L 3 B 768/08 SO-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 13 SO 103/08 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 768/08 SO-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Für die Entscheidung über die Zustimmung zum Umzug ist weiterhin der Sozialhilfeträger des bisherigen Wohnortes des Antragstellers örtlich zuständig, auch wenn der Antragsteller zwischenzeitlich umgezogen ist.
2. Zu dem für eine Erstausstattung für die Wohnung notwendigen Hausrat zählen alle Einrichtungsgegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und die dem Leistungsberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen.
3.Ein Umzug ist als notwendig im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII anzusehen, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde. Es ist nicht ausreichend, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist 4. Ein Hilfebedürftiger ist grundsätzlich gehalten ist, den Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen.
5. Der Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten nach § 29 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB XII ist nur auf die notwendigen und angemessenen Kosten beschränkt. Zu den notwendigen Umzugskosten gehören insbesondere die Aufwendungen für einen eventuell erforderlichen Mietwagen, die Anmietung von Umzugskartons, die Kosten für Verpackungsmaterial und Sperrmüllentsorgung und die üblichen Kosten für die Versorgung mithelfender Familienangehöriger und Bekannter.
6. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer professionellen Umzugshilfe besteht nur, wenn der Hilfebedürftige den Umzug zum Beispiel wegen Alters, Behinderung, körperlicher Beeinträchtigungen oder aus sonstigen, in seiner Person liegenden Gründen nicht selbst vornehmen kann
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten – auch des Beschwerdeverfahrens – sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Zustimmung des Antragsgegners zur Übernahme der Umzugskosten und Gewährung einer Umzugshilfe.

Der 1957 geborene und alleinstehende Kläger bezieht Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII). Der Antragsteller ist nach einem Schlaganfall im Jahr 2004 voll erwerbsgemindert und bezieht eine befristete Rente. Am 13. September 2007 verzog er von seinem bisherigen Wohnort R.-R. im Landkreis Sch.H. nach L ... Das Appartement in der R. Straße 203 in L. hat eine Wohnfläche von 31 m² und wurde vom Antragsteller bereits zum 1. September 2007 angemietet. Der Mietvertrag wurde am 22./24. August 2007 unterzeichnet. Die Kostenübernahme für den Umzug nach L. beantragte der Antragsteller vor dem Umzug nach L. beim Antragsgegner, dem Landratsamt Sch. H ...

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 30. August 2007 abgelehnt und damit begründet, dass die Voraussetzungen, unter denen nach § 2 Abs. 1 und § 29 Abs. 1 SGB XII Umzugskosten übernommen werden können, nicht vorlägen. Ein Umzug sei nur dann notwendig, wenn der Auszug aus der bisherigen Wohnung geboten sei. Die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, nach L. umzuziehen, lägen jedoch im Bereich der persönlichen Lebensgestaltung. Zwar habe er drei Angebote von Umzugsfirmen vorgelegt, diese seien jedoch für einen Umzug für eine Person aus einer Wohnung mit der Größe von 45 m² unangemessen und nicht nachvollziehbar. Daher könne dem Antrag der Gewährung einer Umzugshilfe nicht entsprochen werden.

Den Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2007 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Übernahme der Kosten an die "vorherige Zustimmung des Sozialhilfeträgers" gebunden sei. Da nur ein unvollständiger Ausdruck des Mietvertrags vorliege, könne nicht beurteilen, wann der Vertrag abgeschlossen wurde. Zwar sei vom Antragsteller in einer E-Mail vom 10. September 2007 mitgeteilt worden, dass keine Probleme darin gesehen würden, den Mietvertrag wieder rückgängig zu machen. Daraus könne aber geschlossen werden, dass der Mietvertrag bereits ohne Zustimmung des Sozialhilfeträgers geschlossen worden sei. Der Umzug sei auch sozialhilferechtlich nicht notwendig und auch nicht vom Träger der Sozialhilfe selbst veranlasst worden. Die Wohnung in R.-R. sei ohne Zutun des Sozialhilfeträgers gekündigt worden. Die Begründung, dass von R.- R. aus ein Besuch seiner Ärzte nicht, in L. aber besser möglich sei, greife nicht. Der Antragsteller habe zu anderen Zeiten mitgeteilt, aktiv am motorisierten Straßenverkehr (Motorradfahren, Autofahren) teilnehmen zu können. Die Kosten seien auch nicht angemessen. Die Frage nach den Bemühungen, Umzugshelfer zu finden, sei nicht beantwortet worden. Laut der eingereichten Umzugsliste seien in seinem Haushalt in R.-R. vier Personalcomputer mit Monitoren vorhanden gewesen, was darauf hindeute, dass der Antragsteller einer gewerblichen Tätigkeit nachgehe. Außerdem sei er bereits nach L. verzogen, habe also den Umzug offensichtlich aus anderen Quellen bestritten. Ein sozialhilferechtlicher Bedarf sei daher nicht mehr ersichtlich.

Im Oktober 2007 war der Antragsteller wegen eines erneuten Schlaganfalles in ärztlicher Behandlung. Am 6. Dezember 2007 beantragte der Antragsteller bei der Stadt L. eine Erstausstattung für Wohnung und Bekleidung. Er gab dazu an, dass sich seine gesamten Möbel noch in Sch. H. befänden. Er hätte auf Grund der Ablehnung des Umzuges nur ein Feldbett und drei Stühle in einem PKW transportieren können. Die Stadt L. hat dem Antragsteller nach Bedarfsprüfung vor Ort den notwendigen unabweisbaren Bedarf an Hausrat und Mobiliar anerkannt und zur Beschaffung einer Erstausstattung ein Darlehen in Höhe von 497,00 EUR nach § 37 SGB XII bewilligt.

Der Antragsteller hat nachweislich spätestens am 18. Februar 2008 Klage gegen diese ablehnende Entscheidung erhoben. Am 1. September 2008 hat er ferner einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, im Rahmen dessen er die Übernahme einer Mietkaution sowie die Übernahme von Umzugskosten in Höhe von 2.968,05 EUR begehrt hat.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, es fehle an einem Anordnungsgrund. Der Umzug sei zum Teil schon durchgeführt worden. Aus den Akten des Sozialamts L. ergebe sich, dass in der Wohnung drei Computer mit Webcams sowie zwei Kameras in dem Zimmer gestanden hätten. Angeblich hätte der Antragsteller diese von einem Freund geliehen. Zudem seien die geltend gemachten Umzugskosten in Höhe von 2.970,00 EUR weit überzogen. Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller im September 2007 per email zugesagt, die Umzugskosten für einen Fahrer, Mietwagenkosten sowie eventuell für Helfer zu übernehmen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Antragsteller den Umzug von einem professionellen Umzugsunternehmen durchführen lassen müsse. Außerdem habe er gegen den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 27. September 2007 erst am 18. Februar 2008 und damit nicht fristgerecht Klage erhoben. Gründe für eine Wiedereinsetzung seien nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 10. November 2008, die der Antragsteller damit begründet, dass es zwar richtig sei, dass sich in seiner neuen Wohnung Computeranlagen befänden. Diese dürfe er unentgeltlich nutzen. Seinen Antrag auf Übernahme der Umzugskosten beschränke er auf die Übernahme des günstigsten Umzugsangebots in Höhe von 2.410,00 EUR. Die im L. Mietvertrag vereinbarte Kaution benötige er nicht mehr, da er dieses Mietverhältnis ebenfalls zum 30. November 2008 gekündigt habe und keine Mietschäden vorhanden seien. Allerdings benötige er für eine neue Wohnung in der Nähe seines Ärztehauses dringendst seine Möbel, die nach wie vor in R.-R. eingelagert seien. Er habe mit seiner Vermieterin vereinbart, dass er hierfür Lagerungskosten zu entrichten habe. Daher würden immer größere Schulden auflaufen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 23. Oktober 2008 aufzuheben und ihm – im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes – bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens Umzugskosten für einen Umzug von R.-R. nach L. durch eine Spedition in Höhe von 2.410,00 EUR zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

I. die ARGE Leipzig zu diesem Verfahren beizuladen und II. den Eilantrag abzuweisen.

Soweit aktuell ein Bedarf an Möbeln gegeben sei, wäre ein entsprechender Antrag bei dem jetzt zuständigen Sozialleistungsträger in L. zu stellen. Wenn es sich um dringend benötigte Möbel gehandelt haben sollte, dann sei nicht nachvollziehbar, wie der Antragsteller über ein Jahr in L. gewohnt habe, ohne einen entsprechenden Bedarf gegenüber dem Amt dort geltend zu machen. Außerdem sei auffällig, dass dieser Bedarf erst im Zusammenhang mit einem anstehenden weiteren Umzug innerhalb L. geltend gemacht werde, der Bedarf also bis dato gedeckt werden konnte und offensichtlich erst durch den geplanten weiteren Umzug ein Bedarf aufgetreten sei. Zwar spreche der Antragsteller immer von "Erstattung" von Umzugskosten. Allerdings sei damit "die Abholung" der Möbel gemeint, die vom Antragsgegner übernommen werden solle. Die Erstattung bereits verauslagter Transportkosten könne jedoch nicht Gegenstand eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sein. Es dränge sich der Verdacht auf, dass mit dieser "Erstattung" der geplante erneute Umzug des Antragstellers finanziert werden solle.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners, die Verwaltungsakten zur Gewährung von Sozialhilfe der Stadt L. sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

a) Gegenstand des Antragsverfahrens ist der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetz (SGG), die auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur einstweilige Erteilung einer Zustimmung im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII gerichtet ist.

Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Nach dem im Arbeitsförderungsrecht entwickelten "Meistbegünstigungsgrundsatz" (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1999 – B 7 AL 120/97 R – SozR 3-6050 Art 71 Nr. 11 S. 57 = JURIS-Dokument Rdnr. 13, m. w. N.; vgl. zum SGB II: BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 5/07 R – SozR 4-4200 § 24 Nr. 1 Rdnr. 15 = JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.) ist im Zweifel davon auszugehen, dass ein Kläger mit seiner Klage ohne Rücksicht auf den Wortlaut des Antrags das begehrt, was ihm den größten Nutzen bringen kann. Dies gilt für das Antragsverfahren entsprechend.

Der Antragsteller begehrt in der Sache, dass der Antragsgegner die Aufwendungen übernimmt, die mit dem Transport seiner Möbel von R.-R. nach L. verbunden sind. Unter Berücksichtigung der maßgebenden Rechtsvorschriften ist das Begehren des Antragstellers deshalb dahingehend auszulegen, dass er die Verpflichtung des Antragsgegners erstrebt, die Zustimmung im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII zu erteilen. Denn nach dieser Vorschrift können grundsätzlich nur bei vorheriger Zustimmung Umzugskosten übernommen werden. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII soll die Zustimmung erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Das Zustimmungserfordernis gemäß § 29 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB XII ist ebenso wie das Zusicherungserfordernis nach dem weitgehend gleichlautenden § 22 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) eine Anspruchsvoraussetzung (vgl. zu § 22 SGB II: Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 22 Rdnr. 82).

Der Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, die Zustimmung im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII einstweilig zu erteilen, ist ausreichend, da aus der (auch nur einstweilig) erteilten Zustimmung die Pflicht zur tatsächlichen Übernahme von Umzugskosten folgt und es nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Antragsgegner nach dem etwaigen Erlass einer einstweiligen Anordnung diese nicht befolgen wird.

b) Für die Entscheidung über die begehrte Zustimmung ist weiterhin der Antragsgegner gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständig, obwohl der Antragsteller zwischenzeitlich nach L. verzogen ist. Dies folgt daraus, dass vorliegend nicht um Anschaffung neuer Möbel gestritten wird, sondern um die Übernahme der Kosten eines aus Sicht des Antragstellers nicht vollständig durchgeführten Umzuges. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII fixiert die örtliche Zuständigkeit des einmal zuständigen Trägers der Sozialhilfe für Bedarfslagen, die im Verantwortungsbereich dieses Trägers der Sozialhilfe während der Dauer des tatsächlichen Aufenthalts des Leistungsberechtigten entstanden und ihm zur Kenntnis gelangt sind und von ihm auch durch Erledigung des Hilfefalles hätten beseitigt werden können. Erst ab dem Umzug soll der für den neuen Aufenthaltsort zuständige Sozialhilfeträger zuständig sein. Entsprechendes hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung bereits unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zu der dortigen Bestimmung des § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG entschieden. Danach war für die Sozialhilfe örtlich zuständig derjenige Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich aufhielt. Für die Frage, auf welchen Zeitpunkt es bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ankommt, wurde auf den das Sozialhilferecht prägenden Grundsatz abgestellt, dass die Sozialhilfe dazu dient, eine gegenwärtige Notlage zu beheben. Ab wann eine "gegenwärtige" Notlage angenommen werden kann, richtet sich dabei nach der jeweiligen Eigenart des geltend gemachten Bedarfs (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1994 – 5 C 47.91NVwZ 1995, 78 = FEVS 45, 89). Hiervon ausgehend ist für die Umzugskosten regelmäßig die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers anzunehmen, in dessen Bezirk die Wohnung liegt, aus der Hilfesuchende ausziehen möchte und zwar auch dann, wenn der Hilfesuchende aus diesem Bezirk fortzieht, bevor der Hilfefall tatsächlich geregelt ist. Über die Übernahme der kosten eines erneuten Umzuges innerhalb L. wird dann der dortige Sozialhilfeträger zu befinden haben.

c) Die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers, die begehrten Zustimmung im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII zu erteilen, kann im Wege der einstweiligen Regelungsanordnung nur erfolgen, wenn ein Anordnungsanspruch (der materiell-rechtliche Anspruch auf Erteilung der Zustimmung) sowie ein Anordnungsgrund (ein Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet) glaubhaft gemacht worden ist (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 1 Grundgesetz [GG]), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 – 2 BvR 745/88BVerfGE 79, 69).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist für den hier geltend gemachten Anspruch auf Zustimmung im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 7 SGB XII und Bewilligung einer Umzugshilfe ein Anordnungsgrund nicht gegeben.

Keinen Anordnungsgrund begründet der Umstand, dass der Antragsteller in L. ohne die sich noch in R.-R. befindlichen Möbel und ohne seine sonstigen Gegenstände auskommen muss. Der Antragsteller hat von der Stadt L. ein Darlehen in Höhe von 497,00 EUR erhalten, um sich eine Erstausstattung anzuschaffen. Zum für eine Erstausstattung notwendigen Hausrat zählen alle Einrichtungsgegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und die dem Leistungsberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglicht (vgl. zum SGB II: Lang/Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 23 Rdnr. 99). Die zur Anschaffung dieser Einrichtungsgegenstände erforderlichen Mittel wurden ihm durch das Sozialamt der Stadt L. zur Verfügung gestellt.

Der für vom Antragsteller als "Notlage" empfundene Umstand liegt bei genauerer Betrachtung darin, dass er, als er nach L. umgezogen ist, einen Teil seiner Möbel an seinem ursprünglichen Wohnort eingelagert hat und diese nach erfolgtem Umzug nach L. bringen möchte. Es geht daher nur noch um die Frage, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, dem Antragstelle zu ermöglichen, seine restlichen Möbel nach L. zu schaffen. Sollte – was im Hauptsacheverfahren zu klären ist – der Antragsgegner sich zu Unrecht geweigert haben, die Umzugskosten zu übernehmen, hätte er gegebenenfalls dem Antragsteller einen entsprechenden Schaden zu ersetzen. Eine nicht zumutbare Notlage indes liegt hierin nicht.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist auch gegenwärtig nicht davon auszugehen, dass ein Anordnungsanspruch besteht.

Gemäß § 29 Abs. 1 Sätze 7 und 8 SGB XII können Umzugskosten vom Träger der Sozialhilfe grundsätzlich nur bei vorheriger Zustimmung übernommen werden; eine Zustimmung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Dabei hat das Sozialgericht im angegriffenen Beschluss zutreffend darauf abgestellt, dass die Notwendigkeit eines Umzugs im Sinne der Vorschriften nur dann gegeben ist, wenn nicht nur der Auszug aus der bisherigen Wohnung an sich, sondern auch der Einzug in die konkrete neue Wohnung notwendig ist (vgl. Berlit, in: Münder u. a. [Hrsg.], SGB XII [8. Aufl., 2008], § 29 Rdnr. 64, m. w. N.; zum SGB II: SächsLSG, Beschluss vom 29. Februar 2008 – L 3 B 145/08 AS-ER [nicht veröffentlicht]).

Ein Umzug ist als notwendig im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII anzusehen, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde (vgl. zum SGB II: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2008 – L 7 AS 1300/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 27, m. w. N.; OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 24. November 2008 – S 2 B 558/08, S 2 B 559/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 12; ähnlich bereits SächsLSG, Beschluss vom 16. April 2008 – L 3 B 136/08 AS-ER – JURIS-Dokument Rdnr. 7). Es ist nicht ausreichend, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist (vgl. SächsLSG, a. a. O.).

Eine Notwendigkeit in diesem Sinne ist derzeit nicht zu erkennen. Das Argument fehlender ärztlicher Erreichbarkeit ist nicht nachvollziehbar. Wenn der Antragsteller tatsächlich an Fehlsichtigkeit und Drehschwindel leidet und nicht in der Lage wäre, vor die Haustür zu gehen, stellt sich dieses Problem an jedem Ort. Wenn der Kläger aber in der Lage ist, am motorisierten Straßenverkehr mit einem Motorrad teilzunehmen, dann kann er dieses genauso gut an seinem bisherigen Wohnort wie in L. benutzen.

Ein Anspruch auf Zustimmung zum Umzug kann auch nicht unter Rückgriff auf Grundrechte begründet werden. Über die Zusicherung der Übernahme der Kosten eines Unterkunftswechsels, der nicht notwendig ist, sich aber gleichwohl als sinnvoll darstellt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und des Gewichts des Umzugswunsches sowie der Veränderungen bei den berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten zu entscheiden; das Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 des Grundgesetz [GG]) gebietet nicht, einen nicht notwendigen Ortswechsel durch Zusicherung von Umzugskosten erst zu ermöglichen (vgl. OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 24. November 2008 – S 2 B 558/08, S 2 B 559/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 16). Das Grundrecht auf Freizügigkeit umfasst das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnung zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. mai 1953 – 1 BvL 104/53 – BVerfGE 2, 266); hierzu gehört auch die Freizügigkeit zwischen Ländern, Gemeinden und innerhalb einer Gemeinde (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. März 2004 – 1 BvR 1266/00BVerfGE 110, 177 [191]). Zwar hindert eine solche Regelung einen Hilfebedürftigen nicht unmittelbar an der freien Wahl des Wohnortes. Sie knüpfte aber an eine Wahl, die vorliegend die Nichtübernahme der Umzugskosten zur Folge hätte, eine sozialrechtlich nachteilige Rechtsfolge. Grundrechte können jedoch auch durch mittelbare Maßnahmen beeinträchtigt werden. Das Grundgesetz bindet den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs oder gibt diesen inhaltlich vor. Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Solche Maßnahmen können in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriff gleichkommen und müssen dann wie ein solcher behandelt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. März 2004, a. a. O.). Auch das Vorenthalten einer Sozialhilfeleistung, die an die Wahl des Wohnortes anknüpft, kann daher einen Eingriff in das Freizügigkeitsgrundrecht darstellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. März 2004, a. a. O.). Der Gesetzgeber konnte aber eine solche Beschränkung für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII vornehmen, weil diese über eine ausreichende Lebensgrundlage nicht verfügen und der Allgemeinheit bei unbeschränkter Freizügigkeit daraus besondere Lasten entstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. März 2004 – 1 BvR 1266/00BVerfGE 110, 177 [192]).

Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass das dem Antragsgegner eingeräumte Ermessen zur Kostenübernahme, wenn ein Umzug nicht notwendig ist, auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles so weit reduziert ist, dass allein die Übernahme der Umzugskosten als rechtmäßige Entscheidung in Betracht kommt.

Unabhängig von diesen beschriebenen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Zustimmung ist zu beachten, dass ein Hilfebedürftiger grundsätzlich gehalten ist, den Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen (vgl. zu § 22 Abs. 3 SGB II: SächsLSG, Beschluss vom 19. September 2007 – L 3 B 411/08 AS-ER – JURIS-Dokument Rdnr. 18, m. w. N.). Der Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten nach § 29 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB XII ist nur auf die notwendigen und angemessenen Kosten beschränkt (vgl. SächsLSG, a. a. O.). Zu den notwendigen Umzugskosten gehören insbesondere die Aufwendungen für einen eventuell erforderlichen Mietwagen, die Anmietung von Umzugskartons, die Kosten für Verpackungsmaterial und Sperrmüllentsorgung und die üblichen Kosten für die Versorgung mithelfender Familienangehöriger und Bekannter (vgl. SächsLSG, a. a. O., Rdnr. 19, m. w. N). Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer professionellen Umzugshilfe besteht nur, wenn der Hilfebedürftige den Umzug zum Beispiel wegen Alters, Behinderung, körperlicher Beeinträchtigungen oder aus sonstigen, in seiner Person liegenden Gründen nicht selbst vornehmen kann (vgl. SächsLSG, a. a. O., Rdnr. 20, m. w. N). Der Antragsteller hat jedenfalls Gegenstände von R.-R. nach L. transportiert, unter anderem drei Personalcomputer und ein Motorrad. Daher ist nicht hinreichend glaubhaft, dass von ihm auch der weitere Umzug nicht selbst durchgeführt, zumindest aber organisiert werden kann. Dies gilt insbesondere für den Vortrag, dass er aus seinem privaten Umfeld keine Hilfe mehr im Zusammenhang mit dem Umzug erhalte.

Daher ist für eine Folgenabwägung kein Raum. Der Antragsteller hat seine Möglichkeiten zur Glaubhaftmachung des von ihm geltend gemachten Anspruchs trotz der bereits vom Sozialgericht gerügten mangelnden Belegung seines Vortrags nicht ausgeschöpft.

d) Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung demnach bereits unbegründet ist, kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag überhaupt zulässig ist. Zweifel bestehen diesbezüglich, weil bislang belegbar die Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 27. September 2007 erst am 18. Februar 2008 beim Sozialgericht Leipzig eingegangen ist. Allein ausgehend von diesen Daten wäre die Klage nicht innerhalb der einmonatigen Klagefrist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben worden. Dies hatte zur Folge, dass der angefochtene Bescheid bestandskräftig geworden wäre. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat aber keinen Erfolg, wenn feststeht, dass der Antragsteller keinen durchsetzbaren Hauptanspruch hat (vgl. zum Fall des nachträglich weggefallenen Hauptanspruches: SächsLSG, Beschluss vom 25. August 2008 – L 3 B 317/08 AS-ER – JURIS-Dokument Rdnr. 19). Zur Frage der fristwahrenden Klageerhebung wird das Sozialgericht allerdings im Klageverfahren noch weitere Feststellungen zu treffen haben, insbesondere zum Tag des Fristbeginns. Sofern die Klagefrist nicht eingehalten sein sollte, wird die Frage nach einer etwaigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantworten sein.

e) Die Entscheidung konnte ergehen, ohne die Stadt L. , die nach dem Umzug des Antragstellers nunmehr für ihn der örtlich zuständige Sozialhilfeträger ist, beizuladen (vgl. § 75 Abs. 2 SGG). Denn das Begehren des Antragstellers ist nicht darauf gerichtet, seinen neuerlichen Umzug in L. zu finanzieren, sondern die Kosten für die Verbringung der Möbel, die sich noch in R.-R. befinden, übernommen zu bekommen. Dies fällt aber noch in die Zuständigkeit des Antragsgegners, wie oben ausgeführt wurde.

Soweit der Antragsgegner im Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die Beiladung der ARGE Leipzig beantragt und diese auch mehrmals in dem Schriftsatz angesprochen hat, dürfte es sich um ein Versehen handeln. Denn es ist weder ersichtlich noch vom Antragsgegner vorgetragen, dass es sich beim Antragsteller um einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des SGB II handelt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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