L 4 KR 942/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3025/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 942/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Kostenerstattung und Kostenfreistellung für Kosten einer Operation zur Brustreduktion.

Der Kläger ist am 1957 geboren. Wegen eines Leistenhodens rechts hatte er als Kind Östrogene erhalten. Bereits seit damals bestand eine Gynäkomastie beidseits (krankhafte Vergrößerung des Brust- und Drüsengewebes beim Mann). Spätestens ab dem Jahre 2005 litt der Kläger (Körpergröße 176 cm) an einer Essstörung, die sich in unregelmäßigem Essverhalten, massiver Gewichtszunahme und Essattacken äußerte. Im Jahre 2007 war er als Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) bei der Beklagten krankenversichert.

Anfang Mai 2007 legte er dort das Attest (ohne Datum) des Facharztes für Frauengesundheit Dr. Z. vor. Dieser führte darin aus, bei dem Kläger bestehe wegen der Östrogenbehandlung in der Kindheit eine erhebliche Gynäkomastie, unter der er, insbesondere psychologisch, sehr leide. Die Beklagte habe dem Kläger bereits vor zehn Jahren eine operative Reduktion des Brustdrüsenkörpers zugesagt, er habe diese Leistung damals aber nicht in Anspruch genommen. Nunmehr habe er sich doch entschieden, dem Leidensdruck ein Ende zu bereiten und wünsche die operative Sanierung. Dem Attest beigefügt war eine Bescheinigung des Dr. K., Chefarzt der Frauenklinik der K.-kliniken R., vom 08. Mai 2007. Darin war ausgeführt, dass eine Gewichtsreduktion auf 115 kg die erhebliche Gynäkomastie, die einer BH Größe B entspreche, nicht verändert habe. Mit dem Kläger seien ausführlich die verschiedenen therapeutischen Operationen besprochen und es sei eine Reduktionsplastik beidseits im Sinne einer subcutanen Mastektomie (Brustamputation, Entfernung des gesamten Brustgewebes bei Erhaltung der Haut und der Brustwarze) empfohlen worden. Alternativ sei auch eine Liposuktion (Fettabsaugung) denkbar, die allerdings nicht in den K.-kliniken R. durchgeführt werden könne. Es werde gebeten, die Kostenübernahme mit der Krankenkasse zu klären. Schließlich legte der Kläger auch den Arztbrief des Radiologen Dr. T. vom 24. April 2007 über die digitale Mammografie vom selben Tag vor, der eine ausgeprägte hormonell induzierte Gynäkomastie mit kräftiger Lipomatosis (Fetteinlagerung) diagnostizierte. Die Beklagte holte das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), Dr. W., vom 11. Mai 2007 ein. Der Gutachter führte aus, der Kläger werde bei einer Gewichtsabnahme von jeweils einem kg ca. 20 g Gewicht pro Brustseite verlieren, sodass bei einem Körpernormgewicht ca. 760 g Fett pro Brustseite weniger vorliegen würden, womit das Problem zuverlässig gelöst sei. Dem Kläger sei zu Diätberatung und Gewichtsreduktion zu raten. Weiter legte Dr. W. dar, es handle sich eindeutig um ein kosmetisches Problem, das den Kläger seit seiner Kindheit begleite. Es sei nicht nachvollziehbar, dass bei ihm in der letzten Erwerbsphase aus psychischen Gründen ein kosmetischer Eingriff durchgeführt werde. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 18. Mai 2007 ab.

Der Kläger erhob Widerspruch und verwies darauf, die Operation sei früher von der Beklagten genehmigt worden. Er legte Körperfotos (Bl. 8 der Verwaltungsakte der Beklagten) und die weitere Bescheinigung von Dr. K. vom 30. Mai 2007 vor, wonach eine Gewichtsabnahme nicht zu einem Rückgang der Gynäkomastie geführt habe. Der MDK, Dr. Rü., erstellte das weitere Gutachten vom 06. Juni 2007. Darin ist ausgeführt, die Fotodokumentation zeige eine deutlich ausgeprägte Gynäkomastie beidseits und einen adipösen Körperzustand. Eine medizinische Indikation für den beantragten Eingriff werde nicht nachvollzogen. Der Befund sei deutlich, am Leidensdruck solle in keiner Weise gezweifelt werden. Allerdings liege weiterhin ein rein kosmetischer Sachverhalt vor. Eine Kausalkette zwischen der kindlichen Östrogengabe und der nunmehr vorliegenden lipomatösen Gynäkomastie sei medizinisch nicht plausibel herzustellen. Eine wie hier adipöse Gynäkomastie könne eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aus medizinischen Gründen nicht auslösen. Psychische Probleme von Krankheitswert seien mit den Mitteln dieses Fachgebiets anzugehen. Gestützt auf dieses Gutachten wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2007 zurück. Der Kläger habe einen operativen Eingriff an einem gesunden Organ beantragt, der nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung falle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in Urteilen vom 10. Februar 1993 (1 RK 14/92 = SozR 3-2200 § 182 Nr. 14) und 09. Juni 1998 (B 1 KR 18/96 R = SozR 3-2500 § 39 Nr. 5) entschieden, dass eine operative Brustverkleinerung keine adäquate Behandlungsform für die psychischen Probleme wegen einer zu großen Brust sei. Die im Jahre 1999 erteilte Genehmigung könne für die jetzige leistungsrechtliche Entscheidung nicht mehr maßgebend sein.

Die Operation, bei der rechts 347 g und links 330 g Mammagewebe entnommen wurden, die bei einer späteren histologischen Untersuchung keine Hinweise auf Malignität gezeigt hatten, erfolgte in den K.-kliniken R. am 26. Juni 2007 (Bericht der Assitenzärztin Dr. Sc. vom 03. Juli 2007), der Kläger war vom 25. Juni bis 03. Juli 2007 stationär untergebracht. Die Klinik stellte dem Kläger unter dem 16. Juli 2007 insgesamt EUR 3.466,74 in Rechnung. Am 05. Dezember 2007 stundete sie den Rechnungsbetrag bis zum 22. Januar 2008. Am 04. Februar 2008 vereinbarten der Kläger und die Klinik eine Ratenzahlung von EUR 100,00 monatlich ab dem 15. Februar 2008.

Am 30. Juli 2007 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Er trug vor, dass die Operation ein Schritt gewesen sei, wieder Lebensqualität zu erlangen. Seine letzte Gewichtsabnahme von ca. 20 kg habe die Brust nicht verkleinert.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 22. Januar 2008 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setze eine Krankheit voraus. Einer anatomischen Abweichung komme Krankheitswert im Rechtssinne grundsätzlich nicht zu, diese Voraussetzung liege vielmehr nur dann vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt werde oder die Abweichung entstellend wirke. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall. Die begehrte Behandlung habe ihm nur ein anderes Aussehen verschaffen können. Insbesondere habe keine Entstellung vorgelegen. Dies könne, nachdem die Operation durchgeführt worden sei, nur anhand der Lichtbildaufnahmen in den Akten beurteilt werden, die den Oberkörper des Klägers unbekleidet zeigten. Diese Bilder bestätigten zwar eine unnormale Entwicklung der Brust, aber keine Entstellung. Auch die psychische Belastung des Klägers rechtfertige keinen operativen Eingriff. Eine Rechtfertigung für Operationen am gesunden Körper zur Behebung psychischer Störungen sei vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose nicht gegeben.

Der Kläger hat am 18. Februar 2008 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, die Operation sei nicht als kosmetischer Eingriff zu bewerten. Auf Nachfrage des Berichterstatters des Senats hat er mitgeteilt, die Operation in R. sei am 15. Mai 2007 vereinbart worden. Ferner hat er die Rechnung sowie die Unterlagen über die Stundung und die Ratenvereinbarung vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung des Senats hat er angegeben, ein Betrag von EUR 1.871,00 sei noch nicht gezahlt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2007 zu verurteilen, ihm die Kosten für die am 26. Juni 2007 in den K.-kliniken R. durchgeführte Mammareduktion und für den stationären Aufenthalt dort vom 25. Juni bis 03. Juli 2007 in Höhe von EUR 1.595,74 zu erstatten und ihn von weiteren Kosten in Höhe von EUR 1.871,00 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen. Sie räumt ein, dass sie dem Kläger im Jahre 1999 die Erbringung der streitigen Operation zugesagt habe. Die Hintergründe dieser Bewilligung könnten nicht mehr dargelegt werden, da der damalige Schriftwechsel bereits vernichtet worden sei.

Der Berichterstatter des Senats hat den behandelnden Arzt des Klägers, Allgemeinmediziner Dr. A., schriftlich als Zeugen vernommen. Dieser hat mitgeteilt, das Körpergewicht des Klägers habe 123,6 kg im September 2004, 128 kg im April 2005 und 119 kg im Mai 2008 betragen. Der Kläger leide an einem Bluthochdruck, der zufriedenstellend eingestellt sei. Folgekrankheiten der Gynäkomastie seien nicht festzustellen gewesen. Der Kläger habe nach eigenen Angaben mehrfach sein Körpergewicht stark reduziert, das reduzierte Gewicht jedoch nicht halten können. Auf Anforderung des Berichterstatters hat ferner Dr. K. den Bericht über die Operation am 26. Juni 2007 und weitere Befundberichte vorgelegt. Weiterhin hat der Berichterstatter die Entlassungsberichte der B.-Klinik, Leitender Arzt H., vom 28. Oktober 2005 und der Klinik A., Dr. Gl., vom 18. November 1999 über stationäre Rehabilitationen des Klägers beigezogen. Aus diesen ergibt sich, dass bei dem Kläger im Jahre 1999 u.a. eine reaktive depressive Entwicklung bei depressiv-zwanghafter Persönlichkeitsstruktur und eine psychogene Essstörung sowie im Jahre 2005 eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion und Essattacken bei anderen psychischen Störungen festgestellt wurden. Beide Berichte diskutieren familiäre (Trennung 1998) und berufliche Schwierigkeiten (Insolvenz 2005) des Klägers als mögliche Ursachen der depressiven Entwicklung und der damit verbundenen Essstörung. Hinweise auf die Gynäkomastie des Klägers finden sich nicht. Wegen der Angaben im Einzelnen wird auf die genannten Berichte verwiesen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden. Sei war auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier noch anwendbaren, bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung zulassungsbedürftig, denn der Kläger ist durch das Urteil des SG um mehr als EUR 500,00 beschwert.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Die Klage war zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der bislang gezahlten Kosten in Höhe von EUR 1.595,74 und auf Freistellung von der noch nicht gezahlten Kosten in Höhe von EUR 1.871,00 zu.

1. Ein solcher Anspruch besteht zunächst nicht aus § 13 Abs. 3 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V).

Nach dieser Vorschrift sind die Kosten einer selbstbeschafften Leistung, soweit die Leistung notwendig war, zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alternative) und - in beiden Fällen - dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Soweit entstandenen Kosten noch nicht gezahlt sind, der Versicherte jedoch einer rechtsgültigen Zahlungsverpflichtung (hier: Honorarforderung der K.-kliniken R.) ausgesetzt ist, geht der Anspruch auf die Freistellung von diesen Kosten (vgl. BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 9, ständige Rechtsprechung).

a) Die Beklagte hat zum einen weder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht noch eine Leistung zu Unrecht abgelehnt.

Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BSG SozR 4-2500 § 27a Nr. 1). Maßgeblich ist insoweit die Sach- und Rechtslage für den Zeitraum, für welchen die Erstattung oder Freistellung von Kosten geltend gemacht wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 12). Der Anspruch auf Kostenerstattung oder Freistellung tritt an die Stelle des an sich bestehenden Anspruchs auf Sachleistungen, den die Kasse wegen eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat.

Dem Kläger stand kein entsprechender Sachleistungsanspruch auf die durchgeführte Operation zu.

aa) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V u.a. ärztliche Behandlung (Nr. 1) und Krankenhausbehandlung (Nr. 5).

bb) In diesem Sinne war die in den K.-kliniken R. durchgeführte Operation nicht erforderlich. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei dem Kläger, was den Zustand seiner Brust anbelangt, keine Krankheit vorlag, die der ärztlichen Behandlung bedurfte.

Als Krankheit ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt Krankheitswert im Rechtssinne nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 m.w.N.). Kosmetische Defizite allein, die nicht zu einer Entstellung im Rechtssinne führen, stellen dagegen keine Krankheit dar, die Verbesserung des Aussehens kann mithin kein Behandlungsziel sein. Für krankenversicherte Frauen hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass Maßnahmen zur Verkleinerung der Brüste im Allgemeinen keine Operationsindikation begründen, da ein solcher Eingriff allein auf eine Verbesserung des Aussehens gerichtet ist (Urteil des Senats vom 24. Februar 2005, L 4 KR 3936/03, veröffentlicht in Juris, Rn. 18; Urteil vom 23. Januar 2004, L 4 KR 1609/02, veröffentlicht in Juris, Rn. 21; Urteil vom 18. Oktober 2002, L 4 KR 4692/01, veröffentlicht in Juris, Rn. 21). Das Gleiche gilt für versicherte Männer. Auch wenn bei Männern ein gesellschaftliches Idealbild besteht, dass keine Brüste vorhanden sind, die denen einer Frau ähneln, so stellt die Beseitigung solcher Brüste grundsätzlich gleichwohl lediglich einen kosmetischen Eingriff dar. Dies gilt unabhängig von der Größe der männlichen Brüste.

Die Gynäkomastie hatte die körperlichen Funktionen des Klägers nicht eingeschränkt. Insbesondere verursachte sie keine Bewegungseinschränkungen. Auch Schmerzzustände bestanden nicht. In diesem Zusammenhang sind auch die Ursachen der Gynäkomastie des Klägers unerheblich. Selbst wenn die Brustbildung Folge der Östrogenbehandlung im Kindesalter war und nicht lediglich auf der später entwickelten Adipositas beruhte, so hat sich durch sie kein regelwidriger körperlicher und damit behandlungsbedürftiger Zustand gebildet.

Die Gynäkomastie bewirkte beim Kläger auch keine Entstellung. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (BSG, a.a.O., Rdnrn. 13 und 14). Schon deshalb, weil sich die Brüste des Klägers durch Kleidung im Alltag verdecken ließen, selbst auch beim Sport, scheidet eine Entstellung hier aus. Darauf, dass sich der Kläger beispielsweise in der Badeanstalt mit freiem Oberkörper sehen lassen wollte und sich durch die Gynäkomastie daran gehindert sah, kommt es nicht an.

Auch die vom Kläger geltend gemachten psychischen Aspekte begründeten nicht die Notwendigkeit der durchgeführten Mammareduktion. Der Senat ist bereits nicht davon überzeugt, dass die mindestens seit 1999 beschriebene reaktive Depression des Klägers auf der Gynäkomastie beruhte. Die Brust des Klägers hat sich nach seinem Vortrag und den Angaben der Ärzte bereits seit seiner Kindheit vergrößert. Psychische Störungen sind jedoch erstmals in dem Entlassungsbericht der Klinik A. vom 18. November 1999 beschrieben. Als Ursache wurden damals jedoch allein die familiären und beruflichen Probleme des Klägers genannt. Die Essstörung und die hieraus folgende Adipositas wurden als Folgeerkrankungen der familiär und beruflich bedingten reaktiven Depressionen beschrieben. Weder in diesem Entlassungsbericht noch in jenem der B.-Klinik vom 28. Oktober 2005 stellen die behandelnden Ärzte einen Zusammenhang zwischen der depressiven Erkrankung und der Gynäkomastie her. Bei beiden, mehrwöchigen Rehabilitationen hat der Kläger auf seine Brust nicht hingewiesen, auch keiner der Ärzte selbst hat diesen Umstand für so erheblich gehalten, dass er ihn in den Rehabilitationsberichten vermerkt hätte. Wäre die Gynäkomastie eine Ursache der depressiven Krankheit gewesen, wäre dies festgestellt worden. Unabhängig davon kann ein operativer Eingriff an einem gesunden Körperteil aus psychischen Gründen schon von Rechts wegen nicht zu einer Kostenübernahmepflicht der gesetzlichen Krankenversicherung führen. Angesichts der mit einem operativen Eingriff immer verbundenen Risiken kommt eine solche Operation regelmäßig nicht in Betracht, wenn sie lediglich der Behandlung psychischer Störungen dienen soll. Dies hat das BSG in ständiger Rechtsprechung gerade auch für Brustverkleinerungen - bei versicherten Frauen - entschieden (SozR 3-2500 § 39 Nr. 5; Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 9/04 R, veröffentlicht in Juris, Rn. 16, zuletzt SozR 4-2500 § 27 Nr. 14). Solchen Beeinträchtigungen ist mit Mitteln der Psychotherapie zu begegnen, nicht aber mit einem operativen Eingriff an einem funktionell gesunden und damit nicht behandlungsbedürftigen Körperorgan.

b) Unabhängig hiervon fehlt es an dem nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nötigen Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Krankenkasse und der Verursachung der Operationskosten.

Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem Umstand, der die Haftung der Kasse begründet, und dem Nachteil des Versicherten ein Ursachenzusammenhang bestehen. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch oder Freistellungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es bei beiden Alternativen des § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 15). Dieses Verfahren ist entgegen früherer Auffassung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 34 Nr. 2) auch zu fordern in Fällen, in denen von vornherein feststand, dass eine durch Gesetz oder Verordnung von der Versorgung ausgeschlossene Sachleistung verweigert werden würde und sich der Versicherte dadurch gezwungen gesehen hat, diese Leistung selbst zu beschaffen (vgl. jetzt eingehend BSGE 98, 26 unter Hinweis auf die - hier nicht einschlägige - Besonderheit der Verschreibung nicht zum Leistungskatalog gehörender Arzneimittelverordnungen auf Privatrezept). Nur bei einer Vorprüfung können die Krankenkassen ihre - Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden - Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und gegebenenfalls auch zu zeigen, welche Leistungen anstelle der begehrten in Betracht kommen. War mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für einen solchen Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 28 Nr. 6).

Der Zeitpunkt, an dem die Krankenkasse mit dem Begehren des Versicherten spätestens befasst sein muss, ist derjenige, an dem eine bindende Entscheidung zur Durchführung einer ärztlichen Behandlung oder zum Erwerb eines Medikaments getroffen wird. Ab diesem Zeitpunkt hat sich ein Versicherter auf eine bestimmte ärztliche oder medikamentöse Behandlung festgelegt und nimmt damit der Krankenkasse die Möglichkeit, im Rahmen der Prüfung des Antrags Alternativvorschläge zu machen.

Der Kläger hat nach seinem Vortrag im Berufungsverfahren die Operation in den K.-kliniken R. am 15. Mai 2007 vereinbart. Sein Antrag ging bei der Beklagten am 09. oder 10. Mai 2007 ein. Dies ergibt sich daraus, dass er dem Antrag den Befundbericht vom 08. Mai 2007 beigelegt hatte und die Beklagte mit Schreiben vom 10. Mai 2007 den MDK beauftragte. Der MDK erstellte sein Gutachten vom 11. Mai 2007, die Beklagte lehnte den Antrag am 18. Mai 2007 ab. Dies war nach der bindenden Vereinbarung der Operation. Der Kläger hat demnach nach der Einreichung seines Antrags bei der Beklagten nicht deren Entscheidung abgewartet, bevor er sich auf die Operation festlegte. Es ist davon auszugehen, dass sich der Kläger bereits bei Antragstellung, vermutlich nach der Beratung in den K.-kliniken R. am 08. Mai 2007, zu der späteren Operation entschlossen hatte.

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten und auf Kostenfreistellung zu, weil ihm die Beklagte im Jahre 1999 die Erbringung einer solchen Operation als Sachleistung zugesagt hatte.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage Erstattung seiner Kosten und Kostenfreistellung. Ein solcher Anspruch könnte aus einer Zusage der Beklagten, gleich welcher Rechtsnatur sie ist, nicht hergeleitet werden, denn die Beklagte hat damals allenfalls die Durchführung der Operation als Sachleistung zugesagt.

Zum anderen hatte die damalige Zusage, sollte sie tatsächlich abgegeben worden sein, im Jahre 2007 keine rechtliche Wirkung mehr. Dies gilt unabhängig davon, ob sie die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts oder einer Zusicherung im Sinne von § 34 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) erfüllte. Das Recht der medizinischen Behandlung entzieht sich grundsätzlich Festlegungen eines Leistungsträgers durch Verwaltungsakt oder Zusicherung. Eine dennoch (sozusagen "abstrakt") erklärte Leistungszusage kann nach der Rechtsprechung jederzeit, und zwar unabhängig von einer rechtlichen oder tatsächlichen Änderung, widerrufen werden (BSG, SozR 1300 § 47 Nr. 2). Denn derartige Entscheidungen stehen unter dem (stillschweigenden) gesetzlichen Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs mit Wirkung für die Zukunft, weil der Anspruch auf Krankenhausbehandlung von dem Grundsatz geprägt ist, dass die Behandlungsmaßnahmen dem jeweiligen Bedarf anzupassen und daher stets abhängig von den aktuellen Verhältnissen, von dem gegenseitigen Krankheitszustand sowie den gegenseitigen Behandlungsmöglichkeiten sind (BSG, a.a.O.; Wahl, in: Juris PK - SGB V § 39 Rn ... 103 m.w.N.).

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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