Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 4728/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2423/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung von Aufwendungen für Bepanthen Augen- und Nasensalbe und die zukünftige Versorgung mit dieser Salbe.
Der 1948 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er bezog eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Seit 01. Mai 2008 bezieht er Altersrente. Er beantragte am 03. August 2004 die Kostenübernahme für "Bepanthen Augen- und Nasensalbe" (im Folgenden: Bepanthen). Nach der beigefügten Bescheinigung der Augenärztin Dr. G.-D. vom 02. August 2004 leidet er am linken Auge an einem Zustand nach Lagophthalmus ("Hasenauge", unvollständiger Lidschluss mit Erweiterung der Lidspalte) mit Trichiasis (schleifende Wimpern). Dr. G.-D. gab an, der Kläger benötige permanent Bepanthen und könne diese nach seinen Angaben nicht selbst bezahlen. Nachdem Dr. G., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), die Unterlagen ohne weitere Äußerung zurückgesandt hatte (Mitteilung vom 09. August 2004), lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. September 2004 den Antrag ab. Bepanthen sei kein verschreibungspflichtiges Medikament. Eine Ausnahme sei nach den derzeitigen Richtlinien (jetzt Richtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie, AMR) nicht möglich. Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, Bepanthen sei die einzige Salbe, die er vertrage. Er kaufe sie daher momentan selbst. Er könne sie sich wegen seiner geringen Rente jedoch nicht mehr leisten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme. Zwar habe der GBA in den AMR festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gälten, ausnahmsweise verordnet werden könnten. Für Bepanthen enthielten die AMR jedoch keine Ausnahme.
Der Kläger erhob am 23. November 2005 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er trug vor, sein Auge müsse aufgrund seiner Erkrankung ständig gecremt werden. Er leide nicht lediglich an schleifenden Wimpern. Er benötige die Salbe aufgrund eines Hornhautulcus (schleichendes Geschwür der Hornhaut des Auges mit Schmerzen und vermehrtem Tränenfluss und Lidkrampf) infolge einer Facialisparese (Gesichtslähmung). Die AMR ließen Ermessen offen. Der Kläger legte ärztliche Unterlagen überwiegend aus den 1990-er Jahren vor, darunter das augenärztliche Gutachten von Dr. M. vom 19. April 1996, und bezifferte die von April 2004 bis August 2006 entstandenen Kosten für die Beschaffung von Bepanthen mit EUR 1.317,46.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Auch wenn die Salbe nicht wegen schleifender Wimpern, sondern wegen eines Hornhautulcus benötigt werde, sähen die AMR keine Ausnahme für diese Salbe vor.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. M. gab an (Auskunft vom 01. August 2006), den Kläger lediglich für die Erstellung des Gutachtens vom 19. April 1996 untersucht zu haben. Sobald keine bakterielle Infektion des Hornhautgeschwürs vorliege, sei die Behandlung mit Bepanthen ausreichend. Augenarzt Dr. R. teilte mit (Auskünfte vom 01. August und 13. Oktober 2006), dass ein Salbenschutz des linken Auges erforderlich sei. Bepanthen sei hierfür ausreichend, alternativ könnten auch andere dexpanthenolhaltige Augensalben verwendet werden. Der Begriff der synthetischen Tränenflüssigkeit umfasse auch Augengele oder Augensalben. Bei dem Kläger sei wegen des ausgeprägten Hornhautbefundes die Anwendung einer Salbe indiziert. Augenarzt Dr. W. gab an (Auskünfte vom 07. August 2006 und ohne Datum, beim SG am 30. November 2006 eingegangen), bei der einmaligen Behandlung am 26. Februar 1999 habe er u.a. die Beibehaltung der durchgeführten Therapie vorgeschlagen. Wichtig sei die Pflege der Augenoberfläche. Bepanthen sei hierfür nicht das einzige geeignete Medikament. Bei Facialisparese könnten auch andere Tränenersatzmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Augenärztin Dr. G.-D. führte aus (Auskunft vom 04. Januar 2007), der Kläger leide u.a. an schleifenden, nach innen wachsenden Wimpern, die regelmäßig entfernt würden, jedoch nachwüchsen und immer wieder ein starkes Fremdkörpergefühl verursachten, das durch Salben wie Bepanthen wesentlich gelindert werde. Wegen des chronischen Reizzustands durch die schleifenden Wimpern und der Pannusbildung (gefäßreiche Wucherung der Hornhaut) benötige der Patient permanent Gleitmittel zur Linderung des Fremdkörpergefühls. Augentropfen reichten nicht aus. Bepanthen werde sehr gut vertragen. Weiterhin holte das SG die Auskunft des GBA vom 02. Februar 2007 ein. Dieser teilte mit, Bepanthen sei lediglich zur Unterstützung der Heilung bei oberflächlichen, leichten Hautschädigungen an der Binde-, Horn- bzw. Nasenschleimhaut zugelassen. Aus den Anwendungsgebieten von Bepanthen werde deutlich, dass sie nicht zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung vorgesehen sei. Bepanthen sei nicht verschreibungspflichtig. Bepanthen sei nach den zugelassenen Anwendungsgebieten nicht zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung vorgesehen, sodass auch eine Aufnahme in die OTC-Übersicht des Wirkstoffs Dexpanthenol nicht erfolgt sei.
Mit Urteil vom 08. Februar 2007 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für und zukünftige Versorgung mit Bepanthen. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien von der Versorgung grundsätzlich ausgeschlossen. Bepanthen sei nicht verschreibungspflichtig. Die Salbe sei auch nicht ausnahmsweise nach den AMR verordnungsfähig. Unter welchen Voraussetzungen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig seien, sei in Nr. 16.7 AMR abschließend geregelt. Bepanthen werde in dieser Liste nicht geführt. Die Salbe könne auch nicht unter den Begriff der künstlichen Tränenflüssigkeit gefasst werden, die bei einer Facialisparese ausnahmsweise verordnungsfähig sei. Dies scheide aufgrund der Auskunft des GBA aus. Weitere Ausnahmen oder ein Ermessen sähen die gesetzlichen Vorschriften nicht vor. Dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen seien, verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Welche Behandlungsmaßnehmen und Leistungen in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen würden und welche der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet würden, unterliege aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Der Gesetzgeber habe den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel damit begründet, dass diese Arzneien bereits zuvor überwiegend ohne Rezept abgegeben worden seien und sie in den unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als EUR 11,00 je Packung fielen. Diese Erwägung trage die Ungleichbehandlung des Klägers.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 28. April 2007 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 14. Mai 2007 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er meint, dass Bepanthen unter den Begriff der synthetischen Tränenflüssigkeit gefasst werden könne, die bei einer Facialisparese im Ausnahmefall verordnungsfähig sei. Dieser Begriff erfasse nicht nur Augentropfen, sondern auch Augengele oder Augensalben. Er trägt vor, diese Auslegung sei erforderlich, weil er durch seine Krankheit erheblich beeinträchtigt sei. Er müsse sein Auge mehrmals stündlich behandeln und trage eine besondere Schutzbrille. Ohne Behandlung bekomme er unerträgliche Kopfschmerzen. Er habe von verschiedenen Ärzten auch Augentropfen und Augengele bekommen und ausprobiert, jedoch die Wirkung, die er bei Bepanthen bemerke, dort nicht gesehen. Er benötige Bepanthen nicht wegen der nach innen wachsenden Wimpern, diese wüchsen inzwischen nicht mehr nach und würden auch nicht mehr regelmäßig entfernt. Er benötige es als Schmiermittel für die Hornhaut. Dort befänden sich Narben, die ein Scheuergefühl verursachten. Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus der Erstattungsfähigkeit sei zumindest für Versicherte wie ihn, die nur über eine geringe Rente (EUR 545,00 monatlich Rente wegen Berufsunfähigkeit, ca. EUR 800,00 Altersrente) verfügten, unzumutbar, wenn es kein erstattungsfähiges Alternativprodukt gebe. Der Kläger hat auch mitgeteilt, er benötige zurzeit 13 bis 15 Packungen Bepanthen pro Monat, die er für EUR 5,95 je Tube beziehe. Er beziffert die seit dem 30. April 2004 aufgelaufenen Kosten auf EUR 2.838,22. Hierzu hat er vor dem SG und im Berufungsverfahren Kaufbelege vorgelegt, auf die verwiesen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 09. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2005 zu verurteilen, ihm EUR 2.838,22 zu zahlen sowie ihn zukünftig nach ärztlicher Verordnung mit Bepanthen Augen- und Nasensalbe zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen. Sie meint, ihr stehe über die ausdrücklichen Ausnahmevorschriften der AMR hinaus kein Ermessensspielraum zu. Bei dem Kläger liege auch keine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor.
Der Berichterstatter des Senats hat die weitere Auskunft des GBA vom 01. Dezember 2008 eingeholt. Darin wird mitgeteilt, es gebe Augentropfen und Augengele, die als Tränenersatzflüssigkeit zugelassen und u.a. für die "symptomatische Behandlung von Austrocknungserscheinungen der Horn- und Bindehäute durch Tränensekretions- und Tränenfunktionsstörungen infolge lokaler oder systemischer Erkrankungen" zugelassen seien. Augensalben mit entsprechenden Anwendungsgebieten hätten nicht gefunden werden können. Da Bepanthen lediglich zur Unterstützung der Heilung bei oberflächlichen leichten Schädigungen u.a. der Hornhaut zugelassen sei, falle Bepanthen nicht unter die Regelung in Nr. 16.4.36 AMR.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt. Sie war auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Bereits der Erstattungsanspruch, den der Kläger für die Vergangenheit geltend macht, belief sich zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung auf mehr als die notwendige Beschwer, die in diesem Verfahren nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung noch EUR 500,00 beträgt. Denn bereits gegenüber dem SG bezifferte der Kläger die entstandenen Kosten auf EUR 1.317,46. Für die Zukunft begehrt der Kläger außerdem unbefristet Versorgung mit Bepanthen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Erstattung der Aufwendungen für die Beschaffung von Bepanthen in der Vergangenheit oder auf zukünftige Versorgung mit Bepanthen zu.
1. Dem Kläger steht für die Zukunft kein Anspruch auf Versorgung mit Bepanthen gegen die Beklagte zu, weil dieses Arzneimittel nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Es handelt sich bei ihr um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel, für das kein Ausnahmetatbestand eingreift.
a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen. Abweichendes sehen weder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil es sich um keine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 15 SGB IX handelt - noch das SGB V vor. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ab 01. Januar 2004 geltenden Fassung sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der GBA legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Diese Vorgabe hat der GBA in Abschnitt F der AMR (eingefügt mit Wirkung zum 16. März 2004 durch Beschluss vom selben Tag: Bundesanzeiger [BAnz] Nr. 77 vom 23. April 2004, S. 8905) umgesetzt, nunmehr aufgrund der am 14. August 2009 in Kraft getretenen Änderung der AMR durch die Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 und 22. Januar 2009 (BAnz Nr. 49a vom 31. März 2009) § 12 AMR. Diese Regelung gilt nicht für versicherte Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahrs und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
aa) Bepanthen ist ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel und daher nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen.
bb) Die Verordnung von Bepanthen ist auch nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit Begründung des Vertragsarztes ausnahmsweise zulässig.
Der GBA hat in der nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen AMR Bepanthen für die bei dem Kläger vorliegende Indikation zu keinem Zeitpunkt seit der Änderung des § 34 SGB V zum 01. Januar 2004 zugelassen, auch nicht in der AMR in der Fassung vom 18. Dezember 2008 bzw. 22. Januar 2009 (BAnz. Nr. 49a vom 31. März 2009). Hierbei kann offenbleiben, ob die Krankheit des Klägers schwerwiegend im Sinne von Nr. 16.2 AMR a.F. bzw. § 12 Abs. 3 AMR n.F. ist. Jedenfalls lässt die AMR bei den beim Kläger vorliegenden Indikationen die Verordnung einer Augensalbe wie Bepanthen nicht zu. Für die Facialisparese und den Lagophthalmus des Klägers kann lediglich eine "synthetische Tränenflüssigkeit" verordnet werden (Nr. 16.4.36 AMR a.F., § 12 Abs. 5 i.V.m. Anlage I Nr. 41 AMR n.F.), für die weiteren krankhaften Beeinträchtigungen des Klägers - Hornhautulcus, Trichiasis, Pannusbildung - enthalten die AMR überhaupt keine Ausnahmeregelung über die Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente.
Der Begriff der synthetischen Tränenflüssigkeit nach den genannten Regelungen der AMR kann nicht so ausgelegt werden, dass hiervon auch die vom Kläger verwendete Bepanthen erfasst wird. Die synthetische Tränenflüssigkeit dient der Benetzung des Augapfels bei solchen Funktionsstörungen, die zu einer nicht genügenden eigenen Tränenproduktion führen. Dies ergibt sich aus den beiden genannten Regelungen der AMR selbst, denn diese stellen auf ein "trockenes Auge Grad II" bzw. auf ein "Fehlen oder eine Schädigung der Tränendrüse" ab. Auch die Facialisparese des Klägers führt zu Problemen bei der Benetzung des Augapfels mit Tränenflüssigkeit. Wegen des mit ihr verbundenen unvollständigen Lidschlusses können Teile des Augapfels nicht benetzt werden. Außerdem geht die Facialisparese selbst regelmäßig mit Störungen der Tränensekretion einher (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, S. 509). Bepanthen dient in diesem Sinne nicht als Tränenersatz, sondern allenfalls - auf Grund ihrer besonderen Viskosität - als zusätzliches Schmiermittel. Dem entspricht es, dass der GBA in seiner Stellungnahme vom 01. Dezember 2008 mitgeteilt hat, er habe für die in den AMR genannten Indikationen lediglich Augentropfen und Augengele finden können, jedoch keine Augensalbe für eine entsprechende Anwendung. Dies bestätigt, dass die Normen nicht erweiternd ausgelegt werden und insbesondere nicht auf Augensalben erstreckt werden können.
Hinzu kommt, dass die Facialisparese, bei der ausnahmsweise eine synthetische Tränenflüssigkeit verordnet werden kann, nicht die Ursache der Beschwerden des Klägers ist. Hierbei kann offen bleiben, ob diese Ursache in der Trichiasis, also den nach innen wachsenden und damit schleifenden Wimpern liegt oder lag, oder aber - wie der Kläger in der Berufungsinstanz vorgetragen hat - in den narbenartigen Veränderung der Hornhaut (Pannusbildung) und verbundenen Scheuern insbesondere beim Lidschluss. Für diese Krankheiten sind - wie bereits ausgeführt - in den AMR keine nicht verschreibungspflichtigen Medikamente zugelassen.
cc) Dieser Ausschluss von Bepanthen von der Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen verstößt auch nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) oder gegen die Rechte aus Art. 2 Abs. 1 oder Abs. 2 GG, jeweils i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 06. November 2008 (B 1 KR 6/08 R, in juris veröffentlicht) zu dem ebenfalls nicht verschreibungspflichtigen Medikament "Gelomyrtol forte" entschieden, die dort genannten Erwägungen gelten gleichermaßen für die Versorgung mit Bepanthen.
c) Der Kläger kann die Erstattung für bzw. die Versorgung mit Bepanthen auch nicht nach der Rechtsprechung zum sogenannten Off-Label-Use verlangen.
aa) Grundsätzlich ist ein Off-Label-Use, also eine Anwendung außerhalb des zulassungsrechtlichen Anwendungsbereichs eines Arzneimittels, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Hiervon hat das BSG bereits in seinem Urteil vom 19. März 2002 (SozR 3-2500 § 31 Nr. 8) Ausnahmen zugelassen. Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung in seinem Urteil vom 16. September 2005 (L 4 KR 1094/04, veröffentlicht auf www.sozial-gerichtsbarkeit.de) angeschlossen. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht (ebenso zuletzt BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 5), wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, 2. keine andere Therapie verfügbar ist und 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
bb) Der Kläger kann sich schon nicht auf eine Versorgung nach diesen Grundsätzen berufen.
Die Versorgung mit Arzneimitteln, die außerhalb ihres arzneimittelrechtlichen Zulassungsbereichs angewendet werden, kommt hiernach bei apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten grundsätzlich nicht in Betracht. Die Rechtsprechung zum Off-Label-Use knüpft daran an, dass bestimmte Medikamente arzneimittelrechtlich nur bei bestimmten Indikationen zugelassen sind und nur in diesem Rahmen der krankenversicherungsrechtlichen Versorgung unterliegen. Die Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V schließt jedoch - produktbezogen - ein Medikament insgesamt von der Versorgungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Die Regelung knüpft nicht daran an, bei welchen Indikationen das Medikament eingesetzt wird. Ließe man auch bei solchen Medikamenten ausnahmsweise eine Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung nach der Rechtsprechung zum Off-Label-Use zu, so würden diejenigen Patienten mit einer Krankheit außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs des Medikaments bessergestellt als jene Versicherte, die das fragliche Medikament innerhalb dieses Bereichs anwenden wollen. Die Rechtsprechung zum Off-Label-Use kann jedoch nicht zu einer Besserstellung bestimmter Versicherter führen, sondern soll allein eine Gleichbehandlung erreichen, indem Medikamente ausnahmsweise auch außerhalb ihres Zulassungsbereichs übernommen werden. Die Erwägungen, die den Gesetzgeber zum Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente aus der Versorgung bewogen haben, gelten gleichermaßen, wenn das Medikament außerhalb seines Zulassungsbereichs angewandt werden soll. Dies gilt insbesondere für die Erwägung, dass es sich hierbei durchgängig um Medikamente des unteren Preisbereichs für durchschnittlich weniger als EUR 11,00 handelt. Der Gesetzgeber hat die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für den einzelnen Versicherten als sozial vertretbar angesehen (vgl. insgesamt Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines GMG, Bundestags-Drucksache 15/1525, S. 86 zu Nr. 22 zu Buchst. a zu Doppelbuchst. aa).
Vor diesem Hintergrund kommt es bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht darauf an, ob die Voraussetzungen einer Versorgung nach der Rechtsprechung zum Off-Label-Use im Einzelfall vorliegen.
cc) Unabhängig hiervon liegen die Voraussetzungen eines Off-Label-Use bei dem Kläger nicht vor. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass bei dem Kläger eine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Krankheit vorliegt. Die behandelnden Ärzte, insbesondere die regelmäßig behandelnde Augenärztin Dr. G.-D., haben ausgeführt, dass das regelmäßige Einreiben mit Bepanthen ein Scheuer- bzw. Fremdkörpergefühl des Auges vermindern soll. Keiner der angehörten Ärzte hat angegeben, dass bei dem Kläger schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen auftreten, wenn er Bepanthen nicht mehr verwendet. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ohne Bepanthen z.B. eine Entzündung entstehen könnte und das Sehvermögen des Klägers in Gefahr wäre.
d) Zu keinem anderen Ergebnis führt eine verfassungskonforme Auslegung derjenigen Normen des SGB V, die einem Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln entgegenstehen, nach dem Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5).
Nach dieser Rechtsprechung müssen im Rahmen der Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Versorgung aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ausnahmsweise bejaht werden, obwohl ein Mittel bzw. eine Behandlungsmethode an sich von der Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist. Die verfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt, eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapie nicht zur Verfügung steht und durch die Versorgung mit dem Medikament oder die Behandlung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (zur Übertragung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die Versorgung mit Medikamenten vgl. BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 4).
Auch in diesen Fällen kann jedoch eine Versorgung im Ausnahmefall bei apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht verlangt werden. Das BSG hat in dem genannten Urteil einen Versorgungsanspruch wegen einer notstandsähnlichen Situation lediglich für solche Medikamente bejaht, die weder in Deutschland noch EU-weit eine Arzneimittelzulassung besitzen. Bei einem in Deutschland zugelassenen Medikament kommt allein die Rechtsprechung zum Off-Label-Use in Betracht. In allen Fällen ist die gesetzgeberische Wertung zu berücksichtigen, dass das fragliche Medikament als nicht verschreibungspflichtig grundsätzlich von der Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen ist. Auch bei einer notstandsähnlichen Situation ist es daher dem Versicherten zuzumuten, dieses Medikament selbst zu erwerben, wie er es auch bei einer Anwendung innerhalb des Zulassungsbereichs tun müsste.
Unabhängig hiervon ist bei dem Kläger keine lebensbedrohliche oder vergleichbare Erkrankung zu erkennen. Das BSG hat eine solche Erkrankung bei einer hochgradigen Sehstörung (starke Kurzsichtigkeit kombiniert mit Astigmatismus bei Kontaktlinsen- und Brillenunverträglichkeit) verneint (Urteil vom 05. Mai 2009, B 1 KR 15/08 R).
e) Ein Versorgungsanspruch des Klägers ist noch aus einem weiteren Grunde ausgeschlossen.
Versicherte haben - nur - einen Anspruch auf kostenfreie Verschaffung der vom Vertragsarzt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auf Kassenrezept verordneten Arzneimittel. Sie können mithin ein bestimmtes Mittel erst dann beanspruchen, wenn es ihnen in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 13 m.w.N.). Der Sachleistungsanspruch setzt eine vertragsärztliche Verordnung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V auf dem entsprechenden Formblatt (sog. Kassenrezept) voraus. Dies ergibt sich auch aus § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ausnahmsweise "verordnet" werden können.
Eine solche Verordnung für die Anwendung von Bepanthen seit 2004 liegt bei dem Kläger nicht vor. Die ärztliche Bescheinigung seiner Augenärztin Dr. G.-D. vom 02. August 2004 stellt weder eine kassen- noch eine privatärztliche Verordnung dar.
2. Da der Kläger keinen Anspruch auf Sachleistung von Bepanthen hat, besteht auch kein Kostenerstattungsanspruch für die seit Antragstellung im April 2004 angefallenen Aufwendungen für die eigene Beschaffung von Bepanthen. Mangels entsprechender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Kläger nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat. Als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch kommt damit nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Hierdurch wird geregelt, dass der Anspruch auf Kostenerstattung an die Stelle des Anspruchs auf die Sachleistung tritt. Damit reicht sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung als auch der Anspruch auf Versorgung für die Zukunft nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher nach der ständigen Rechtsprechung voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 06. November 2008, a.a.O.; BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Da ein Sachleistungsanspruch nicht besteht, kann auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestehen.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung von Aufwendungen für Bepanthen Augen- und Nasensalbe und die zukünftige Versorgung mit dieser Salbe.
Der 1948 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er bezog eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Seit 01. Mai 2008 bezieht er Altersrente. Er beantragte am 03. August 2004 die Kostenübernahme für "Bepanthen Augen- und Nasensalbe" (im Folgenden: Bepanthen). Nach der beigefügten Bescheinigung der Augenärztin Dr. G.-D. vom 02. August 2004 leidet er am linken Auge an einem Zustand nach Lagophthalmus ("Hasenauge", unvollständiger Lidschluss mit Erweiterung der Lidspalte) mit Trichiasis (schleifende Wimpern). Dr. G.-D. gab an, der Kläger benötige permanent Bepanthen und könne diese nach seinen Angaben nicht selbst bezahlen. Nachdem Dr. G., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), die Unterlagen ohne weitere Äußerung zurückgesandt hatte (Mitteilung vom 09. August 2004), lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. September 2004 den Antrag ab. Bepanthen sei kein verschreibungspflichtiges Medikament. Eine Ausnahme sei nach den derzeitigen Richtlinien (jetzt Richtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie, AMR) nicht möglich. Der Kläger erhob Widerspruch und trug vor, Bepanthen sei die einzige Salbe, die er vertrage. Er kaufe sie daher momentan selbst. Er könne sie sich wegen seiner geringen Rente jedoch nicht mehr leisten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme. Zwar habe der GBA in den AMR festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gälten, ausnahmsweise verordnet werden könnten. Für Bepanthen enthielten die AMR jedoch keine Ausnahme.
Der Kläger erhob am 23. November 2005 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er trug vor, sein Auge müsse aufgrund seiner Erkrankung ständig gecremt werden. Er leide nicht lediglich an schleifenden Wimpern. Er benötige die Salbe aufgrund eines Hornhautulcus (schleichendes Geschwür der Hornhaut des Auges mit Schmerzen und vermehrtem Tränenfluss und Lidkrampf) infolge einer Facialisparese (Gesichtslähmung). Die AMR ließen Ermessen offen. Der Kläger legte ärztliche Unterlagen überwiegend aus den 1990-er Jahren vor, darunter das augenärztliche Gutachten von Dr. M. vom 19. April 1996, und bezifferte die von April 2004 bis August 2006 entstandenen Kosten für die Beschaffung von Bepanthen mit EUR 1.317,46.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Auch wenn die Salbe nicht wegen schleifender Wimpern, sondern wegen eines Hornhautulcus benötigt werde, sähen die AMR keine Ausnahme für diese Salbe vor.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. M. gab an (Auskunft vom 01. August 2006), den Kläger lediglich für die Erstellung des Gutachtens vom 19. April 1996 untersucht zu haben. Sobald keine bakterielle Infektion des Hornhautgeschwürs vorliege, sei die Behandlung mit Bepanthen ausreichend. Augenarzt Dr. R. teilte mit (Auskünfte vom 01. August und 13. Oktober 2006), dass ein Salbenschutz des linken Auges erforderlich sei. Bepanthen sei hierfür ausreichend, alternativ könnten auch andere dexpanthenolhaltige Augensalben verwendet werden. Der Begriff der synthetischen Tränenflüssigkeit umfasse auch Augengele oder Augensalben. Bei dem Kläger sei wegen des ausgeprägten Hornhautbefundes die Anwendung einer Salbe indiziert. Augenarzt Dr. W. gab an (Auskünfte vom 07. August 2006 und ohne Datum, beim SG am 30. November 2006 eingegangen), bei der einmaligen Behandlung am 26. Februar 1999 habe er u.a. die Beibehaltung der durchgeführten Therapie vorgeschlagen. Wichtig sei die Pflege der Augenoberfläche. Bepanthen sei hierfür nicht das einzige geeignete Medikament. Bei Facialisparese könnten auch andere Tränenersatzmittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Augenärztin Dr. G.-D. führte aus (Auskunft vom 04. Januar 2007), der Kläger leide u.a. an schleifenden, nach innen wachsenden Wimpern, die regelmäßig entfernt würden, jedoch nachwüchsen und immer wieder ein starkes Fremdkörpergefühl verursachten, das durch Salben wie Bepanthen wesentlich gelindert werde. Wegen des chronischen Reizzustands durch die schleifenden Wimpern und der Pannusbildung (gefäßreiche Wucherung der Hornhaut) benötige der Patient permanent Gleitmittel zur Linderung des Fremdkörpergefühls. Augentropfen reichten nicht aus. Bepanthen werde sehr gut vertragen. Weiterhin holte das SG die Auskunft des GBA vom 02. Februar 2007 ein. Dieser teilte mit, Bepanthen sei lediglich zur Unterstützung der Heilung bei oberflächlichen, leichten Hautschädigungen an der Binde-, Horn- bzw. Nasenschleimhaut zugelassen. Aus den Anwendungsgebieten von Bepanthen werde deutlich, dass sie nicht zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung vorgesehen sei. Bepanthen sei nicht verschreibungspflichtig. Bepanthen sei nach den zugelassenen Anwendungsgebieten nicht zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung vorgesehen, sodass auch eine Aufnahme in die OTC-Übersicht des Wirkstoffs Dexpanthenol nicht erfolgt sei.
Mit Urteil vom 08. Februar 2007 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für und zukünftige Versorgung mit Bepanthen. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien von der Versorgung grundsätzlich ausgeschlossen. Bepanthen sei nicht verschreibungspflichtig. Die Salbe sei auch nicht ausnahmsweise nach den AMR verordnungsfähig. Unter welchen Voraussetzungen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig seien, sei in Nr. 16.7 AMR abschließend geregelt. Bepanthen werde in dieser Liste nicht geführt. Die Salbe könne auch nicht unter den Begriff der künstlichen Tränenflüssigkeit gefasst werden, die bei einer Facialisparese ausnahmsweise verordnungsfähig sei. Dies scheide aufgrund der Auskunft des GBA aus. Weitere Ausnahmen oder ein Ermessen sähen die gesetzlichen Vorschriften nicht vor. Dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen seien, verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Welche Behandlungsmaßnehmen und Leistungen in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen würden und welche der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet würden, unterliege aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Der Gesetzgeber habe den Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel damit begründet, dass diese Arzneien bereits zuvor überwiegend ohne Rezept abgegeben worden seien und sie in den unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als EUR 11,00 je Packung fielen. Diese Erwägung trage die Ungleichbehandlung des Klägers.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 28. April 2007 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 14. Mai 2007 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er meint, dass Bepanthen unter den Begriff der synthetischen Tränenflüssigkeit gefasst werden könne, die bei einer Facialisparese im Ausnahmefall verordnungsfähig sei. Dieser Begriff erfasse nicht nur Augentropfen, sondern auch Augengele oder Augensalben. Er trägt vor, diese Auslegung sei erforderlich, weil er durch seine Krankheit erheblich beeinträchtigt sei. Er müsse sein Auge mehrmals stündlich behandeln und trage eine besondere Schutzbrille. Ohne Behandlung bekomme er unerträgliche Kopfschmerzen. Er habe von verschiedenen Ärzten auch Augentropfen und Augengele bekommen und ausprobiert, jedoch die Wirkung, die er bei Bepanthen bemerke, dort nicht gesehen. Er benötige Bepanthen nicht wegen der nach innen wachsenden Wimpern, diese wüchsen inzwischen nicht mehr nach und würden auch nicht mehr regelmäßig entfernt. Er benötige es als Schmiermittel für die Hornhaut. Dort befänden sich Narben, die ein Scheuergefühl verursachten. Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus der Erstattungsfähigkeit sei zumindest für Versicherte wie ihn, die nur über eine geringe Rente (EUR 545,00 monatlich Rente wegen Berufsunfähigkeit, ca. EUR 800,00 Altersrente) verfügten, unzumutbar, wenn es kein erstattungsfähiges Alternativprodukt gebe. Der Kläger hat auch mitgeteilt, er benötige zurzeit 13 bis 15 Packungen Bepanthen pro Monat, die er für EUR 5,95 je Tube beziehe. Er beziffert die seit dem 30. April 2004 aufgelaufenen Kosten auf EUR 2.838,22. Hierzu hat er vor dem SG und im Berufungsverfahren Kaufbelege vorgelegt, auf die verwiesen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 09. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2005 zu verurteilen, ihm EUR 2.838,22 zu zahlen sowie ihn zukünftig nach ärztlicher Verordnung mit Bepanthen Augen- und Nasensalbe zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen. Sie meint, ihr stehe über die ausdrücklichen Ausnahmevorschriften der AMR hinaus kein Ermessensspielraum zu. Bei dem Kläger liege auch keine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor.
Der Berichterstatter des Senats hat die weitere Auskunft des GBA vom 01. Dezember 2008 eingeholt. Darin wird mitgeteilt, es gebe Augentropfen und Augengele, die als Tränenersatzflüssigkeit zugelassen und u.a. für die "symptomatische Behandlung von Austrocknungserscheinungen der Horn- und Bindehäute durch Tränensekretions- und Tränenfunktionsstörungen infolge lokaler oder systemischer Erkrankungen" zugelassen seien. Augensalben mit entsprechenden Anwendungsgebieten hätten nicht gefunden werden können. Da Bepanthen lediglich zur Unterstützung der Heilung bei oberflächlichen leichten Schädigungen u.a. der Hornhaut zugelassen sei, falle Bepanthen nicht unter die Regelung in Nr. 16.4.36 AMR.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt. Sie war auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Bereits der Erstattungsanspruch, den der Kläger für die Vergangenheit geltend macht, belief sich zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung auf mehr als die notwendige Beschwer, die in diesem Verfahren nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung noch EUR 500,00 beträgt. Denn bereits gegenüber dem SG bezifferte der Kläger die entstandenen Kosten auf EUR 1.317,46. Für die Zukunft begehrt der Kläger außerdem unbefristet Versorgung mit Bepanthen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Erstattung der Aufwendungen für die Beschaffung von Bepanthen in der Vergangenheit oder auf zukünftige Versorgung mit Bepanthen zu.
1. Dem Kläger steht für die Zukunft kein Anspruch auf Versorgung mit Bepanthen gegen die Beklagte zu, weil dieses Arzneimittel nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Es handelt sich bei ihr um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel, für das kein Ausnahmetatbestand eingreift.
a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen. Abweichendes sehen weder das Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil es sich um keine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 15 SGB IX handelt - noch das SGB V vor. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der ab 01. Januar 2004 geltenden Fassung sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der GBA legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Diese Vorgabe hat der GBA in Abschnitt F der AMR (eingefügt mit Wirkung zum 16. März 2004 durch Beschluss vom selben Tag: Bundesanzeiger [BAnz] Nr. 77 vom 23. April 2004, S. 8905) umgesetzt, nunmehr aufgrund der am 14. August 2009 in Kraft getretenen Änderung der AMR durch die Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 und 22. Januar 2009 (BAnz Nr. 49a vom 31. März 2009) § 12 AMR. Diese Regelung gilt nicht für versicherte Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahrs und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
aa) Bepanthen ist ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel und daher nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen.
bb) Die Verordnung von Bepanthen ist auch nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit Begründung des Vertragsarztes ausnahmsweise zulässig.
Der GBA hat in der nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen AMR Bepanthen für die bei dem Kläger vorliegende Indikation zu keinem Zeitpunkt seit der Änderung des § 34 SGB V zum 01. Januar 2004 zugelassen, auch nicht in der AMR in der Fassung vom 18. Dezember 2008 bzw. 22. Januar 2009 (BAnz. Nr. 49a vom 31. März 2009). Hierbei kann offenbleiben, ob die Krankheit des Klägers schwerwiegend im Sinne von Nr. 16.2 AMR a.F. bzw. § 12 Abs. 3 AMR n.F. ist. Jedenfalls lässt die AMR bei den beim Kläger vorliegenden Indikationen die Verordnung einer Augensalbe wie Bepanthen nicht zu. Für die Facialisparese und den Lagophthalmus des Klägers kann lediglich eine "synthetische Tränenflüssigkeit" verordnet werden (Nr. 16.4.36 AMR a.F., § 12 Abs. 5 i.V.m. Anlage I Nr. 41 AMR n.F.), für die weiteren krankhaften Beeinträchtigungen des Klägers - Hornhautulcus, Trichiasis, Pannusbildung - enthalten die AMR überhaupt keine Ausnahmeregelung über die Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente.
Der Begriff der synthetischen Tränenflüssigkeit nach den genannten Regelungen der AMR kann nicht so ausgelegt werden, dass hiervon auch die vom Kläger verwendete Bepanthen erfasst wird. Die synthetische Tränenflüssigkeit dient der Benetzung des Augapfels bei solchen Funktionsstörungen, die zu einer nicht genügenden eigenen Tränenproduktion führen. Dies ergibt sich aus den beiden genannten Regelungen der AMR selbst, denn diese stellen auf ein "trockenes Auge Grad II" bzw. auf ein "Fehlen oder eine Schädigung der Tränendrüse" ab. Auch die Facialisparese des Klägers führt zu Problemen bei der Benetzung des Augapfels mit Tränenflüssigkeit. Wegen des mit ihr verbundenen unvollständigen Lidschlusses können Teile des Augapfels nicht benetzt werden. Außerdem geht die Facialisparese selbst regelmäßig mit Störungen der Tränensekretion einher (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, S. 509). Bepanthen dient in diesem Sinne nicht als Tränenersatz, sondern allenfalls - auf Grund ihrer besonderen Viskosität - als zusätzliches Schmiermittel. Dem entspricht es, dass der GBA in seiner Stellungnahme vom 01. Dezember 2008 mitgeteilt hat, er habe für die in den AMR genannten Indikationen lediglich Augentropfen und Augengele finden können, jedoch keine Augensalbe für eine entsprechende Anwendung. Dies bestätigt, dass die Normen nicht erweiternd ausgelegt werden und insbesondere nicht auf Augensalben erstreckt werden können.
Hinzu kommt, dass die Facialisparese, bei der ausnahmsweise eine synthetische Tränenflüssigkeit verordnet werden kann, nicht die Ursache der Beschwerden des Klägers ist. Hierbei kann offen bleiben, ob diese Ursache in der Trichiasis, also den nach innen wachsenden und damit schleifenden Wimpern liegt oder lag, oder aber - wie der Kläger in der Berufungsinstanz vorgetragen hat - in den narbenartigen Veränderung der Hornhaut (Pannusbildung) und verbundenen Scheuern insbesondere beim Lidschluss. Für diese Krankheiten sind - wie bereits ausgeführt - in den AMR keine nicht verschreibungspflichtigen Medikamente zugelassen.
cc) Dieser Ausschluss von Bepanthen von der Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen verstößt auch nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) oder gegen die Rechte aus Art. 2 Abs. 1 oder Abs. 2 GG, jeweils i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 06. November 2008 (B 1 KR 6/08 R, in juris veröffentlicht) zu dem ebenfalls nicht verschreibungspflichtigen Medikament "Gelomyrtol forte" entschieden, die dort genannten Erwägungen gelten gleichermaßen für die Versorgung mit Bepanthen.
c) Der Kläger kann die Erstattung für bzw. die Versorgung mit Bepanthen auch nicht nach der Rechtsprechung zum sogenannten Off-Label-Use verlangen.
aa) Grundsätzlich ist ein Off-Label-Use, also eine Anwendung außerhalb des zulassungsrechtlichen Anwendungsbereichs eines Arzneimittels, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Hiervon hat das BSG bereits in seinem Urteil vom 19. März 2002 (SozR 3-2500 § 31 Nr. 8) Ausnahmen zugelassen. Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung in seinem Urteil vom 16. September 2005 (L 4 KR 1094/04, veröffentlicht auf www.sozial-gerichtsbarkeit.de) angeschlossen. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht (ebenso zuletzt BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 5), wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, 2. keine andere Therapie verfügbar ist und 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
bb) Der Kläger kann sich schon nicht auf eine Versorgung nach diesen Grundsätzen berufen.
Die Versorgung mit Arzneimitteln, die außerhalb ihres arzneimittelrechtlichen Zulassungsbereichs angewendet werden, kommt hiernach bei apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten grundsätzlich nicht in Betracht. Die Rechtsprechung zum Off-Label-Use knüpft daran an, dass bestimmte Medikamente arzneimittelrechtlich nur bei bestimmten Indikationen zugelassen sind und nur in diesem Rahmen der krankenversicherungsrechtlichen Versorgung unterliegen. Die Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V schließt jedoch - produktbezogen - ein Medikament insgesamt von der Versorgungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Die Regelung knüpft nicht daran an, bei welchen Indikationen das Medikament eingesetzt wird. Ließe man auch bei solchen Medikamenten ausnahmsweise eine Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung nach der Rechtsprechung zum Off-Label-Use zu, so würden diejenigen Patienten mit einer Krankheit außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs des Medikaments bessergestellt als jene Versicherte, die das fragliche Medikament innerhalb dieses Bereichs anwenden wollen. Die Rechtsprechung zum Off-Label-Use kann jedoch nicht zu einer Besserstellung bestimmter Versicherter führen, sondern soll allein eine Gleichbehandlung erreichen, indem Medikamente ausnahmsweise auch außerhalb ihres Zulassungsbereichs übernommen werden. Die Erwägungen, die den Gesetzgeber zum Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente aus der Versorgung bewogen haben, gelten gleichermaßen, wenn das Medikament außerhalb seines Zulassungsbereichs angewandt werden soll. Dies gilt insbesondere für die Erwägung, dass es sich hierbei durchgängig um Medikamente des unteren Preisbereichs für durchschnittlich weniger als EUR 11,00 handelt. Der Gesetzgeber hat die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für den einzelnen Versicherten als sozial vertretbar angesehen (vgl. insgesamt Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines GMG, Bundestags-Drucksache 15/1525, S. 86 zu Nr. 22 zu Buchst. a zu Doppelbuchst. aa).
Vor diesem Hintergrund kommt es bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht darauf an, ob die Voraussetzungen einer Versorgung nach der Rechtsprechung zum Off-Label-Use im Einzelfall vorliegen.
cc) Unabhängig hiervon liegen die Voraussetzungen eines Off-Label-Use bei dem Kläger nicht vor. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass bei dem Kläger eine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Krankheit vorliegt. Die behandelnden Ärzte, insbesondere die regelmäßig behandelnde Augenärztin Dr. G.-D., haben ausgeführt, dass das regelmäßige Einreiben mit Bepanthen ein Scheuer- bzw. Fremdkörpergefühl des Auges vermindern soll. Keiner der angehörten Ärzte hat angegeben, dass bei dem Kläger schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen auftreten, wenn er Bepanthen nicht mehr verwendet. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ohne Bepanthen z.B. eine Entzündung entstehen könnte und das Sehvermögen des Klägers in Gefahr wäre.
d) Zu keinem anderen Ergebnis führt eine verfassungskonforme Auslegung derjenigen Normen des SGB V, die einem Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln entgegenstehen, nach dem Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5).
Nach dieser Rechtsprechung müssen im Rahmen der Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Versorgung aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ausnahmsweise bejaht werden, obwohl ein Mittel bzw. eine Behandlungsmethode an sich von der Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist. Die verfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt, eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Therapie nicht zur Verfügung steht und durch die Versorgung mit dem Medikament oder die Behandlung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (zur Übertragung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auf die Versorgung mit Medikamenten vgl. BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 4).
Auch in diesen Fällen kann jedoch eine Versorgung im Ausnahmefall bei apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht verlangt werden. Das BSG hat in dem genannten Urteil einen Versorgungsanspruch wegen einer notstandsähnlichen Situation lediglich für solche Medikamente bejaht, die weder in Deutschland noch EU-weit eine Arzneimittelzulassung besitzen. Bei einem in Deutschland zugelassenen Medikament kommt allein die Rechtsprechung zum Off-Label-Use in Betracht. In allen Fällen ist die gesetzgeberische Wertung zu berücksichtigen, dass das fragliche Medikament als nicht verschreibungspflichtig grundsätzlich von der Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen ist. Auch bei einer notstandsähnlichen Situation ist es daher dem Versicherten zuzumuten, dieses Medikament selbst zu erwerben, wie er es auch bei einer Anwendung innerhalb des Zulassungsbereichs tun müsste.
Unabhängig hiervon ist bei dem Kläger keine lebensbedrohliche oder vergleichbare Erkrankung zu erkennen. Das BSG hat eine solche Erkrankung bei einer hochgradigen Sehstörung (starke Kurzsichtigkeit kombiniert mit Astigmatismus bei Kontaktlinsen- und Brillenunverträglichkeit) verneint (Urteil vom 05. Mai 2009, B 1 KR 15/08 R).
e) Ein Versorgungsanspruch des Klägers ist noch aus einem weiteren Grunde ausgeschlossen.
Versicherte haben - nur - einen Anspruch auf kostenfreie Verschaffung der vom Vertragsarzt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auf Kassenrezept verordneten Arzneimittel. Sie können mithin ein bestimmtes Mittel erst dann beanspruchen, wenn es ihnen in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 13 m.w.N.). Der Sachleistungsanspruch setzt eine vertragsärztliche Verordnung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V auf dem entsprechenden Formblatt (sog. Kassenrezept) voraus. Dies ergibt sich auch aus § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel ausnahmsweise "verordnet" werden können.
Eine solche Verordnung für die Anwendung von Bepanthen seit 2004 liegt bei dem Kläger nicht vor. Die ärztliche Bescheinigung seiner Augenärztin Dr. G.-D. vom 02. August 2004 stellt weder eine kassen- noch eine privatärztliche Verordnung dar.
2. Da der Kläger keinen Anspruch auf Sachleistung von Bepanthen hat, besteht auch kein Kostenerstattungsanspruch für die seit Antragstellung im April 2004 angefallenen Aufwendungen für die eigene Beschaffung von Bepanthen. Mangels entsprechender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Kläger nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat. Als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch kommt damit nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Hierdurch wird geregelt, dass der Anspruch auf Kostenerstattung an die Stelle des Anspruchs auf die Sachleistung tritt. Damit reicht sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung als auch der Anspruch auf Versorgung für die Zukunft nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher nach der ständigen Rechtsprechung voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 06. November 2008, a.a.O.; BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Da ein Sachleistungsanspruch nicht besteht, kann auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestehen.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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