Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 226/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 400/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Unfallmechanik und Rotatorenmanschettenverletzung
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16. Juli 2008 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 18. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung von Folgen eines Ereignisses vom 3. Juni 2004.
Der 1968 geborene Kläger suchte erstmals am 12. Oktober 2004 den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. auf und klagte über Cephalgie, Arthralgie, Halsschmerzen und Erbrechen. Dr. M. diagnostizierte eine Pharyngitis. Am 21. Oktober 2004 überwies Dr. M. den Kläger an den Orthopäden Dr. S., der die Diagnose einer Schulterarthralgie rechts nach Kontusion/Distorsionstrauma, z.B. SLAP-Läsion (Verletzung am Schulterpfannenrand), stellte. Der Kläger gab ihm gegenüber an, vor zwei Monaten habe er eine leichte Prellung der Schulter erlitten und seither funktionabhängige Schmerzen. Eine Röntgenaufnahme zeigte eine leichte Schultereckgelenksarthrose. Die Sonographie erbrachte keinen Hinweis für eine Rotatorenmanschettenläsion. Dr. S. bezeichnete die Beschwerdesymptomatik als nicht typisch für ein Impingement-Sydrom. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 28. Oktober 2004 zeigte ein unauffälliges Schultergelenk, die Supraspinatussehne wies ein minimales Ödem auf, war aber nicht signifikant ausgedünnt und ohne Ruptur. Insgesamt ergab sich kein Nachweis einer Rotatorenmanschettenverletzung.
Am 21. Dezember 2004 wurde der Kläger in der orthopädischen Fachklinik D-Stadt von Dr. T. ambulant untersucht, der die Diagnose "Verdacht auf Labrum-Kapsel-Läsion, möglicherweise auch Intervall-Läsion" stellte. Der Kläger gab ihm gegenüber an, im Mai oder Juni habe er mit einer schweren Bohrmaschine gearbeitet, die plötzlich gestoppt habe. Dabei habe es ihm die rechte Schulter verrissen. Seit dieser Zeit habe er bei bestimmten Bewegungen im Schultergelenk akut einschießende stechende Schmerzen und verspüre Kraftlosigkeit.
Am 12. Mai 2005 wurde eine Arthroskopie der Schulter vorgenommen. Die Diagnose lautete: degenerative Rotatorenintervall-Läsion mit Instabilität der langen Bizepssehne.
Der Kläger gab am 23. Juni 2005 gegenüber der Beklagten an, bei Bohrarbeiten an einem Edelmetallschrank habe sich die Bohrmaschine "gefangt", und er habe sich die Schulter verrissen.
Nach Einholung einer Stellungnahme des beratenden Arztes Chirurg Dr. B. vom
4. Juli 2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juli 2005 die Anerkennung der Beschwerden des Klägers als Folge der Verdrehung des Armes ab. Es handle sich hier vielmehr um die Auswirkungen einer unfallunabhängigen degenerativen Erkrankung der Rotatorenmanschette.
Auf den Widerspruch des Klägers vom 13. September 2005 zog die Beklagte Berichte des Dr. S. bei. Der Orthopäde Dr. M. führte im Gutachten vom 3. Januar 2006 aus, der Kläger gebe an, er habe in den Schrank kriechen und eine Zwangshaltung, mit Verdrehung des Oberkörpers, einnehmen müssen. Die Bohrmaschine habe sich festgefressen, wodurch es die Maschine gedreht und durch eine ruckartige Bewegung seine rechte Schulter verdreht habe. Er habe massive Schmerzen verspürt, zunächst pausiert, aber dann seine Arbeit weitergeführt. Dabei habe sich der Bohrkopf abermals festgefressen und ihm wieder Beschwerden verursacht. Ein solches Ereignis sei ihm schon öfter widerfahren, allerdings habe er früher deutlichere Schmerzen nicht verspürt. Am nächsten Tag habe er weitergearbeitet. Da sich die Schmerzen nicht dauernd gebessert hätten, habe er schließlich Dr. S. aufgesucht. Dr. M. führte aus, der Kläger habe über viereinhalb Monate nach dem Ereignis erstmals ärztliche Hilfe wegen Schultergelenksbeschwerden in Anspruch genommen. Die fehlenden Brückensymptome seien ein wesentliches Indiz dafür, dass ein Unfallzusammenhang mit den bei der Operation festgestellten Veränderungen nicht herzustellen sei. Das Rotatorenintervall sei kein Bestandteil der Rotatorenmanschette und sehr schwierig zu erkennen. Der MRT-Befund vom 28. Oktober 2004 zeige keine hinreichend gesicherten Unfallfolgen oder Begleitverletzungen. Es handle sich wahrscheinlich um verschleißbedingte Veränderungen und darauf beruhende Beschwerden.
Der Kläger übersandte eine Stellungnahme des Orthopäden Dr. L. vom 6. September 2005, der erklärte, eine exakte Überprüfung der Unfallmechanik sei erforderlich, da eine traumatische Verletzung durchaus wahrscheinlich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung der Klage wies der Kläger darauf hin, er habe vor dem Unfall zu keiner Zeit Beschwerden an der Schulter gehabt. Gerade die passive Drehbewegung habe zu einer Verletzung und den daraus folgenden Beschwerden geführt.
Das Sozialgericht zog Berichte über die stationären Behandlungen vom 5. September bis 30. September 2005 und 14. Oktober bis 18. November 2005, ein MRT vom 3. März 2006 sowie einen Bericht über die stationäre Behandlung vom 10. April bis 14. April 2006 mit einer erneuten Operation vom 11. April 2006 bei.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. L. führte im Gutachten vom 6. Februar 2008 und der ergänzenden Stellungnahme vom 25. April 2008, unter Berücksichtigung eines Röntgengutachtens von Prof. Dr. G. vom 7. Februar 2008 aus, der von Dr. M. beschriebene Unfallmechanismus sei geeignet, eine Verletzung des Rotatorenintervalls zu verursachen, und zwar im Sinne einer Überdehnung mit einer traumatisch bedingten Luxation der langen Bizepssehne. In einem Telefonat mit dem Operateur Dr. T. habe dieser sich der Diagnose des Dr. L. vorbehaltlos angeschlossen, dass es aufgrund einer chronischen Instabilität der langen Bizepssehne als Folge der Luxation zu den Auffaserungen im Bereich des Muskulus Supraspinatus und Subscapularis gekommen sei. Der Begriff "degenerativ" sei infolgedessen unzutreffend. Es müsse von mittelbaren Unfallfolgen ausgegangen werden.
Mit Urteil vom 16. Juli 2008 verurteilte das Sozialgericht Landshut die Beklagte, festzustellen, dass die Gesundheitsschäden an der rechten Schulter, nämlich die Verletzung des Rotatorenintervalls mit Beteiligung der Bizepssehne, Folge des Arbeitsunfalles vom 3. Juni 2004 seien. Es stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. L ...
Die Beklagte wandte zur Begründung ihrer Berufung ein, bei der Arthroskopie seien ausschließlich verschleißbedingte Veränderungen beschrieben worden. Die Tatsache, dass der Kläger erst viereinhalb Monate nach dem Ereignis ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe, sei ein wesentliches Indiz dafür, dass ein Unfallzusammenhang mit den später festgestellten Veränderungen nicht hergestellt werden könne. Der Kläger habe seine Arbeit noch über mehrere Monate hinweg fortsetzen können. Die während des Telefongesprächs mit Dr. L. erfolgte Änderung der Beurteilung durch Dr. T. sei ungewöhnlich und bedenklich.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. C. führte im Gutachten nach Aktenlage vom 19. Dezember 2008 aus, der Supraspinatus bewirke die Anspreizung und Außenrotation des Oberarmes, der Subscapularis die Anspreizung und Innenrotation. Vorstellbar sei eine unnatürliche Längendehnung dieser Muskelgruppen dann, wenn der Oberarm im Sinne eines plötzlichen Rückwärtsreißens oder Heranführens des Armes, bei gewaltsamer Rotation oder auch Sturz auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm überdehnt würde. Durch das beschriebene plötzliche Verhaken des Bohraufsatzes habe es nur zu einer Innenrotation des Unterarms, verbunden mit einer mehr oder weniger leichten Abspreizverletzung im Schultergelenk kommen können. Denn mit gebeugtem Ellenbogengelenk fänden Rotationsbewegungen ausschließlich im Unterarm statt, es sei denn, der Kläger hätte den gesamten Oberkörper mit samt der Bohrmaschine maximal rotiert, was nicht vorstellbar sei.
Nach herrschender medizinischer Lehrmeinung sei nach einer Rotatorenmanschettenverletzung ein Arztbesuch zeitnah zum Unfall unvermeidlich, da derartige Verletzungen mit einem sofortigen Schmerzmaximum verbunden seien. Der Kläger habe aber erst im Oktober 2004 den ersten Arztkontakt hergestellt. Der nach dem Abklingen der primären Schmerzsymptomatik sich einstellende Crescendo-Effekt sei unfallatypisch.
Fast ein Jahr nach dem Unfallereignis hätten bei der Operation am 12. Mai 2005 nur noch degenerative Veränderungen gefunden werden können, selbst wenn die Ursache der Veränderungen primär traumatisch gewesen wäre. Nach einem derart langen Zeitintervall gäben die intraoperativ gesehenen Strukturveränderungen mit Sicherheit keine Auskunft mehr zur Art der Entstehung. Die Röntgenaufnahmen zeigten eine Hakenform der Schulterhöhe, die als ursächlich für ein Impingement-Sydrom gelte. Im Operationsprotokoll sei eine leichtgradige knöcherne subacromiale Enge beschrieben, deren Erweiterung anlässlich der zweiten Operation erfolgt sei.
Der Kläger habe am 3. Juni 2004 allenfalls eine leichtgradige Zerrverletzung der Schulter erlitten, die innerhalb weniger Tage bis Wochen folgenlos verheilt sei. Das Ereignis sei keine Ursache für die Strukturveränderungen im Rotatorenintervall.
Der Kläger machte geltend, er habe sich etwa eine Woche nach dem Unfall bei Dr. M. vorgestellt. Dieser Arztbesuch sei offenbar versehentlich nicht dokumentiert worden. Wenn er erhebliche Vorschäden gehabt hätte, wäre auch das Gelenk geschädigt gewesen. Dr. C. erkläre nicht, warum er vor dem Unfall nie Beschwerden an der Schulter gehabt habe. Im Übrigen komme es bei dem geschilderten Unfallmechanismus auch zu einer Außenrotation der Schulter, da sich die Bohrmaschine beim Festfressen noch weiter drehe.
In der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2009 schlossen die Beteiligten auf Vorschlag des Senats einen Teilvergleich: Die Beklagte erkannte das Ereignis vom 3. Juni 2004 als Arbeitsunfall an mit der Folge einer leichten Zerrung der rechten Schulter, die innerhalb weniger Tage folgenlos ausgeheilt war. Im Übrigen wurde das Berufungsverfahren fortgesetzt, soweit es um die vom Sozialgericht festgestellten Gesundheitsstörungen an der rechten Schulter ging. Die Kostenentscheidung blieb der Hauptentscheidung vorbehalten.
Die Beklagte stellte den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16.07.2008 aufzuheben und die Klage, im Übrigen, d. h., soweit sie über den Teilvergleich hinausgeht, abzuweisen.
Der Kläger beantragte,
die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Entgegen dem Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16. Juli 2008 kam es beim Unfall lediglich zu der von der Beklagten im Teilvergleich als Unfallfolge festgestellten leichten
Zerrung der rechten Schulter des Klägers, die nach wenigen Tagen bis Wochen folgenlos abgeheilt war.
Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr. M., dessen im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, und Dr. C ... Beide haben überzeugend erläutert, dass der Unfall vom 3. Juni 2004 nicht geeignet war, die im Rahmen der Operation vom 12. Mai 2005 festgestellten Gesundheitsstörungen zu verursachen.
Der Kläger hat den Unfallhergang mehrmals geschildert, am ausführlichsten gegenüber
Dr. L. im Gutachten vom 6. Februar 2008: danach musste er in Zwangshaltung mit Verdrehung des Oberkörpers in einem engen Schrank die Bohrmaschine ansetzen, die sich" festgefressen" habe. Bei gebeugtem Ellenbogengelenk sei es zu einer gewaltsamen Außenrotation des rechten Armes, verbunden mit einem sofortigen Schmerz in der Schulter gekommen. Von diesem Unfallhergang geht der Senat aus.
Eine gewaltsame Rotation kann aber, so Dr. C., nur im Bereich des Unterarmes stattgefunden haben. Durch das geltend gemachte plötzliche Verhaken des Bohraufsatzes konnte es nur zu einer Innenrotation des Unterarmes, verbunden mit einer im Schultergelenk ablaufenden mehr oder weniger leichten Abspreizverletzung kommen. Eine Rotation des Schultergelenkes hätte nur dann ablaufen können, wenn die Bohrmaschine mit vollständig gestrecktem Ellenbogengelenk gehalten worden wäre. Mit gebeugtem Ellenbogengelenk finden die Rotationsbewegungen ausschließlich im Unterarm statt, es sei denn, der Kläger hätte den gesamten Oberkörper mitsamt der Bohrmaschine maximal rotiert, was nicht vorstellbar ist.
Eine schwere Verletzung der Rotatorenmanschette, wie sie der Kläger geltend macht, führt zu einem sofortigen Schmerzmaximum, das in den folgenden Wochen abklingt, weshalb sofortige Arbeitseinstellung und Arztbesuch am selben oder nächsten Tag zu erwarten sind (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 509.). Der Kläger hat erst im Oktober 2004 gegenüber Dr. M. über Cephalgie und Arthralgie geklagt. Über einen Arztbesuch bereits eine Woche nach dem Unfall, wie ihn der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2008 angegeben hat, gibt es keine ärztliche Dokumentation. Im Übrigen hat der Kläger die Arbeit nach dem Unfall nicht, wie nach einer Rotatorenmanschettenverletzung zu erwarten, eingestellt, sondern in den nächsten Wochen weitergearbeitet.
Die Frage, wie die im Operationsprotokoll beschriebenen Veränderungen zu interpretieren sind, kann dahingestellt bleiben, da Dr. C. überzeugend erläutert, dass nach einem derart langen Zeitintervall - vom 3. Juni 2004 bis 12. Mai 2005 - die intraoperativ gesehenen Strukturveränderungen mit Sicherheit keine Auskunft mehr zur Art der Entstehung geben können.
Dagegen ist auffällig, dass die Röntgenaufnahmen eine Hakenform der Schulterhöhe zeigen, die als ursächlich für ein Impingement-Sydrom gilt. Außerdem wurde bei der Operation vom 12. Mai 2005 eine leichtgradige knöcherne subacromiale Enge, also eine Verschmälerung des Raumes zwischen Schulterhöhe und Oberarmkopf gefunden. Diese wurde bei dem zweiten Eingriff vom 11. April 2006 erweitert. Eine derartige subacromiale Enge führt zu degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschetten.
Nicht überzeugen konnte dagegen das Gutachten des Dr. L ... Seine Beurteilung der Geeignetheit der Unfallmechanik ist von Dr. C. widerlegt. Auch hat Dr. L. das lange Intervall zwischen dem Ereignis und dem ersten dokumentierten Arztbesuch und die fehlende Brückensymptomatik nicht berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dabei berücksichtigte der Senat, dass die Beklagte im Wesentlichen obsiegt hat und das Urteil des Sozialgerichts Landshut aufzuheben war.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung von Folgen eines Ereignisses vom 3. Juni 2004.
Der 1968 geborene Kläger suchte erstmals am 12. Oktober 2004 den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. auf und klagte über Cephalgie, Arthralgie, Halsschmerzen und Erbrechen. Dr. M. diagnostizierte eine Pharyngitis. Am 21. Oktober 2004 überwies Dr. M. den Kläger an den Orthopäden Dr. S., der die Diagnose einer Schulterarthralgie rechts nach Kontusion/Distorsionstrauma, z.B. SLAP-Läsion (Verletzung am Schulterpfannenrand), stellte. Der Kläger gab ihm gegenüber an, vor zwei Monaten habe er eine leichte Prellung der Schulter erlitten und seither funktionabhängige Schmerzen. Eine Röntgenaufnahme zeigte eine leichte Schultereckgelenksarthrose. Die Sonographie erbrachte keinen Hinweis für eine Rotatorenmanschettenläsion. Dr. S. bezeichnete die Beschwerdesymptomatik als nicht typisch für ein Impingement-Sydrom. Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 28. Oktober 2004 zeigte ein unauffälliges Schultergelenk, die Supraspinatussehne wies ein minimales Ödem auf, war aber nicht signifikant ausgedünnt und ohne Ruptur. Insgesamt ergab sich kein Nachweis einer Rotatorenmanschettenverletzung.
Am 21. Dezember 2004 wurde der Kläger in der orthopädischen Fachklinik D-Stadt von Dr. T. ambulant untersucht, der die Diagnose "Verdacht auf Labrum-Kapsel-Läsion, möglicherweise auch Intervall-Läsion" stellte. Der Kläger gab ihm gegenüber an, im Mai oder Juni habe er mit einer schweren Bohrmaschine gearbeitet, die plötzlich gestoppt habe. Dabei habe es ihm die rechte Schulter verrissen. Seit dieser Zeit habe er bei bestimmten Bewegungen im Schultergelenk akut einschießende stechende Schmerzen und verspüre Kraftlosigkeit.
Am 12. Mai 2005 wurde eine Arthroskopie der Schulter vorgenommen. Die Diagnose lautete: degenerative Rotatorenintervall-Läsion mit Instabilität der langen Bizepssehne.
Der Kläger gab am 23. Juni 2005 gegenüber der Beklagten an, bei Bohrarbeiten an einem Edelmetallschrank habe sich die Bohrmaschine "gefangt", und er habe sich die Schulter verrissen.
Nach Einholung einer Stellungnahme des beratenden Arztes Chirurg Dr. B. vom
4. Juli 2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juli 2005 die Anerkennung der Beschwerden des Klägers als Folge der Verdrehung des Armes ab. Es handle sich hier vielmehr um die Auswirkungen einer unfallunabhängigen degenerativen Erkrankung der Rotatorenmanschette.
Auf den Widerspruch des Klägers vom 13. September 2005 zog die Beklagte Berichte des Dr. S. bei. Der Orthopäde Dr. M. führte im Gutachten vom 3. Januar 2006 aus, der Kläger gebe an, er habe in den Schrank kriechen und eine Zwangshaltung, mit Verdrehung des Oberkörpers, einnehmen müssen. Die Bohrmaschine habe sich festgefressen, wodurch es die Maschine gedreht und durch eine ruckartige Bewegung seine rechte Schulter verdreht habe. Er habe massive Schmerzen verspürt, zunächst pausiert, aber dann seine Arbeit weitergeführt. Dabei habe sich der Bohrkopf abermals festgefressen und ihm wieder Beschwerden verursacht. Ein solches Ereignis sei ihm schon öfter widerfahren, allerdings habe er früher deutlichere Schmerzen nicht verspürt. Am nächsten Tag habe er weitergearbeitet. Da sich die Schmerzen nicht dauernd gebessert hätten, habe er schließlich Dr. S. aufgesucht. Dr. M. führte aus, der Kläger habe über viereinhalb Monate nach dem Ereignis erstmals ärztliche Hilfe wegen Schultergelenksbeschwerden in Anspruch genommen. Die fehlenden Brückensymptome seien ein wesentliches Indiz dafür, dass ein Unfallzusammenhang mit den bei der Operation festgestellten Veränderungen nicht herzustellen sei. Das Rotatorenintervall sei kein Bestandteil der Rotatorenmanschette und sehr schwierig zu erkennen. Der MRT-Befund vom 28. Oktober 2004 zeige keine hinreichend gesicherten Unfallfolgen oder Begleitverletzungen. Es handle sich wahrscheinlich um verschleißbedingte Veränderungen und darauf beruhende Beschwerden.
Der Kläger übersandte eine Stellungnahme des Orthopäden Dr. L. vom 6. September 2005, der erklärte, eine exakte Überprüfung der Unfallmechanik sei erforderlich, da eine traumatische Verletzung durchaus wahrscheinlich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung der Klage wies der Kläger darauf hin, er habe vor dem Unfall zu keiner Zeit Beschwerden an der Schulter gehabt. Gerade die passive Drehbewegung habe zu einer Verletzung und den daraus folgenden Beschwerden geführt.
Das Sozialgericht zog Berichte über die stationären Behandlungen vom 5. September bis 30. September 2005 und 14. Oktober bis 18. November 2005, ein MRT vom 3. März 2006 sowie einen Bericht über die stationäre Behandlung vom 10. April bis 14. April 2006 mit einer erneuten Operation vom 11. April 2006 bei.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. L. führte im Gutachten vom 6. Februar 2008 und der ergänzenden Stellungnahme vom 25. April 2008, unter Berücksichtigung eines Röntgengutachtens von Prof. Dr. G. vom 7. Februar 2008 aus, der von Dr. M. beschriebene Unfallmechanismus sei geeignet, eine Verletzung des Rotatorenintervalls zu verursachen, und zwar im Sinne einer Überdehnung mit einer traumatisch bedingten Luxation der langen Bizepssehne. In einem Telefonat mit dem Operateur Dr. T. habe dieser sich der Diagnose des Dr. L. vorbehaltlos angeschlossen, dass es aufgrund einer chronischen Instabilität der langen Bizepssehne als Folge der Luxation zu den Auffaserungen im Bereich des Muskulus Supraspinatus und Subscapularis gekommen sei. Der Begriff "degenerativ" sei infolgedessen unzutreffend. Es müsse von mittelbaren Unfallfolgen ausgegangen werden.
Mit Urteil vom 16. Juli 2008 verurteilte das Sozialgericht Landshut die Beklagte, festzustellen, dass die Gesundheitsschäden an der rechten Schulter, nämlich die Verletzung des Rotatorenintervalls mit Beteiligung der Bizepssehne, Folge des Arbeitsunfalles vom 3. Juni 2004 seien. Es stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. L ...
Die Beklagte wandte zur Begründung ihrer Berufung ein, bei der Arthroskopie seien ausschließlich verschleißbedingte Veränderungen beschrieben worden. Die Tatsache, dass der Kläger erst viereinhalb Monate nach dem Ereignis ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe, sei ein wesentliches Indiz dafür, dass ein Unfallzusammenhang mit den später festgestellten Veränderungen nicht hergestellt werden könne. Der Kläger habe seine Arbeit noch über mehrere Monate hinweg fortsetzen können. Die während des Telefongesprächs mit Dr. L. erfolgte Änderung der Beurteilung durch Dr. T. sei ungewöhnlich und bedenklich.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. C. führte im Gutachten nach Aktenlage vom 19. Dezember 2008 aus, der Supraspinatus bewirke die Anspreizung und Außenrotation des Oberarmes, der Subscapularis die Anspreizung und Innenrotation. Vorstellbar sei eine unnatürliche Längendehnung dieser Muskelgruppen dann, wenn der Oberarm im Sinne eines plötzlichen Rückwärtsreißens oder Heranführens des Armes, bei gewaltsamer Rotation oder auch Sturz auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm überdehnt würde. Durch das beschriebene plötzliche Verhaken des Bohraufsatzes habe es nur zu einer Innenrotation des Unterarms, verbunden mit einer mehr oder weniger leichten Abspreizverletzung im Schultergelenk kommen können. Denn mit gebeugtem Ellenbogengelenk fänden Rotationsbewegungen ausschließlich im Unterarm statt, es sei denn, der Kläger hätte den gesamten Oberkörper mit samt der Bohrmaschine maximal rotiert, was nicht vorstellbar sei.
Nach herrschender medizinischer Lehrmeinung sei nach einer Rotatorenmanschettenverletzung ein Arztbesuch zeitnah zum Unfall unvermeidlich, da derartige Verletzungen mit einem sofortigen Schmerzmaximum verbunden seien. Der Kläger habe aber erst im Oktober 2004 den ersten Arztkontakt hergestellt. Der nach dem Abklingen der primären Schmerzsymptomatik sich einstellende Crescendo-Effekt sei unfallatypisch.
Fast ein Jahr nach dem Unfallereignis hätten bei der Operation am 12. Mai 2005 nur noch degenerative Veränderungen gefunden werden können, selbst wenn die Ursache der Veränderungen primär traumatisch gewesen wäre. Nach einem derart langen Zeitintervall gäben die intraoperativ gesehenen Strukturveränderungen mit Sicherheit keine Auskunft mehr zur Art der Entstehung. Die Röntgenaufnahmen zeigten eine Hakenform der Schulterhöhe, die als ursächlich für ein Impingement-Sydrom gelte. Im Operationsprotokoll sei eine leichtgradige knöcherne subacromiale Enge beschrieben, deren Erweiterung anlässlich der zweiten Operation erfolgt sei.
Der Kläger habe am 3. Juni 2004 allenfalls eine leichtgradige Zerrverletzung der Schulter erlitten, die innerhalb weniger Tage bis Wochen folgenlos verheilt sei. Das Ereignis sei keine Ursache für die Strukturveränderungen im Rotatorenintervall.
Der Kläger machte geltend, er habe sich etwa eine Woche nach dem Unfall bei Dr. M. vorgestellt. Dieser Arztbesuch sei offenbar versehentlich nicht dokumentiert worden. Wenn er erhebliche Vorschäden gehabt hätte, wäre auch das Gelenk geschädigt gewesen. Dr. C. erkläre nicht, warum er vor dem Unfall nie Beschwerden an der Schulter gehabt habe. Im Übrigen komme es bei dem geschilderten Unfallmechanismus auch zu einer Außenrotation der Schulter, da sich die Bohrmaschine beim Festfressen noch weiter drehe.
In der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2009 schlossen die Beteiligten auf Vorschlag des Senats einen Teilvergleich: Die Beklagte erkannte das Ereignis vom 3. Juni 2004 als Arbeitsunfall an mit der Folge einer leichten Zerrung der rechten Schulter, die innerhalb weniger Tage folgenlos ausgeheilt war. Im Übrigen wurde das Berufungsverfahren fortgesetzt, soweit es um die vom Sozialgericht festgestellten Gesundheitsstörungen an der rechten Schulter ging. Die Kostenentscheidung blieb der Hauptentscheidung vorbehalten.
Die Beklagte stellte den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16.07.2008 aufzuheben und die Klage, im Übrigen, d. h., soweit sie über den Teilvergleich hinausgeht, abzuweisen.
Der Kläger beantragte,
die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.
Entgegen dem Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16. Juli 2008 kam es beim Unfall lediglich zu der von der Beklagten im Teilvergleich als Unfallfolge festgestellten leichten
Zerrung der rechten Schulter des Klägers, die nach wenigen Tagen bis Wochen folgenlos abgeheilt war.
Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr. M., dessen im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, und Dr. C ... Beide haben überzeugend erläutert, dass der Unfall vom 3. Juni 2004 nicht geeignet war, die im Rahmen der Operation vom 12. Mai 2005 festgestellten Gesundheitsstörungen zu verursachen.
Der Kläger hat den Unfallhergang mehrmals geschildert, am ausführlichsten gegenüber
Dr. L. im Gutachten vom 6. Februar 2008: danach musste er in Zwangshaltung mit Verdrehung des Oberkörpers in einem engen Schrank die Bohrmaschine ansetzen, die sich" festgefressen" habe. Bei gebeugtem Ellenbogengelenk sei es zu einer gewaltsamen Außenrotation des rechten Armes, verbunden mit einem sofortigen Schmerz in der Schulter gekommen. Von diesem Unfallhergang geht der Senat aus.
Eine gewaltsame Rotation kann aber, so Dr. C., nur im Bereich des Unterarmes stattgefunden haben. Durch das geltend gemachte plötzliche Verhaken des Bohraufsatzes konnte es nur zu einer Innenrotation des Unterarmes, verbunden mit einer im Schultergelenk ablaufenden mehr oder weniger leichten Abspreizverletzung kommen. Eine Rotation des Schultergelenkes hätte nur dann ablaufen können, wenn die Bohrmaschine mit vollständig gestrecktem Ellenbogengelenk gehalten worden wäre. Mit gebeugtem Ellenbogengelenk finden die Rotationsbewegungen ausschließlich im Unterarm statt, es sei denn, der Kläger hätte den gesamten Oberkörper mitsamt der Bohrmaschine maximal rotiert, was nicht vorstellbar ist.
Eine schwere Verletzung der Rotatorenmanschette, wie sie der Kläger geltend macht, führt zu einem sofortigen Schmerzmaximum, das in den folgenden Wochen abklingt, weshalb sofortige Arbeitseinstellung und Arztbesuch am selben oder nächsten Tag zu erwarten sind (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 509.). Der Kläger hat erst im Oktober 2004 gegenüber Dr. M. über Cephalgie und Arthralgie geklagt. Über einen Arztbesuch bereits eine Woche nach dem Unfall, wie ihn der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2008 angegeben hat, gibt es keine ärztliche Dokumentation. Im Übrigen hat der Kläger die Arbeit nach dem Unfall nicht, wie nach einer Rotatorenmanschettenverletzung zu erwarten, eingestellt, sondern in den nächsten Wochen weitergearbeitet.
Die Frage, wie die im Operationsprotokoll beschriebenen Veränderungen zu interpretieren sind, kann dahingestellt bleiben, da Dr. C. überzeugend erläutert, dass nach einem derart langen Zeitintervall - vom 3. Juni 2004 bis 12. Mai 2005 - die intraoperativ gesehenen Strukturveränderungen mit Sicherheit keine Auskunft mehr zur Art der Entstehung geben können.
Dagegen ist auffällig, dass die Röntgenaufnahmen eine Hakenform der Schulterhöhe zeigen, die als ursächlich für ein Impingement-Sydrom gilt. Außerdem wurde bei der Operation vom 12. Mai 2005 eine leichtgradige knöcherne subacromiale Enge, also eine Verschmälerung des Raumes zwischen Schulterhöhe und Oberarmkopf gefunden. Diese wurde bei dem zweiten Eingriff vom 11. April 2006 erweitert. Eine derartige subacromiale Enge führt zu degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschetten.
Nicht überzeugen konnte dagegen das Gutachten des Dr. L ... Seine Beurteilung der Geeignetheit der Unfallmechanik ist von Dr. C. widerlegt. Auch hat Dr. L. das lange Intervall zwischen dem Ereignis und dem ersten dokumentierten Arztbesuch und die fehlende Brückensymptomatik nicht berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dabei berücksichtigte der Senat, dass die Beklagte im Wesentlichen obsiegt hat und das Urteil des Sozialgerichts Landshut aufzuheben war.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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