Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1612/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3146/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. April 2007 aufgehoben, soweit die Beklagte unter Aufhebung bzw. Abänderung der der Bescheide vom 25. April 2002 und vom 14. April 2003 beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2004 verurteilt worden ist, eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge anzuerkennen und dem Kläger ab 6. November 2001 Verletztenrente nach einer höheren MdE als einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte erstattet dem Kläger 1/3 der außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und die Feststellung einer psychiatrischen Erkrankung als Unfallfolge.
Der 1948 geborene Kläger erlitt am x Mai 2000 während seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer einen schweren Unfall, als er auf der Autobahn A 7 in der Nähe von K. auf einen stehenden Lkw auffuhr. Nach dem D-Bericht vom 17. Mai 2000 war der Kläger nach dem Unfall ca. eineinhalb Stunden im seinem Lkw eingeklemmt, bevor er von der Berufsfeuerwehr befreit werden konnte. Beim Eintreffen des Notarztes war der Kläger wach und ansprechbar. Nach der Bergung und der notärztlichen Versorgung erfolgte der Transport ins Klinikum K., wo er bis zum 23. Juni 2000 stationär versorgt wurde. Im Verlauf dieses Aufenthaltes wurden insgesamt fünf Operationen an den Beinen und eine Operation am rechten Arm durchgeführt. Nach dem Entlassbericht vom 23. Juni 2000 wurden folgende Diagnosen gesellt: Schädel-Hirn-Trauma I. Grades; Thorax-Trauma mit Rippenserienfraktur links 3. bis 9. Rippe; Unterschenkel-Zweietagenfraktur rechts; ausgedehnte Weichteilverletzung beider Unterschenkel mit Mecollement rechts ausgeprägter als links; Radiusfraktur rechts; Scapholunäre Luxation bei SL-Bandruptur; Weichteilverletzung rechtes Auge.
Am 23. Juni 2000 erfolgte die Verlegung des Klägers vom Klinikum K. in das Kreiskrankenhaus F., wo er bis zum 29. Juli 2000 stationär behandelt wurde. In dieser Zeit erfolgte eine Metallentfernung am rechten Handgelenk sowie eine Fortsetzung der Rehabilitationsbehandlung, die danach weiterhin ambulant durchgeführt wurde. Wegen ausgeprägter Beschwerden im rechten Fuß und weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit erfolgte in der Zeit vom 8. Mai bis 29. Juni 2001 ein stationäres Heilverfahren in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T ... Im Rahmen dieses Verfahrens wurde am 17. Mai 2001 eine Narbenexzision mit Sekundärnaht durchgeführt, da sich am lateralen Fußrand eine große, eingezogene Narbe mit gelegentlicher Sekretion gebildet hatte. Die Wundheilung gestaltete sich bei ausgeprägten narbigen und sklerotisierenden Weichteilverhältnissen schwierig; Die Wunde heilte jedoch zuletzt blande ab. Im Entlassbericht vom 9. Juli 2001 wird abschließend ausgeführt, dass trotz intensiver stationärer Krankengymnastik, suffizienter Schuhversorgung und Normalisierung der Weichteilsituation am rechten Fersenbein der Zustand des Klägers habe nicht verbessert werden können. Der Kläger sei nicht von seinen Gehstöcken zu entwöhnen gewesen. Dr. B., Kreiskrankenhaus F. erstattete unter dem 10. Februar 2002 das Erste Rentengutachten. Er kam darin zu dem Ergebnis, dass nach Beendigung des Verletztengeldbezuges am 5. November 2001 die MdE bis November 2002 mit 30 v.H. und danach voraussichtlich nur noch mit 20 v.H. einzuschätzen sei.
Mit Bescheid vom 25. April 2002 bewilligte die Beklagte daraufhin dem Kläger Verletztenrente ab 6. November 2001 in Höhe von 30 v.H. unter Anerkennung der auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet festgestellten Unfallfolgen.
Mit weiterem Bescheid vom 25. Mai 2002 lehnte die Beklagte das vom Kläger für die Zeit vom 30. Juli 2000 bis 8. Mai 2001 beantragte Pflegegeld ab. Hierbei stützte sie sich auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 11. Juni 2002. Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein.
Das Zweite Rentengutachten zur Festsetzung der Dauerrente erstellte für die Beklagte Prof. Dr. H ... Dieser kam unter dem 14. Februar 2003 zu dem Ergebnis, dass die beim Kläger noch bestehenden Unfallfolgen (Fersendeformität rechts mit verschmälertem Weichteilmantel lateral, Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk sowie an den Zehengelenken rechts, Sensibilitätsminderungen an den Narbenbereichen am rechten Fuß, Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk in allen Ebenen sowie am Endgelenk des rechten Zeigefingers, deutlich hinkendes Gangbild) nur noch eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen würden. Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2003 die Rente ab 1. Mai 2003 nach einer MdE um 20 v.H. fest. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2004 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 25. April 2002 und 14. April 2003 zurück. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid das Pflegegeld betreffenden Bescheid vom 25. Mai 2002 zurück.
Am 21. Mai 2004 hat der Kläger gegen die Bescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben. Mit Beschluss vom 2. August 2004 wurden die Verfahren (S 4 U 1612/04 und S 4 U 1612/04) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 4 U 1612/04 verbunden.
Nach Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte bei dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. W., dem Psychiater Dr. S. sowie dem Chirurgen Dr. M. hat die Kammer ein orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. H. sowie ein psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. F. in Auftrag gegeben. Prof. Dr. H. ist in seinem Gutachten vom 22. Juli 2005 zu dem Ergebnis gelangt, dass die auf den Unfall zurückzuführenden funktionellen Störungen am rechten Arm und Bein, insbesondere an Unterarm und Hand sowie an Unterschenkel und Fuß mit einer MdE um 30 v.H. ab 6. November 2001 zu bewerten seien. Eine Pflegebedürftigkeit aufgrund der Unfallfolgen habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Dr. G. schloss sich in der von der Beklagten vorgelegten ärztlichen Stellungnahme voll umfänglich den Ausführungen von Prof. Dr. H. an. Prof. Dr. F. ist in seinem Gutachten vom 12. April 2006 unter Berücksichtigung eines hirnelektrischen, eines neuroradiologischen sowie eines psychologischen Zusatzgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass auf psychiatrischem Fachgebiet als Unfallfolge eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom bestehe. Die beim Kläger vorhandene psychische Symptomatik könne mit Blick auf den zeitlichen Verlauf nicht als Anpassungsstörung und auch nicht als posttraumatische Belastungsstörung eingeschätzt werden. Es sei aber davon auszugehen, dass als längerfristige psychoreaktive Folge des traumatischen Erlebnisses und der residuellen körperlichen Beeinträchtigungen eine persistente depressive Störung entstanden sei. Der Schweregrad sei auf der Grundlage der anamnestischen Angaben, des psychischen Untersuchungsbefundes und der testpsychologischen Zusatzdiagnostik als mittelgradig bis schwer einzuschätzen und mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Aufgrund der geringen Überschneidungsbereiche mit der unfallbedingten MdE auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet sei die Gesamt-MdE seit 1. November 2001 mit 50 v.H. einzuschätzen.
Gegen die Beurteilung von Prof. Dr. F. hat sich die Beklagte unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 28. Mai 2006 gewandt. Dr. K. hat darin die Ansicht vertreten, dass den erhobenen Befunden weder das Vorliegen eines schweren oder mittelschweren depressiven Syndroms entnommen, noch mit Blick auf die große zeitliche Latenz des erstmaligen Auftretens der depressiven Beschwerden ein Unfallzusammenhang hergestellt werden könne. Prof. Dr. F. ist dem in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. November 2006 entgegengetreten.
Mit Urteil vom 23. April 2007 hat das SG den Bescheid vom 25. April 2002 sowie den Bescheid vom 14. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2004 abgeändert bzw. aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Feststellung einer mittelschweren bis schweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge ab 6. November 2001 Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Verurteilung der Beklagten hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet verbliebenen Unfallfolgen bedingten nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. eine MdE um 30 v.H. Auch die Beklagte erachte die Bemessung der Unfallfolgen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet mit 30 v.H. für zutreffend. Als weitere Unfallfolge liege eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom vor. Die Kammer stütze sich insoweit auf das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. F ... Er sei zu dem Ergebnis gelangt, dass sich beim Kläger als längerfristige psychoreaktive Folge des traumatischen Unfallerlebnisses und der residuellen körperlichen Beeinträchtigungen ab November 2001 eine persistent depressive Störung herausgebildet habe. Diese Störung gehe einher mit einem somatischen Syndrom in Form von Kopfschmerzen, Schlafstörungen, rezidivierenden Ängsten, innerer Unruhe, Schwindel, Konzentrationsstörungen, Alpträumen, Aufmerksamkeitsstörungen und rezidivierenden Suizidgedanken. Es bestehe kein Anhalt dafür, dass diese psychische Symptomatik bereits vor dem Unfallereignis bestanden habe. Angesichts des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Schweregrad der körperlichen Unfallfolgen sei davon auszugehen, dass die psychische Symptomatik als psychovegetative Unfallfolge aufgetreten sei. Da nach dem Unfallereignis zunächst die Versorgung der körperlichen Unfallschäden in chirurgischen und orthopädischen Abteilungen im Vordergrund gestanden habe, sei es nachvollziehbar, dass die psychischen Reaktionen auf die traumatischen Ereignisse von dem Kläger initial weniger geäußert und von den behandelnden Ärzten weniger beachtet worden sei. Nach den eigenanamnestischen Angaben hätten sich eine deutlich depressive Stimmungslage sowie rezidivierende Ängste und Alpträume etwa erst zwölf Monate nach dem Unfallereignis in vollem Umfang herausgebildet. Dies stehe auch in Einklang mit der Tatsache, dass sich der Kläger ab Mai 2002 aufgrund einer schweren depressiven Störung in die ambulante Behandlung bei Dr. S. begeben habe. Aufgrund des von Prof. Dr. F. beschriebenen Ausprägungsgrades der Störung sowie der aktenkundigen Befunde des Dr. S. sei die Einschätzung der Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet mit einer MdE um 30 v.H. für zutreffend zu erachten. Damit ergebe sich mit Blick auf die geringe Überschneidung der MdE auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet eine Gesamt-MdE seit 6. November 2001 von 50 v.H. Soweit Dr. K. sich gegen die Beurteilung von Prof. Dr. F. gewendet habe, vermöge ihm die Kammer nicht zu folgen. Die zeitliche Latenz zwischen Unfallereignis und Auftreten der psychischen Symptomatik spreche nicht gegen einen Unfallzusammenhang. Prof. Dr. F. habe durchaus plausibel dargelegt, dass die langfristigen Folgen der körperlichen Beeinträchtigung erst dann realisiert würden, wenn ein weitgehend stabiler Zustand der residuellen körperlichen Symptomatik eingetreten sei. Darüber hinaus sei es zu berücksichtigen, dass psychische Beeinträchtigungen teilweise erst mit steigenden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit im privaten und beruflichen Bereich im Zuge der Ausheilung der körperlichen Unfallfolgen in Erscheinung träten. Der zeitlichen Latenz habe Prof. Dr. F. insoweit zutreffend Rechnung getragen, dass er die psychische Symptomatik nicht als Anpassungsstörung und auch nicht als posttraumatische Belastungsstörung beschrieben, sondern die Diagnose einer depressiven Störung mit somatischem Syndrom gestellt habe. Anhaltspunkte für eine konkurrierende Ursache bestünden nicht. Entgegen der Ansicht von Dr. K. sei der Schweregrad der depressiven Störung nicht deshalb geringer zu erachten, weil eine geeignete Therapie bisher nicht durchgeführt worden. Die von Prof. Dr. F. festgestellten Symptome - deutlich niedergeschlagene Stimmungslage, ein ausgeprägter Interessen- und Freudverlust, deutliche Antriebsminderung, Konzentrations- und Gedächtnisstörung, innere Anspannung und Unruhe, Verlust des Selbstvertrauens und rezidivierende suizidale Gedanken, Schlafstörungen, Alpträume - zeigten, dass der Schweregrad zutreffend als mittelschwer bis schwer festgestellt worden sei.
Gegen dieses ihr am 1. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Juni 2007 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, mit der sie das Urteil angreift, soweit sie verurteilt wurde, unter Feststellung einer mittelschweren bis schweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge ab 6. November 2001 Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Soweit vom SG eine MdE von 30 v.H. für die orthopädisch-unfallchirurgischen Unfallfolgen zugrunde gelegt wurde, greift sie die Entscheidung nicht an. Weitere Unfallfolgen liegen jedoch ihrer Ansicht nach nicht vor. Zur Begründung hat sich die Beklagte im Wesentlichen auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Stellungnahme von Dr. K. berufen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. April 2007 aufzuheben, soweit sie unter Aufhebung bzw. Abänderung der der Bescheide vom 25. April 2002 und vom 14. April 2003 beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2004 verurteilt worden ist, eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge anzuerkennen und dem Kläger ab 6. November 2001 Verletztenrente nach einer höheren MdE als einer MdE von 30 v.H. zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hat sich auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F. berufen. Weiterhin hat er zusätzliche Unfallfolgen auf augenärztlichem Gebiet geltend gemacht.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung von sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte sowie durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. B. und eines augenärztlichen Sachverständigengutachtens von PD Dr. S ... Prof. Dr. B. ist in seinem Sachverständigengutachten vom 19. Februar 2008 zu dem Ergebnis gekommen, die bei dem Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet feststellbaren bzw. aus seinen eigenen anamnestischen Angaben ableitbaren Krankheiten - leicht ausgeprägtes Wirbelsäulen-Syndrom ohne daraus resultierende sensible bzw. motorische neurologische Defizite und leichte neurotische Störungen im Sinne einer Dysthymie bzw. im Sinne einer sog. anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. im Sinne einer Somatisierungsstörung - seien durchgängig als unfallunabhängig einzuordnen. Eine traumatisch bedingte Contusio cerebri (= substantielle Hirnschädigung dauerhafter Natur) sei auszuschließen. Auch psycho-organische bzw. psycho-reaktive Folgekrankheiten (unfallbedingter Genese) seien auszuschließen. PD Dr. S. ist in seinen Sachverständigengutachten vom 30. November 2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass sich aus augenärztlicher Sicht kein Anhalt für einen Zusammenhang der vom Kläger geschilderten Beschwerden und dem Unfall sicher feststellen lasse. An dieser Einschätzung hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. Juli 2009 festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die SG-Akte des Ausgangsverfahrens, die Berufungsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig; Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 25. April 2002 und vom 14. April 2003 beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2004. Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des SG nur soweit auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) i.V.m. der Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG unter Änderung der Bescheide vom 25. April 2002 und 14. April 2003 eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge festgestellt und sie verurteilt wurde, dem Kläger eine Verletztenrente nicht nach einer MdE von 30 v.H., sondern nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren.
Die so beschränkte Berufung hat in vollem Umfang Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung einer mittelschweren bis schweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge und keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als einer MdE von 30 v.H.
Auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch finden die Vorschriften des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anwendung. Die Voraussetzungen für die begehrte Feststellung und die begehrten Leistungen liegen, soweit das zusprechende Urteil mit der Berufung angegriffen wird, nicht vor.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1). Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist (BSG SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R -, veröffentlicht in Juris). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 aF RVO; SozR Nr. 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67).
Die Höhe der MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung: BSG, SozR 2200 § 581 Nr. 28 m.w.N., vgl. BT-Drucks. 13/2204 S. 90). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 6).
Der Kläger hat am 9. Mai 2000 einen Arbeitsunfall i. S. d. § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erlitten, der als solcher von der Beklagten mit Bescheid vom 25. April 2002 anerkannt worden ist. Weiterhin wurden mit Bescheiden vom 25. April 2002 und 14. April 2003 folgende Unfallfolgen anerkannt: Polytrauma mit Schädelhirntrauma und Weichteilverletzung am rechten Auge, Brustkorbtrauma mit Rippenserienbruch 3.bis 9. Rippe, operativ versorgter, knöchern in achsengerechter Stellung verheilter Unterschenkelzweietagenbruch rechts bei noch liegendem Metall sowie ausgedehnte Weichteilverletzung beider Unterschenkel und Füße mit Weichteildefekten, die am rechten Fuß mit Mesh-craft-plastik versorgt wurden und operativ versorgter, knöchern verheilter Speichenbruch rechts bei entferntem Metall mit Stauchung des Kahn- und Mondbeins. -Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes mit Einschränkung der Muskelkraft -Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenkes -Schwellung am oberen Sprunggelenk rechts und am Fußrücken rechts -Sensibilitätsstörungen am rechten Fuß mit vermindertem Weichteilmantel an der rechten Ferse -Kalksalzminderung am rechten Fuß -Beugedefizit der Zehen rechts -hinkendes Gangbild rechts -subjektive, belastungsabhängige Beschwerden.
Aus diesen anerkannten sowie weiteren von Prof. Dr. H. festgestellten orthopädisch-chirurgischen Unfallfolgen lässt sich keine höhere MdE als eine MdE von 30 v.H. rechtfertigen. Auch der Senat hält das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H. für schlüssig und überzeugend. Er sieht auch keine Anhaltspunkte für weitere Unfallfolgen auf orthopädisch-unfallchirurgischen Gebiet. Dies gilt insbesondere auch für die vom Kläger genannten kleinen Weichteilverknöcherungen, weil allein die Möglichkeit, dass diese auf den Unfall zurückzuführen sein können, nicht ausreicht.
Entgegen der Beurteilung des SG sind aber weitere Unfallfolgen auch auf anderen medizinischen Fachgebieten nicht feststellbar. Zunächst ist eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom nicht als weitere Unfallfolge festzustellen. Die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente für sie ist ebenso wie für andere Gesundheitsstörungen möglich. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist aber zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B. ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl. 2001). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, um so einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten. Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, veröffentlicht in Juris m.w.N.).
Derart klar definierte Gesundheitsstörungen des Klägers können hier nicht festgestellt werden. Insbesondere kann der Diagnose von Prof. Dr. F. nicht gefolgt werden. Dieser geht von einer mittelgradigen bis schweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom (ICD-10: F 32.21) aus. Zu Recht hat Prof. Dr. B. insoweit zunächst darauf hingewiesen, dass es diese Diagnose nach dem ICD-10 nicht gibt, sondern ICD-10: F 32 eine depressive Episode beschreibt. Die Beschreibung lautet wie folgt: Depressive Episode Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden, leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Abhängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu bezeichnen. Inkl.: Einzelne Episoden von: depressiver Reaktion psychogener Depression reaktiver Depression (F32.0, F32.1, F32.2) Exkl.: Anpassungsstörungen ( F43.2 ) depressive Episode in Verbindung mit Störungen des Sozialverhaltens ( F91.- , F92.0 ) rezidivierende depressive Störung ( F33.- ) F32.0 Leichte depressive Episode Gewöhnlich sind mindestens zwei oder drei der oben angegebenen Symptome vorhanden. Der betroffene Patient ist im allgemeinen davon beeinträchtigt, aber oft in der Lage, die meisten Aktivitäten fortzusetzen. F32.1 Mittelgradige depressive Episode Gewöhnlich sind vier oder mehr der oben angegebenen Symptome vorhanden, und der betroffene Patient hat meist große Schwierigkeiten, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen. F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome Eine depressive Episode mit mehreren oben angegebenen, quälenden Symptomen. Typischerweise bestehen ein Verlust des Selbstwertgefühls und Gefühle von Wertlosigkeit und Schuld. Suizidgedanken und -handlungen sind häufig, und meist liegen einige somatische Symptome vor. Einzelne Episode einer agitierten Depression Einzelne Episode einer majoren Depression [major depression] ohne psychotische Symptome Einzelne Episode einer vitalen Depression ohne psychotische Symptome F32.3 Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen Eine schwere depressive Episode, wie unter F32.2 beschrieben, bei der aber Halluzinationen, Wahnideen, psychomotorische Hemmung oder ein Stupor so schwer ausgeprägt sind, dass alltägliche soziale Aktivitäten unmöglich sind und Lebensgefahr durch Suizid und mangelhafte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme bestehen kann. Halluzinationen und Wahn können, müssen aber nicht, synthym sein. Einzelne Episoden: majore Depression [major depression] mit psychotischen Symptomen psychogene depressive Psychose psychotische Depression reaktive depressive Psychose
Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F. lässt nicht erkennen, welche der oben genannten Symptome im vorliegenden Fall tatsächlich von ihm festgestellt worden sind. Es ist damit nicht nachvollziehbar, auf welchen Untersuchungsergebnissen die Diagnose beruht. Die vom Kläger zu seinen aktuellen Beschwerden gemachten subjektiven Angaben, die hier die Grundlage bilden dürften, ohne dass die als erfüllt angesehenen Symptome im Einzelnen genannt werden, werden nicht anhand eines - nicht erhobenen - aktuellen Tagesablauf überprüft. Es fehlt damit die Feststellung von konkreten und objektivierbaren Beeinträchtigungen (s. unten). Dem Gutachten von Prof. Dr. F. lässt sich auch im Übrigen nicht entnehmen, dass der Kläger große Schwierigkeiten hat, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen. Lediglich aus den testpsychologischen Untersuchungen wird abgeleitet, dass kognitive Einschränkungen vorliegen. Auch insoweit fehlt aber eine kritische Hinterfragung der Motivation, zu der bereits das Vorgutachten von Dr. D. Anlass gegeben hätte, nach dem die dort ebenfalls testpsychologisch festgestellten Leistungsdefizite auf mangelnde Motivation zurückzuführen waren.
Auch einen Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung mit dem Unfallereignis leitet der Sachverständige nicht schlüssig und nachvollziehbar her. Für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen gelten die obigen allgemeinen Grundsätze. Insofern kann offen bleiben, ob die von Prof. Dr. F. diagnostizierte depressive Episode ICD F32.21 per se eine anlagebedingte Erkrankung darstellt, oder auch durch ein äußeres Ereignis hervorgerufen werden kann. Denn jedenfalls fehlen für die Annahme, dass hier die - wie dargelegt nicht schlüssig festgestellte - depressive Störung eine Unfallfolge ist, tragfähige Angaben. Der Sachverständige Prof. Dr. F. legt insoweit dar, dass dieser keine Hirnverletzung zugrunde liegt. Weiter gibt er an, dass es kein Anhalt dafür besteht, dass die von ihm angenommene Symptomatik bereits vor dem Unfallereignis bestanden habe. Angesichts des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis und dem Schweregrad der körperlichen Unfallfolgen sei davon auszugehen, dass diese als psychovegetative Unfallfolge aufgetreten sei. Aus dem rein zeitlichen Aufeinanderfolgen des Autounfalls und der später auftretenden psychischen Gesundheitsstörung sowie der mangelnden Feststellung konkurrierender Ursachen kann aber nicht gefolgert werden, dass die psychischen Gesundheitsstörungen des Klägers wesentlich durch den Unfall verursacht wurden. Angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren, die unter Umständen noch nicht einmal dem Kläger bewusst sind, würde dies zu einer Beweislastumkehr führen, für die keine rechtliche Grundlage zu erkennen ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Auch wird ein Zusammenhang mit der Schwere der nicht im Einzelnen diskutierten Unfallfolgen und ihren verbleibenden Beeinträchtigen nicht mit Ergebnissen der Untersuchung belegt. Vielmehr wird die Diagnose im Wege des Ausschlusses begründet. Es wird insoweit zunächst dargelegt und schlüssig begründet, dass weder eine Anpassungsstörung noch eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, da die für ihre Diagnose maßgeblichen Beschwerden erst nach mehr als sechs Monaten aufgetreten sind. Ein Unfallzusammenhang wird deswegen aber nicht in Frage gestellt. Vielmehr stellt Prof. Dr. F. fest, dass somit davon auszugehen sei, dass als längerfristige psychoreaktive Folge des traumatischen Erlebnisses und der residuellen körperlichen Beeinträchtigungen eine persistente depressive Störung entstanden sei. Er zieht eine unfallunabhängige Erkrankung überhaupt nicht in Betracht. Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. B. schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass, wenn man von einer reaktiven Genese eines solchen Störungsbildes ausgehen wolle (depressive Reaktion bzw. reaktive Depression, vgl. S. 141 der ICD-10, allerdings ohne damit einhergehendes somatisches Syndrom), wie bei einer Anpassungsstörung bzw. bei einer depressiven Reaktion (ICD-10: F 43.20 bzw. F 43.21) auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem belastenden Ereignis und der Manifestation der depressiven Symptomatik gegeben sein müsse, der hier gerade nicht vorliege. Diesem bereits von Dr. K. erhobenen Einwand hat Prof. Dr. F. auch nicht mit seiner Stellungnahme vom 16. November 2006 entkräftet, in der er im Wesentlichen dargelegt hat, dass bis zum Beginn der fachärztlichen Behandlung im Mai 2002 kein psychiatrischer Befund erhoben worden sei. Damit sei eine bereits zuvor bestehende psychiatrische Symptomatik nicht auszuschließen. Er geht allein aufgrund der klägerischen Angaben davon aus, dass sich eine niedergedrückte Stimmungslage, Freudlosigkeit, Zukunftsängste und Alpträume etwa 12 Monate nach dem Unfallereignis vom 9. Mai 2000 in vollem Unfall herausgebildet hätten. Diese zeitliche Latenz hält er dann für nicht ungewöhnlich und plausibel, weil zunächst die Behandlung der körperlichen Leiden im Vordergrund gestanden hätten und psychische Beeinträchtigungen zum Teil auch erst im Zuge steigender Anforderungen an die Leistungsfähigkeit entwickelt würden. Es fehlen aber bereits objektivierbare Kriterien dafür, dass die vom Kläger geklagten Beeinträchtigen tatsächlich bereits ein Jahr nach dem Unfall aufgetreten sind. Weiterhin wird lediglich dargelegt, dass diese Zeitspanne einem Zusammenhang mit dem Unfall nicht entgegensteht. Dafür, dass ein solcher Zusammenhang im konkreten Fall besteht, bleibt damit allein seine Feststellung, dass es vor dem Unfall keine Hinweise auf eine psychiatrische Symptomatik gegeben habe, mit der der Sachverständige auch das Vorliegen einer Konkurrenzursache verneint. Wie dargelegt liegt hierin jedoch eine nicht zulässige Umkehr der Beweislast. Ein objektiver Hinweis auf eine psychiatrische Erkrankung ergibt sich erst mit der fachärztlichen Behandlung ab Mai 2002. Dr. K. hatte insoweit dargelegt, dass die psychiatrische Erkrankung erst zwei Jahre nach dem Unfall zum Zeitpunkt des Wegfalls des Verletztengelds und der Rentenantragstellung bei der LVA geltend gemacht wurde. Dies hätte der Sachverständige berücksichtigen müssen. Denn es liegt auf der Hand, dass wunschbedingte Vorstellungen seitens des Versicherten nach einem Unfall, z.B. allgemein nach einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ("Unfall als Regressionsangebot") oder konkret auf eine Verletztenrente, einen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und nun bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen nicht zu begründen vermögen. Soweit diese Vorstellungen neben das als naturwissenschaftliche Ursache der bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen anzusehende Unfallereignis treten, sind sie als konkurrierende Ursache zu würdigen und können nach dem oben Gesagten der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen der versicherten Ursache Unfallereignis und den psychischen Gesundheitsstörungen entgegenstehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R – a.a.O. m.w.N.). Trotz der entsprechenden Einwände von Dr. Kiefer hat sich der Sachverständige mit dieser Erklärung der Karenzzeit und der damit verbundenen Konkurrenzursache nicht auseinandergesetzt. Anlass zu einer entsprechenden Auseinansetzung gab auch das Ergebnis des Vorgutachters Dr. S ... Dr. S. hat in seinem Gutachten für die LVA vom 21. Januar 2004 mitgeteilt, dass die Normvariante einer Persönlichkeit mit psychasthenischen und narzisstischen Zügen vorliegt. Daraus resultiere ein starkes subjektives Krankheitsgefühl, das durch den Rentenwunsch zusätzlich verstärkt werde sowie die Neigung psychogen Beschwerden zu überlagern und zu fixieren. Aus nervenärztlicher Sicht hat er aber keine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens angenommen.
Die dargestellten Mängel des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. F. haften in gleicher Weise dem vom SG im Rentenrechtsstreitverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. D. vom 3. März 2005. Auch er hat die Tagesgestaltung nicht eingehend abgefragt, sondern im Wesentlichen die Beschwerdeangaben des Klägers zugrunde gelegt, ohne sie anhand seiner tatsächlichen Aktivitäten, Interessen und sozialen Kontakte zu überprüfen. Bei der Untersuchung selbst hat Dr. D. kein durchgängiges depressives Krankheitsbild feststellen können. Im Laufe der Untersuchung hellte sich die Stimmung auf, die affektive Schwingungsfähigkeit war insgesamt kaum eingeschränkt, die Konzentrations- Gedächtnisleistungen waren zumindest ordentlich. Auch während der psychologischen Tests wurden von der Diplompsychologin Dumlija keine Hinweise auf eine psychopathologische Symptomatik festgestellt. Hinsichtlich der Motivation gibt sie an, dass der Kläger während der Testung immer wieder seine schwierige Lebenssituation betont und sich bei der Aufgabenbeantwortung sehr viel Zeit gelassen habe, obwohl die Relevanz der Bearbeitungsgeschwindigkeit mehrfach betont worden sei. Dr. D., der den Kläger für in der Lage hält, leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, führt dann auch aus, dass die testpsychologische Untersuchung zwar Einbußen gezeigt habe, die jedoch wesentlich auf eine geringe Motivation, gute Ergebnisse zu erzielen, zurückzuführen seien. Hirnorganisch begründete Leistungseinbußen oder Einbußen aufgrund eines depressiven Syndroms hätten sich aus dem Testprofil und der Verhaltensbeobachtung nicht ergeben. Wenn der Sachverständige dennoch zu der Diagnose einer - allenfalls - mittelgradigen depressiven Episode mit somatischen Symptomen im Sinne einer abnormen Erlebnisreaktion nach dem Unfall im Mai 2000 und der Differentialdianose Neurasthenie kommt, leitet er diese nicht aus den geltenden ICD-Kriterien anhand objektivierbarer Beeinträchtigungen ab. Entsprechendes gilt für die Einschätzung des den Kläger behandelnden Arztes Dr. S ...
Überzeugend hat Prof. Dr. B., dessen Einschätzung der Senat folgt, demgegenüber aufgezeigt, dass sich bereits das Vorliegen der nach ICD-10 F32.0 geforderten Kriterien beim Kläger nicht objektivieren lässt. Er hat sich hierbei auf die im Rahmen der ausführlichen Befragung des Klägers von diesem gemachten Angaben gestützt. Der Sachverständige hat auf dieser Grundlage eine Dysthymie diagnostiziert und eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinn ausgeschlossen. Hierzu hat er im Wesentlichen dargelegt, dass ein sozialer Rückzug, ein Verlust der Tagesstrukturierung und ein Verlust seiner allgemeinen Interessenslage aus den eigenen anamnestischen Angaben des Klägers nicht abzuleiten seien. Insoweit hatte dieser Prof. Dr. B. gegenüber zum Tagesablauf angegeben, erschlafe sehr wenig und gehe spät zu Bett. Er stehe zusammen mit seiner Frau um 5 Uhr 30 auf, weil er nicht schlafen könne. Seine Frau gehe um 6 Uhr arbeiten. Er mache sich dann einen Tee. Irgendwann gehe er mal raus und mache einen kurzen Spaziergang draußen. Er helfe der Frau, er putze also, wische Staub, dann mache er etwas mit dem Staubsauger sauber, manchmal nehme er ein Bügeleisen und bügele ein paar Stücke. Seine Frau koche etwas zum Mittagessen, das mache er sich warm oder manchmal mache er sich ein Ei oder etwas anderes Kleines. Nach dem Mittagessen gehe er mal in der Nähe in einen Laden und kaufe eine Zeitung, schaue Fernsehen, aber nur kurz und dann gehe er wieder mal raus und gehe ein bisschen spazieren. Die Einkäufe mache hauptsächlich seine Frau, aber er kaufe auch etwas ein, Kleinigkeiten. Abends gehe er dann mal wieder raus, kurz ein paar Schritte, dann lese er wieder Zeitung, schaue etwas Fernsehen. Nach Mitternacht gehe er ins Bett. Er habe einige Freunde. Manchmal gingen sie in ein Kaffeehaus und tränken eine Kleinigkeit. Aber er könnte das alles nicht so vertragen. Mit seiner Frau gehe er zu einer Freundin von ihnen. Diese komme auch manchmal zu ihnen zu Besuch. Weiterhin hat sich Prof. Dr. B. auf die ausführliche Schilderung des Tagesablauf im Januar 2004 gegenüber Dr. M. gestützt, die der wiedergegebenen Darstellung im Wesentlichen entspricht. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. B. für den Senat schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass es regelhaft konsekutiv zu erheblichen Einschränkungen hinsichtlich des allgemeinen lnteressenspektrums, der Tagesstrukturierung und vor allem der sozialen Interaktionsfähigkeit kommen würde, wenn tatsächlich seelische bzw. seelisch-bedingte Störungen bzw. Hemmungen (sog. unüberwindbare psychische Hemmungen) beim Kläger in relevantem Umfang bestünden, solche Einschränkungen jedoch gerade anhand des geschilderten Tagesablaufs nicht festzustellen seien. Die Ausführungen des Sachverständigen, dass diese Angaben eine bestehende Tagesstrukturierung erkennen lassen sowie ein weiterhin vorhandenes allgemeines Interessenspektrum und soziale Kompetenz sind nachvollziehbar und überzeugend. Weiterhin hat der Sachverständige Prof. Dr. Biedert überzeugend und schlüssig dargelegt, dass ein somatisches Syndrom im Rahmen einer depressiven Episode gemäß ICD-10 darüber hinaus auch einen deutlichen Appetitverlust beinhalten würde, wohingegen in den eigenen anamnestischen Angaben des Klägers jeweils von einem guten Appetit gesprochen werde.
Weitere Unfallfolgen liegen auch auf augenärztlichem Gebiet nicht vor. PD Dr. S. hat hierzu für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt, dass sich bei den Untersuchungen zwar ein herabgesetztes Kontrastsehen bei Blendung gezeigt habe. Allerdings hätten sich weder in der von außen sichtbaren Augenregion Auffälligkeiten ergeben, noch bestünden am Augenhintergrund krankhafte Veränderungen. Es habe sich beidseits ein vitaler randscharfer Sehnerv ohne Hinweise für Nervenfaserausfälle gezeigt. Die Gesichtsfelduntersuchung (kinetische Perimetrie) habe für beide Augen einen regelrechten Befund ohne Hinweise für Nervenfaserausfälle oder Gesichtsfeldeinschränkungen ergeben. Die Stelle des schärfsten Sehens sowie die Netzhautgefäße hätten bei der Augenhintergrunduntersuchung einen Alters entsprechenden Befund ergeben. Der Kläger ist diesem Sachverständigengutachten unter Vorlage einer Stellungnahme des Facharztes für Augenheilkunde Dr. med. R. vom 4. Dezember 2005 entgegengetreten, der unter Bezugnahme auf eine Veröffentlichung von Prof. Dr. C. die Ansicht vertreten hat, dass beim Kläger eine posttraumatische Enzephalopathie vorliege. Hierzu hat PD Dr. S. schlüssig und überzeugend in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, die im Bericht des Herrn Professor C. beschriebenen okularen Symptome seien bei einer traumatischen Enzephalopathie alle möglich, bei dem Kläger könne eine Enzephalopathie allerdings anhand der Aktenlage ausgeschlossen werden. Nach eingehender ophthalmologischer Untersuchung lägen auch die dort beschriebenen okularen Störungen nicht vor. Die verstärkte Blendempfindlichkeit sei durch die beginnende alterbedingte Linsentrübung zu erklären. Ein Anhalt für eine traumatische Linsentrübung bestehe nicht. Auch die Sehnerven und die Macula stellten sich beidseits wie im Gutachten vom November 2008 beschrieben morphologisch altersentsprechend unauffällig dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte erstattet dem Kläger 1/3 der außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und die Feststellung einer psychiatrischen Erkrankung als Unfallfolge.
Der 1948 geborene Kläger erlitt am x Mai 2000 während seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer einen schweren Unfall, als er auf der Autobahn A 7 in der Nähe von K. auf einen stehenden Lkw auffuhr. Nach dem D-Bericht vom 17. Mai 2000 war der Kläger nach dem Unfall ca. eineinhalb Stunden im seinem Lkw eingeklemmt, bevor er von der Berufsfeuerwehr befreit werden konnte. Beim Eintreffen des Notarztes war der Kläger wach und ansprechbar. Nach der Bergung und der notärztlichen Versorgung erfolgte der Transport ins Klinikum K., wo er bis zum 23. Juni 2000 stationär versorgt wurde. Im Verlauf dieses Aufenthaltes wurden insgesamt fünf Operationen an den Beinen und eine Operation am rechten Arm durchgeführt. Nach dem Entlassbericht vom 23. Juni 2000 wurden folgende Diagnosen gesellt: Schädel-Hirn-Trauma I. Grades; Thorax-Trauma mit Rippenserienfraktur links 3. bis 9. Rippe; Unterschenkel-Zweietagenfraktur rechts; ausgedehnte Weichteilverletzung beider Unterschenkel mit Mecollement rechts ausgeprägter als links; Radiusfraktur rechts; Scapholunäre Luxation bei SL-Bandruptur; Weichteilverletzung rechtes Auge.
Am 23. Juni 2000 erfolgte die Verlegung des Klägers vom Klinikum K. in das Kreiskrankenhaus F., wo er bis zum 29. Juli 2000 stationär behandelt wurde. In dieser Zeit erfolgte eine Metallentfernung am rechten Handgelenk sowie eine Fortsetzung der Rehabilitationsbehandlung, die danach weiterhin ambulant durchgeführt wurde. Wegen ausgeprägter Beschwerden im rechten Fuß und weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit erfolgte in der Zeit vom 8. Mai bis 29. Juni 2001 ein stationäres Heilverfahren in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T ... Im Rahmen dieses Verfahrens wurde am 17. Mai 2001 eine Narbenexzision mit Sekundärnaht durchgeführt, da sich am lateralen Fußrand eine große, eingezogene Narbe mit gelegentlicher Sekretion gebildet hatte. Die Wundheilung gestaltete sich bei ausgeprägten narbigen und sklerotisierenden Weichteilverhältnissen schwierig; Die Wunde heilte jedoch zuletzt blande ab. Im Entlassbericht vom 9. Juli 2001 wird abschließend ausgeführt, dass trotz intensiver stationärer Krankengymnastik, suffizienter Schuhversorgung und Normalisierung der Weichteilsituation am rechten Fersenbein der Zustand des Klägers habe nicht verbessert werden können. Der Kläger sei nicht von seinen Gehstöcken zu entwöhnen gewesen. Dr. B., Kreiskrankenhaus F. erstattete unter dem 10. Februar 2002 das Erste Rentengutachten. Er kam darin zu dem Ergebnis, dass nach Beendigung des Verletztengeldbezuges am 5. November 2001 die MdE bis November 2002 mit 30 v.H. und danach voraussichtlich nur noch mit 20 v.H. einzuschätzen sei.
Mit Bescheid vom 25. April 2002 bewilligte die Beklagte daraufhin dem Kläger Verletztenrente ab 6. November 2001 in Höhe von 30 v.H. unter Anerkennung der auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet festgestellten Unfallfolgen.
Mit weiterem Bescheid vom 25. Mai 2002 lehnte die Beklagte das vom Kläger für die Zeit vom 30. Juli 2000 bis 8. Mai 2001 beantragte Pflegegeld ab. Hierbei stützte sie sich auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. R. vom 11. Juni 2002. Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein.
Das Zweite Rentengutachten zur Festsetzung der Dauerrente erstellte für die Beklagte Prof. Dr. H ... Dieser kam unter dem 14. Februar 2003 zu dem Ergebnis, dass die beim Kläger noch bestehenden Unfallfolgen (Fersendeformität rechts mit verschmälertem Weichteilmantel lateral, Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk sowie an den Zehengelenken rechts, Sensibilitätsminderungen an den Narbenbereichen am rechten Fuß, Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk in allen Ebenen sowie am Endgelenk des rechten Zeigefingers, deutlich hinkendes Gangbild) nur noch eine MdE um 20 v.H. rechtfertigen würden. Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2003 die Rente ab 1. Mai 2003 nach einer MdE um 20 v.H. fest. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2004 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 25. April 2002 und 14. April 2003 zurück. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid das Pflegegeld betreffenden Bescheid vom 25. Mai 2002 zurück.
Am 21. Mai 2004 hat der Kläger gegen die Bescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben. Mit Beschluss vom 2. August 2004 wurden die Verfahren (S 4 U 1612/04 und S 4 U 1612/04) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 4 U 1612/04 verbunden.
Nach Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte bei dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. W., dem Psychiater Dr. S. sowie dem Chirurgen Dr. M. hat die Kammer ein orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. H. sowie ein psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. F. in Auftrag gegeben. Prof. Dr. H. ist in seinem Gutachten vom 22. Juli 2005 zu dem Ergebnis gelangt, dass die auf den Unfall zurückzuführenden funktionellen Störungen am rechten Arm und Bein, insbesondere an Unterarm und Hand sowie an Unterschenkel und Fuß mit einer MdE um 30 v.H. ab 6. November 2001 zu bewerten seien. Eine Pflegebedürftigkeit aufgrund der Unfallfolgen habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Dr. G. schloss sich in der von der Beklagten vorgelegten ärztlichen Stellungnahme voll umfänglich den Ausführungen von Prof. Dr. H. an. Prof. Dr. F. ist in seinem Gutachten vom 12. April 2006 unter Berücksichtigung eines hirnelektrischen, eines neuroradiologischen sowie eines psychologischen Zusatzgutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass auf psychiatrischem Fachgebiet als Unfallfolge eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom bestehe. Die beim Kläger vorhandene psychische Symptomatik könne mit Blick auf den zeitlichen Verlauf nicht als Anpassungsstörung und auch nicht als posttraumatische Belastungsstörung eingeschätzt werden. Es sei aber davon auszugehen, dass als längerfristige psychoreaktive Folge des traumatischen Erlebnisses und der residuellen körperlichen Beeinträchtigungen eine persistente depressive Störung entstanden sei. Der Schweregrad sei auf der Grundlage der anamnestischen Angaben, des psychischen Untersuchungsbefundes und der testpsychologischen Zusatzdiagnostik als mittelgradig bis schwer einzuschätzen und mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. Aufgrund der geringen Überschneidungsbereiche mit der unfallbedingten MdE auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet sei die Gesamt-MdE seit 1. November 2001 mit 50 v.H. einzuschätzen.
Gegen die Beurteilung von Prof. Dr. F. hat sich die Beklagte unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 28. Mai 2006 gewandt. Dr. K. hat darin die Ansicht vertreten, dass den erhobenen Befunden weder das Vorliegen eines schweren oder mittelschweren depressiven Syndroms entnommen, noch mit Blick auf die große zeitliche Latenz des erstmaligen Auftretens der depressiven Beschwerden ein Unfallzusammenhang hergestellt werden könne. Prof. Dr. F. ist dem in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. November 2006 entgegengetreten.
Mit Urteil vom 23. April 2007 hat das SG den Bescheid vom 25. April 2002 sowie den Bescheid vom 14. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2004 abgeändert bzw. aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Feststellung einer mittelschweren bis schweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge ab 6. November 2001 Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Verurteilung der Beklagten hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet verbliebenen Unfallfolgen bedingten nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. eine MdE um 30 v.H. Auch die Beklagte erachte die Bemessung der Unfallfolgen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet mit 30 v.H. für zutreffend. Als weitere Unfallfolge liege eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom vor. Die Kammer stütze sich insoweit auf das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. F ... Er sei zu dem Ergebnis gelangt, dass sich beim Kläger als längerfristige psychoreaktive Folge des traumatischen Unfallerlebnisses und der residuellen körperlichen Beeinträchtigungen ab November 2001 eine persistent depressive Störung herausgebildet habe. Diese Störung gehe einher mit einem somatischen Syndrom in Form von Kopfschmerzen, Schlafstörungen, rezidivierenden Ängsten, innerer Unruhe, Schwindel, Konzentrationsstörungen, Alpträumen, Aufmerksamkeitsstörungen und rezidivierenden Suizidgedanken. Es bestehe kein Anhalt dafür, dass diese psychische Symptomatik bereits vor dem Unfallereignis bestanden habe. Angesichts des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Schweregrad der körperlichen Unfallfolgen sei davon auszugehen, dass die psychische Symptomatik als psychovegetative Unfallfolge aufgetreten sei. Da nach dem Unfallereignis zunächst die Versorgung der körperlichen Unfallschäden in chirurgischen und orthopädischen Abteilungen im Vordergrund gestanden habe, sei es nachvollziehbar, dass die psychischen Reaktionen auf die traumatischen Ereignisse von dem Kläger initial weniger geäußert und von den behandelnden Ärzten weniger beachtet worden sei. Nach den eigenanamnestischen Angaben hätten sich eine deutlich depressive Stimmungslage sowie rezidivierende Ängste und Alpträume etwa erst zwölf Monate nach dem Unfallereignis in vollem Umfang herausgebildet. Dies stehe auch in Einklang mit der Tatsache, dass sich der Kläger ab Mai 2002 aufgrund einer schweren depressiven Störung in die ambulante Behandlung bei Dr. S. begeben habe. Aufgrund des von Prof. Dr. F. beschriebenen Ausprägungsgrades der Störung sowie der aktenkundigen Befunde des Dr. S. sei die Einschätzung der Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet mit einer MdE um 30 v.H. für zutreffend zu erachten. Damit ergebe sich mit Blick auf die geringe Überschneidung der MdE auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet eine Gesamt-MdE seit 6. November 2001 von 50 v.H. Soweit Dr. K. sich gegen die Beurteilung von Prof. Dr. F. gewendet habe, vermöge ihm die Kammer nicht zu folgen. Die zeitliche Latenz zwischen Unfallereignis und Auftreten der psychischen Symptomatik spreche nicht gegen einen Unfallzusammenhang. Prof. Dr. F. habe durchaus plausibel dargelegt, dass die langfristigen Folgen der körperlichen Beeinträchtigung erst dann realisiert würden, wenn ein weitgehend stabiler Zustand der residuellen körperlichen Symptomatik eingetreten sei. Darüber hinaus sei es zu berücksichtigen, dass psychische Beeinträchtigungen teilweise erst mit steigenden Anforderungen an die Leistungsfähigkeit im privaten und beruflichen Bereich im Zuge der Ausheilung der körperlichen Unfallfolgen in Erscheinung träten. Der zeitlichen Latenz habe Prof. Dr. F. insoweit zutreffend Rechnung getragen, dass er die psychische Symptomatik nicht als Anpassungsstörung und auch nicht als posttraumatische Belastungsstörung beschrieben, sondern die Diagnose einer depressiven Störung mit somatischem Syndrom gestellt habe. Anhaltspunkte für eine konkurrierende Ursache bestünden nicht. Entgegen der Ansicht von Dr. K. sei der Schweregrad der depressiven Störung nicht deshalb geringer zu erachten, weil eine geeignete Therapie bisher nicht durchgeführt worden. Die von Prof. Dr. F. festgestellten Symptome - deutlich niedergeschlagene Stimmungslage, ein ausgeprägter Interessen- und Freudverlust, deutliche Antriebsminderung, Konzentrations- und Gedächtnisstörung, innere Anspannung und Unruhe, Verlust des Selbstvertrauens und rezidivierende suizidale Gedanken, Schlafstörungen, Alpträume - zeigten, dass der Schweregrad zutreffend als mittelschwer bis schwer festgestellt worden sei.
Gegen dieses ihr am 1. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Juni 2007 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, mit der sie das Urteil angreift, soweit sie verurteilt wurde, unter Feststellung einer mittelschweren bis schweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge ab 6. November 2001 Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Soweit vom SG eine MdE von 30 v.H. für die orthopädisch-unfallchirurgischen Unfallfolgen zugrunde gelegt wurde, greift sie die Entscheidung nicht an. Weitere Unfallfolgen liegen jedoch ihrer Ansicht nach nicht vor. Zur Begründung hat sich die Beklagte im Wesentlichen auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Stellungnahme von Dr. K. berufen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. April 2007 aufzuheben, soweit sie unter Aufhebung bzw. Abänderung der der Bescheide vom 25. April 2002 und vom 14. April 2003 beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2004 verurteilt worden ist, eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge anzuerkennen und dem Kläger ab 6. November 2001 Verletztenrente nach einer höheren MdE als einer MdE von 30 v.H. zu gewähren, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hat sich auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F. berufen. Weiterhin hat er zusätzliche Unfallfolgen auf augenärztlichem Gebiet geltend gemacht.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung von sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte sowie durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. B. und eines augenärztlichen Sachverständigengutachtens von PD Dr. S ... Prof. Dr. B. ist in seinem Sachverständigengutachten vom 19. Februar 2008 zu dem Ergebnis gekommen, die bei dem Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet feststellbaren bzw. aus seinen eigenen anamnestischen Angaben ableitbaren Krankheiten - leicht ausgeprägtes Wirbelsäulen-Syndrom ohne daraus resultierende sensible bzw. motorische neurologische Defizite und leichte neurotische Störungen im Sinne einer Dysthymie bzw. im Sinne einer sog. anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bzw. im Sinne einer Somatisierungsstörung - seien durchgängig als unfallunabhängig einzuordnen. Eine traumatisch bedingte Contusio cerebri (= substantielle Hirnschädigung dauerhafter Natur) sei auszuschließen. Auch psycho-organische bzw. psycho-reaktive Folgekrankheiten (unfallbedingter Genese) seien auszuschließen. PD Dr. S. ist in seinen Sachverständigengutachten vom 30. November 2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass sich aus augenärztlicher Sicht kein Anhalt für einen Zusammenhang der vom Kläger geschilderten Beschwerden und dem Unfall sicher feststellen lasse. An dieser Einschätzung hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. Juli 2009 festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die SG-Akte des Ausgangsverfahrens, die Berufungsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig; Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 25. April 2002 und vom 14. April 2003 beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2004. Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des SG nur soweit auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) i.V.m. der Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG unter Änderung der Bescheide vom 25. April 2002 und 14. April 2003 eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge festgestellt und sie verurteilt wurde, dem Kläger eine Verletztenrente nicht nach einer MdE von 30 v.H., sondern nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren.
Die so beschränkte Berufung hat in vollem Umfang Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung einer mittelschweren bis schweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom als weitere Unfallfolge und keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als einer MdE von 30 v.H.
Auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch finden die Vorschriften des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anwendung. Die Voraussetzungen für die begehrte Feststellung und die begehrten Leistungen liegen, soweit das zusprechende Urteil mit der Berufung angegriffen wird, nicht vor.
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1). Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist (BSG SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R -, veröffentlicht in Juris). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 aF RVO; SozR Nr. 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67).
Die Höhe der MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung: BSG, SozR 2200 § 581 Nr. 28 m.w.N., vgl. BT-Drucks. 13/2204 S. 90). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 6).
Der Kläger hat am 9. Mai 2000 einen Arbeitsunfall i. S. d. § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erlitten, der als solcher von der Beklagten mit Bescheid vom 25. April 2002 anerkannt worden ist. Weiterhin wurden mit Bescheiden vom 25. April 2002 und 14. April 2003 folgende Unfallfolgen anerkannt: Polytrauma mit Schädelhirntrauma und Weichteilverletzung am rechten Auge, Brustkorbtrauma mit Rippenserienbruch 3.bis 9. Rippe, operativ versorgter, knöchern in achsengerechter Stellung verheilter Unterschenkelzweietagenbruch rechts bei noch liegendem Metall sowie ausgedehnte Weichteilverletzung beider Unterschenkel und Füße mit Weichteildefekten, die am rechten Fuß mit Mesh-craft-plastik versorgt wurden und operativ versorgter, knöchern verheilter Speichenbruch rechts bei entferntem Metall mit Stauchung des Kahn- und Mondbeins. -Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes mit Einschränkung der Muskelkraft -Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenkes -Schwellung am oberen Sprunggelenk rechts und am Fußrücken rechts -Sensibilitätsstörungen am rechten Fuß mit vermindertem Weichteilmantel an der rechten Ferse -Kalksalzminderung am rechten Fuß -Beugedefizit der Zehen rechts -hinkendes Gangbild rechts -subjektive, belastungsabhängige Beschwerden.
Aus diesen anerkannten sowie weiteren von Prof. Dr. H. festgestellten orthopädisch-chirurgischen Unfallfolgen lässt sich keine höhere MdE als eine MdE von 30 v.H. rechtfertigen. Auch der Senat hält das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. H. für schlüssig und überzeugend. Er sieht auch keine Anhaltspunkte für weitere Unfallfolgen auf orthopädisch-unfallchirurgischen Gebiet. Dies gilt insbesondere auch für die vom Kläger genannten kleinen Weichteilverknöcherungen, weil allein die Möglichkeit, dass diese auf den Unfall zurückzuführen sein können, nicht ausreicht.
Entgegen der Beurteilung des SG sind aber weitere Unfallfolgen auch auf anderen medizinischen Fachgebieten nicht feststellbar. Zunächst ist eine mittelschwere bis schwere depressive Störung mit somatischem Syndrom nicht als weitere Unfallfolge festzustellen. Die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente für sie ist ebenso wie für andere Gesundheitsstörungen möglich. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist aber zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (z.B. ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl. 2001). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, um so einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten. Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, veröffentlicht in Juris m.w.N.).
Derart klar definierte Gesundheitsstörungen des Klägers können hier nicht festgestellt werden. Insbesondere kann der Diagnose von Prof. Dr. F. nicht gefolgt werden. Dieser geht von einer mittelgradigen bis schweren depressiven Störung mit somatischem Syndrom (ICD-10: F 32.21) aus. Zu Recht hat Prof. Dr. B. insoweit zunächst darauf hingewiesen, dass es diese Diagnose nach dem ICD-10 nicht gibt, sondern ICD-10: F 32 eine depressive Episode beschreibt. Die Beschreibung lautet wie folgt: Depressive Episode Bei den typischen leichten (F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) Episoden, leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Abhängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu bezeichnen. Inkl.: Einzelne Episoden von: depressiver Reaktion psychogener Depression reaktiver Depression (F32.0, F32.1, F32.2) Exkl.: Anpassungsstörungen ( F43.2 ) depressive Episode in Verbindung mit Störungen des Sozialverhaltens ( F91.- , F92.0 ) rezidivierende depressive Störung ( F33.- ) F32.0 Leichte depressive Episode Gewöhnlich sind mindestens zwei oder drei der oben angegebenen Symptome vorhanden. Der betroffene Patient ist im allgemeinen davon beeinträchtigt, aber oft in der Lage, die meisten Aktivitäten fortzusetzen. F32.1 Mittelgradige depressive Episode Gewöhnlich sind vier oder mehr der oben angegebenen Symptome vorhanden, und der betroffene Patient hat meist große Schwierigkeiten, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen. F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome Eine depressive Episode mit mehreren oben angegebenen, quälenden Symptomen. Typischerweise bestehen ein Verlust des Selbstwertgefühls und Gefühle von Wertlosigkeit und Schuld. Suizidgedanken und -handlungen sind häufig, und meist liegen einige somatische Symptome vor. Einzelne Episode einer agitierten Depression Einzelne Episode einer majoren Depression [major depression] ohne psychotische Symptome Einzelne Episode einer vitalen Depression ohne psychotische Symptome F32.3 Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen Eine schwere depressive Episode, wie unter F32.2 beschrieben, bei der aber Halluzinationen, Wahnideen, psychomotorische Hemmung oder ein Stupor so schwer ausgeprägt sind, dass alltägliche soziale Aktivitäten unmöglich sind und Lebensgefahr durch Suizid und mangelhafte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme bestehen kann. Halluzinationen und Wahn können, müssen aber nicht, synthym sein. Einzelne Episoden: majore Depression [major depression] mit psychotischen Symptomen psychogene depressive Psychose psychotische Depression reaktive depressive Psychose
Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F. lässt nicht erkennen, welche der oben genannten Symptome im vorliegenden Fall tatsächlich von ihm festgestellt worden sind. Es ist damit nicht nachvollziehbar, auf welchen Untersuchungsergebnissen die Diagnose beruht. Die vom Kläger zu seinen aktuellen Beschwerden gemachten subjektiven Angaben, die hier die Grundlage bilden dürften, ohne dass die als erfüllt angesehenen Symptome im Einzelnen genannt werden, werden nicht anhand eines - nicht erhobenen - aktuellen Tagesablauf überprüft. Es fehlt damit die Feststellung von konkreten und objektivierbaren Beeinträchtigungen (s. unten). Dem Gutachten von Prof. Dr. F. lässt sich auch im Übrigen nicht entnehmen, dass der Kläger große Schwierigkeiten hat, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen. Lediglich aus den testpsychologischen Untersuchungen wird abgeleitet, dass kognitive Einschränkungen vorliegen. Auch insoweit fehlt aber eine kritische Hinterfragung der Motivation, zu der bereits das Vorgutachten von Dr. D. Anlass gegeben hätte, nach dem die dort ebenfalls testpsychologisch festgestellten Leistungsdefizite auf mangelnde Motivation zurückzuführen waren.
Auch einen Zusammenhang der psychischen Beeinträchtigung mit dem Unfallereignis leitet der Sachverständige nicht schlüssig und nachvollziehbar her. Für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen gelten die obigen allgemeinen Grundsätze. Insofern kann offen bleiben, ob die von Prof. Dr. F. diagnostizierte depressive Episode ICD F32.21 per se eine anlagebedingte Erkrankung darstellt, oder auch durch ein äußeres Ereignis hervorgerufen werden kann. Denn jedenfalls fehlen für die Annahme, dass hier die - wie dargelegt nicht schlüssig festgestellte - depressive Störung eine Unfallfolge ist, tragfähige Angaben. Der Sachverständige Prof. Dr. F. legt insoweit dar, dass dieser keine Hirnverletzung zugrunde liegt. Weiter gibt er an, dass es kein Anhalt dafür besteht, dass die von ihm angenommene Symptomatik bereits vor dem Unfallereignis bestanden habe. Angesichts des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Unfallereignis und dem Schweregrad der körperlichen Unfallfolgen sei davon auszugehen, dass diese als psychovegetative Unfallfolge aufgetreten sei. Aus dem rein zeitlichen Aufeinanderfolgen des Autounfalls und der später auftretenden psychischen Gesundheitsstörung sowie der mangelnden Feststellung konkurrierender Ursachen kann aber nicht gefolgert werden, dass die psychischen Gesundheitsstörungen des Klägers wesentlich durch den Unfall verursacht wurden. Angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren, die unter Umständen noch nicht einmal dem Kläger bewusst sind, würde dies zu einer Beweislastumkehr führen, für die keine rechtliche Grundlage zu erkennen ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Auch wird ein Zusammenhang mit der Schwere der nicht im Einzelnen diskutierten Unfallfolgen und ihren verbleibenden Beeinträchtigen nicht mit Ergebnissen der Untersuchung belegt. Vielmehr wird die Diagnose im Wege des Ausschlusses begründet. Es wird insoweit zunächst dargelegt und schlüssig begründet, dass weder eine Anpassungsstörung noch eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, da die für ihre Diagnose maßgeblichen Beschwerden erst nach mehr als sechs Monaten aufgetreten sind. Ein Unfallzusammenhang wird deswegen aber nicht in Frage gestellt. Vielmehr stellt Prof. Dr. F. fest, dass somit davon auszugehen sei, dass als längerfristige psychoreaktive Folge des traumatischen Erlebnisses und der residuellen körperlichen Beeinträchtigungen eine persistente depressive Störung entstanden sei. Er zieht eine unfallunabhängige Erkrankung überhaupt nicht in Betracht. Demgegenüber hat der Sachverständige Prof. Dr. B. schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass, wenn man von einer reaktiven Genese eines solchen Störungsbildes ausgehen wolle (depressive Reaktion bzw. reaktive Depression, vgl. S. 141 der ICD-10, allerdings ohne damit einhergehendes somatisches Syndrom), wie bei einer Anpassungsstörung bzw. bei einer depressiven Reaktion (ICD-10: F 43.20 bzw. F 43.21) auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem belastenden Ereignis und der Manifestation der depressiven Symptomatik gegeben sein müsse, der hier gerade nicht vorliege. Diesem bereits von Dr. K. erhobenen Einwand hat Prof. Dr. F. auch nicht mit seiner Stellungnahme vom 16. November 2006 entkräftet, in der er im Wesentlichen dargelegt hat, dass bis zum Beginn der fachärztlichen Behandlung im Mai 2002 kein psychiatrischer Befund erhoben worden sei. Damit sei eine bereits zuvor bestehende psychiatrische Symptomatik nicht auszuschließen. Er geht allein aufgrund der klägerischen Angaben davon aus, dass sich eine niedergedrückte Stimmungslage, Freudlosigkeit, Zukunftsängste und Alpträume etwa 12 Monate nach dem Unfallereignis vom 9. Mai 2000 in vollem Unfall herausgebildet hätten. Diese zeitliche Latenz hält er dann für nicht ungewöhnlich und plausibel, weil zunächst die Behandlung der körperlichen Leiden im Vordergrund gestanden hätten und psychische Beeinträchtigungen zum Teil auch erst im Zuge steigender Anforderungen an die Leistungsfähigkeit entwickelt würden. Es fehlen aber bereits objektivierbare Kriterien dafür, dass die vom Kläger geklagten Beeinträchtigen tatsächlich bereits ein Jahr nach dem Unfall aufgetreten sind. Weiterhin wird lediglich dargelegt, dass diese Zeitspanne einem Zusammenhang mit dem Unfall nicht entgegensteht. Dafür, dass ein solcher Zusammenhang im konkreten Fall besteht, bleibt damit allein seine Feststellung, dass es vor dem Unfall keine Hinweise auf eine psychiatrische Symptomatik gegeben habe, mit der der Sachverständige auch das Vorliegen einer Konkurrenzursache verneint. Wie dargelegt liegt hierin jedoch eine nicht zulässige Umkehr der Beweislast. Ein objektiver Hinweis auf eine psychiatrische Erkrankung ergibt sich erst mit der fachärztlichen Behandlung ab Mai 2002. Dr. K. hatte insoweit dargelegt, dass die psychiatrische Erkrankung erst zwei Jahre nach dem Unfall zum Zeitpunkt des Wegfalls des Verletztengelds und der Rentenantragstellung bei der LVA geltend gemacht wurde. Dies hätte der Sachverständige berücksichtigen müssen. Denn es liegt auf der Hand, dass wunschbedingte Vorstellungen seitens des Versicherten nach einem Unfall, z.B. allgemein nach einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ("Unfall als Regressionsangebot") oder konkret auf eine Verletztenrente, einen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und nun bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen nicht zu begründen vermögen. Soweit diese Vorstellungen neben das als naturwissenschaftliche Ursache der bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen anzusehende Unfallereignis treten, sind sie als konkurrierende Ursache zu würdigen und können nach dem oben Gesagten der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen der versicherten Ursache Unfallereignis und den psychischen Gesundheitsstörungen entgegenstehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R – a.a.O. m.w.N.). Trotz der entsprechenden Einwände von Dr. Kiefer hat sich der Sachverständige mit dieser Erklärung der Karenzzeit und der damit verbundenen Konkurrenzursache nicht auseinandergesetzt. Anlass zu einer entsprechenden Auseinansetzung gab auch das Ergebnis des Vorgutachters Dr. S ... Dr. S. hat in seinem Gutachten für die LVA vom 21. Januar 2004 mitgeteilt, dass die Normvariante einer Persönlichkeit mit psychasthenischen und narzisstischen Zügen vorliegt. Daraus resultiere ein starkes subjektives Krankheitsgefühl, das durch den Rentenwunsch zusätzlich verstärkt werde sowie die Neigung psychogen Beschwerden zu überlagern und zu fixieren. Aus nervenärztlicher Sicht hat er aber keine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens angenommen.
Die dargestellten Mängel des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. F. haften in gleicher Weise dem vom SG im Rentenrechtsstreitverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. D. vom 3. März 2005. Auch er hat die Tagesgestaltung nicht eingehend abgefragt, sondern im Wesentlichen die Beschwerdeangaben des Klägers zugrunde gelegt, ohne sie anhand seiner tatsächlichen Aktivitäten, Interessen und sozialen Kontakte zu überprüfen. Bei der Untersuchung selbst hat Dr. D. kein durchgängiges depressives Krankheitsbild feststellen können. Im Laufe der Untersuchung hellte sich die Stimmung auf, die affektive Schwingungsfähigkeit war insgesamt kaum eingeschränkt, die Konzentrations- Gedächtnisleistungen waren zumindest ordentlich. Auch während der psychologischen Tests wurden von der Diplompsychologin Dumlija keine Hinweise auf eine psychopathologische Symptomatik festgestellt. Hinsichtlich der Motivation gibt sie an, dass der Kläger während der Testung immer wieder seine schwierige Lebenssituation betont und sich bei der Aufgabenbeantwortung sehr viel Zeit gelassen habe, obwohl die Relevanz der Bearbeitungsgeschwindigkeit mehrfach betont worden sei. Dr. D., der den Kläger für in der Lage hält, leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, führt dann auch aus, dass die testpsychologische Untersuchung zwar Einbußen gezeigt habe, die jedoch wesentlich auf eine geringe Motivation, gute Ergebnisse zu erzielen, zurückzuführen seien. Hirnorganisch begründete Leistungseinbußen oder Einbußen aufgrund eines depressiven Syndroms hätten sich aus dem Testprofil und der Verhaltensbeobachtung nicht ergeben. Wenn der Sachverständige dennoch zu der Diagnose einer - allenfalls - mittelgradigen depressiven Episode mit somatischen Symptomen im Sinne einer abnormen Erlebnisreaktion nach dem Unfall im Mai 2000 und der Differentialdianose Neurasthenie kommt, leitet er diese nicht aus den geltenden ICD-Kriterien anhand objektivierbarer Beeinträchtigungen ab. Entsprechendes gilt für die Einschätzung des den Kläger behandelnden Arztes Dr. S ...
Überzeugend hat Prof. Dr. B., dessen Einschätzung der Senat folgt, demgegenüber aufgezeigt, dass sich bereits das Vorliegen der nach ICD-10 F32.0 geforderten Kriterien beim Kläger nicht objektivieren lässt. Er hat sich hierbei auf die im Rahmen der ausführlichen Befragung des Klägers von diesem gemachten Angaben gestützt. Der Sachverständige hat auf dieser Grundlage eine Dysthymie diagnostiziert und eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinn ausgeschlossen. Hierzu hat er im Wesentlichen dargelegt, dass ein sozialer Rückzug, ein Verlust der Tagesstrukturierung und ein Verlust seiner allgemeinen Interessenslage aus den eigenen anamnestischen Angaben des Klägers nicht abzuleiten seien. Insoweit hatte dieser Prof. Dr. B. gegenüber zum Tagesablauf angegeben, erschlafe sehr wenig und gehe spät zu Bett. Er stehe zusammen mit seiner Frau um 5 Uhr 30 auf, weil er nicht schlafen könne. Seine Frau gehe um 6 Uhr arbeiten. Er mache sich dann einen Tee. Irgendwann gehe er mal raus und mache einen kurzen Spaziergang draußen. Er helfe der Frau, er putze also, wische Staub, dann mache er etwas mit dem Staubsauger sauber, manchmal nehme er ein Bügeleisen und bügele ein paar Stücke. Seine Frau koche etwas zum Mittagessen, das mache er sich warm oder manchmal mache er sich ein Ei oder etwas anderes Kleines. Nach dem Mittagessen gehe er mal in der Nähe in einen Laden und kaufe eine Zeitung, schaue Fernsehen, aber nur kurz und dann gehe er wieder mal raus und gehe ein bisschen spazieren. Die Einkäufe mache hauptsächlich seine Frau, aber er kaufe auch etwas ein, Kleinigkeiten. Abends gehe er dann mal wieder raus, kurz ein paar Schritte, dann lese er wieder Zeitung, schaue etwas Fernsehen. Nach Mitternacht gehe er ins Bett. Er habe einige Freunde. Manchmal gingen sie in ein Kaffeehaus und tränken eine Kleinigkeit. Aber er könnte das alles nicht so vertragen. Mit seiner Frau gehe er zu einer Freundin von ihnen. Diese komme auch manchmal zu ihnen zu Besuch. Weiterhin hat sich Prof. Dr. B. auf die ausführliche Schilderung des Tagesablauf im Januar 2004 gegenüber Dr. M. gestützt, die der wiedergegebenen Darstellung im Wesentlichen entspricht. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. B. für den Senat schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass es regelhaft konsekutiv zu erheblichen Einschränkungen hinsichtlich des allgemeinen lnteressenspektrums, der Tagesstrukturierung und vor allem der sozialen Interaktionsfähigkeit kommen würde, wenn tatsächlich seelische bzw. seelisch-bedingte Störungen bzw. Hemmungen (sog. unüberwindbare psychische Hemmungen) beim Kläger in relevantem Umfang bestünden, solche Einschränkungen jedoch gerade anhand des geschilderten Tagesablaufs nicht festzustellen seien. Die Ausführungen des Sachverständigen, dass diese Angaben eine bestehende Tagesstrukturierung erkennen lassen sowie ein weiterhin vorhandenes allgemeines Interessenspektrum und soziale Kompetenz sind nachvollziehbar und überzeugend. Weiterhin hat der Sachverständige Prof. Dr. Biedert überzeugend und schlüssig dargelegt, dass ein somatisches Syndrom im Rahmen einer depressiven Episode gemäß ICD-10 darüber hinaus auch einen deutlichen Appetitverlust beinhalten würde, wohingegen in den eigenen anamnestischen Angaben des Klägers jeweils von einem guten Appetit gesprochen werde.
Weitere Unfallfolgen liegen auch auf augenärztlichem Gebiet nicht vor. PD Dr. S. hat hierzu für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt, dass sich bei den Untersuchungen zwar ein herabgesetztes Kontrastsehen bei Blendung gezeigt habe. Allerdings hätten sich weder in der von außen sichtbaren Augenregion Auffälligkeiten ergeben, noch bestünden am Augenhintergrund krankhafte Veränderungen. Es habe sich beidseits ein vitaler randscharfer Sehnerv ohne Hinweise für Nervenfaserausfälle gezeigt. Die Gesichtsfelduntersuchung (kinetische Perimetrie) habe für beide Augen einen regelrechten Befund ohne Hinweise für Nervenfaserausfälle oder Gesichtsfeldeinschränkungen ergeben. Die Stelle des schärfsten Sehens sowie die Netzhautgefäße hätten bei der Augenhintergrunduntersuchung einen Alters entsprechenden Befund ergeben. Der Kläger ist diesem Sachverständigengutachten unter Vorlage einer Stellungnahme des Facharztes für Augenheilkunde Dr. med. R. vom 4. Dezember 2005 entgegengetreten, der unter Bezugnahme auf eine Veröffentlichung von Prof. Dr. C. die Ansicht vertreten hat, dass beim Kläger eine posttraumatische Enzephalopathie vorliege. Hierzu hat PD Dr. S. schlüssig und überzeugend in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, die im Bericht des Herrn Professor C. beschriebenen okularen Symptome seien bei einer traumatischen Enzephalopathie alle möglich, bei dem Kläger könne eine Enzephalopathie allerdings anhand der Aktenlage ausgeschlossen werden. Nach eingehender ophthalmologischer Untersuchung lägen auch die dort beschriebenen okularen Störungen nicht vor. Die verstärkte Blendempfindlichkeit sei durch die beginnende alterbedingte Linsentrübung zu erklären. Ein Anhalt für eine traumatische Linsentrübung bestehe nicht. Auch die Sehnerven und die Macula stellten sich beidseits wie im Gutachten vom November 2008 beschrieben morphologisch altersentsprechend unauffällig dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved