antragsgegners diesbezüglich kommt jedoch trotzdem nicht in Betracht, da die Bescheide vom 17. April 2009 und 06. Juni 2009, mit denen Leistungen für die Zeit von Mai 2009 bis Oktober 2009 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von (lediglich) 35 EUR bewilligt wurden, bestandskräftig geworden sind. Gegen diese Bescheide hat der Antragsteller keinen Widerspruch eingelegt. Die Bindungswirkung (§ 77 SGG) steht der Annahme eines Anordnungsanspruchs entgegen, da der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren ohne einen Überprüfungsbescheid des Antragsgegners den geltend gemachten Anspruch von einem Gericht nicht zugesprochen bekommen könnte.
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer vorbeugenden Gesundheitshilfe. Dabei kann dahinstehen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage und von welchem Träger diese gegebenenfalls zu gewähren wäre, da sie nach Auffassung des Senats nach summarischer Prüfung nicht notwendig ist. Frau Dr. W hat zwar angegeben, dass für den Antragsteller für Kondome im Rahmen der vorbeugenden Gesundheitshilfe ein Betrag in Höhe von 12,94 EUR befürwortet werde. Nach Auffassung des Senats sind jedoch empfängnisverhütende Mittel in der Regelleistung enthalten. In der Regelleistung enthalten sind auch Kosten der Gesundheitspflege. Hierzu zählt nach Überzeugung des Senats auch die Anschaffung von Kondomen, und zwar unabhängig davon, ob diese (nur) als Verhütungsmittel oder zum Schutz vor einer HIV-Infektion verwendet werden. Es handelt sich um allgemeine Aufwendungen für das Sexualleben und dabei um einen von der Regelleistung gedeckten Regelbedarf, der bei einer Vielzahl von Hilfeempfängern gleichermaßen besteht, ohne dass Besonderheiten des Einzelfalls den Bedarf begründen würden (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Mai 2005, Aktenzeichen S 12 AS 1548/05, dokumentiert in Juris). Weitere Aufwendungen für vorbeugende Gesundheitshilfe sind nach der Stellungnahme von Frau Dr. W, der der Senat folgt, nicht notwendig.
Auch eine zusätzliche Energiepauschale ist nach summarischer Prüfung nicht erforderlich. Die Kosten für häufigeres Duschen und häufigeres Wechseln der Bettwäsche sind mit der zusätzlichen Hygienepauschale abgegolten.
Der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht war stattzugeben. Nach Auffassung des Senats war die gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO notwendige hinreichende Erfolgsaussicht zum maßgebenden Zeitpunkt, nämlich der Entscheidungsreife beim Sozialgericht, gegeben. Zum einen wäre zu diesem Zeitpunkt die Bewilligung eines zusätzlichen Betrages für die kostenaufwändige Ernährung möglich gewesen, da die Bescheide vom 18. November 2008 und 07. Januar 2009, mit denen der Antragsgegner für die Zeit von November 2008 bis April 2009 die Bewilligung eines höheren Betrages als 35 EUR für kostenaufwändige Ernährung abgelehnt hatte, nicht bestandskräftig geworden sind und es sich diesbezüglich noch nicht um eine Leistung für die Vergangenheit gehandelt hätte, und zum anderen auch das Sozialgericht bereits den Antragsgegner oder das Land (nach Beiladung) zur vorläufigen Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen zusätzlichen Hygienebedarfes hätte verpflichten müssen. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist nicht gestellt worden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog bzw. aus § 73 a SGG i.V. mit § 127 Abs. 4 ZPO. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt von dem Antragsgegner bzw. dem beigeladenen Land die Zahlung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von insgesamt 53,69 EUR monatlich, wobei der Antragsgegner 35 EUR monatlich bewilligt hat, eine zusätzliche Energiepauschale in Höhe von 52,50 EUR monatlich, vorbeugende Gesundheitshilfe i.H.v. 70,20 EUR monatlich und eine zusätzliche Hygienepauschale in Höhe von 20,45 EUR monatlich. Außerdem wendet er sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz.
Der 1966 geborene Antragsteller bezieht seit 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), wobei ihm ab 22. Juli 2008 ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung bewilligt worden war. Unter Einreichung zweier Atteste des ihn behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin und HIV-Schwerpunktarztes, Herrn C, vom 03. November 2008 beantragte der Antragsteller am 07. November 2008 bei dem Antragsgegner die Bewilligung von Mehrbedarfen. Herr C bescheinigte, dass der Antragsteller an einer fortgeschrittenen HIV-Infektion leide, die mit Nachtschweiß, Fieberschüben und zahlreichen Infekten einhergehe. Infolge starker Durchfälle habe der Antragsteller massiv an Gewicht abgenommen. Aufgrund dieser komplexen, unaufhaltsam fortschreitenden Krankheitsbilder, verbunden u.a. mit wechselnden Stadien von Nachtschweiß und Frösteln, permanenten, oft nässenden Hautausschlägen, teilweise mit Pilzbefall, sowie häufiger schwerer Durchfälle habe der Antragsteller einen sehr hohen Hygiene-Mehrbedarf. Als Folge resultierten außergewöhnliche Kosten - unter anderem für Körperpflegemittel, Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Zusätzlich fiele ein hoher Wasserverbrauch und hohe Stromkosten sowie ein hoher Wäscheverschleiß durch häufiges Wechseln und Waschen der Wäsche an. Um eine Stabilisierung seines Zustandes zu erreichen, benötige er eine hochkalorische Kost und daraus resultierend einen Mehrbedarf in Höhe von 53,69 EUR monatlich.
Mit Bescheid vom 18. November 2008 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis 30. April 2009 einschließlich eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 25,56 EUR monatlich. Nachdem der Antragsteller hiergegen Widerspruch eingelegt hatte, bewilligte der Antragsgegner mit Änderungsbescheid vom 07. Januar 2009 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 35 EUR monatlich und wies mit Widerspruchsbescheid vom 08. Januar 2009 den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (DV) sähen für die bei dem Antragsteller vorliegende Krankheit nur einen Mehrbedarf in Höhe von 35 EUR monatlich vor. Für die weiteren von ihm geltend gemachten Mehrbedarfe bestünde keine Rechtsgrundlage.
Am 27. Januar 2009 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem eingangs genannten Begehren gestellt und gleichzeitig Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 08. Januar 2009 erhoben. Er begehrte hilfsweise die Beiladung des Landes Berlin. Die in dem einstweiligen Anordnungsverfahren begehrten Mehrbedarfe seien am 26. Januar 2009 auch bei dem Bezirksamt Lichtenberg von Berlin beantragt, bis dato jedoch nicht beschieden worden.
Mit Beschluss vom 26. März 2009 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung über die bewilligten 35 EUR hinaus bestehe nach summarischer Prüfung nicht. Der DV empfehle bei verzehrenden Erkrankungen und gestörter Nährstoffaufnahme einen Mehrbedarf von 10% des Eckregelsatzes. Dies sei dem Antragsteller gewährt worden. Eine Rechtsgrundlage für eine Energiepauschale, eine Beihilfe zur vorbeugenden Gesundheitshilfe und eine Hygienepauschale finde sich im SGB II nicht. Gegen den Sozialhilfeträger habe der Antragsteller entsprechende Ansprüche nicht glaubhaft gemacht. Auch ein Anordnungsgrund bestünde nicht; dem Antragsteller sei das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten. Da kein Anordnungsgrund und kein Anordnungsanspruch bestünden, sei der Sozialhilfeträger auch nicht beizuladen gewesen.
Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Antragsteller vorgetragen, dass die Leistungen nach dem SGB II lediglich das Existenzminimum abdeckten. Es sei ihm daher nicht zuzumuten, bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufgrund seines krankheitsbedingten Mehrbedarfes über kein die Existenz sicherstellendes Einkommen verfügen zu können. Erfahrungsgemäß dauere ein Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin über ein Jahr. Es sei zu befürchten, dass der Antragsteller und Beschwerdeführer diese Entscheidung nicht mehr erleben werde.
Auf Nachfrage des Senats, ob, wenn zu befürchten stünde, dass der Antragsteller eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr erleben werde, noch Erwerbsfähigkeit vorliege, hat der Antragsteller ein für den ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit von Frau Dipl.Med. G erstelltes Gutachten nach Aktenlage vom 29. Mai 2009 eingereicht, in dem diese zu dem Ergebnis kommt, dass der Antragsteller voraussichtlich bis zu sechs Monaten weniger als drei Stunden täglich belastbar ist.
Der Senat hat einen Befundbericht von dem den Antragsteller behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin und HIV-Schwerpunktarzt, Herrn C, vom 03. Juli 2009 eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Befundbericht verwiesen.
Das beigeladene Land hat die Stellungnahme der Frau Dr. W von der Beratungsstelle für behinderte, chronisch kranke, krebs- und aidskranke Menschen des Bezirks Lichtenberg von Berlin vom 29. Juni 2009 eingereicht. Die Berichterstatterin hat am 30. Juli 2009 mit Frau Dr. W telefonisch Rücksprache gehalten. Diese hält einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 70,20 EUR monatlich sowie einen hygienebedingten Mehraufwand in Höhe von 20,45 EUR monatlich sowie Leistungen der vorbeugenden Gesundheitshilfe in Höhe von 12,94 EUR monatlich für Kondome für erforderlich. Diese Einschätzung erfolge aufgrund von Attesten des behandelnden Arztes sowie einer telefonischen Rücksprache mit diesem im Juni 2009. Eine Begutachtung des Antragstellers habe die Beratungsstelle nicht durchgeführt. Bei dem Antragsteller sei die Aidserkrankung ausgebrochen und er befinde sich in einem mittleren Stadium dieser Erkrankung. Ob er erwerbsfähig sei, könne sie nicht beurteilen, mit Sicherheit könne er keine körperlich schwere Arbeit verrichten. Der Mehrbedarf bezüglich der kostenaufwändigen Ernährung sei aufgrund der Umstände des Einzelfalles festgelegt worden. Er sei aufgrund der häufigen Durchfälle gerechtfertigt. Der Mehraufwand für Duschen und Bettwäsche sei durch die zusätzliche Hygienepauschale mit abgegolten, einen Bedarf für eine zusätzliche Energiepauschale sehe sie nicht.
Weder der Antragsgegner noch das beigeladene Land sind bereit, die von Frau Dr. W für notwendig erachteten Mehrbedarfe zu bewilligen. Der Antragsgegner sieht hierfür keine Rechtsgrundlage im SGB II; das beigeladene Land bezieht sich darauf, dass eine Erwerbsminderung unter drei Stunden täglich bei dem Antragsteller nicht festgestellt sei. § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) stelle keine generelle Auffangnorm für sämtliche Hilfearten dar. Vielmehr folge aus der systematischen Stellung im Gesetz, nach der sich die Vorschrift nur auf Hilfesituationen beziehen könne, die in ihrer Typizität nicht zur Hilfe zum Lebensunterhalt gehörten. Dies sei jedoch bei den Mehrbedarfen zumindest nach der Systematik des SGB XII der Fall.
Mit Bescheid vom 17. April 2009 und Änderungsbescheid vom 06. Juni 2009 hat der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009 bewilligt einschließlich eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 35 EUR monatlich. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller keinen Widerspruch eingelegt.
Das beigeladene Land hat mit Bescheid vom 23. Juni 2009 die Bewilligung der beantragten Mehrbedarfe abgelehnt. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt verwiesen. Die Akten des Antragsgegners und des beigeladenen Landes haben bei Beschlussfassung vorgelegen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2009 ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist in dem tenorierten Umfang begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ).
Der Antragsteller hat Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfes in Höhe von 20,45 EUR monatlich, da krankheitsbedingt ein erhöhter Hygienebedarf besteht.
Ein Anordnungsgrund ist vorliegend gegeben. Sofern dem Antragsteller ein Mehrbedarf zu gewähren ist, benötigt er diesen auf Grund seiner Erkrankung sofort und kann, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, das Ergebnis der Hauptsache nicht abwarten, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass sich seine Krankheit verschlimmert beziehungsweise er nicht die optimale, krankheitsangemessene Versorgung erhält.
Ob ein Anordnungsanspruch gegeben ist und auf welcher Rechtsgrundlage er gegebenenfalls beruht, lässt sich im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend klären. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es darauf an, ob der Antragsteller noch erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II ist, d.h., ob er in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies ist den vorliegenden ärztlichen Berichten, Gutachten und Stellungnahmen nicht eindeutig zu entnehmen. Der behandelnde Arzt des Antragstellers geht davon aus, dass dieser drei Stunden täglich belastbar ist. Der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit geht demgegenüber von einer unter dreistündigen Leistungsfähigkeit aus, attestiert diese jedoch nur für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten. Die Frage der Erwerbsfähigkeit kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden, dies würde die Einholung eines Gutachtens erfordern und mindestens mehrere Monate bis zu einer abschließenden Entscheidung in Anspruch nehmen. Sollte keine Erwerbsfähigkeit vorliegen, so wäre das beigeladene Land der für den Antragsteller zuständige Träger und es könnte den Hygienemehraufwand aufgrund des § 28 SGB XII gewähren. Sofern eine mindestens dreistündige Leistungsfähigkeit des Antragstellers besteht, käme als Anspruchsgrundlage gegenüber dem beigeladenen Land § 73 SGB XII in Betracht. Es kann jedoch offen bleiben, ob § 73 SGB XII als eine Art Auffangnorm als Rechtsgrundlage in den Fällen in Betracht kommt, in denen Leistungsempfänger nach dem SGB II, also Erwerbsfähigen, ein Mehrbedarf zusteht. Im SGB II findet sich, anders als im SGB XII, keine entsprechende Rechtsgrundlage, da die Höhe des Regelsatzes in § 20 SGB II abschließend festgelegt ist. Sofern festgestellt wird, dass der Antragsteller erwerbsfähig und auch § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage nicht geeignet ist, so müsste - im Hauptsacheverfahren - geprüft werden, ob die abschließende Festlegung von Regelsätzen im SGB II mit der Verfassung vereinbar ist. Vorliegend kann dies offen bleiben, da zunächst zumindest die Vorfrage der Erwerbsfähigkeit zu klären sein wird. Bis dahin ist dem Antragsteller der notwendige Mehrbedarf aufgrund einer Folgenabwägung zu bewilligen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2005 (Az. 1 BvR 569/05, dokumentiert in Juris, weitere Fundstelle NVwZ 2005, 927 bis 929) ausgeführt, dass Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens stellt, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen könnten, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (BVerfG, a.a.O., Juris Rn. 24). Das BVerfG führt weiter aus: "Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. BVerfG, a.a.O., Juris Rn. 26).
Die Folgenabwägung im vorliegenden Fall geht hinsichtlich der Gewährung einer zusätzlichen Pauschale wegen hygienebedingten Mehraufwandes zu Gunsten des Antragstellers aus. Vorliegend sind für den Antragsteller die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 2 GG (körperliche Unversehrtheit) tangiert. Bei dem Antragsteller liegt eine lebensbedrohliche Krankheit vor, bei der aufgrund ärztlicher Feststellung die Notwendigkeit einer bestimmten, von der Regel abweichenden hygienischen Versorgung besteht. Hierfür müssen dem Antragsteller die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, und zwar, wie oben bereits erläutert, sofort und nicht erst nach Durchführung des Hauptsacheverfahrens. Dem gegenüber steht allein das fiskalische Interesse des beigeladenen Landes beziehungsweise des Antragsgegners, keine Leistungen zu erbringen, für die, wie sich möglicherweise später im Hauptsacheverfahren herausstellt, keine Anspruchsgrundlage gegeben ist. Dieses fiskalische Interesse wiegt geringer als die Interessen des Antragstellers.
Der Senat hat das beigeladene Land (gemäß § 75 Abs. 5 SGG analog) und nicht den Antragsgegner verpflichtet, da die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass das beigeladene Land der richtige Leistungsträger ist, größer ist als bezüglich des Antragsgegners. Da es sich um ein einstweiliges Anordnungsverfahren handelt, in dem Entscheidungen nur vorläufig ergehen, wurde die Verpflichtung bis zum 31. Dezember 2009 begrenzt.
Im Übrigen ist die Beschwerde nicht begründet. Soweit der Antragsteller die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vor August 2009 begehrt, also für einen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufenen Zeitraum, fehlt es schon deshalb an einem Anordnungsgrund, weil das Bestehen solcher Ansprüche für die Vergangenheit grundsätzlich im Hauptsacheverfahren (hier im Klageverfahren des Antragstellers gegen den Antragsgegner beziehungsweise im Widerspruchsverfahren gegen das beigeladene Land ) zu klären ist. Denn die Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes besteht allein darin, eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen, da nur dann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden kann, den es abzuwenden gilt und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Nur ausnahmsweise kann eine Fallgestaltung gegeben sein, in der die sofortige Verfügbarkeit von Geldleistungen für die Vergangenheit zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2008, L 10 B 1693/08 AS ER; Beschluss vom 30. Januar 2008, L 9 B 600/07 KR ER, Beschluss vom 4. Januar 2008, L 28 B 2130/07 AS ER; jeweils abrufbar bei der Datenbank Juris).
Ein solcher gegenwärtig drohender Nachteil, dem mit einer einstweiligen Anordnung begegnet werden könnte und müsste, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann für die Vergangenheit keine zusätzliche Hygiene mehr betrieben werden. Dass der Antragsteller für den erhöhten Hygieneaufwand Mittel verwendet hat, die ihm jetzt anderweitig fehlen, und dieses Fehlen zu einer existenziellen Bedrohung führt, ist nicht dargetan.
Soweit der Antragsteller einen (weiteren) Mehraufwand wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit ab August 2009 begehrt, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Der Senat geht zwar aufgrund der durchgeführten Ermittlungen und insbesondere der Stellungnahme von Frau Dr. Wdavon aus, dass dem Antragsteller ein monatlicher Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von insgesamt 70,20 EUR gemäß § 21 Abs. 5 SGB II gegen den Antragsgegner zusteht (wobei im vorliegenden Fall der Antragsgegner lediglich zur Zahlung von 18,69 EUR monatlich hätte verpflichtet werden können, da der Antragsteller insgesamt (nur) einen Betrag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 53,69 EUR geltend gemacht hat und der Senat über das beantragte nicht hätte hinausgehen dürfen). Ein solcher Mehrbedarf ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zwar unter Beachtung der - inzwischen aktualisierten - Empfehlungen des DV (Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 3., völlig neu bearbeitete Auflage vom 1. Oktober 2008) vorzunehmen. Es kann sich jedoch aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles ein höherer oder niedrigerer Mehrbedarf als in den Empfehlungen vorgesehen ist, ergeben. Maßgeblich ist stets der Betrag, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist (vgl. Urteil des BSG vom 27. Februar 2008, Az. B. 14/7b AS 64/06 R, Juris Rn. 28 = SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Frau Dr. W hat die Annahme der Notwendigkeit eines Mehraufwandes in Höhe von 70,20 EUR monatlich für den Senat nachvollziehbar mit der Aids-Erkrankung des Antragstellers und den häufigen Durchfällen begründet. Eine Verpflichtung des Antragsgegners diesbezüglich kommt jedoch trotzdem nicht in Betracht, da die Bescheide vom 17. April 2009 und 06. Juni 2009, mit denen Leistungen für die Zeit von Mai 2009 bis Oktober 2009 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von (lediglich) 35 EUR bewilligt wurden, bestandskräftig geworden sind. Gegen diese Bescheide hat der Antragsteller keinen Widerspruch eingelegt. Die Bindungswirkung (§ 77 SGG) steht der Annahme eines Anordnungsanspruchs entgegen, da der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren ohne einen Überprüfungsbescheid des Antragsgegners den geltend gemachten Anspruch von einem Gericht nicht zugesprochen bekommen könnte.
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer vorbeugenden Gesundheitshilfe. Dabei kann dahinstehen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage und von welchem Träger diese gegebenenfalls zu gewähren wäre, da sie nach Auffassung des Senats nach summarischer Prüfung nicht notwendig ist. Frau Dr. W hat zwar angegeben, dass für den Antragsteller für Kondome im Rahmen der vorbeugenden Gesundheitshilfe ein Betrag in Höhe von 12,94 EUR befürwortet werde. Nach Auffassung des Senats sind jedoch empfängnisverhütende Mittel in der Regelleistung enthalten. In der Regelleistung enthalten sind auch Kosten der Gesundheitspflege. Hierzu zählt nach Überzeugung des Senats auch die Anschaffung von Kondomen, und zwar unabhängig davon, ob diese (nur) als Verhütungsmittel oder zum Schutz vor einer HIV-Infektion verwendet werden. Es handelt sich um allgemeine Aufwendungen für das Sexualleben und dabei um einen von der Regelleistung gedeckten Regelbedarf, der bei einer Vielzahl von Hilfeempfängern gleichermaßen besteht, ohne dass Besonderheiten des Einzelfalls den Bedarf begründen würden (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Mai 2005, Aktenzeichen S 12 AS 1548/05, dokumentiert in Juris). Weitere Aufwendungen für vorbeugende Gesundheitshilfe sind nach der Stellungnahme von Frau Dr. W, der der Senat folgt, nicht notwendig.
Auch eine zusätzliche Energiepauschale ist nach summarischer Prüfung nicht erforderlich. Die Kosten für häufigeres Duschen und häufigeres Wechseln der Bettwäsche sind mit der zusätzlichen Hygienepauschale abgegolten.
Der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht war stattzugeben. Nach Auffassung des Senats war die gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO notwendige hinreichende Erfolgsaussicht zum maßgebenden Zeitpunkt, nämlich der Entscheidungsreife beim Sozialgericht, gegeben. Zum einen wäre zu diesem Zeitpunkt die Bewilligung eines zusätzlichen Betrages für die kostenaufwändige Ernährung möglich gewesen, da die Bescheide vom 18. November 2008 und 07. Januar 2009, mit denen der Antragsgegner für die Zeit von November 2008 bis April 2009 die Bewilligung eines höheren Betrages als 35 EUR für kostenaufwändige Ernährung abgelehnt hatte, nicht bestandskräftig geworden sind und es sich diesbezüglich noch nicht um eine Leistung für die Vergangenheit gehandelt hätte, und zum anderen auch das Sozialgericht bereits den Antragsgegner oder das Land (nach Beiladung) zur vorläufigen Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen zusätzlichen Hygienebedarfes hätte verpflichten müssen. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist nicht gestellt worden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog bzw. aus § 73 a SGG i.V. mit § 127 Abs. 4 ZPO. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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