L 3 U 329/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 244/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 329/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. November 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Zeckenstichs als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1964 geborene Kläger war vom 01. März 1983 bis zum 30. April 1989 Beschäftigter der Deutschen Reichsbahn (DR) mit Wohnsitz in West-Berlin. Vom 01. Januar 1984 bis zum 30. November 1985 war er als Rangierarbeiter, danach als Einweiser für Krananlagen eingesetzt. Seit dem 01. Mai 1989 ist der Kläger keiner Beschäftigung mehr nachgegangen. 1993 wurde bei ihm eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie diagnostiziert. Er bezieht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01. Juni 1994 (Bescheid vom 11. Juli 1997).

Laut der Gesundheitsakte der DR erlitt er im August 1983, Januar 1985 und Januar 1989 Verletzungen beim Fußball (Kopfprellung bzw. Verstauchung und Zerrung des Knies und des Beines bzw. Prellung des Rumpfes). Am 26. Juli 1985 wurde er in der Reichsbahnpoliklinik West wegen Grippe behandelt. Wegen anhaltender Beschwerden wie Genick-, Rücken- und Knieschmerzen wurde er vom 14. August 1985 bis Oktober 1985 auf einem Schonarbeitsplatz eingesetzt. Vom 03. Oktober bis zum 15. Oktober 1985 wurde er im Krankenhaus A U stationär wegen Lumbago, Zustand nach fieberhaftem Infekt mit Schüttelfrost und Kraftminderung in beiden Beinen behandelt. Danach wurde laut den Aufzeichnungen des Neurologen und Psychiaters Dr. N-C in der Gesundheitsakte noch eine Behandlung mit Antibiotika durchgeführt (Antibiotikum und Arzt unbekannt). Im Jahr 1998 erfolgte eine positive Borrelien-Serologie (Befund vom 03. März 1998: ELISA negativ, Borrelien IgM-Westernblot negativ, IgG-Westernblot positiv).

Mit Schreiben vom 25. Juli 2001 wandte sich der Kläger durch seinen Bruder C S zunächst an die Bahnversicherungsanstalt (BVA) und gab an, an einem sonnigen Tag Ende Mai/Anfang Juni 1985 an seiner Arbeitsstelle SNL Schönholz beim Entladen eines mit Holz beladenen Waggons im Wadenbereich von einer Zecke gestochen worden zu sein. Ein Arzt sei nicht hinzugezogen worden, Antibiotika habe er nicht erhalten. Zeugin sei seine Mutter H S, die die Zecke nach der Arbeit zu Hause entfernt habe. Ob eine Hautrötung eingetreten sei, sei nicht kontrolliert worden. Vier Monate später habe er diagnostisch nicht einzuordnende Beschwerden der Gelenke entwickelt und sich fortan krank gefühlt. Er habe infolge des Zeckenstichs eine Hirnhautentzündung durchgemacht. Fälschlicherweise sei eine Schizophrenie diagnostiziert worden.

Die Beklagte ermittelte in der Folgezeit unter anderem durch Beziehung der bei dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. P befindlichen Unterlagen, die einen Entlassungsbericht der C – Klinik und Poliklinik für Psychiatrie - vom 23. Mai 2000 betreffend einen stationären Aufenthalt des Klägers im April und Mai 2000 umfassten. Die anlässlich der dort durchgeführten Behandlung erfolgte Borrelien-Serologie war negativ verlaufen. Die Beklagte zog außerdem die medizinischen Unterlagen der Bahnversicherungsanstalt – BVA - (u. a. Entlassungsbericht des Krankenhaus M vom 11. Mai 1993 und neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 23. Mai 1996, 08. April 1997 und 28. Juni 2000), die Krankengeschichte des Krankenhaus A U zum stationären Aufenthalt im Oktober 1985, die Gesundheitsunterlagen aus der Personalakte des Klägers bei der DR, die Gesundheitsakte der DR und ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Berlin bei. Schließlich holte sie noch eine Stellungnahme des Direktors der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der C – Prof. Dr. U – vom 07. Januar 2002 ein und lehnte schließlich die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit Bescheid vom 08. März 2002 ab, da ein Arbeitsunfall nicht habe festgestellt werden können. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. März 2003).

Mit seiner hiergegen bei dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er sei im Mai 1985 während seiner Arbeitszeit auf der Dienststelle SNL S von einer Zecke gestochen worden. Von seiner Arbeitsstelle sei er auf direktem Weg mit der S-Bahn nach Hause zu seiner Mutter gefahren. Beim Entkleiden zum Duschen sei die verbissene Zecke an der linken Wade (seitlich unten) von seiner Mutter gesehen und entfernt worden. Circa vier Monate später seien borrelienspezifische Beschwerden aufgetreten. Die bei ihm jetzt vorliegende psychische Erkrankung sowie u. a. brennende Schmerzen in den unteren Extremitäten, Müdigkeit, Reizbarkeit, Impotenz, Hustenattacken, Übergewichtigkeit seien auf eine ZNS-Borreliose bzw. spätere Encephalomyelitis zurückzuführen.

Das SG hat Beweis erhoben zu dem angegebenen Ereignis durch Vernehmung der Zeugen J S (älterer Bruder des Klägers), C S (jüngerer Bruder des Klägers) und H S (Mutter des Klägers) im Termin zur mündlichen Verhandlung am 06. September 2006. Wegen des Ergebnisses der Zeugenbefragung wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.

Ergänzend hat der Kläger anschließend vorgetragen, die Zeugin H S sei sich jetzt sicher, er sei an einem Freitag von der Zecke gestochen worden. Die Zecke sei bei ihrer Entfernung mindestens vier bis fünf Millimeter groß gewesen. Die Zeugin sei sich weiterhin ebenso wie der Zeuge C S sicher, dass sie die Zecke auf jeden Fall gesehen hätten, wäre sie schon morgens vor der Arbeit da gewesen. Im Übrigen habe er sich die Zecke auch nicht beim Fußball Spielen im C-v-O-Park zuziehen können, da erst in den 90er Jahren in B-T Zecken aufgetreten seien. Er hat hierzu eidesstattliche Versicherungen der Zeugen C und H S vom 06. November 2006 vorgelegt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 08. November 2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es stehe nicht mit der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass die Zecke, die die Zeugin S nach ihren Angaben aus der Wade des Klägers entfernt habe, diesen an dessen Arbeitsstätte befallen habe. Dies wirke sich zu Lasten des Klägers aus, da er insoweit die objektive Beweislast trage. Der Kläger könne sich die Zecke bereits zuvor außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit zugezogen haben, denn nach Aussage des Zeugen J S habe er bis 1985 im C-v-O-Park Fußball gespielt. Die Zeugin Shabe bekundet, der Kläger sei gerne draußen gewesen. Die ganze Familie sei viel im Freien gewesen, in den R, in T und an der O. Diese Zeugenaussagen zeichneten das Bild eines aktiven, sportlichen jungen Mannes, der viel Zeit im Freien und in der Natur verbracht habe. Hierbei habe er sich die Zecke zuziehen können. Die Annahme, der Kläger könne sich die Zecke auch außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit zugezogen habe, werde nicht dadurch widerlegt, dass nach Angaben der Zeugen H und C S vor dem Aufbruch des Klägers zur Arbeit am fraglichen Tag am Körper des Klägers noch keine Zecke gewesen sei. Selbst wenn dies zutreffen sollte, habe die Zecke bereits zuvor an einem anderen Ort als der Arbeitsstätte in die Zivilkleidung des Klägers geraten können. Nicht glaubhaft sei die Behauptung des Klägers, in der fraglichen Zeit unter der Woche die Wohnung, außer um zur Arbeit zu fahren, nicht verlassen zu haben.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Soweit das SG angenommen habe, er könne sich die Zecke auch außerhalb seiner Arbeit zugezogen haben, stünden dem folgende Argumente entgegen: • 1985 habe es keine von Borreliose-Erregern befallene Zecken im Stadtgebiet Berlins gegeben; • Er habe keine Ausflüge ins Grüne gemacht, die Aussagen der Zeugin S bezögen sich auf seine Kindheit; • Der C-v-O-Park sei für den Aufenthalt von Zecken völlig ungeeignet gewesen, außerdem sei dort regelmäßig das Laub geharkt worden; • Er habe beim Fußballspielen stets eine lange Turnhose mit geschlossenen Bündchen getragen; • Unmittelbar vor dem Tag mit dem Zeckenbiss habe er kein Fußball im Park gespielt; • Er habe am fraglichen Tag morgens frisch gewaschene Kleidung angezogen; • Er habe am Abend zuvor, wie jeden Abend, ein langes heißes Wannenbad genommen; • Aus der Schilderung der Zeckenentfernung ergebe sich, dass die Zecke bereits einige Stunden zuvor zugestochen haben müsse. Er bezieht sich auf einen Bericht des Bundesgesundheitsamtes zum "Vorkommen von Borrelien im Berliner Raum". Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Zeckenstich und seiner jetzigen Krankheit sei im Übrigen zwingend, denn alle übrigen Krankheitsursachen seien in den letzten Jahren ausgeschlossen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2003 aufzuheben und festzustellen, dass die bei ihm bestehende schizophrenieähnliche Erkrankung Folge eines als Arbeitsunfall anzuerkennenden Ereignisses von Mai oder Juni 1985 ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen dieser Folge Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unbegründet.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Gutachtens von dem Facharzt für Innere Medizin, Facharzt für Labormedizin, Spezialisierung Infektiologie, Zusatzbezeichnung Tropenmedizin und Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin, Abt. Tropenmedizin und Infektionskrankheiten, der Universität R Prof. Dr. R. In seinem Gutachten vom 30. November 2008 ist dieser nach einer Untersuchung des Klägers am 14. Oktober 2008 unter Verwertung der Akte der Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin zu einem stationären Aufenthalt des Klägers am 25./26. März 2002 sowie eines Liquorbefundes des Klinikums der Universität M vom 01. Juni 2004 zu dem Ergebnis gelangt, eine aktive Borreliose als Ursache der langjährig bestehenden schizophrenie-ähnlichen Symptomatik sei unwahrscheinlich. Die durchgeführten Borrelien-Serologien in den Jahren 1998, 2002 und 2008 hätten einen stattgehabten Kontakt mit Borrelia burgdorferi, jedoch keinerlei Hinweise für eine aktive Borreliose ergeben. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 03. Mai 2009 hat der Sachverständige seine Auffassung bekräftigt. Der bevollmächtigte Bruder des Klägers J S hat hierzu mit Schreiben vom 15. November 2009 Kritik geübt

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten der Abteilung Infektiologie und Tropenmedizin der Universität R zum stationären Aufenthalt des Klägers am 25./26. März 2002 sowie zur ambulanten Untersuchung des Klägers am 14. Oktober 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines von ihm angegebenen Zeckenstichs im Mai oder Juni 1985.

Nach §§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf Verletztenrente. Als Verletztenteilrente wird der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grad der MdE entspricht. Der Anspruch auf Verletztenrente scheitert bereits daran, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliegt.

Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (so genannter Wegeunfall). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII).

Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG vom 04. September 2007, - B 2 U 28/06 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 24 m. w. N.).

Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Beim Vollbeweis muss sich das Gericht grundsätzlich die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, Randnr. 3b zu § 128 m. w. N.). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, in Juris m. w. N.). Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestandes nach §§ 2 ff SGB VII, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale. Erforderlich ist in diesem Zusammenhang der positive Nachweis, der Ausschluss anderer Ursachen reicht nach den ausgeführten Grundsätzen nicht aus.

Hier ist sowohl zweifelhaft, dass der Kläger überhaupt einen Zeckenstich, d. h. einen Unfall, erlitten hat als auch dass er sich diesen aufgrund seiner versicherten Tätigkeit als Rangierer bei der DR zugezogen hat. Weder dem Kläger noch den Zeugen J, C und H S ist das Datum erinnerlich, wann der Zeckenstich stattgefunden haben soll. Es existieren hier lediglich Spekulationen seitens der Familie, um den Zeitraum einzugrenzen. So soll es ein Freitag gewesen sein – eventuell der 31. Mai 1985 -, weil der Kläger seine Arbeitskleidung zum Waschen mitgebracht hatte. Es soll andererseits kurz vor dem Geburtstag des Zeugen J S Anfang Juni 1985 gewesen sein (vgl. hierzu das Schreiben des Bruders J S an Frau Dr. W vom 08. Februar 2008). Darüber hinaus finden sich wenige Angaben aus erster Hand über die Zecke und ihren Fundort. Der Kläger selber äußert sich seit einiger Zeit krankheitsbedingt nicht mehr. In der Gesundheitsakte der DR oder der Krankengeschichte des Krankenhaus A U findet sich kein Hinweis auf einen Zeckenstich. Aktenkundig ist eine erstmalige Erwähnung eines Zeckenstichs im Entlassungsbericht des Krankenhaus M vom 11. Mai 1993, wobei unklar ist, ob der Kläger selber oder einer seiner Brüder die Angaben gemacht hat. In dem Bericht heißt es: "1985 habe der Patient ein halbes Jahr nach einem Zeckenbiss Gelenkschwellungen und Rötungen und Schmerzen in allen Knochen und Muskeln, die ca. fünf Monate anhielten, bemerkt, begleitet von Schwindel, Doppelbildern und Gangunsicherheit. Ursachen dieser Symptomatik konnten von den Ärzten nicht gefunden werden. Die Mutter des Patienten stellte anhand von Zeitschriftenstudien die Diagnose einer Borreliose." Im Mai 1996 hat er im Rahmen einer nervenärztlichen Begutachtung für die BVA angegeben: "Eine Zecke ist in meine Wade gekrochen. Ich bekam an meinen Gelenken Knochenbeschwerden. Ich lag drei Wochen im U-Krankenhaus" (Fragebogen zur Untersuchung vom 18. Mai 1996). "Als er 21 war, habe er einen Zeckenbiss gehabt, was ihm aber erst später eingefallen sei. Damals habe er sich benebelt gefühlt und habe Koordinationsstörungen gehabt. Die Muskeln seien ganz schwach gewesen. Das habe ungefähr drei Monate gedauert, dann sei die Besserung kommen" (Gutachten vom 28. Mai 1996). Im Unfallverfahren findet sich gar keine eigene Äußerung des Klägers. Die Mutter hat als Zeugin vor dem SG bekundet, der Kläger sei abends aus dem Bad gekommen und habe ihr etwas an der Rückseite der linken Wade gezeigt. Sie habe nach mehrfachen Versuchen ein Tier aus der Haut herausgezogen, das ihr Mann als Holzbock identifiziert habe. Die Zeugen J und C S haben die Zecke nach eigenen Angaben selber nicht gesehen.

Wenn man nun die aktenkundigen eigenen Angaben des Klägers ab Anfang der 90er Jahre sowie die mehr als 20 Jahre nach dem behaupteten Biss gemachten Bekundungen der Mutter und Zeugin H S als ausreichend für den Nachweis, dass tatsächlich überhaupt ein Zeckenstich stattgefunden hat, ansehen will, so fehlt es jedoch an dem positiven Nachweis, dass der Stich in einem inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit als Rangierer steht. Der Kläger selber hat dies niemals aktenkundig gemacht. Die einzige Zeugin H S hat den Kläger nicht zur Arbeitsstelle begleitet. Arbeitskollegen, die einen Zeckenstich bezeugen könnten, gibt es nicht. Der Stich ist dem Arbeitgeber nicht gemeldet worden. Letztlich liegt nur die Angabe der Zeugin S vor, die Zecke sei abends vor dem Baden entdeckt und entfernt worden. Aus der Tatsache, dass der Kläger ihr seine Arbeitshose zum Waschen gegeben haben soll, soll gefolgert werden, dass er zuvor bei der Arbeit war und sich das Ganze an einem Freitag ereignet hat. Hierauf kann der Senat jedoch insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger selber nie behauptet hat, während seiner Arbeitszeit gestochen worden zu sein, nicht die volle Überzeugung begründen, der Kläger sei tatsächlich mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei seiner versicherten Tätigkeit als Rangierer von einer Zecke gestochen worden. Es verbleiben gravierende Ungewissheiten: So ist es angesichts der vagen Angaben der Zeugin nicht zwingend, dass die Zecke nach einer Arbeitsschicht gefunden wurde. Auch kann die Zecke – wie das SG bereits ausgeführt hat – durchaus schon vor der Arbeitsschicht am Körper des Klägers gewesen sein. Allein die Behauptung der Zeugen C und H S, dies hätte man auf jeden Fall bemerkt, scheint rein spekulativ und lebensfremd. Schließlich ist die Zeugin S nach ihren Angaben nur durch den Kläger auf die Zecke aufmerksam gemacht worden. Inwieweit der Kläger tatsächlich immer ganz frisch gewaschene Wäsche angezogen hat, lässt sich nicht mehr verifizieren. Es ist seitens des Klägers nicht nachgewiesen, dass es im innerstädtischen Bereich 1985 keine mit Borrelia burgdorferi verseuchte Zecken bzw. Nymphen gegeben hat. Dem vorgelegten Artikel des Bundesgesundheitsamtes lässt sich hierzu nichts entnehmen. Schließlich ist keinesfalls klar, dass der Kläger sich im Mai/Juni 1985 während seiner Freizeit nicht im Freien aufgehalten hätte. Dies erscheint angesichts der Jahreszeit wenig wahrscheinlich. Das Freizeitverhalten des Klägers zur fraglichen Zeit lässt sich zwar nicht mehr mit Sicherheit klären. Der Kläger hat jedoch ausweislich der Eintragungen in der Gesundheitsakte der DR zumindest bis Juni 1985 (und auch noch danach) aktiv Sport betrieben, insbesondere Fußball gespielt.

Auffällig ist hier, dass die Familie des Klägers Jahrzehnte nach dem behaupteten Ereignis des Zeckenstichs und nach der erstmaligen Diagnose einer paranoiden Schizophrenie die Umstände des behaupteten Ereignisses sowie die Lebensumstände des damals erst 19jährigen Klägers immer weiter variiert und differenziert. So wird der Kläger zunächst als aktiv und sportlich geschildert, anschließend wird dies immer weiter eingeschränkt, wobei die Aktenlage dem widerspricht. Ausweislich der Gesundheitsakte der DR hat der Kläger nicht nur am Wochenende Fußball gespielt (Verletzungen u. a. am Montag, den 01. August 1983 und am Dienstag, den 08. Januar 1985). Darüber hinaus war er laut weiterem Eintrag in der Gesundheitsakte vom 17. Oktober 1985 bis zum Sommer 1985 aktiver Sportler. Im Entlassungsbericht des Krankenhaus M vom 25. Oktober 1994 wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger bis vor drei bis vier Jahren (d. h. bis ca. 1990) Sport getrieben habe. Es ist kaum glaubhaft, wenn ein 19jähriger gesunder junger Mann nunmehr so geschildert wird, als wäre dieser nie mit gleichaltrigen Freunden beim Sport oder in der sonstigen Freizeit im Freien und auch in Waldgebieten unterwegs gewesen. Auch die Angaben zu dem behaupteten Ereignis variieren in ihrer Ausgestaltung. So wird beispielsweise vorgetragen, der Kläger habe sich duschen wollen (Schriftsatz vom 15. Juli 2003). Bei der Zeugenbefragung am 06. September 2006 hieß es dann, er habe baden wollen. Zahlreiche weitere Korrekturen der Klägerseite zum Sachverhalt sind schlicht nicht prüfbar. Beispielsweise lassen sich Behauptungen zur Geeignetheit des C-v-O-Park zur Beherbergung von Zecken in den 80er Jahre nicht überprüfen. Allein dieser Umstand macht die Angaben der Zeugen jedoch nicht plausibel.

Darüber hinaus fehlt es am Nachweis eines Gesundheitserstschadens im Sinne einer manifesten Borreliose-Erkrankung. Eine Borreliose-Infektion stellt noch keinen Gesundheitserstschaden dar, denn eine Infektion ist lediglich der Vorgang der Ansteckung, d. h. das aktive oder passive Eindringen, Anhaften und Vermehren von Krankheitserregern in einen Wirt. Die Infektion kann mit oder ohne klinische Symptomatik verlaufen. Bei Auftreten einer klinischen Symptomatik handelt es sich um eine Infektionskrankheit. Die Infektionskrankheit Lyme-Borreliose ist eine entzündliche Multisystemerkrankung, die durch eine Infektion mit der Spirochäte Borrelia burgdorferi sensu lato verursacht wird. Die Übertragung der Lyme-Borreliose erfolgt durch den Stich der Zecke (in Europa durch den "Holzbock", Ixodes ricinus), sehr selten möglicherweise auch fliegender Insekten (Pferdebremsen, Stechmücken). Die Blutmahlzeit der Zecke muss in der Regel 16–24 Stunden andauern, um Spirochäten zu übertragen (vgl. hierzu die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Neuroborreliose aus dem Jahr 2008, zu finden in H. C. Diener, N. Putzki: "Leitlinien für die Diagnostik und Therapie in der Neurologie", Georg Thieme Verlag, 4. überarb. Auflage 2008). Schon dieser Umstand allein spricht dagegen, dass die Zecke, sollte der Kläger sie sich während seiner Arbeitszeit zugezogen haben, tatsächlich eine Borreliose beim Kläger verursacht hat.

Nach Untersuchungen aus Deutschland ist nach einem Zeckenstich bei 2,6– 5,6% der Betroffenen mit einer Serokonversion und bei 0,3– 1,4% mit einer manifesten Erkrankung zu rechnen. Die frühe Borrelieninfektion manifestiert sich bei 80– 90% der Patienten als lokales Erythema migrans (Stadium 1). Gelegentlich kommt es wenige Tage bis Wochen nach der Borrelieninfektion zu Allgemeinsymptomen wie Krankheitsgefühl, Arthralgien, Myalgien, subfebrilen Temperaturen oder Nachtschweiß. Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich (das Erythema migrans tritt nur in etwa 50% der akuten Neuroborreliosefälle auf) kann eine disseminierte Infektion auftreten, die überwiegend das Nervensystem, die Gelenke und das Herz betrifft (Stadium 2). In seltenen Fällen kann es nach Monaten bis Jahren zu einer späten bzw. chronischen Manifestation kommen mit Beteiligung der Haut, des Nervensystems und der Gelenke (Stadium 3). Da diese Stadien nur in wenigen Fällen durchlaufen werden und darüber hinaus der Infektionszeitpunkt häufig unbekannt ist, kommt der Einteilung aus klinischer Sicht nur bedingt Bedeutung zu (vgl. hierzu die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Neuroborreliose aus dem Jahr 2008, a. a. O.).

Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung lagen und liegen jedoch hier keine Hinweise dafür vor, dass bei dem Kläger tatsächlich eine aktive Borreliose-Erkrankung vorlag oder vorliegt. Der Sachverständige Prof. Dr. R, ein anerkannter Fachmann auf diesem Gebiet, hat eine solche aktive Erkrankung sowohl in seinem Gutachten vom 30. November 2008 als auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03. Mai 2009 und auch bereits in dem Entlassungsbericht vom 11. April 2002 ausgeschlossen.

In Abhängigkeit von der Konstellation der klinischen Befunde und der Labordaten kann die Diagnose einer Borreliose als möglich, wahrscheinlich und sicher eingestuft werden. Der positive Nachweis Borrelien-spezifischer IgM- und/oder IgG-Antikörper allein weist keine aktive Infektion mit Borrelia burgdorferi nach, da 1. Borrelieninfektionen mit asymptomatischer Serokonversion vorkommen und 2. über Jahre anhaltende erhöhte IgG- und IgM-Antikörpertiter (in Serum oder Liquor) nach ausreichend behandelter Borreliose bei gesunden Personen keine Seltenheit darstellen (vgl. hierzu die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Neuroborreliose aus dem Jahr 2008, a. a. O.).

Nach den Leitlinien der Deutschen Neurologischen Gesellschaft ist eine Neuroborreliose möglich, bei Vorliegen • eines typischen klinischen Bildes (Hirnnervenausfälle, Meningitis/Meningoradikulitis, fokale neurologische Ausfälle) und • Borrelien-spezifischen IgG- und/oder IgM-Antikörper im Serum. Eine Neuroborreliose ist wahrscheinlich, wenn • ein typisches klinisches Bild (Hirnnervenausfälle, Meningitis/Meningoradikulitis, fokale neurologische Ausfälle), • Borrelien-spezifische IgG- und/oder IgM-Antikörper im Serum, • ein entzündliches Liquorsyndrom mit lymphozytärer Pleozytose, Blut-Liquor-Schrankenstörung und intrathekaler Immunglobulinsynthese vorliegen und • andere Ursachen für die vorliegende Symptomatik ausgeschlossen sind. Als gesichert anzusehen ist eine Neuroborreliose, wenn • ein typisches klinisches Bild (Hirnnervenausfälle, Meningitis/Meningoradikulitis, fokale neurologische Ausfälle), • Borrelien-spezifische IgG- und/oder IgM-Antikörper im Serum, • ein entzündliches Liquorsyndrom mit lymphozytärer Pleozytose, Blut-Liquor-Schrankenstörung und intrathekaler Immunglobulinsynthese vorliegen, • eine intrathekale Synthese Borrelien-spezifischer Antikörper (IgG und/oder IgM) im Liquor oder • ein positiver kultureller- oder Nukleinsäurenachweis (PCR) im Liquor vorliegen und • andere Ursachen für die vorliegende Symptomatik ausgeschlossen sind.

Im Falle des Klägers gibt es keinerlei eigene Angaben des Klägers oder ärztliche Befunde aus der Zeit unmittelbar nach dem Zeckenstich, die auf Beschwerden oder beispielsweise ein Erythema migrans hindeuten könnten. Auch gibt es keinerlei medizinischen Befunde zu einer eventuellen Acrodermatitis chronica atrophicans, wie sie von seinem Bruder C S ins Gespräch gebracht wurde (vgl. Bl. 15 der BG-Akte), oder zu einer Polyneuropathie. In den Akten finden sich über die Jahre ab dem 26. Juli 1985 zwar zahlreiche Beschwerdeangaben wie z. B. Gelenkschmerzen, Schüttelfrost, Fieber, belegte Zunge, Beinschwäche, Gesichtsspasmen, Müdigkeit, Reizbarkeit, Einschlafstörungen bis hin zu den von den Ärzten bislang als paranoide Schizophrenie diagnostizierten Wahnvorstellungen, Aggressivitätsschüben, Antriebsschwierigkeiten, Schmerzen und Husten (vorwiegend Angaben der Brüder J und C S). Es fehlt jedoch nahezu völlig an greifbaren dokumentierten medizinischen Befunden. Aus der Gesundheitsakte der DR sowie aus den Unterlagen des Krankenhaus A U ergeben sich keinerlei spezifische Befunde, insbesondere nicht zu einer typischen klinischen Symptomatik bei einer Borreliose-Erkrankung. Auch hat der Kläger einen Zeckenstich damals nicht erwähnt. Darüber hinaus könnten sich die dokumentierten ebenso wie die zahlreichen behaupteten Beschwerden zwar grundsätzlich verschiedenen Stadien einer (Neuro)Borreliose-Erkrankung zuordnen lassen, zwingend oder überzeugend ist dies jedoch nicht. Sie können ebenso im Rahmen anderer Krankheitsbilder wie einer schweren Grippe, einer sonstigen Virusinfektion oder einer Schizophrenie auftreten, insbesondere da die serologischen Befunde kein klareres Bild abgeben. Der Sachverständige führt hierzu erklärend aus, dass auch bei ca. 12,5% der gesunden Personen in Deutschland sich Antikörper gegen Borrelia burgdorferi finden. Im Fall des Klägers sind folgende Befunde erhoben worden: Befund vom 03. März 1998 ELISA Borrelien-IgG und IgM negativ Westernblot Borrelien IgM negativ, IgG positiv Befund Charité von 2000 ELISA Borrelien-IgG und IgM negativ Befund vom 02. April 2002 ELISA Borrelien-IgG und IgM negativ Immunoblot Borrelien-IgG und IgM negativ Befund vom 17. Oktober 2008 ELISA Borrelien-IgG positiv, IgM negativ Westernblot Borrelien-IgG positiv und IgM negativ.

Diese Befunde – ausschließlich IgG-Antikörper – können nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R entweder auf einen länger zurückliegenden Kontakt mit Borrelia burgdorferi – also eine Infektion – oder auf eine unspezifische Kreuzreaktion hinweisen. Eine unspezifische Kreuzreaktion ist nach den Erläuterungen des Prof. Dr. R in seiner ergänzenden Stellungnahme das Vorhandensein von Antikörpern gegen einen Krankheitserreger, das nicht auf einen Kontakt mit diesem Erreger, sondern auf Kontakt mit anderen Krankheitserregern oder Antigenen zurückzuführen ist. Eine Erkrankung lässt sich hierdurch nicht sichern (vgl. auch Urteil des SG Lüneburg vom 12. Juni 2008 – S 2 U 106/04 – unter Bezugnahme auf einen Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17. August 2007, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de.).

Die immunologische Liquordiagnostik (Befund vom 01. Juni 2004) hat außerdem Normalwerte ergeben, wie Prof. Dr. R ausgeführt hat. Insbesondere ist kein Nachweis irgendeiner entzündlichen Reaktion im Sinne der o. g. Erfordernisse für eine hinreichend sichere Diagnose einer Neuroborreliose erbracht worden.

Darüber hinaus ist es auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass eine Borreliose-Erkrankung, welche erstmals 1998 serologisch unterfüttert worden sein könnte, auf den behaupteten Stich von 1985 zurückzuführen ist. Dazwischen liegt ein Zeitraum von 14 Jahren, in dem der Kläger jedenfalls noch bis 1989 Sport getrieben, ein Freizeitleben gehabt und gearbeitet hat. Es kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass weitere Stiche bemerkt worden wären. Gerade Stiche durch Nymphen, die sehr klein sind, werden häufig nicht entdeckt (so auch die Leitlinie der Deutschen Neurologischen Gesellschaft zur Neuroborreliose).

Selbst wenn man über alle diese Bedenken hinweg gehen würde und somit einen Arbeitsunfall in Form eines in einem inneren Zusammenhang der versicherten Tätigkeit als Rangierer stehenden Zeckenstichs Ende Mai/Anfang Juni 1985 mit der Folge einer Erkrankung an Borreliose bejahen würde, ergibt sich hieraus kein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Verletztenrente. Denn es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die schizophrenieähnliche Erkrankung auf eine Borreliose-Erkrankung zurückzuführen ist. Obwohl bereits den Ärzten im Krankenhaus M und später auch den Ärzten in der C der behauptete Zeckenstich bekannt war, haben diese keine Hinweise für eine möglicherweise mit einer Borreliose-Erkrankung zusammenhängende organische Psychose gesehen (so ausdrücklich Prof. Dr. U in seiner Auskunft vom 07. Januar 2002). Prof. Dr. R hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03. Mai 2009 nochmals darauf hingewiesen, dass in der wissenschaftlichen Literatur lediglich in einzelnen Fällen ein Zusammenhang von schizophrenieähnlichen Symptomen mit einer fraglichen Borreliose beschrieben wird. Das Krankheitsbild des Klägers ist jedenfalls in keiner Weise typisch für eine Neuroborreliose (so Prof. Dr. R in seinem Gutachten).

Welche anderen Ursachen die Erkrankung des Klägers möglicherweise haben könnte, ist im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht zu klären. Insbesondere ist es nicht erforderlich, andere Ursachen als den Zeckenstich aufzuzeigen, um einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung eines Arbeitunfalls zu verneinen. Vielmehr obliegt es dem Kläger nachzuweisen, dass mit Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Zeckenbiss und einer Borreliose-Erkrankung und einer schizophrenieähnlichen Erkrankung besteht. Dies ist ihm jedoch nicht gelungen.

Auch der erneute Vortrag der Klägerseite mit dem Schriftsatz des bevollmächtigten Bruders J S vom 15. November 2009 und dem angefügten Schreiben an den Sachverständigen vom 01. November 2008 führt zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage. Insbesondere ist eine Neuroborreliose – entgegen der Ansicht des Klägers und seiner Familie – hier nicht gesichert. Es fehlt – wie schon ausgeführt - bereits an einer medizinisch zeitnah zum behaupteten Zeckenstich dokumentierten zweifelsfreien klinischen Symptomatik. Der Beschwerdevortrag kann nicht an die Stelle von objektivierten Tatsachen treten. Ob und aus welchen Gründen die psychiatrischen Krankheitserscheinungen des Klägers nunmehr im Zusammenhang mit einer Antibiotika-Therapie besser geworden sind, ist aufgrund dessen nicht von Bedeutung.

Soweit die Brüder des Klägers nach intensiver Recherche, jedoch als medizinische Laien, hier eine andere Auffassung vertreten als die Mediziner, kann dies nicht überzeugen. Es kann nicht ausreichend sein, beispielsweise aufgrund von Internetrecherchen gegebenenfalls auch vereinzelte Meinungen der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur zur Begründung des eigenen Standpunktes heranzuziehen. Abzustellen ist alleine auf die aktuelle herrschende medizinisch-wissenschaftliche Meinung wie sie beispielsweise in der Leitlinie der Deutschen Neurologischen Gesellschaft zur Neuroborreliose dokumentiert ist.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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