S 13 (2) KR 114/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 (2) KR 114/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 265/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 24/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verpflichtet, Auskunft zu erteilen über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Abrechnungszeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2003 Leistungen über Berechtigungsscheine sowie aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen für Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK), der Barmer Er-satzkasse (Barmer) und der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) abgerechnet hat, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen zu den nachstehend aufgelisteten - nach Name und Geburtsdatum der Versicherten, Ausstellungsdatum der Verordnung (VO) oder des Berechtigungsscheins (BS) und der zuständigen Krankenkasse spezifizierten - Sehhilfenversorgungen folgende Angaben enthalten sind: - Befundwerte, (Fern- und Nahbereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, - Grund der Abgabe der Sehhilfe, - Art und Umfang der erbrachten Leistung inklusive Fassungs- und Glashersteller, - die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung, - Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten, sowie (aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten): - genaue Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, - technische Spezifizierungen und Werte des Artikels, wie z.B. Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser, - Anzahl der jeweils gelieferten Artikel. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln, der Beklagte zu einem Drittel. Der Streitwert wird auf 28.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die klagende Techniker Krankenkasse (TK) begehrt von dem Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge des Versorgungszeitraums 2001 bis 2003 (1. Stufe) und die Erstattung gegebenenfalls überzahlter Rechnungsbeträge (2. Stufe).

Der Beklagte ist Augenoptiker. Er versorgte in den Jahren 2001 bis 2003 krankenversicherte Mitglieder der Klägerin und acht weiterer gesetzlicher Krankenkassen (Ersatz- kassen) - Barmer Ersatzkasse (Barmer), Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), Gmünder Ersatzkasse (GEK), Hamburgische Zimmerkrankenkasse (HZK) die Profikrankenkasse, Hamburg Münchener Krankenkasse (HMK), Handelskrankenkasse (HKK), Hanseatische Krankenkasse (HEK), Kaufmännische Krankenkasse (KKH) - mit Sehhilfen. Die HZK die Profikrankenkasse ist seit 01.07.2008 mit der GEK unter deren Namen vereinigt. Grundlage der Versorgung war (u.a.) der gemäß § 127 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 01.07.1994 bis 31.12.2003 geltende Vertrag zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker (ZVA), dessen Mitglied der Beklagte ist, einerseits und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK)/Arbeiterersatzkassen-Verband (AEV) andererseits; VdAK und AEV sind seit 01.01.2009 im Verband der Ersatzkassen (VdEK), dessen Mitglied die Klägerin und die weiteren Ersatzkassen sind, zusammengeschlossen. In § 1 Abs. 2 des Vertrages war geregelt, dass die Vertragsleistungen entweder aufgrund vertragsärztlicher Verordnung oder aufgrund von Berechtigungsscheinen nach Maßgabe der Anlagen 1 und 2 abgerechnet werden konnten. Berechtigungsscheine stellten die Ersatzkassen ihren Versicherten auf Anforderung zur Verfügung; für die darauf bezogenen Leistungen war eine vertragsärztliche Verordnung nicht erforderlich.

Nach ihren Angaben erstmals im Jahre 2005 erhielt die Klägerin einen Hinweis einer Allgemeinen Orts- krankenkasse (AOK) auf Auffälligkeiten und Fehler bei der Abrechnung von Sehhilfen durch Augenoptiker. Daraufhin begann die Klägerin mit der Überprüfung der Abrechnungen von Augenoptikern aus den Jahren 2001 bis 2003. Am 25.08.2005 schlossen die Ersatzkassen gemäß § 197a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine "Kooperationsvereinbarung über die Wahrnehmung der Aufgaben bei der Bekämpfung von Abrechnungsmanipulation". Auf der Grundlage dieser Vereinbarung bildeten die Ersatzkassen einen Steuerungsausschuss "Abrechnungsmanipulation". Dieser beschloss in der Sitzung vom 23.04.2007, in Nordrhein-Westfalen ein Sonderprüfverfahren in Bezug auf Optiker zu installieren. In der Sondersitzung vom 26.07.2007 beschloss der Steuerungsausschuss, dass die Klägerin das Projekt federführend übernimmt.

Am 29.12.2007 hat die Klägerin Klage auf Erteilung von Auskunft über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge der Jahre 2001 bis 2003 und Erstattung überzahlter - nach Erfüllung des Auskunftsbegehrens zu beziffernder - Rechnungsbeträge erhoben.

Am 04.03.2008 hat eine Augenoptikermeisterin für die Klägerin ein Gutachten über vom Beklagten erbrachte und abgerechnete Leistungen in den Jahren 2001 bis 2003 erstellt; darin listete die Gutachterin über 350 Fälle auf, in denen nach ihrer Beurteilung Auffälligkeiten bestehen und/oder "unzulässig oder fehlerhaft" abgerechnet worden ist.

Am 23.05. bzw. 20.11.2008 hat die Klägerin Erklärungen von ihr und der Barmer vom 27.03.2008, der DAK vom 16.04.2008, der KKH vom 27.03.2008 bzw. der HEK vom 27.03.2008, der HMK vom 17.04.2008, der HKK vom 17.04.2008 und der GEK vom 16.04.2008 sowie 04.11.2008 (als Gesamtrechtsnachfolger der HZK die Profikrankenkasse) vorgelegt. In diesen Erklärungen heißt es im Wesentlichen gleichlautend:

"Die Techniker Krankenkasse wurde von uns am 26. Juli 2007 beauftragt, die Abrechnungen von Augenoptikern aufgrund von Berechtigungsscheinen sowie vertragsärztlichen Verordnungen in dem Zeitraum 2001 bis 2003 zu überprüfen, soweit Kunden unserer Krankenkassen betroffen sind.

Die Techniker Krankenkasse wurde in diesem Zusammenhang von uns am 26. Juli 2007 ermächtigt, alle aus ihrer Sicht notwendigen Schrittenach eigenem Ermessen durchzuführen. Hierzu gehörte auch die Ermächtigung zum Einzug unserer Forderungen und die gerichtliche Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsan sprüchen, im eigenen Namen im Wege der Prozessstandschaft.

Nunmehr treten wir an die dies annehmende Techniker Krankenkasse zu Einziehungs zwecken alle eventuellen Ansprüche gegen Optiker im Bundesland Nordrhein-Westfalen auf Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge ab." Am 30.09.2009 hat die Klägerin die Klage in Bezug auf die DAK, die HEK, die HMK, die HKK und die GEK/HZK die Profikrankenkasse zurückgenommen. Sie hat von ihr und der Barmer bzw. der KKH unterzeichnete Erklärungen vom 18.09.2009 bzw. 22.09.2009 vorgelegt mit (u.a.) folgendem Inhalt:

"Höchstvorsorglich ermächtigen wir hiermit nochmals die Techniker Krankenkasse zur Durchsetzung unserer Ansprüche auf Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zahlungen aufgrund von Berechtigungsscheinen und vertragsärztlichen Verordnungen im Zeitraum von 2001 bis 2003 gegen den Optiker B.E.vor dem Sozialgericht Aachen in eigenem Namen und nach eigenem Ermessen. Die Ermächtigung umfasst ausdrücklich das Vorgehen der Techniker Krankenkasse in dem bezeichnetenRechtsstreit vor dem Sozialgericht Aachen. Sie umfasst insbesondere die gerichtliche Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsansprüchen im Wege der Prozessstandschaft. Die Techniker Krankenkasse nimmt diese Ermächtigungserklärung an."

Die Klägerin hat 1386 Abrechnungsfälle jeweils unter Nennung der entsprechenden Versicherten, von deren Geburtsdaten, der Daten der jeweiligen Verordnung (VO) bzw. des Berechtigungsscheins (BS) in den Jahren 2001 bis 2003 und der Krankenkasse - TK, Barmer oder KKH -, der die Versicherten damals angehörten, aufgelistet, über die sie Auskunft begehrt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Klageansprüche nicht nur für sich, sondern auch - im Wege gewillkürter Prozessstandschaft und/oder aus abgetretenem Recht - auch für die Barmer und KKH geltend machen zu können. Sie verweist hierzu auf die Kooperationsvereinbarung vom 25.08.2005, das Protokoll der Sondersitzung des Steuerungsausschuss "Abrechnungsmanipulation" vom 26.07.2007, die Abtretungserklärungen der Barmer und der KKH vom 27.03.2008 und die Ermächtigungserklärungen der Barmer bzw. KKH vom 18.09.2009 bzw. 22.09.2009. Die Klägerin meint, das Auskunftsrecht sei integraler Bestandteil der Kontroll- und Prüfungsrechte im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehungen der Beteiligten.

Es ergebe sich

aus der Vertragsbeziehung, insbesondere dem Vertrag vom 30.06.1994; wenn § 10 des Vertrages zur Rechnungslegung verpflichte, stelle der Anspruch auf Auskunft auf Verlangen im Falle berechtigter Zweifel an der Fehlerfreiheit der Abrechnung zu dieser Pflicht eine denknotwendige Ergänzung dar; denn anders könne die Vertragsgemäßheit der Leistungserbringung durch die Optiker nicht überprüft werden; hilfsweise aus einem öffentlich-rechtlichen Beauftragungsverhältnis eigener Art entsprechend §§ 662 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); aus § 70 i.V.m. dem Rahmenvertragsrecht der §§ 126, 127 SGB V; aus dem Vertrauensgrundsatz des § 242 BGB und dem Urkundeneinsichtsrecht nach § 810 BGB.

Die Zweifel an der ordnungsgemäßen Abrechnung würden durch die Ergebnisse der Vorermittlungen seit 2005 und des Gutachtens vom 04.03.2008 begründet. Dass der Beklagte die gewünschten Auskünfte erteilen könne, ergebe sich daraus, dass er diese Daten zu dokumentieren und die Unterlagen aufzubewahren habe, z.B. gemäß den Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes oder den "Arbeitsrichtlinien für das Augenoptikerhandwerk". Es sei bisher kein Betrieb bekannt geworden, der die mit der Klage begehrten Daten nicht in irgendeiner Form systematisch erfasst habe. Die Auskunftsansprüche seien nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden seien und sie bzw. die betroffene Kasse von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt habe. Erstmals im Jahre 2005 sei aufgrund eines externen Hinweises ein Verdacht auf Falschabrechnung entstanden, der zu weiteren Ermittlungen geführt habe. Die vor Erstellung des Gutachtens vom 04.03.2008 bekannten Umstände reichten nicht als anspruchsbegründende Tatsachen aus. Tatsächlicher Zeitpunkt der Kenntnisnahme der die Auskunftsansprüche begründende Umstände sei die Einsicht in das erstellte Gutachten. Erst zu diesem Zeitpunkt habe man erste Falschabrechnungen erkennen sowie individuelle Abrechnungsfehler indizierende Vorgänge identifizieren können. Das Auskunftsbegehren sei berechtigt, weil sich die Krankenkassen die erforderlichen Informationen zur Prüfung von Abrechnungsfehlern und ggf. zur Bezifferung eines Erstattungsanspruchs nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen könnten. Datenschutzbestimmungen würden durch die Erteilung der Auskünfte nicht verletzt.

Die Klägerin beantragt,

1 Den Beklagten zu verpflichten, Auskunft zu erteilen über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Abrechnungszeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2003 Leistungen über Berechtigungsscheine sowie aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen für Versicherte der Techniker Krankenkasse, der Barmer Ersatzkasse und der Kaufmännischen Krankenkasse abgerechnet hat, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen zu den in der Anlage A des Schriftsatzes vom 23.11.2009 aufgelisteten - nach Name und Geburtsdatum der Versicherten, Ausstellungsdatum der Verordnung oder des Berechtigungsscheins und der zuständigen Krankenkasse spezifizierten Sehhilfen versorgungen folgende Angaben enthalten sind:

- Befundwerte, (Fern- und Nahbereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, - Grund der Abgabe der Sehhilfe, - Art und Umfang der erbrachten Leistung inklusive Fassungs- und Glashersteller, - die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung, - Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten,

sowie (aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten):

- genaue Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, - technische Spezifizierungen und Werte des Artikels, wie z.B. Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser, - Anzahl der jeweils gelieferten Artikel.

2. ihr die nach Erfüllung des Antrags zu 1. ggf. zu beziffernden und überzahlten Rechnungsbeträge zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, weil der Klageantrag zu Ziffer 1. zu unbestimmt sei. Desweiteren hält der Beklagte eine gewillkürte Prozessstandschaft, durch die die Klägerin ermächtigt wäre, die der Barmer und der KKH zustehenden Rechte im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, für unzulässig, auch wenn eine entsprechende Beauftragung erfolgt sein sollte. Es fehle hierfür an einem schutzwürdigen Interesse und an der Offenlegung zum Zeitpunkt der Klageerhebung. Der Beklagte meint, es liege in der Einbeziehung der beiden Krankenkassen auch keine zulässige Klageerweiterung; einer Klageänderung stimme er nicht zu. Der Beklagte hält keine der von der Klägerin herangezogenen oder sonst in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen für gegeben:

Der gemäß § 127 Abs. 1 SGB V geschlossene Versorgungsvertrag sei einer erweiternden bzw. ergänzenden Auslegung nicht zugänglich. Er enthalte umfangreiche und detaillierte Regelungen zu allen relevanten Punkten, auch und insbesondere dazu, wie und wann abzurechnen und zu zahlen sei; einen Hinweis auf die Pflicht zur Vorhaltung von Unterlagen, Aufzeichnungen etc. und auf Umstände, unter denen solche Unterlagen an eine Krankenkasse herauszugeben wären, enthalte der Vertrag nicht. Das Auftragsrecht nach §§ 662 ff. BGB sei weder unmittelbar noch - über § 69 SGB V - entsprechend auf den zwischen den Beteiligten bestehenden Vertrag anzuwenden; dieser Vertrag regele zwar umfangreiche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, beinhalte aber nicht die Elemente des Auftrags nach dem BGB. Bei § 70 SGB V handele es sich nur um eine Art generelle Richtlinie, die auch in Verbindung mit Rahmenvertragsvorschriften der §§ 126, 127 SGB V nicht als Anspruchsgrundlage für Auskunfts- und Herausgabeansprüche herhalten könne. Sofern der Auskunftsanspruch auf § 242 BGB gestützt werde, bedinge dies eine unverschuldete Unkenntnis über bestimmte Umstände, einen nachvollziehbaren Verdacht gegen den Anspruchsgegner, die Zumutbarkeit der Herausgabe der verlangen Unterlagen, sowie das Fehlen rechtlich oder tatsächlich entgegenstehender Gründe; diese Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssten, seien nicht erfüllt. Gleiches gelte für die von der Klägerin in Anspruch genommenen Urkundeneinsichtsnorm nach § 810 BGB.

Selbst wenn es die behaupteten Ansprüche gäbe, seien diese teilweise verjährt; die Verjährungsfrist betrage 4 Jahre und beginne mit dem Schluss des Jahres der jeweiligen Rechnungslegung; die Krankenkassen hätten ohne Weiteres anhand der ihnen vorliegenden Unterlagen auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen feststellen können, ob und ggf. welche Falschabrechnungen erfolgt seien; weitere Unkenntnis habe deshalb auf grober Fahrlässigkeit beruht, was sich auf den Lauf der Verjährungsfrist nicht zugunsten der Klägerin auswirken könne. Der Beklagte beruft sich hinsichtlich etwaiger Auskunfts- und Rückforderungsansprüche aus den Jahren 2001 und 2002 auf Verjährung. Im übrigen hält er die mit der Klage verfolgten Ansprüche insgesamt für verwirkt. Denn es habe ab dem Moment des Erhalts der Abrechnungen die naheliegende und einfach umzusetzende Möglichkeit bestanden, ggf. fehlende Erklärungen nachzufordern oder die Leistung abzulehnen und die Abrechnung zurückzusenden. Wenn trotzdem erst Ende 2007 plötzlich Klage erhoben werde, sei diese Rechtsausübung missbräuchlich, die Ausübung eines derartigen Anspruchs, so er denn überhaupt begründet werden könnte, jedenfalls verwirkt. Der Beklagte ist der Auffassung, der begehrten Auskunft stünde auch der (Sozial-)Datenschutz der Patienten/Kunden entgegen. In Bezug auf den Gegenstand des geltend gemachten Auskunftsbegehrens bestreitet der Beklagte, überhaupt verpflichtet zu sein, eine Kundenkartei zu führen sowie Leistungs- und Abrechnungsvorgänge aufzuzeichnen; er sei auch zu Erteilung der Auskünfte und Herausgabe der begehrten Unterlagen zumutbar objektiv nicht in der Lage.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig.

1.Die Klägerin verfolgt ihr Begehren auf Auskunft durch Vorlage von Kunden- und Abrechnungsunterlagen sowie auf Erstattung ggf. überzahlter Rechnungsbeträge, die nach Vorlage der Unterlagen zu beziffern wären, zutreffend im Wege der Stufenklage. Diese ist gem. § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 254 Zivilprozessordnung (ZPO) auch im sozialgerichtlichen Verfahren statthaft (BSG, Urteil vom 05.05.1988 - 6 RKa 18/87 = SozR 5550 § 13 Nr. 1; Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R = SozR 4-2500 § 276 Nr. 1). Erst nach Auskunftserteilung durch Vorlage der Unterlagen ist für die Klägerin genau und sicher erkennbar, ob und ggf. in welcher Höhe Rückforderungs ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden können. Der als 2. Stufe der Klage bisher unbeziffert gestellte Antrag auf Erstattung eventuell überzahlter Rechnungsbeträge setzt eine Entscheidung über das Auskunftsverlangen voraus und steht daher mit diesem in einem untrennbaren Zusammenhang. Abweichend von § 92 Satz 1 SGG, wonach die Klage einen bestimmten Antrag enthalten soll, darf in diesem Fall der in seiner Höhe noch nicht feststehende Rückzahlungsanspruch bis zur Entscheidung über den Auskunftsanspruch unbeziffert bleiben (BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R = SozR 4-2500 § 276 Nr. 1).

2. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht die Fassung des Klageantrages zu Ziffer 1. entgegen. Die Klägerin hat mit ausreichender Bestimmtheit beantragt, welche Auskünfte sie begehrt, nämlich - Befundwerte, (Fern- und Nahbereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, - Grund der Abgabe der Sehhilfe, - Art und Umfang der erbrachten Leistung inklusive Fassungs- und Glashersteller, - die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung, - Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten, - genaue Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, - technische Spezifizierungen und Werte des Artikels, wie z.B.Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser, - Anzahl der jeweils gelieferten Artikel und welche Unterlagen dazu vorzulegen sind, nämlich - Anzeige aus der Kundendatei, - Lieferscheine, - Lieferantenrechnungen, - Kundenrechnungen, in denen diese Angaben enthalten sind. Sie hat dieses Auskunftsverlangen weiter konkretisiert und beschränkt durch Bezugnahme auf ganz bestimmte namentlich benannte Versicherte der Klägerin sowie der beiden Krankenkassen, für die diese klagt, und ganz bestimmte Sehhilfeversorgungen, die sie durch die Daten der ärztlichen Verordnungen bzw. der Berechtigungsscheine näher bezeichnet hat. Dadurch ist der Streitgegenstand und das Klagebegehren hinreichend bestimmt. Im Übrigen ist die Bestimmtheit des Klageantrags im sozialgerichtlichen Verfahren keine Klagezulässigkeits voraussetzung. Anders als im Zivilprozess "soll" (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG), nicht "muss" (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) die Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass die Beteiligten sachdienliche Anträge stellten (§§ 106 Abs. 1, 112 Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies hat er getan.

3. Die Klägerin ist auch klagebefugt. Die Klagebefugnis bezieht sich nicht nur auf die geltend gemachten eigenen Ansprüche, sondern auch die der Barmer und der KKH. In Bezug auf diese beiden Krankenkassen ergibt sich die Klagebefugnis der Klägerin jedoch nicht aus den Abtretungserklärungen vom 27.03.2008, sondern aus den Prozessstandschaftsermächtigungserklärungen vom 18. bzw. 22.09.2009. Hätten die Barmer und die KKH ihre Ansprüche wirksam an die Klägerin abgetreten, käme eine gewillkürte Prozessstandschaft nicht in Betracht (Baumbach/Hartmann, ZPO, 67. Auflg. 2009, Grdz. § 50 Rn. 29 ff., 34).

a) Die beiden Kassen haben mit den Erklärungen vom 27.03.2008 Ansprüche nicht wirksam abgetreten. Wirksamkeitsvoraussetzung einer Abtretung ist, dass die abzutretende Forderung bestimmt oder jedenfalls individuell bestimmbar ist (Palandt/Grünberg, BGB, 68. Auflg. 2009, § 398 Rn.14; BSG, Urteil vom 19.03.1992 - 7 RAr 26/91 = SozR 3-1200 § 53 Nr. 4). Die Erklärungen der Barmer und der KKH vom 27.03.2008 gingen dahin, "alle eventuellen Ansprüche gegen Optiker im Bundesland Nordrhein-Westfalen auf Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge" an die Klägerin abzutreten. Damit waren bereits die (auf der 1. Stufe der Klage verfolgten) Auskunftsansprüche nicht erfasst, sondern allein (auf der 2. Stufe der Klage verfolgte) eventuelle Rückforderungsansprüche. Auch wenn die Erklärungen einleitend auf die Überprüfung von Abrechnungen im Zeitraum 2001 - 2003 Bezug nehmen, erfüllt der in Bezug auf eine Abtretung allein maßgebliche letzte Satz der Erklärungen vom 27.03.2008 nicht die Voraussetzungen der Bestimmtheit bzw. hinreichenden Bestimmbarkeit des Gegenstands der Abtretung und der Person des Schuldners (hier: des Beklagten). "Alle eventuellen Ansprüche auf Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge" können ihren Rechtsgrund nämlich in weit mehr Tatbeständen als den Abrechnungen von Augenoptikern aufgrund von Berechtigungsscheinen sowie vertragsärztlichen Verordnungen und auch in noch anderen Zeiträumen als den Jahren 2001 - 2003 haben. Eine derart unbestimmte bzw. nicht individuell bestimmbare Abtretung ist unwirksam. Dies gilt umsomehr, als die Erklärungen von 27.03.2008 im zweiten Absatz auf eine Prozessstandschaftsermäch- tigung abstellen und diese nicht etwa widerrufen.

b) Die Befugnis der Klägerin, mit der Klage auch Ansprüche der Barmer und der KKH geltend zu machen, ergibt sich aus dem Institut der gewillkürten Prozessstandschaft. Diese setzt voraus, dass die Klägerin durch die Rechtsinhaber - die Barmer und KKH - ermächtigt ist, die diesen zustehenden Rechte in eigenem Namen gerichtlich geltend zu machen, und dass die Klägerin ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung hat (BGH, Urteil vom 07.06.2001 - I ZR 49/99 - m.w.N.).

aa) Die Ermächtigung ist allerdings - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht bereits aus dem Protokoll der Sondersitzung vom 26.07.2007 des Steuerungsausschusses "Abrechnungsmanipulation", den die im VdEK zusammengeschlossenen Ersatzkassen aufgrund der am 25.08.2005 geschlossenen "Kooperationsvereinbarung über die Wahrnehmung der Aufgaben bei der Bekämpfung von Abrechnungsmanipulation" gebildet hatten, ersichtlich. In diesem Protokoll ist zu einer Erlaubnis der Klägerin, Ansprüche gerade auch der Barmer und der KKH in eigenem Namen geltend zu machen, nichts vermerkt; im Gegenteil heißt es dort: "Allen Mitgliedskassen soll die Möglichkeit gegeben werden, sich an diesem Projekt zu beteiligen." Dies lässt nur den Schluss zu, dass ein individuelles konkretes Tätigwerden (Projektbeteiligung) der einzelnen Ersatzkassen erst noch erfolgen musste. Die bloße Bezugnahme auf die Sitzung vom 26.07.2007 in den Erklärungen vom 27.03.2008 ersetzt eine wirksame Prozessstandschaftsermächtigung nicht. Erst die von einem Vorstandsmitglied der Barmer bzw. der KKH unterzeichneten Erklärungen vom 18.09. bzw. 22.09.2009 enthalten die eindeutige und unmissverständliche Ermächtigung gegenüber der Klägerin, Auskunfts- und Zahlungsansprüche der beiden Krankenkassen gegen den Beklagten aus der Abrechnung aufgrund von Berechtigungsscheinen und vertragsärztlichen Verordnungen im Zeitraum 2001 - 2003 in eigenem Namen im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.

bb) Das erforderliche schutzwürdige eigene Interesse der Klägerin an der Prozessführung ergibt sich aus § 197a SGB V und der hiernach von den VdEK-Mitgliedskassen geschlossenen Kooperationsvereinbarung vom 25.08.2005. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass die Krankenkassen, wenn angezeigt ihre Landesverbände, und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen organisatorische Einheiten einrichten, die Fällen und Sachverhalten nachzugehen haben, die auf Unregelmäßigkeiten oder auf rechtswidrige oder zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln im Zusammenhang mit den Aufgaben der jeweiligen Krankenkasse oder des jeweiligen Verbandes hindeuten. Es ist also der erklärte Wille des Gesetzgebers, dass die Krankenkassen im Falle des Verdachts von Abrechnungsmißbrauch konzentriert vorgehen und für die Verfolgung bestimmter gleichgelagerter Sachverhalte organisatorische Einheiten bilden. Dem trägt die Kooperationsvereinbarung vom 25.08.2005 und die Ermächtigung der Klägerin, das Projekt "Abrechnungsmanipulation von Optikern" in Nordrhein-Westfalen federführend zu übernehmen (vgl. Protokoll der Sondersitzung des Steuerungsausschusses "Abrechnungsmanipulation" vom 26.07.2007) und - konkret im vorliegenden Fall - im Wege der Prozessstandschaft auch für Barmer und die KKH deren Ansprüche im Klageweg zu verfolgen (vgl. Erklärungen vom 18./22.09.2009).

II. Die auf der 1. Stufe verfolgte Auskunftsklage ist auch begründet.

1.Der mit der Klage geltend gemachte Auskunftsanspruch leitet sich aus den Vertragsbeziehungen der Beteiligten ab.

a) § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen (2001-2003 geltenden) Fassung bestimmt, dass die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen auf Landesebene mit Wirkung für ihre Mitgliedskassen Verträge mit Leistungserbringern oder den Verbänden der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, zu denen auch Sehhilfen gehören (vgl. § 33 SGB V), schließen. Auf dieser Grundlage ist der vom 01.07.1994 bis 31.12.2003 geltende Rahmenvertrag über die Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen geschlossen worden. § 5 (Leistungserbringung) dieses Vertrages schrieb vor, dass der Augenoptiker sicherstellt, dass die Versicherten der Ersatzkassen mit funktionsgerechten und technisch einwandfreien Sehhilfen versorgt werden (Abs. 1 Satz 2), dass sich die Leistungserbringung an den Einzelbestimmungen des Abschnittes E der Hilfsmittelrichtlinien in der jeweils geltenden Fassung orientiert (Abs. 1 Satz 4) und dass die Versorgung mit Sehhilfen zweckmäßig und wirtschaftlich zur erfolgen hat, Qualität und Wirksamkeit den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und fachlich technischen Erkenntnisse zu berücksichtigen hat und darauf zu achten ist, dass die Sehhilfen nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden (Abs. 2 Satz 1, 2 und 3). Der Rahmenvertrag gem. § 127 Abs. 1 SGB V mit seinen Bestimmungen, insbesondere § 5, ist Ausfluss des Sachleistungsprinzips und des Wirtschaftlichkeitsgebotes. In der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Sozialleistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen erbracht und deren Erbringung durch Verträge mit den Leistungserbringern sichergestellt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB V). Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden (§ 2 Abs. 4 SGB V). Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).

b) Der aufgrund von § 127 Abs. 1 SGB V geschlossene Rahmenvertrag zwischen den Krankenkassen(verbänden) und den Augenoptiker(verbände)n trägt Züge eines öffentlich-rechtlichen Sachlieferungsvertrages nach § 69 SGB V i.V.m. § 651 BGB (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 06.12.2007 - B 3 KR 20/06 R = SozR 4-2500 § 33 Nr. 17), aber auch eines öffentlich-rechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrages nach § 69 SGB V i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB. Geschäftsbesorgung ist jede selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art in fremdem Interesse (Palandt/Sprau, BGB, 68. Auflage 2009, § 675 Rn. 2). Der Leistungserbringer - Augenoptiker - besorgt im Interesse der Krankenkasse ein Geschäft, für das eigentlich die Krankenkasse zur Erfüllung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten ihr gegenüber zu sorgen hätte, nämlich die Versorgung mit Sehhilfen gem. §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 SGB V. Auf einen solchen Geschäftsbesorgungsvertrag findet gem. § 675 Abs. 1 BGB u.a. die Vorschrift des § 666 BGB Anwendung. Danach ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Diese Auskunfts- und Rechenschaftspflicht geht über die bloße Rechnungslegung nach Maßgabe von § 10 des Rahmenvertrages hinaus und ist nicht auf die gem. §§ 294, 302 SGB V aufzuzeichnenden und den Krankenkassen zu übermittelnden Daten beschränkt. Sie erklärt sich daraus, dass der beauftragte Augenoptiker seine Tätigkeit im Interesse der Krankenkasse ausübt und diese Herr des Geschäfts, das ist die Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen im Rahmen der gesetzlichen Kranken versicherung, bleibt. Die Krankenkasse bewilligte seinerzeit den Versicherten die Sehhilfen mittels ärztlicher Verordnung oder Berechtigungsschein. Mit der Durchführung der Versorgung (Beratung, Fertigung und Anpassung sowie Einweisung in den Gebrauch der Sehhilfe) war gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 des Rahmenvertrages der Augenoptiker beauftragt.

c) Mit der Übertragung der Sehhilfenversorgung auf die Optiker war das (nicht unerhebliche) Vertrauen verbunden, die Versorgung im Rahmen der allgemeinen Vorgaben zu erbringen. Eine Kontrolle, ob die Versorgung nicht nur gegenüber den Versicherten ordnungsgemäß, sondern auch gegenüber der Krankenkasse entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgebot erfolgte, fand - von Stichproben abgesehen - nicht statt und war auch nicht vorgesehen. Die Beziehung der Krankenkassen zu den Leistungserbringern - hier: den Augenoptikern - gem. §§ 126, 127 SGB V und dem Rahmenvertrag hat eine Sonderverbindung geschaffen, die auch und insbesondere dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verpflichtet ist. Dabei kann dahinstehen, ob § 242 BGB (lediglich) die Grenzen des Auskunftsanspruchs nach § 666 BGB aufzeigt (Palandt/ Sprau, BGB, 68. Auflage 2009, § 666 Rn. 1) oder ob der Grundsatz von Treu und Glauben selbst die Anspruchsgrundlage für das mit der Klage verfolgte Auskunftsbegehren bildet (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage 2009, § 261 Rn. 8 ff., 18).

d) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gebieten es Treu und Glauben, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH, Urteil vom 06.02.2007 - X ZR 117/07 = NJW 2007, 1806 unter Hinweis auf zahlreiche BGH-Entscheidungen). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

aa) Das Recht, über dessen Bestehen und ggf. Umfang bei der Klägerin Ungewissheit herrscht, ist ein Erstattungsanspruch wegen Falschabrechnung von Sehhilfen. Die Klägerin hat für die Kammer glaubhaft und nachvollziehbar dargestellt, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie erst anhand der geforderten Informationen aus den vorzulegenden Unterlagen sicher beurteilen kann, ob und ggf. in welchem Umfang ein solcher Erstattungsanspruch besteht; und sie hat ebenso nachvollziehbar dargelegt, dass dies nicht bereits aus den gem. §§ 294, 202 SGB V im Rahmen der Rechnungslegung gem. § 10 des Rahmenvertrages übermittelten Daten möglich war und ist. Die Klägerin war und ist in entschuldbarer Weise im Ungewissen, weil sie sich die notwendigen Informationen nicht selbst auf zumutbare Weise beschaffen kann.

bb) Durch das von der Klägerin in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten konnten in einer Vielzahl der untersuchten Fälle konkrete Abrechnungsfehler oder zumindest Auffälligkeiten festgestellt werden. Dies begründet für die Kammer nachvollziehbar den Verdacht, dass in den Jahren 2001 bis 2003 Falschabrechnungen zu Lasten der Krankenkassen erfolgt sind. Ob und in welchem Umfang Falschabrechnungen und ob diese ggf. vorsätzlich oder (leicht) fahrlässig erfolgt sind, ist vom Gericht auf der Stufe der Auskunftsklage nicht zu prüfen.

cc) Allein aufgrund der vom Augenoptiker nach den gesetzlichen Vorgaben der §§ 294, 302 SGB V und im Rahmen der Rechnungslegung gem. § 10 des Rahmenvertrages vorgelegten Unterlagen ließ und lässt sich die Korrektheit der Abrechnung nicht in vollem Umfang überprüfen. Den Rechnungen waren die ärztlichen Verordnungen und Berechtigungsscheine für erbrachte Leistungen beizufügen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 des Rahmenvertrages); die Lieferungen waren nach Leistungen, Art, Menge und Preis zu bezeichnen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 des Rahmenvertrages). § 294 SGB V enthält die allgemeine Verpflichtung der Leistungserbringer, die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen notwendigen Angaben, die aus der Erbringung der Verordnung sowie der Abgabe von Versicherungsleistungen entstehen, aufzuzeichnen und den Krankenkasse mitzuteilen. Welche Daten dies sind, ergibt sich schon konkreter aus § 302 Abs. 1 SGB V. Danach sind die Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel und die weiteren Leistungserbringer verpflichtet, den Krankenkassen im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis zu bezeichnen und den Tag der Leistungserbringung sowie der Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit der Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund und die Angaben nach § 291 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 SGB V anzugeben; bei der Abrechnung über die Abgabe von Hilfsmitteln sind dabei die Bezeichnungen des Hilfsmittelsverzeichnisses nach § 139 zu verwenden. Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens ist in Richtlinien bestimmt, die in den Leistungs- und Lieferverträgen zu beachten sind (§ 302 Abs. 2 SGB V). In den hiernach erlassenen Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "sonstigen Leistungserbringern" sowie mit Hebammen und Entbindungspflegern (§ 301a SGB V) vom 09.05.1996 in der geänderten Fassung vom 13.03.2003, die u.a. die Leistungserbringer von Hilfsmitteln erfasst (§ 1 Nr. 1 Ziff. 1.2 der Richtlinien), wurden in § 2 und § 5 Bestandteile der Abrechnung und die zu übermittelnden Abrechnungsdaten enumerativ aufgelistet. Anhand dieser eher formalen Daten lassen sich jedoch nur bestimmte Abrechnungsfehler feststellen. Die Klägerin hat die Berechtigungsscheine und die Verordnungen mit externer sachverständiger Hilfe auswerten lassen. In dem erstellten Gutachten wurden zum einen die anhand der vorliegenden Abrechnungsunterlagen bereits feststellbaren Fehler aufgelistet; zum anderen wird darin aber auch aufgezeigt, dass Abrechnungsfehler in erheblichem Umfang erst durch Abgleich der bei der Abrechnung vorgelegten mit den mit der Auskunftsklage geforderten Unterlagen, nämlich der Kundenkartei, den Lieferscheinen der Hersteller und ggf. auch den Kundenrechnungen festgestellt werden können. Die Klägerin hat hierzu für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sich durch die Einsicht in die im Tenor genannten Unterlagen im einzelnen die folgenden Arten von Falschabrechnungen feststellen lassen:

(1) Die abgerechnete Leistung wurde tatsächlich nicht geliefert

Konkrete Fallkonstellationen:

- Es wurde gar keine der über den Berechtigungsschein abgerechneten Leistungen an den Versicherten ausgegeben. - Es wurde einzelne über den Berechtigungsschein abgerechnete Positionen nicht geliefert (beispielsweise eine Tönung). - Es wurden zwei Gläser als Reparaturleistung abgerechnet, tatsächlich aber nur eines an den Versicherten geliefert.

(2) Es wurde eine andere, kostengünstigere Leistung an den Versicherten abgegeben Konkrete Fallkonstellationen:

- Es wurden Dreistärkengläser abgerechnet, tatsächlich aber nur Zwei- oder Einstärkengläser an den Versicherten geliefert. - Es wurden Zweistärkengläser abgerechnet, tatsächlich aber nur Einstärkengläser an den Versicherten geliefert. - Es wurden höherwertigere und teurere Kontaktlinksen abgerechnet als tatsächlich an den Versicherten ausgegeben wurden. - Es wurde Kunststoffgläser abgerechnet, tatsächlich aber kostengünstigere mineralische Gläser geliefert.

(3) Es wurde eine Leistung abgerechnet, die tatsächlich keine Kassenleistung ist.

Konkrete Fallkonstellationen:

- Eine PC-Arbeitsplatzbrille wurde über einen Berechtigungsschein unter Angabe einer anderen Glasart abgerechnet. Diese Brillen sind grundsätzlich keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. - Es wurde eine zweite Brille abgerechnet. Die Versicherten hatten keinen Anspruch auf Doppelversorgung, deshalb wurde häufig eine Zerstörung der alten Gläser als Begründung für eine Neuversorgung angegeben, obwohl die ursprüngliche Brille noch in Ordnung war. - Es wurde eine Sonnenbrille geliefert, über den Berechtigungsschein aber Gläser ohne Tönung abgerechnet und die Lieferung mit der Zerstörung der Gläser oder der Veränderung der Glasstärke um mindestens 0,5 Dioptrien begründet. Auch hier handelt es sich vielfach um eine Doppelversorgung, da der Versicherte bereits eine Sehhilfe erhalten hatte. Ferner war es allein den Augenärzten vorbehalten, Lichtschutzgläser zu verordnen. - Es wurden Gläser als Ersatzleistung für zerstörte Gläser abgerechnet, obwohl der Augenoptiker selbst für die Zerstörung verantwortlich war (so genannter Werkstatt bruch, häufig in der Kundenkartei korrekt dokumentiert, aus versicherungsrechtlichen oder anderen Gründen). - Es wurde eine Ersatzleistung abgerechnet, obwohl die neuen Gläser wegen einer falschen Augenglasbestimmung des Augenoptikers erforderlich waren(so genannten Fehlrefraktion). - Es wurden - anders als verordnet und abgerechnet - Gläser mit Tönungen abgegeben, die weniger als 25 % des Lichts absorbierten und deshalb keine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse waren.

(4) Es wurde eine Leistung abgerechnet, deren Voraussetzungen auf dem Be- rechtigungsschein fälschlich oder unvollständig angegeben waren.

Konkrete Fallkonstellationen:

- Die Leistungsvoraussetzungen liegen nicht vor. Die Angaben auf dem Berechtigungs schein sind jedoch unvollständig, so dass daraus nicht nachvollzogen werden kann, ob ein Anspruch auf Erstattung besteht. - Es wurden Angaben auf den Berechtigungsscheinen gemacht, die nicht der Wirklichkeit entsprachen. Bei korrekter Darstellung beispielsweise der Glaswerte, wäre die Krankenkasse nicht zu Leistung verpflichtet gewesen.

dd) Die Klägerin kann und konnte sich den mit der begehrten Auskunft gewünschten Erkenntnisgewinn auch nicht durch Befragen der versicherten Leistungsempfänger oder gar durch deren ärztliche (Nach)Untersuchung beschaffen. Sie hat nach eigenen Angaben versucht, Informationen von Versicherten unmittelbar zu erhalten; diese hätten jedoch nur sehr vage und zum Teil objektiv unzutreffende Auskünfte geben können. Angesichts des Zeitablaufs der Komplexität des Leistungsgeschehens und der erforderlichen Daten ist dies für die Kammer nachvollziehbar. Eine zusätzliche ärztliche Überprüfung durch die körperliche Untersuchung von Versicherten zur Kontrolle der Abrechnungen auf Abrechnungsfehler ist nicht nur unzumutbar, sondern auch rein tatsächlich nicht durchführbar (vgl. insoweit auch § 67a Abs. 2 Nr. 2 b) bb) SGB X, wonach die Erhebung von Sozialdaten bei anderen Personen oder Stellen - hier: bei Optikern - zulässig ist, wenn die Erhebung bei Betroffenen - hier: den versicherten Kunden - einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und dessen schutzwürdige Belange ersichtlich nicht beeinträchtigt werden). Im Hinblick darauf ist die Unkenntnis der Klägerin über die Erstattungsanspruch ggf. begründenden Umstände unverschuldet.

ee) Dagegen ist dem Beklagten die Erteilung/Vorlage der tenorierten Auskünfte/ Unterlagen ohne weiteres zumutbar. Wenn er über die Daten und Unterlagen verfügt, bedarf es keines großen Aufwandes, diese vorzulegen. Ob er über die Daten und Unterlagen verfügt, ist nicht Voraussetzung des Auskunftsanspruchs, sondern eine Frage der Vollstreckbarkeit des Urteils.

ff) Der Erteilung der Auskünfte und Vorlage der Unterlagen stehen keine datenschutzrechtlichen Gründe entgegen. § 8 des Rahmenvertrages verpflichtet den Augenoptiker, den im Zweiten Kapitel (§§ 67 bis 85a) des SGB X normierten Sozialdatenschutz zu beachten. Gem. § 67a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 a) SGB X dürfen Sozialdaten ohne Mitwirkung des Betroffenen - hier: des versicherten Kunden - bei anderen Personen oder Stellen - hier: dem Optiker als Leistungserbringer - erhoben werden, wenn eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihm zulässt. Eine solche die Datenerhebung beim Leistungserbringer zulassende Vorschrift ist § 284 Abs. 1 Nr. 8 SGB V. Danach dürfen die Krankenkassen Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben, soweit diese für die Abrechnung mit den Leistungserbringern, einschließlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit und der Plausibilität der Abrechnung, erforderlich sind. Diese Voraussetzungen sind aus den zuvor dargelegten Gründen erfüllt.

Das Recht zur Erhebung der aus dem Tenor ersichtlichen Daten ergibt sich auch aus § 67a Abs. 2 Nr. 2 b) SGB X. Die Krankenkassen benötigen die Daten - wie aufgezeigt - zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch, nämlich zur Prüfung der Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnung von Sehhilfeversorgungen (vgl. § 284 Abs. 1 Nr. 8 SGB V), aber auch zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen (vgl. § 197a SGB V). Die Erhebung der Daten würde zudem beim betroffenen versicherten Kunden - soweit eine Erhebung bei ihm überhaupt möglich wäre - einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern; schutzwürdige Belange der Betroffenen, die durch die Erteilung der Auskünfte und die Vorlage der Unterlagen beeinträchtigt sein könnten, sind nicht ersichtlich.

2. Weder der Auskunftsanspruch noch der Erstattungsanspruch ist verjährt. Die erhobene Einrede der Verjährung ist unbegründet.

a) Die mit der Klage verfolgten Ansprüche resultieren aus Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen (und ihren Verbänden) zu Leistungserbringern - hier: Augenoptikern - nach dem SGB V. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V gelten für diese Rechtsbeziehungen die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten vereinbar sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mehrfach entschieden, dass Vergütungsansprüche von Leistungserbringern gegen die Krankenkassen für Ansprüche von Versicherten einer vierjährigen Verjährungsfrist unterliegen (BSG, Urteil vom 12.05.2005 - B 3 KR 32/04 R = SozR 4-2500 § 69 Nr. 1; Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R = SozR 4-2500 § 276 Nr. 1; Urteil vom 10.04.2008 - B 3 KR 7/07 R = SozR 4-1200 § 45 Nr. 4). Dieser Rechtssatz ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen über die Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer zu den Krankenkassen grundsätzlich auf alle gegenseitigen Rechte und Pflichten zu übertragen. Der Rückforderungsanspruch einer Krankenkasse gegen einen Leistungserbringer wegen Überzahlung einer erbrachten Leistung - hier: einer Sehhilfenversorgung - ist in seiner Rechtsnatur als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (analog § 812 BGB) nur die Kehrseite des Leistungsanspruchs. Auch für den Erstattungsanspruch gilt daher - wie für den Vergütungsanspruch - eine Verjährungsfrist von vier Jahren (BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R = SozR 4-2500 § 276 Nr. 1). Diese Frist gilt auch für den Anspruch auf Auskunft und Vorlage von Unterlagen; dieser ist der Hilfsanspruch für den zu sichernden Hauptanspruch und kann nicht eher verjähren als jener (BSG, a.a.O.).

b) Der Anspruch auf Auskunft durch Vorlage von Kunden- und Abrechnungsunterlagen ist ebenso wie der mögliche Erstattungsanspruch mit Zugang der Rechnungen jeweils in den Jahren 2001, 2002 oder 2003 entstanden. Gleichwohl begann der Lauf der Verjährungsfrist - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht bereits mit dem Schluss des Jahres der Rechnungslegung mit der Folge, dass mangels eines Hemmungstatbestandes die Ansprüche aus 2001 mit Ablauf des Jahres 2005, die aus 2002 mit Ablauf des Jahres 2006 verjährt gewesen wären. Gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung finden gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung.

aa) Da gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V die Vorschriften des BGB "entsprechend" gelten, ist § 199 Abs. 1 BGB auf die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von 4 Jahren (vgl. BSG, Urteil vom 10.04.2008 - B 3 KR 7/07 R = SozR 4-1200 § 45 Nr. 4) und nicht unmittelbar auf § 195 BGB zu beziehen. "Regelmäßige Verjährungsfrist" im Sinne des § 199 Abs. 1 ist für Ansprüche aus Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern die Frist von 4 Jahren.

bb) Die den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände hatte die Klägerin nicht vor 2005. In diesem Jahr erhielt sie durch eine AOK erste Hinweise auf Auffälligkeiten und Fehlern bei der Abrechnung von Sehhilfen durch Augenoptiker. Erst danach kam es zum Abschluss der Kooperationsvereinbarung vom 25.08.2005 und auf deren Grundlage zur Bildung eines Steuerungsausschusses "Abrechnungsmanipulation". Eine frühere Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände (Verdacht auf Falschabrechnungen) ist von der Klägerin auch nicht verschuldet. Grob fahrlässig handelt der Gläubiger, wenn seine Unkenntnis auf einer besonderen schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht. Grob fahrlässige Unkenntnis ist zu bejahen, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufdrängen und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht nutzt (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflg. 2009, § 199 Rn. 36). Dies war hier nicht der Fall. Sicherlich hätten die Krankenkassen nach jeweiliger Rechnungslegung in jedem Einzelfall eine genaue Prüfung auf eventuelle Abrechnungsfehler vornehmen können. Dies wäre aber weder der Masse der Abrechnungsvorgänge noch der Vertrauensbasis, die in Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern im System der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich bestehen muss, gerecht geworden. Deshalb erfolgten im Rahmen der Abrechnungen nur stichprobenhafte Kontrollen; wenn es dadurch zu Beanstandungen und Rückfragen kam, wurde dies von den betreffenden Optikern auf der Basis der bestehenden Vertragsbeziehungen akzeptiert. Von den Krankenkassen konnte und kann jedoch - auch und gerade im Hinblick auf die vertraglichen Vereinbarungen - weder gefordert noch erwartet werden, dass sie akribisch jede einzelne Abrechnung einer Sehhilfeverordnung auf ihre Richtigkeit genauestens prüfen, ggf. durch Rückfrage beim Optiker und Einsicht in dafür erforderliche Unterlagen. Grob fahrlässige Unkenntnis (vor 2005) hätte der Klägerin allenfalls dann vorgeworfen können, wenn sie trotz konkreter Hinweise (vor 2005) nichts im Hinblick auf die Überprüfung möglicher Abrechnungsfehler unternommen hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Die Verjährung begann daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2005, sodass die Ansprüche - ohne Hemmungstatbestand - frühestens mit Ablauf des Jahres 2009 verjährt wären. Insofern kommt es für den - den Beginn der Verjährung auslösenden - Zeitpunkt der Kenntnis nicht auf das Datum der Sondersitzung des Steuerungsausschusses (26.07.2007), zu dem die Klägerin das Projekt federführend übernahm, und auch nicht auf den Zeitpunkt des Erkenntnisgewinns aus dem Gutachten vom 04.03.2008 über vom Beklagten erbrachte und abgerechnete Leistungen in den Jahren 2001 - 2003 an.

cc) Die Verjährung ist durch die Erhebung der Stufenklage am 29.12.2007 gehemmt worden (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Dies gilt nicht nur für die Ansprüche der Klägerin, sondern auch für die der Barmer und der KKH. Zwar ist die Prozessstandschaft, zu der diese Kassen die Klägerin ermächtigt haben, erst am 30.09.2009 durch die Vorlage der Erklärungen vom 18./22.09.2009 offengelegt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren aber sämtliche Ansprüche noch nicht verjährt, da die "normale" Verjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2009 eingetreten wäre. Deshalb kann hier dahinstehen, ob die verjährungshemmende Wirkung im Falle einer gewillkürten Prozessstandschaft erst in dem Augenblick eintritt, in dem diese prozessual offengelegt wird (BGH, Urteil vom 07.03.2001 - I ZR 49/99), oder ob eine nach Klageerhebung erfolgte Offenlegung einer gewillkürter Prozessstandschaft auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurückwirkt (arg. e § 185 BGB).

3. Die Ansprüche sind auch nicht verwirkt. Dies käme in Betracht, wenn ihre Geltendmachung rechtsmissbräuchlich wäre. Dies ist jedoch aus den zum Verjährungsbeginn dargelegten Gründen nicht der Fall. Die beteiligten Krankenkassen haben vor dem Jahre 2005 - vor den Hinweisen der AOK auf Auffälligkeiten und Falschabrechnungen - keinen Anlass gehabt, den Beklagten systematisch zu kontrollieren und seine Abrechnun-gen in jedem Einzelfall in der Art und Weise, wie sie dies nun mit der Auskunftsklage verfolgen, zu prüfen. Auf die Hinweise im Jahre 2005 sind dann aber Ermittlungen aufgenommen worden, die - weil anders nicht zielführend - in die Stufenklage mündeten.

III. Über den von der Klägerin im Rahmen der Stufenklage geltend gemachten Erstattungsanspruch (2. Stufe) kann erst nach der vom Beklagten zu erteilenden Auskunft und einer eventuell erforderlich werdenden weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch die Klägerin, wenn diese den Anspruch beziffert hat und der Beklagte den Anspruch nicht anerkennt, entschieden werden.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 162 Abs. 2, 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Klage ursprünglich für neun Krankenkassen erhoben und im Verlauf des Verfahrens für sechs Krankenkassen zurückgenommen worden ist, erscheint es angemessen, der Klägerin zwei Drittel, dem Beklagten ein Drittel der Kosten aufzuerlegen.

V. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 44 Gerichtskostengesetz (GKG). Bei einer Stufenklage ist für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere (§ 44 GKG). Dies gilt nach Auffassung des BSG aber nur, wenn in einer Instanz über bei- de Ansprüche entschieden wird. Wird - wie hier - nur über die Auskunftsklage entschieden, ist der Streitwert nur anhand des Auskunftsanspruchs zu bemessen (BSG, Urteil vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R = SozR 4-2500 § 276 Nr. 1). Der Wert kann nur ein Bruchteil (z.B. 10 %) des voraussichtlichen Leistungsanspruchs sein, wenn die fraglichen Verhältnisse fast schon bekannt sind. Möglich ist aber auch ein höheres Interesse, wenn ein Zahlungsanspruch ohne die Auskunft voraussichtlich nicht weiter verfolgt werden kann; in einem solchen Fall kann der Wert der Auskunft fast den Wert des Zahlungsanspruchs erreichen (Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage 2008, Anh. I zu § 48 GKG, Rn. 24 "Auskunft"). So liegt es hier. Ohne Auswertung der mit der Auskunftsklage begehrten Unterlagen ist die Klägerin nicht in der Lage, einen Erstattungsanspruch genau zu beziffern. Die Klägerin hat für 1386 Fälle von Sehhilfenversorgungen in den Jahren 2001 - 2003 Auskunft begehrt. Die Kammer geht davon aus, dass nicht in allen Fällen Falschabrechnungen vorliegen und ein Erstattungsanspruch begründet ist. Die Klägerin hat in der Klageschrift erklärt, sie habe bei der Überprüfung der Abrechnungen, welche in den Jahren 2001 - 2003 erfolgt seien, "in zahlreichen Fällen", darunter auch bei dem Beklagten, erhebliche Auffälligkeiten festgestellt. Ausgehend von der Annahme, dass in geschätzt ca. 30 % der aufgelisteten Abrechnungsfälle, d.h. in ca. 420 Fällen Falschabrechnungen erfolgt sind, ergibt sich bei einem vorsichtig geschätzten Betrag von 50,00 EUR pro falsch abgerechnetem Fall ein Wert von 21.000,00 EUR. Dies ist der anteilige Wert der Klage der TK, der Barmer und der KKH.

Mit der Stufenklage sind jedoch ursprünglich Ansprüche für neun Krankenkassen verfolgt worden. Soweit die Klage für sechs Krankenkassen zurückgenommen worden ist, fehlt es an einer vergleichbaren Wertbemessungsgrundlage. Insofern kann auch nicht von den im Gutachten vom 04.03.2008 aufgelisteten Fällen hochgerechnet werden, wie es das LSG NRW im Beschluss vom 07.09.2009 (L 5 B 104/08 KR) für gerechtfertigt gehalten hat; denn dies waren ausschließlich Abrechnungsfälle einer Krankenkasse, nämlich der TK. Andererseits hält die Kammer aber auch die vom LSG Niedersachsen-Bremen in den Beschlüssen vom 09.12.2008 (L 4 B 85/08 KR) und vom 25.06.2009 (L 4 KR 168/09 B) vorgenommene Wertfestsetzung nicht für sachgerecht; 25 % des Auffangsstreitwertes von 5.000,00 EUR, also 1.250 EUR erscheint als Wert für eine Auskunftsklage von neun Krankenkassen nicht angemessen. Dieser Wertansatz lässt die Zahl der beteiligten Krankenkassen gänzlich unberücksichtigt. Wäre die Klage für zwei oder zwanzig Kassen erhoben worden, käme das LSG Niedersachsen-Bremen zu demselben Ergebnis: 1.250,00 EUR. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass ein Wertansatz für jede Krankenkasse und deren jeweilige Ansprüche zu erfolgen hat. Die Klägerin hat die Klagerücknahme für sechs Krankenkassen mit dem Ergebnis einer Abwägung des erforderlichen Aufwands der Rechtsverfolgung gegen die bei diesen Kassen im konkreten Fall des Beklagten gegebenen geringen Fallzahlen bzw. die geringe zu erwartende Zahl von Falschabrechnungen begründet. Im Hinblick auf die angespro-chenen "geringen Fallzahlen" ist ein Wertansatz von 1.250,00 EUR für jede Krankenkasse, für die die Klage zurückgenommen wurde, angemessen; das entspricht bei einem Ansatz von 50,00 EUR pro Falschabrechnung einer als gering anzusehenden Zahl von 25 Fällen je Krankenkasse; daraus folgt für die sechs Krankenkassen, für die die Klagen zurückgenommen wurden, ein Wertansatz von insgesamt 7.500,00 EUR. Zusammen mit dem Wertansatz für die aufrechterhaltene Auskunftsklage ergibt sich ein Streitwert von 28.500,00 EUR.
Rechtskraft
Aus
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