L 6 U 48/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4/8U 8/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 48/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 15. Februar 2006 wird aufgehoben, soweit das Gericht die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch verurteilt hat, eine Verletzung des Plexus lumbalis bzw. des Nervus ischiadicus und eine neuralgiforme Schmerzsymptomatik als Unfallfolge anzuerkennen und eine Unfallrente auch für den Zeitraum vom März 2001 an zu zahlen.

Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte als Leistung vom 16. Juni 2000 an eine Verletztenrente zu zahlen hat.

Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu einem Viertel zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalles und einen Entschädigungsanspruch der Klägerin.

Die 1945 geborene Klägerin arbeitete als Erzieherin in einem Schulhort.

Am 5. April 2000 knickte sie mit dem rechten Fuß auf einem Gullydeckel um und fiel auf die linke Seite. Nach dem Entlassungsbericht des St. Kl. D. über die stationäre Behandlung vom 5. bis 14. April 2000 zog sich die Klägerin einen transalaren Bruch des Kreuzbeins rechts ohne Verschiebung, einen Sitz- und Schambeinbruch links mit geringer Verschiebung (vorderer Beckenringbruch links) und eine Quetschung der linken Hand zu. Nach einem Computertomogramm vom 18. Mai 2000 war der Kreuzbeinbruch in nahezu anatomischer Stellung knöchern ausgeheilt. Die Brüche im Bereich des Scham- und Sitzbeines waren mit einer Verschiebung von fast Schaftbreite nicht knöchern verheilt. Auch in einem Computertomogramm vom 19. Oktober 2000 war ein knöcherner Durchbau des Sitzbeinbruches nicht nachzuweisen. Der Bruchspalt im Bereich des Schambeines war noch teilweise einsehbar. Als Folge der sich herausbildenden Falschgelenksbildung im Bereich des Sitzbeines schilderte der behandelnde Arzt belastungsabhängige Schmerzen.

Bei einem Behandlungstermin am 19. Februar 2001 fand sich nach dem Bericht des Chefarztes der Klinik für Unfall- und Handchirurgie des St. Kl. D. , Dr. Z. , ein Druckschmerz über dem linken Sitz- und Schambein, ein geringer Beckenkompressionsschmerz und ein endgradiger Bewegungsschmerz des linken Hüftgelenkes bei nahezu freier Beweglichkeit. Nach einer mitgebrachten Röntgenaufnahme könne eine Falschgelenksbildung weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Mit einer Ausheilung der Falschgelenksbildung sei jetzt nicht mehr zu rechnen.

Nach einem Computertomogramm vom 3. Mai 2001 stellte sich der Sitzbeinbruch nunmehr knöchern abgeheilt dar. Daraufhin vertrat Dr. Z. in einem Bericht vom 5. Juni 2001 die Meinung, der Grund für die Beschwerden liege in den Befunden der Lendenwirbelsäule. Unter dem 13. August 2001 erstattete Dr. Z. ein erstes Rentengutachten. Er benannte die Unfallfolgen als endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes, Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels nach in nicht anatomischer Stellung ausgeheiltem vorderen und in anatomischer Stellung ausgeheiltem hinteren Beckenringbruch links. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätzte er seit dem 16. Juni 2000 (Ende der Arbeitsunfähigkeit) bis zum 18. Februar 2001 mit 30 v. H., danach bis voraussichtlich zum 7. August 2002 mit 20 v. H. und danach voraussichtlich noch mit 10 v. H. ein. Zur Begründung nannte er die zunächst erheblichen Schmerzen im Rahmen der verzögerten Bruchheilung und ab 19. Februar 2001 die Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels mit Kraftminderung der Muskulatur im linken Beckenbereich (pelvitrochanter) und einer endgradigen Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes. Er schlug vor, die Klägerin im Rahmen einer stationären Rehabilitation muskulär zu kräftigen und ihr den Gebrauch der Unterarmgehstützen abzugewöhnen.

Auch auf die Rückfrage der Beklagten, ob die Schmerzen als unfallunabhängig zu würdigen und die Minderung der Erwerbsfähigkeit dann zu hoch eingeschätzt sein könnte, blieb der Gutachter in einer ergänzenden Stellungnahme vom 24. September 2001 bei seiner Einschätzung.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Januar 2002 vertrat der Chirurg Dr. L. die Auffassung, nach den erhobenen Befunden sei eine geringe Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes in Abspreizung und Drehung und eine geringe Muskelverschmächtigung verblieben. Die Benutzung von zwei Unterarmgehstützen lasse sich unfallbedingt schon lange nicht mehr begründen. Besondere Schmerzen ließen sich aus den Befunden nicht ableiten. Eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit habe über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus nicht vorgelegen.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2002 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall und als dessen Folgen einen knöchern fest verheilten Kreuzbeinbruch und Schambeinbruch, einen in geringer Fehlstellung fest verheilten Sitzbeinbruch, Bewegungseinschränkungen im linken Hüftgelenk und eine Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels an. Einen Anspruch auf eine Rente lehnte sie ab. Zur Begründung berief sie sich auf die Auswertung des Gutachtens von Dr. Z ...

Die Klägerin erhob am 5. März 2002 mit der Begründung Widerspruch, sie habe seit dem Unfall ständig brennende, stechende Schmerzen im Bereich des Scham-, Kreuz- und Sitzbeines. Das Bein sei von der linken Hüfte bis zu den Fußspitzen teilweise eiskalt. Der Hüft- und Oberschenkelbereich sei oftmals ohne Gefühl und schmerze stark. Sie könne ihr Gewicht nicht auf die linke Seite verlagern und müsse ständig Stützen benutzen. Weil sie ihren linken Fuß nicht richtig bewegen könne, sei sie am 25. Oktober 2001 wieder gestürzt und habe sich einen Oberarmbruch zugezogen.

Die Beklagte zog ein Gutachten des Chirurgen M. für die Rentenversicherung vom 15. März 2002 bei, der hervorhob, die Klägerin könne nur hinkend an einer Unterarmgehstütze laufen. Die Klägerin sei nun so stark durch ihre Rückenschmerzen gehandicapt, dass sicherlich die Fehlbelastung im Becken zu den zunehmenden Rü-ckenschmerzen geführt habe. Sie zog weiterhin ein Gutachten der Chirurgin Strauchmann vom 6. Februar 2001 für die Rentenversicherung bei.

Die Beklagte holte dann ein weiteres Gutachten des Chirurgen Dr. E. vom 24. Oktober 2002 ein. Dieser bezeichnete als Unfallfolgen einen in achsengerechter Stel-lung verheilten Kreuzbeinbruch und einen in guter Stellung verheilten vorderen Be-ckenringbruch mit geringer Verschiebung am Schambein. Eine nennenswerte Funktionseinschränkung habe er nicht feststellen können. Die Kraftminderung im linken Bein stimme mit der muskulären Situation nicht voll überein. Die Störung des Gangbildes könne mit der Beckenringverletzung nicht in Einklang gebracht werden, weil das linke Hüftgelenk nicht betroffen gewesen sei und ein solcher Bruch nicht zu einer derartigen Funktionseinschränkung des Gangbildes führen könne. Es sei jetzt nicht mehr von einer Falschgelenksbildung auszugehen; schon eine Beckenübersicht vom 31. Januar

2001 zeige eine Kallusbildung. Die Benutzung einer oder zweier Unterarmstützen sei durch den Bruch nicht erklärlich. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit seit Eintritt der Arbeitsfähigkeit sei mit 10 v. H. einzuschätzen. Seit seiner Befunderhebung liege sie darunter. Verschleißumformungen der Kreuzdarmbeingelenke seien nicht durch die Kreuzbeinfraktur verursacht worden, sondern hätten schon vorher vorgelegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2003 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung schloss sie sich im Wesentlichen den Ausführungen von Dr. E. an. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin auf dem Postwege übersandt.

Mit der am 19. Januar 2004 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt. Das Gericht hat Befundberichte eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf den Bericht des Radiologen Dr. D. vom 16. März 2004, Bl. 74 - 79 d. A., den Bericht des Rektors der U-kl. und Poliklinik für Orthopädie der U-kl. H. , Prof. Dr. H. , vom 22. März 2004, Bl. 82 - 89 d. A., den Bericht des Amtsarztes Dr. B. vom 25. März 2004, Bl. 94 - 104 d. A., den Bericht von Dr. T. vom 21. April 2004, Bl. 116 ff. d. A. und den Bericht von Dr. Z. vom 19. Mai 2004, Bl. 154 f. d. A. Bezug genommen wird. Dipl.-Med. T. hat darauf hingewiesen, bei Beckenringverletzungen käme es zu 27 Prozent zu Beschwerden im Kreuzdarmbeingelenk, zu drei Prozent zu schmerzhaften Falschgelenksbildungen bzw. Instabilitäten und zu fünf bis acht Prozent zu knöchernen Heilungen in Fehlstellung. Falschgelenksbildungen und Instabilitäten führten zu belastungsabhängigen Schmerzen und einer Fehlorientierung des Beckens mit Beinverkürzung. Als spätere Folge sei eine muskuläre Unausgewogenheit der Hüftmuskulatur möglich.

Das Gericht hat ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. K. , Oberarzt an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannstrost, vom 24. Mai 2004 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 122 - 152 d. A. verwiesen wird. Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, unfallabhängig seien die Brüche des linken Beckens und des Kreuzbeins aufgetreten. Eindeutig davon unabhängig seien eine generalisierte Knochengewebeminderung und Abbauveränderungen der kaudalen Lendenwirbelsäule. Daraus würde eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. hervorgehen. Er selbst gehe aber von einer zusätzlichen Schädigung des Plexus lumbalis aus. Dadurch seien sowohl die von der Klägerin geklagten Schmerzsyndrome als auch die Gefühlsstörungen, die Kraftminderung und das Kältegefühl erklärbar. Die Ursache einer solchen Schädigung sei in früher vermerkten Weichteilschwellungen mit Einblutungen im Bereich der Brüche zu sehen. Abgrenzend dazu sei eine Wurzelschädigung im Bereich der Lendenwirbelsäule klinisch nicht gegeben und insgesamt unwahrscheinlich. Er schlage insoweit eine neurophysiologische Untersuchung vor.

Das Gericht hat das neurologische Zusatzgutachten des Chefarztes der Kl. für Neurologie des St. K. M. -M. H. –D. gGmbH, Dr. H. , vom 2. September 2004 eingeholt, das im Wesentlichen der Arzt für Neurologie Dr. med. R. erstellt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 168 - 184 d. A. Bezug genommen. Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin liege eine Schmerzerkrankung vor, die zeitlich klar im Zusammenhang mit dem Unfall vom 5. April 2000 stehe. Die klinischen Befunde seien mit einer Schädigung des Plexus lumbalis, teilweise auch des Plexus ischiadicus in Übereinstimmung zu bringen; sie seien insgesamt jedoch nur leichter ausgebildet. Die neuroelektrophysiologische Funktionsdiagnostik belege eine Schädigung im Bereich des linken Beines, trage aber nicht wesentlich zur direkten Bestätigung einer Schädigung des Plexus lumbalis bzw. des Ischiadicusbereiches bei. Sie könne aber andere Schädigungsmechanismen im Sinne einer radikulären bzw. distalen Schädigung im Bereich des linken Beines unwahrscheinlich machen und somit indirekt die Schädigung am linken Bein auf den Plexusbereich lokalisieren. Damit entstehe insgesamt eine ausreichende Sicherheit einer Schädigung im Plexusbereich. Besondere Reizsyndrome von Nerven, die sich hier durch neuropathische Schmerzen äußerten, entzögen sich dem klinischen und elektrophysiologischen Nachweis regelmäßig. Objektivierbar für eine Schädigung des Plexus ischiadicus seien der Ausfall des Achillessehnenreflexes sowie eine trophische Störung des vorderen Schienbeinmuskels links mit elektromyographischer Bestätigung. Diese könnten auch aus einer Nervenwurzelschädigung L 5/S1 oder aus einer Schädigung des Nervus peronaeus und Nervus tibialis entstehen. Gegen letzteres spreche ein nahezu unauffälliger elektroneurographischer Befund dieser Nerven. Gegen eine Nervenwurzelschädigung spreche der unauffällige elektromyographische Befund der Gesäßmuskulatur. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit aus neurologischer Sicht sei mit 10 bis 20 v. H. einzuschätzen. Sie ergebe sich bereits unter Berücksichtigung der Schwere der Schmerzsymptomatik im linken Bein.

In seinem abschließenden Gutachten vom 29. November 2004 hat Dr. K. nunmehr auch eine schmerzhafte Belastungsschwäche und ein neuralgiformes Schmerzsyndrom des linken Beines auf Grund einer Schädigung des Plexus lumbalis als Unfallfolgen eingeschätzt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit hat er mit insgesamt 20 v. H. beurteilt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bl. 189 - 194 d. A. Bezug genommen. Wegen des Befundes der Kernspintomographie wird auf Bl. 226 - 228 d. A. verwiesen.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme von Dr. L. vom 19. Januar 2005, Bl. 243 -247 d. A. vorgelegt. Er hat u. a. ausgeführt, die neurologischen Befunde ergäben keinen Beleg für das Ergebnis der Sachverständigen. Die Klägerin habe verschiedene Störungen – etwa im Bereich der linken Bauchdecke und des vierten und fünften Fingers der linken Hand – angegeben, die nicht hätten gesichert werden können. Aufgrund des Rauchens, einer Zuckerkrankheit und eines Bluthochdrucks fänden sich dafür auch Erklärungen. Der zur Argumentation herangezogene verminderte Achillessehnenreflex links sei bei der klinischen Untersuchung am 4. Mai 2004 nicht erhoben worden, sondern lebhaft und seitengleich gewesen. Auch die elektroneurographischen Befunde seien mitarbeitsabhängig. Zudem habe die Klägerin am 4. Mai 2004 die Missempfindungen im Beinbereich anders angegeben, als sie von den Sachverständigen argumentativ herangezogen würden. Eine Plexusschädigung passe auch nicht zum Krankheitsverlauf.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. Juli 2005, Bl. 267 - 279 d. A., hat Dr. K. u. a. ausgeführt, die angegebenen Missempfindungen seien, auch soweit sie nicht mit den Unfallfolgen in Zusammenhang stünden, durchaus erklärbar. So lasse sich für die Gefühlsstörungen im Bereich der linken Bauchdecke eine Erklärung in einer früheren Operation finden. Kribbeln im vierten und fünften Finger des linken Armes lasse sich ohne Weiteres durch eine Irritation des Nervus ulnaris anlässlich einer Operation nach einem Bruch des linken Oberarmknochens erklären. Mit einer diabetischen Polyneuropathie seien die beschriebenen Gefühlsstörungen nicht in Einklang zu bringen. Diese seien vielmehr typischer Ausdruck eines Plexusschadens und passten auch nicht zu einer Nervenwurzelreizung im Lendenwirbelsäulenbereich. Gleichwohl unterschiedliche Angaben der gestörten Bereiche bei verschiedenen Untersuchungen seien typisch und ließen keine negativen Schlussfolgerungen zu. Wesentlich sei hier die Angabe "nicht strumpfförmig" und "nicht dermatombezogen". Die Schädigung des Plexus lumbalis über den Nervus ischiadicus passe zu der Verletzung, weil der Nerv direkt an dem Bruchbereich des Beckens vorbeiziehe. Soweit Dr. L. bemängele, auch nach den neurologischen Gutachten selbst seien mit den erhobenen Befunden die geklagten Beschwerden nicht im Vollbeweis zu sichern, gehe er von einer illusorischen Forderung aus. Es genüge die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die geklagten Beschwerden durch das Unfallereignis hervorgerufen würden. Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit halte er hier für gegeben.

Die Beklagte hat eine weitere beratende Stellungnahme von Dr. L. vom 12. August 2005, Bl. 283 - 288 d. A. vorgelegt. Er ist bei seiner Auffassung geblieben und hat auf einen verfehlten rechtlichen Ansatz des Sachverständigen hingewiesen. Er hat in Frage gestellt, ob die geschilderten Einblutungen den Bereich betrafen, in dem der Plexus lumbalis verläuft. Ein blutergussbedingter Nervenschaden müsse jedoch unfallnah besonders eindrucksvoll gewesen seien. Unfallnah gebe es aber weder entsprechende Klagen noch Befunde.

Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2005 hat die Klägerin erneut einen – aus ihrer Sicht unfallbedingten – Sturz mitgeteilt.

Mit Urteil vom 15. Februar 2006 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, als weitere Unfallfolge "schmerzhafte Belastungsinsuffizienz des linken Beines aufgrund neuralgiformer Schmerzsymptomatik, resultierend aus einer Verletzung des Plexus lumbalis bzw. des Nervus ischiadicus" anzuerkennen und der Klägerin Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu gewähren. Dazu hat es ausgeführt, der Sachverständige Dr. K. habe überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass durch den anerkannten Arbeitsunfall eine weitere Unfallfolge verursacht worden sei, welche insgesamt zu einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. führe. Die Stellungnahmen Dr. L. überzeugten nicht, da sie weder auf einer eigenen Untersuchung der Klägerin noch auf hinreichender Auswertung der eingeholten Zusatzgutachten beruhten.

Gegen das ihr am 6. März 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte noch im gleichen Monat Berufung eingelegt.

Das Gericht hat ein Gutachten des Chirurgen Dr. med. C. vom 13. November 2006 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 358 - 375 d. A. verwiesen wird. Er ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin liege eine elektroneurographisch nachgewiesene verminderte Leitgeschwindigkeit des Nervus suralis links und eine elektromyographisch gesicherte Schädigung des vorderen Schienbeinmuskels links vor, wie sich aus dem neurologischen Sachverständigengutachten von Dr. H. ergebe. Die elektromyographisch nachweisbare Schädigung des Schienbeinmuskels links ergebe sich aus einer Schädigung des Nervus peronaeus profundus, einem sensiblen und motorischen Ast des Nervus peronaeus communis, der wiederum aus dem Nervus ischiadicus hervorgehe. Es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Arbeitsunfall Ursache dieser Gesundheitsstörung gewesen sei. Zeitnah zum Unfall sei keine Nervenschädigung am linken Bein gesichert. Bei dem Bruch habe es sich um eine stabile Verletzung des Beckens gehandelt. Die Kreuzbeinfraktur bei der Klägerin habe die seitlich der Nervenaustrittslöcher gelegenen Knochenanteile betroffen. Solche Brüche seien ohne Verschiebung der Bruchstücke – wie hier – nicht mit Nervenausfällen verbunden. Auch anlässlich einer Begutachtung 16 Monate nach dem Unfall – dies betrifft das Gutachten von Dr. Z. – seien Sensibilitätsstörungen am linken Bein nicht nachweisbar gewesen. Die Muskeleigenreflexe seien seitengleich auslösbar gewesen. Die Motorik der Beine sei ungestört gewesen. Die grobe Kraft sei nur im Bereich der linken Hüftmuskulatur vermindert gewesen. Eine elektromyographische Schädigung des Schienbeinmuskels finde sich geringer auch rechts, was ebenfalls gegen eine unfallbedingte Verursachung spreche. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit belaufe sich auf 10 v. H ...

Das Gericht hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. K. vom 18. August 2008, Bl. 434 – 448 d. A., eingeholt. Dr. K. vertritt nach Auswertung der CT-Befunde die Auffassung, es habe sich bei dem Beckenbruch um einen instabilen Bruch gehandelt, da er sowohl den vorderen als auch den hinteren Beckenring betroffen habe. Im CT seien Einblutungen beschrieben. Auch wenn der Bruch nicht die Nervenaustrittslöcher des Kreuzbeins erfasse, zögen doch die Wurzeln des Plexus sacralis direkt am Bruchgebiet des Kreuzbeinflügels des Iliosacralgelenkes vorbei und vereinigten sich anschließend zum Nervus ischiadicus. Dieser ziehe dann hinter dem Sitzbein zur Rückseite des Oberschenkels. Eine Schädigung des Nervus ischiadicus sei aufgrund seines Verlaufes hinter dem Sitzbein auch als Druckschädigung durch Kallusbildung und nicht nur durch primäre Einblutung denkbar. Eine Nervenschädigung sei im Zusammenhang mit dem zeitlichen Auftreten der Schmerzsymptomatik hinreichend dokumentiert. Diese sei zunächst der verzögerten Knochenbruchheilung angelastet worden.

Das Gericht hat weiterhin auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. R. vom 18. Februar 2009, Bl. 461 - 465 d. A., eingeholt. Er hat ausgeführt, Alternativursachen seien nach den Befunden nicht wahrscheinlich. Fehlende Kenntnis von neurovaskulären Defiziten in früherer Zeit sei nicht überraschend, weil es gerade Aufgabe neurophysiologischer Untersuchung sei, klinisch nicht fassbare Schädigungen nachzuweisen. Die nähere Einordnung des Kreuzbeinbruchs sei für den Nachweis einer Schädigung des Nervus ischiadicus nicht von Bedeutung. In der Literatur fänden sich mehrere Beispiele einer Druckschädigung durch Weichteilverletzungen. Nach kritischer Aktendurchsicht ergebe sich durchaus ein gleich bleibendes Schmerzverhalten für das linke Bein. Neuropathische Schmerzen seien schwer zu erfassen, weil ihr Ausmaß häufig in krassem Missverhältnis zur allenfalls leichten Schädigung von Nervenstrukturen stehe. Das von der Klägerin angegebene Kältegefühl des linken Beines sei durchaus mit einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom vereinbar. Hervorzuheben sei die Schmerzerkrankung, für die der Nachweis einer Schädigung des Nervus ischiadicus nur stützenden Charakter habe.

Die Beklagte bleibt bei ihrer Auffassung und stützt sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. C ... Es handele sich um einen Nervenschaden, der erstmals vier Jahre nach dem Unfall diskutiert worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 15. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte als Leistung vom 16. Juni 2000 an eine Verletztenrente zu zahlen hat.

Wegen eines hilfsweise gestellten Antrages auf mündliche Anhörung der Sachverständigen Dr. K. und Dr. R. wird auf die Sitzungsniederschrift vom 6. August 2009, Bl. 471 f. d. A., verwiesen. Die Klägerin hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und stützt sich auf die Ausführungen von Dr. K. und Dr. R ...

Ein Ausdruck der elektronischen Akte der Beklagten über die Klägerin – Az. 20000 65107 S (4 Bände) – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung ist überwiegend begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2003 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit die Beklagte darin nicht eine Verletzung des Plexus lumbalis bzw. des Nervus ischiadicus und eine neuralgiforme Schmerzsymptomatik als Unfallfolge anerkannt und für den Zeitraum nach dem 18. Februar 2001 nicht eine schmerzhafte Belastungsinsuffizienz des linken Beines als Unfallfolge anerkannt hat. Er beschwert die Klägerin weiterhin nicht, soweit die Beklagte die Gewährung einer Unfallrente für den Zeitraum vom März 2001 an abgelehnt hat. Gegenstand der Prüfung ist nur, inwieweit die Unfallfolgen, zu deren Anerkennung das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat, vorliegen und inwieweit die zuvor anerkannten Unfallfolgen, ggf. mit den zusätzlichen Unfallfolgen im Sinne der Verurteilung, eine Min-derung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. bedingen. Das Gericht hat den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht im Hinblick auf weitere Unfallfolgen zu überprüfen. Dem steht der insoweit nicht mehr angegriffene, die Unfallfolgen feststellende Verwaltungsakt im Bescheid vom 21. Februar 2002 mit Tatbestandswirkung entgegen. Denn diese Feststellung erhebt Anspruch auf Vollständigkeit, wie bei Kenntnis der gesamten Umstände daraus folgt, dass sie das Ergebnis der Begutachtung der gesamten Unfallfolgen und deren Auswertung wiedergibt. Dagegen spricht auch nicht, dass die Beklagte in dem Bescheid bestimmte Krankheiten als Unfallfolgen ausdrücklich abgelehnt hat. Denn dies geschieht nicht nur im Hinblick auf eine Ablehnung gegenwärtiger Unfallfolgen, sondern enthält zugleich die Feststellung, dass bestimmte Gesundheitsstörungen bereits (unfallunabhängig) vorgelegen haben, die später als mittelbare Unfallfolgen geltend gemacht werden könnten. Eine solche, der Bestandskraft fähige Abgrenzung ermöglicht die abschließende Feststellung der Unfallfolgen nicht, weil sie gegen neu eintretende Krankheiten keine Bestandskraft entfalten kann, solange diese noch im Rahmen eingelegter Rechtsbehelfe geltend gemacht werden können. Einer Prüfung der späteren Unfallereignisse und ihrer Folgen steht hier aber die gem. § 77 SGG eingetretene Bestandskraft der Feststellung der Unfallfolgen entgegen. Denn die Unfallfolgen, die Gegenstand der Verurteilung der Beklagten durch das Sozialgericht sind, stehen mit diesen späteren Ereignissen nicht in Zusammenhang. Eine zwischenzeitlich wohl bestehende Möglichkeit, durch eine Antragstellung auf Feststellung weiterer Unfallfolgen aus den späteren Sturzereignissen die Bestandskraft nicht eintreten zu lassen, hat die Klägerin durch ihre eingeschränkte Antragstellung vor dem Sozialgericht nicht in Anspruch genommen. Es kann dahinstehen, ob eine Schädigung des Plexus lumbalis bzw. Nervus ischiadicus bewiesen ist. Jedenfalls ist diese nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge des Unfalles (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) der Klägerin vom 5. April 2000. Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist aber erforderlich, d.h. für den Zusammenhang muss mehr als dagegen sprechen, und ernste Zweifel müssen ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Hier verbleiben an einem Unfallzusammenhang ernste Zweifel. Diese treten insbesondere auf, weil der für den Nachweis des Krankheitsbildes maßgebliche Befund mindestens der Art nach beiderseits vorliegt. Für eine Beeinträchtigung der rechten Körperseite findet sich aber nirgends eine Erklärung aus dem Unfallgeschehen, ebenso wenig dafür, dass das Krankheitsbild links wesentlich auf den Unfall zurückzuführen sein könnte, obwohl es auch rechts der Art nach vorliegt. Dr. H. / Dr. R. stützen den Nachweis der Schädigung des Plexus lumbalis bzw. Nervus ischiadicus entscheidend auf eine elektromyographische Bestätigung einer trophischen Störung des linken vorderen Schienbeinmuskels. Die insoweit als Diagnose aufgenommene leichte Alteration des Plexus lumbalis liegt "dezent auch rechts" vor und ist auch insoweit Teil der Diagnosen. Für diese Betroffenheit der rechten Seite gibt es, worauf Dr. C. überzeugend hinweist, keine Erklärung durch den erlittenen Sturz auf die linke Seite. Dr. R. hat auch in seiner erneuten Stellungnahme in Kenntnis der Einwände Dr. C. dafür keine Erklärung abgegeben, sondern sich auf die stärkere Betroffenheit der linken Seite, die "Seitenbetonung", gestützt. Dies kann die verbleibenden ernsten Zweifel beim Senat nicht beseitigen. Entsprechendes gilt für den zweiten von Dr. H. / Dr. R. als Nachweis für die distale Nervenschädigung angeführten Umstand eines "Ausfalls" des Achillessehnenreflexes. Richtigerweise haben die genannten Ärzte selbst keinen Ausfall, sondern einen beidseits unterdurchschnittlich lebhaften Achillessehnenreflex mit Verminderung links gegenüber rechts erhoben. Bei allen anderen Reflexprüfungen ergeben sich aber keine Seitenunterschiede des Achillessehnenreflexes. Dr. Z. hat seitengleiche Muskeleigenreflexe erhoben, Dr. E. seitengleich schwach auslösbare Muskeldehnungsreflexe, Dr. K. einen seitengleich lebhaft auslösbaren Achillessehnenreflex und Dr. C. einen seitengleich abgeschwächt auslösbaren Achillessehnenreflex. Die danach allein als seitengleich feststellbaren Reflexe können auch insoweit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf Wirkungen eines Knochenbruchs links zurückgeführt werden. Mit anderer Begründung ist ein Unfallzusammenhang der Schädigung des Plexus lumbalis bzw. Nervus ischiadicus nicht wahrscheinlich zu machen. Der unfallbedingte Schädigungsmechanismus steht nicht fest und wird von Dr. K. nur im Sinne zweier, in ihrer Wahrscheinlichkeit nicht abgestufter Möglichkeiten – Einblutung und Callusbildung – benannt, aus denen sich keine Wahrscheinlichkeit des Zusammenhanges ab-leiten lässt. Beide Möglichkeiten haben jedenfalls eine mechanische Wirkung auf den Plexus lumbalis bzw. Nervus ischiadicus zum Gegenstand, die sturzbedingt nur durch die Brüche auf der linken Körperseite aufgetreten sein kann und als Erklärung für eine Mitbetroffenheit der rechten Seite nicht geeignet ist. Der Unfallzusammenhang lässt sich auch nicht allein aus dem Ausschluss zweier mög-licher unfallunabhängiger Ursachen ¬– einer Polyneuropathie und einer Nervenwurzelreizung im Lendenwirbel-Kreuzbein-Bereich – wahrscheinlich machen; insoweit kann dahinstehen, ob dieser Ausschluss zwingend ist. Ein zu einer anderen Ursache nicht passendes Befundbild kann dann nicht zum Beleg einer Unfallursache beitragen, wenn auch dazu das Befundbild nicht passt. Ist danach eine Schädigung des Plexus lumbalis bzw. des Nervus ischiadicus nicht unfallbedingt, liegt auch keine Grundlage dafür vor, neuralgiforme Schmerzen als unfallbedingt anzusehen. Denn Dr. H. / Dr. R. lassen keinen Zweifel daran, dass die Schädigung des Plexus lumbalis bzw. Nervus ischiadicus auch die Erklärung für neuralgiforme Schmerzen ist. Soweit Dr. R. in seinem Gutachten vom 18. Februar 2009 auch die Möglichkeit eines Schmerzsyndroms mit autonomen Anteilen andeutet, setzt er dies von neuralgiformen (von ihm als neuropathisch bezeichnet) Schmerzen ab, die allein Gegenstand des Berufungsbegehrens der Beklagten sind. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass für ein solches Schmerzsyndrom – wie Dr. R. einräumt – auch jede Diagnostik fehlt. Eine mündliche Erläuterung des Gutachtens nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) war auch im Hinblick auf die Antragstellung der Klägerin nicht erforderlich, weil der Sachverständigenbeweis bereits vollständig erhoben worden ist. Der Antrag der Klägerin bezieht sich auf die Bedenken des Gerichts, die die Entscheidung tragen, nämlich die Seitengleichheit der maßgeblichen Befunde. Diese erfordern aber nicht die mündliche Vernehmung der Sachverständigen Dr. K. und Dr. R ... Soweit es um die Befunderhebung geht, haben Dr. K. / Dr. R. die Beweisfragen eindeutig beantwortet. Dies gilt auch für die Erhebung der Reflexe. Insoweit kann unterstellt werden, dass sie ihre angegebenen Befunde so erhoben haben. Während sie die Abweichung der Befunde untereinander im Rahmen einer mündlichen Erläuterung noch klären können mögen, ist eine solche Erläuterung bezüglich der abweichenden anderen Reflexprüfungen aber schlechthin ungeeignet. Auch ihre Schlussfolgerungen für die Wahrscheinlichkeit des Unfallzusammenhanges haben die Sachverständigen klar dargelegt. Dies alles bestreitet die Klägerin auch nicht. Allein im Rahmen der Anwendung der Beweismaßstäbe kommt der Senat zu abweichenden Ergebnissen. Denn nur in der Schlussfolgerung, ob denn allein die "Seitenbetonung" in Form stärker ausgeprägter Befunde auf der linken Seite – so Dr. R. und ihm folgend Dr. K. – eine Wahrscheinlichkeit des Unfallzusammenhanges begründet, die ernste Zweifel ausschließt, nimmt der Senat eine abweichende Wertung vor. Dies hat aber seine Ursache nicht in mangelnder Klarheit der Äußerungen der Sachverständigen, sondern in deren fehlender Schlüssigkeit. Die anerkannten Unfallfolgen rechtfertigen für den Zeitraum ab März 2001 keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. mehr. Der Senat folgt dabei der Einschätzung von Dr. C. und der von Dr. K. in seinem Gutachten vom 24. Mai 2004, in dem er ebenfalls die Auffassung vertreten hat, ohne den Nachweis einer unfallbedingten Schädigung des Plexus lumbalis beschränke sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 10 v. H ... Grundlage für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – in der insoweit unveränderten Ausgangsfassung v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) der Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft (BSG, Urt. v. 18. 3. 2003 – B 2 U 31/02 R – Breithaupt S. 565; Urt. v. 2. 11. 1999 – B 2 U 49/98 RSozR 3-2200 § 581 Nr. 6). Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis. Nach den medizinischen Erfahrungssätzen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 654; Podzun, Unfallsachbearbeiter, Ordn. Nr. 500) bedingt ein abgeheilter – auch instabiler – Beckenbruch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit, soweit – wie hier – keine Schoßfugenerweiterung und keine Verschiebung einer Beckenhälfte über 10 mm vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall, weil sowohl Scham- als auch Kreuzbein anatomisch zusammengewachsen sind. Die isolierte und geringe Verschiebung des Sitzbeins allein führt nach dessen Lage nicht zu einer Verschiebung einer ganzen Beckenhälfte. Die Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks bedingt hier eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H., weil die dafür Ausschlag gebende Beweglichkeit in Streckung und Beugung auf 0/10/90 Grad (Schönberger u.a., a.a.O., S. 656; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, J 031, Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl., S. 168) von der Klägerin nicht unterschritten wird. Sie liegt nach der Messung von Dr. K. bei 0/10/100 und der von Dr. C. bei 0/0/90 Grad. Auch die nach der Erhebung von Dr. K. endgradige Schmerzhaftigkeit rechtfertigt keine Erhöhung, da sie eine schmerzfreie Beweglichkeit in dem für die Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. hinreichenden Bewegungsbereich zulässt. Die Berufung hat keinen Erfolg, soweit das Sozialgericht die Beklagte für einen Zeit-raum vom 16. Juni 2000 bis zum 28. Februar 2001 verurteilt hat, der Klägerin Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu zahlen. Insoweit beschwert der Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2003 die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil er rechtswidrig ist. Denn in dieser Zeit lag bei der Klägerin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um (wenigstens) 20 v. H. im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII vor, die danach einen Rentenanspruch begründet. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung Dr. Z. , wonach die Minderung der Erwerbsfähigkeit während der Zeit der fehlenden Ausheilung des Sitzbeinbruches mit 20 v. H. zu bewerten war. Eine untypische schmerzhafte Belastungseinschränkung der Klägerin, die ihren glaubhaften Beschwerdeäußerungen entspricht, ergibt sich aus dem untypisch langwierigen Heilungsverlauf. Dazu führt Dr. Z. nachvollziehbar aus, es sei allgemein bekannt, dass verzögerte Knochenbruchheilungen zu belastungsabhängigen Beschwerden führten. Darin liegen entgegen den beratungsärztlichen Stellungnahmen der Beklagten auch hinreichende Befunde, um eine besondere Schmerzhaftigkeit zu begründen, zumal die Beklagte selbst betont, Beschwerdeäußerungen, die für die später diagnostizierte Nervenschädigung sprächen, hätten zu dieser Zeit nicht erkennbar vorgelegen. Dies steht auch in Einklang mit den medizinischen Erfahrungssätzen (s.o.), nach denen etwa – vergleichbar – eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. für eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk nicht ausreichend ist. Die ungewöhnlich lange Dauer der Ausheilung des Sitzbeinbruches folgt schon aus der Einschätzung Dr. Z. vom 20. Februar 2001, mit einer Ausheilung der Falschgelenksbildung in diesem Bereich sei nun nicht mehr zu rechnen. Die rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit endet mit dem Datum der Untersuchung durch Dr. Z. am 18. Februar 2001, der darauf gestützte Ren-tenanspruch nach § 73 Abs. 2 S. 1 SGB VII mit dem Monatsende. Er selbst hat dieses Datum zum Maßstab dafür genommen, dass der höhere, auf die noch nicht erfolgte Ausheilung des Bruches gestützte Rentenanspruch endet. Dies ist vor dem Hintergrund der erst später gesicherten Kenntnis um die zu dieser Zeit erfolgte Abheilung des Sitzbeinbruches nachvollziehbar, weil die erhobenen Befunde nach dem Bericht von Dr. Z. keine gegenüber der Folgezeit stärkeren Funktionseinschränkungen mehr erkennen lassen. Dass die Abheilung zu dieser Zeit bereits erfolgt sein kann, ergibt sich aus der Röntgenaufnahme vom 31. Januar 2001, auf der eine Kallusbildung auch am Sitzbein zu erkennen ist, wie Dr. E. in Auswertung der Aufnahme mitteilt. Der genaue Ausheilungszeitpunkt ist zwischen Mitte Februar und Anfang Mai 2001 zu Lasten der Klägerin nicht mehr festzustellen, da in dieser Zeit keine Aufnahmen gefertigt worden sind. Nach Abheilung des Bruches stützt Dr. Z. seine Einschätzung einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit allein auf die Muskelminderung, verminderte Muskelkraft und eingeschränkte Beweglichkeit des Hüftgelenkes im Bereich des linken Beines. Insoweit kommt eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit aus den o. a. Gründen nicht in Betracht, zumal nach der Einschätzung von Dr. St. vom Februar 2001 bereits eine Ischiadicusreizung vorlag. Die Muskelminderung kann auch seit dieser Zeit nicht mehr als Ausdruck einer unfallbedingten Schonung angesehen werden, da sie durch eine Nervenschädigung erklärbar ist und der Muskelumfang nach Abheilen des Beckenbruches nicht wieder zugenommen hat. Die Erklärbarkeit der Muskelminderung durch die Nervenschädigung ergibt sich z. B. aus dem Gutachten von Dr. K. vom 24. Mai 2004, in dem er die generalisierte Abschwächung der Muskulatur des linken Beines mit der von ihm damals vermuteten Nervenschädigung in Verbindung bringt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG nach dem Ausmaß des Obsiegens und Unterliegens. Gründe für die Zulassung der Revision liegen gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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