Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 87/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2001 und des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Juni 2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 16. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1999 aufgehoben. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01. April 1998 bis 31. Juli 1999 sowie über eine daraus resultierende Erstattungsforderung von 20.397,81 DM.
Der verheiratete, 1937 geborene Kläger war zuletzt als Verkaufssachbearbeiter mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 8.400,- DM beschäftigt. Seine halbtags beschäftigte Ehefrau erzielte ein monatliches Arbeitsentgelt von 1.525,- DM brutto. Zu Beginn des Jahres 1998 war auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse III (Ehefrau: V) eingetragen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers zum 28. Februar 1998. Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01. März 1998 Alg nach der Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) auf der Grundlage eines gerundeten Bemessungsentgelts von 1.900,- DM (Bescheid vom 20. Januar 1998). Der sich daraus ergebende wöchentliche Leistungssatz von ursprünglich 679,63 DM wurde später bei gleich bleibender Leistungsgruppe angepasst auf 683,48 DM ab 01. Januar 1999 und auf 689,29 DM ab 01. April 1999 (Änderungsbescheide vom 14. Januar 1999 und vom 26. März 1999).
Mit Wirkung ab 01. April 1998 wechselten der Kläger von der Lohnsteuerklasse III zur Lohnsteuerklasse V und seine Ehefrau von der Lohnsteuerklasse V zur Lohnsteuerklasse III. Nachdem das Arbeitsamt am 26. Juli 1999 vom Steuerklassenwechsel erfahren hatte, hob es mit Wirkung ab 01. März 1998 die Alg-Bewilligung in Höhe der Differenz zwischen den Leistungssätzen nach Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) und Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) auf und setzte wegen zu Unrecht gewährter Leistungen einen Erstattungsbetrag von 21.678,73 DM fest (Bescheid vom 16. September 1999).
Widerspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. November 1999; Urteil des Sozialgerichts (SG) Freiburg vom 29. Juni 2000).
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit er die teilweise Aufhebung der Bewilligung einschließlich Erstattung von Leistungen für den Monat März 1998 zum Gegenstand hatte. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) durch Urteil vom 24. April 2001 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die teilweise Aufhebung der Alg-Bewilligung sei für die Zeit ab 01. April 1998 zu Recht erfolgt, weil der an jenem Tag wirksam gewordene Lohnsteuerklassenwechsel des Klägers zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse geführt habe. Denn dadurch habe sich die Höhe des zu gewährenden Alg verringert, weil dem Kläger nunmehr Alg nur noch nach Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) zugestanden habe. Zwar sei evident, dass der Wechsel des Klägers in Lohnsteuerklasse V und derjenige seiner Ehefrau in Lohnsteuerklasse III nicht dem Verhältnis der Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprochen habe, weil insoweit das vom Kläger vor der Arbeitslosigkeit zuletzt erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich bleibe. Nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei der Lohnsteuerklassenwechsel aber gleichwohl bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen, weil er - wie von dieser Vorschrift vorausgesetzt - zu einem geringeren Alg-Anspruch führe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestünden nicht. Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (01. April 1998) seien ebenfalls erfüllt, weil der Kläger grob fahrlässig gegen seine Pflicht verstoßen habe, die Änderung seiner Lohnsteuerklasse dem Arbeitsamt sofort mitzuteilen. Auf Grund der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass dem Kläger bei Antragstellung ein aktuelles Merkblatt für Arbeitslose (Stand Januar 1998) ausgehändigt worden sei. In diesem werde auf die Pflicht zur sofortigen Benachrichtigung des Arbeitsamts bei einer Änderung der Lohnsteuerklasse sowie auf die Gründe dafür hingewiesen.
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend: § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III sei ungeachtet seines Wortlauts auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht anwendbar, weil die Berücksichtigung eines Lohnsteuerklassenwechsels, der zu einem niedrigeren Alg-Anspruch führe, vom Gesetzeszweck, Manipulationen hinsichtlich der Leistungshöhe zu verhindern, nicht gedeckt sei. In seinem Fall könne auch der Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung keine Rolle spielen, weil auf den ersten Blick klar gewesen sei, dass die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprächen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III müsse ebenfalls zur Nichtanwendbarkeit der Vorschrift führen, weil die in ihr vorgesehene Rechtsfolge einen unverhältnismäßigen und sachlich nicht zu begründenden Eingriff in vom Grundgesetz geschützte Rechte des Leistungsberechtigten darstelle. Aus demselben Grund sei die Vorschrift als verfassungswidrig anzusehen, falls eine verfassungskonforme Auslegung nicht möglich sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 24. April 2001 und des SG Freiburg vom 29. Juni 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. September 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG und das SG haben die angefochtenen Bescheide zu Unrecht bestätigt.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III für eine Teilaufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit vom 1. April 1998 bis zum 31. Juli 1999 und eine entsprechende Rückforderung liegen nicht vor.
Zutreffend ist die Beklagte allerdings davon ausgegangen, dass der Wechsel von Steuerklasse III zu Steuerklasse V mit Wirkung ab 01. April 1998 eine nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X wesentliche und für den Kläger nachteilige Änderung der Verhältnisse darstellt. Denn die auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragene Lohnsteuerklassenänderung hat Auswirkungen auf die dem Kläger zuerkannte Leistung, weil sie sich mindernd auf die Höhe seines Anspruchs auf Alg auswirkt. Nach § 129 SGB III beträgt das Alg einen bestimmten Prozentsatz des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum (§§ 130f SGB III) erzielt hat (Bemessungsentgelt; §§ 132ff SGB III). In Konkretisierung dieses Grundsatzes ist Leistungsentgelt das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (§ 136 Abs 1 SGB III). Zu den Entgeltabzügen gehört ua die Lohnsteuer, wobei die Steuer zu Grunde zu legen ist, die sich nach der für den Arbeitslosen maßgeblichen Leistungsgruppe ergibt (§ 136 Abs 2 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 iVm § 137 Abs 1 SBG III). Soweit hier von Bedeutung sind Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist, der Leistungsgruppe C zuzuordnen und Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, der Leistungsgruppe D (§ 137 Abs 2 Nr 3a und Nr 4 SGB III).
Die Zuordnung zu einer Leistungsgruppe richtet sich grundsätzlich nach derjenigen Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch (auf Alg) entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§ 137 Abs 3 Satz 1 SGB III). Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen (§ 137 Abs 3 Satz 2 SGB III). Das Gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (§ 137 Abs 3 Satz 3 SGB III). Diese Vorschriften entsprechen inhaltlich unverändert den früheren Regelungen in § 113 Abs 1 Sätze 1 bis 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Für den (freiwilligen) Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten enthält § 137 Abs 4 SGB III eine abschließende Sonderregelung. Danach werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen (Satz 1 Nr 1) oder wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Alg ergibt, das geringer ist als das Alg, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe (Satz 1 Nr 2). Diese Regelung erfasst jedes Auswechseln der Steuerklassen, die für verheiratete unbeschränkt einkommensteuerpflichtige und nicht dauernd getrennt lebende Arbeitnehmer vorgesehen sind (§ 38b Satz 2 Nr 3 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG); vgl zur Vorgängerregelung in § 113 AFG: BSG SozR 3-4100 § 113 Nr 1 mwN).
Bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte iS des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III bleibt nach Satz 2 dieser Vorschrift ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet, außer Betracht. Aus dieser Regelung folgt, dass bei der Prüfung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte der Ehegatten nur insoweit auf die aktuellen Einkünfte abzustellen ist, als einer der Ehegatten am Tag des Eintritts der Steuerklassenänderung Arbeitsentgelt erzielt. Bei demjenigen Ehegatten, der aktuell kein Arbeitsentgelt erzielt und wegen dieses Ausfalls einen Anspruch auf das gemäß § 3 Nr 2 EStG steuerfreie Alg hat, ist dagegen das vor der Arbeitslosigkeit zuletzt erzielte Arbeitsentgelt für die Prüfung maßgeblich (vgl zu § 113 AFG: BSG SozR 4100 § 113 Nr 3; ( BSGE 61, 45ff) = SozR 4100 § 113 Nr 5 und Nr 7 sowie SozR 3-4100 § 113 Nr 1; zu § 137 SGB III: BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 1 und Urteil vom 21. März 2002 - B 7 AL 46/01 R -). Danach hat der Wechsel des Klägers von der Lohnsteuerklasse III zur Lohnsteuerklasse V mit Wirkung ab 01. März 1998 dazu geführt, dass der Kläger nunmehr einer anderen Leistungsgruppe (D statt vorher C) zuzuordnen war und deswegen Alg nur noch in geringerer Höhe beanspruchen konnte als nach den Verhältnissen zur Zeit der Bewilligungsentscheidung vom 20. Januar 1998.
Der Lohnsteuerklassenwechsel wirkt sich nach § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III leistungsrechtlich aus, wenn eine der beiden in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt ist (vgl BSG Urteil vom 21. März 2002 - B 7 AL 46/01 R -). Da die beim Kläger neu eingetragene Lohnsteuerklasse V aus den schon genannten Gründen einer anderen Leistungsgruppe (D) mit gegenüber der bisherigen Leistungsgruppe (C) niedrigeren Leistungssätzen entsprach, ergibt sich die leistungsrechtliche Relevanz des vorgenommenen Lohnsteuerklassenwechsels aus § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III, wonach die neu eingetragene Lohnsteuerklasse dann berücksichtigt wird, wenn sich danach ein geringeres Alg als nach der vorher eingetragenen Lohnsteuerklasse ergibt. Der Auffassung des Klägers, diese Vorschrift sei nicht anwendbar, obwohl ihre Voraussetzungen - wie auch der Kläger einräumt - vorliegen, kann nicht gefolgt werden. Denn für eine teleologische Reduktion der Vorschrift fehlen entsprechende Anhaltspunkte.
Richtig ist allerdings, dass der Gesetzgeber, soweit es in den Materialien zu § 137 SGB III (BT-Drucks 13/4941 S 179) zum Ausdruck gekommen ist, mit der Neuregelung zum Steuerklassenwechsel von Ehegatten nur (noch) das Ziel verfolgt hat, Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung zu verhindern (vgl BSGE 88, 299, 303 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1). Das vom Gesetzgeber angeführte Ziel der Manipulationsabwehr ist für Fallgestaltungen der vorliegenden Art ohne Bedeutung. Die vom Kläger gewählte Lohnsteuerklasse hatte den vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit bestehenden Einkommensverhältnissen der Ehegatten entsprochen. Der Wechsel der Lohnsteuerklassen ist in derartigen Fällen nicht auf eine Manipulationsabsicht zurückzuführen, sondern dient der Anpassung der steuerrechtlichen Verhältnisse an die geänderte Einkommenssituation. Es ist auch zweifelhaft, ob § 137 Abs 4 SGB III dem in den Gesetzesmotiven (aaO) formulierten Anspruch genügt, solche Manipulationen "stärker" als das bisher geltende Recht (§ 113 Abs 2 AFG) zu verhindern. Zudem unterliegt die Regelung auch verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zwar ist die Anlehnung der Leistungsbemessung an das Lohnsteuersystem nach gefestigter Rechtsprechung verfassungsrechtlich zulässig und im Hinblick auf die Lohnersatzfunktion des Alg sachlich gerechtfertigt. Funktion des Alg ist es, dem Arbeitslosen angemessenen Ersatz für den Ausfall zu leisten, den er dadurch erleidet, dass er gegenwärtig keinen bezahlten Arbeitsplatz findet (vgl BVerfGE 51, 115, 125). Es ist deshalb grundsätzlich sachgerecht, bei der Bemessung des Alg an den Nettolohnausfall anzuknüpfen, den der Arbeitslose infolge der Arbeitslosigkeit erleidet. Darüber hinaus erfordert die existenzsichernde Natur des Alg, dass die Feststellung der Leistungshöhe und die Auszahlung beschleunigt erfolgen. Das zwingt schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu einfachen Maßstäben bei der Leistungsberechnung. Die darin liegende Pauschalierung bei der Bemessung von Alg ist dem Gesetzgeber als typisierende Regelung bei der Ordnung von Massenerscheinungen grundsätzlich erlaubt (BVerfGE 17, 1, 25; BVerfGE 63, 255, 261ff = SozR 4100 § 111 Nr 6; BVerfG SozR 3-4100 § 111 Nr 2).
Verfassungsrechtlich nicht unproblematisch erscheint es gleichwohl, eine Leistung, die nach Art 14 Grundgesetz eigentumsgeschützt ist, nur deshalb zu vermindern, weil der Betreffende und sein Ehegatte von einer steuerrechtlich zulässigen Gestaltung der Lohnsteuerklassen Gebrauch machen, der Grund für die Bemessung des bisherigen Alg-Anspruchs in der Höhe sich jedoch im Übrigen nicht geändert und die vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gewählte Steuerklassenkombination den Einkommensverhältnissen der Ehegatten entsprochen hat. Die nachteilige Berücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels nach Beginn des Leistungsbezugs kann auch nicht mit dem Argument, Manipulationen zu verhindern gerechtfertigt werden. Bleibt der Alg-Anspruch nach dem Lohnsteuerklassenwechsel unverändert, wird er durch diesen Lohnsteuerklassenwechsel nicht manipuliert. Zwar entbindet die Regelung in § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III die Verwaltung in den Fällen einer Verringerung des Alg von der Prüfung der "arbeitsförderungsrechtlichen Tunlichkeit" (vgl zu diesem Begriff BSG, Urteil vom 21. März 2002 - B 7 AL 46/01 R -) des Lohnsteuerklassenwechsels. Gleichwohl erscheint der Eingriff in einen zuerkannten Anspruch auf Alg trotz der Verwaltungsvereinfachung problematisch, weil er auch die Betroffenen, die vor Eintritt der Arbeitslosigkeit die zweckmäßigen Lohnsteuerklassen gewählt haben, im Ergebnis davon abhält, während der Arbeitslosigkeit die steuerrechtlich sinnvollen Steuerklassen zu wählen. Ob § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III, soweit er allein wegen des Lohnsteuerklassenwechsels eine Minderung des Alg anordnet, mit höherrangigem Recht vereinbar ist (vgl dazu für eine andere Fallgestaltung auch Urteil des Senats vom 29. August 2002 - B 11 AL 99/01 R -), muss hier jedoch nicht entschieden werden.
Denn im vorliegenden Fall geht es allein um die Aufhebung eines Anspruchs auf Alg für die Vergangenheit, der hier nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X nur möglich ist, wenn der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die vorsätzliche Verletzung einer Mitteilungspflicht hat weder die Beklagte noch das LSG im angefochtenen Urteil angenommen. Es liegt aber auch entgegen der Annahme des LSG keine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht vor. Allerdings ist die Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, grundsätzlich eine Tatfrage, deren Beurteilung dem Berufungsgericht als Tatsachengericht obliegt. Die Entscheidung über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit ist, wie das BSG bereits entschieden hat (BSGE 47, 180, 181 = SozR 2200 § 1301 Nr 8; BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42), revisionsrechtlich nur in engen Grenzen überprüfbar. Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier vor, denn die Frage, ob der Kläger auf Grund von grober Fahrlässigkeit einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist, lässt sich in Fällen der vorliegenden Art anhand genereller Maßstäbe beantworten. Für die Anwendung eines einheitlichen und vom Revisionsgericht insoweit vorzugebenden Maßstabes spricht entscheidend, dass hinsichtlich der Beurteilung des Lohnsteuerklassenwechsels unter Ehegatten nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ein Wertungswiderspruch zwischen Einkommensteuerrecht und Arbeitsförderungsrecht besteht, der nicht ohne Auswirkungen auf die der Beklagten obliegenden Beratungspflichten bleiben kann. Zudem legen auch die bereits dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Anwendungsbereich des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III es nahe, die Frage, ob eine Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die damit zwingend verbundene Rückforderung wegen grob fahrlässiger Verletzung einer Mitteilungspflicht in Betracht kommt, nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen.
Im Einkommensteuerrecht ist der Lohnsteuerklassenwechsel, der allgemein dazu dient, die aktuelle Lohnsteuerbelastung möglichst nahe an der zu erwartenden Jahreslohnsteuer zu halten, für den Fall, dass bei einem Ehegatten Arbeitslohn völlig entfällt, besonders erleichtert. Denn nach § 38b Satz 2 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG gehören in die Steuerklasse III Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte keinen Arbeitslohn bezieht. Während Ehegatten, die beide in einem Arbeitsverhältnis stehen, eine Änderung der Steuerklasse nur einmal im Laufe des Kalenderjahres beantragen können (§ 39 Abs 5 Satz 3 EStG), gilt diese Einschränkung nicht, wenn ein Arbeitnehmer keinen Arbeitslohn mehr bezieht (vgl auch die Lohnsteuer-Richtlinien 109 Abs 5 Satz 5). Geht das Steuerrecht somit davon aus, dass dem Ehegatten bei Eintritt von Arbeitslosigkeit ein Wechsel in die zweckmäßige Steuerklassenkombination ermöglicht werden muss, so muss er nicht damit rechnen, dass er deswegen leistungsrechtlich in jedem Falle Nachteile hinzunehmen hat. Für die Gemeinde oder das Finanzamt als die zuständigen Finanzbehörden ist der Lohnsteuerklassenwechsel aus der Sicht des Einkommensteuerrechts geboten.
Angesichts dieser steuerrechtlichen Bewertung des Lohnsteuerklassenwechsels unter Ehegatten muss ein Arbeitsloser, der wie der Kläger vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ein erheblich höheres Arbeitsentgelt als seine Ehefrau erzielt hatte, nicht damit rechnen, dass der Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch haben würde. Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger nach den Feststellungen des LSG ein Merkblatt für Arbeitslose (Stand Januar 1998) erhalten hatte. Die Beklagte verpflichtet darin den Betroffenen lediglich zur Meldung eines bereits vollzogenen Lohnsteuerklassenwechsels. Im Hinblick auf die Folgen des Lohnsteuerklassenwechsels hätte die Beklagte aber den Betreffenden darauf aufmerksam machen müssen, dass er vor einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Beratung bei der Beklagten suchen sollte. Denn nur bei einer Beratung vor dem Lohnsteuerwechsel können die arbeitsförderungsrechtlich schädlichen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels vermieden werden. Die Meldung nach der Vornahme eines Lohnsteuerklassenwechsels kann angesichts der Regelung in § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III nur noch dazu dienen, die leistungsrechtlichen Folgerungen aus der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu ziehen. Deshalb genügt der Hinweis im Merkblatt nicht dafür, den Schluss auf die grobfahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht zuzulassen.
Die Revision ist nach alledem begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren noch über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01. April 1998 bis 31. Juli 1999 sowie über eine daraus resultierende Erstattungsforderung von 20.397,81 DM.
Der verheiratete, 1937 geborene Kläger war zuletzt als Verkaufssachbearbeiter mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 8.400,- DM beschäftigt. Seine halbtags beschäftigte Ehefrau erzielte ein monatliches Arbeitsentgelt von 1.525,- DM brutto. Zu Beginn des Jahres 1998 war auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse III (Ehefrau: V) eingetragen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers zum 28. Februar 1998. Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01. März 1998 Alg nach der Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) auf der Grundlage eines gerundeten Bemessungsentgelts von 1.900,- DM (Bescheid vom 20. Januar 1998). Der sich daraus ergebende wöchentliche Leistungssatz von ursprünglich 679,63 DM wurde später bei gleich bleibender Leistungsgruppe angepasst auf 683,48 DM ab 01. Januar 1999 und auf 689,29 DM ab 01. April 1999 (Änderungsbescheide vom 14. Januar 1999 und vom 26. März 1999).
Mit Wirkung ab 01. April 1998 wechselten der Kläger von der Lohnsteuerklasse III zur Lohnsteuerklasse V und seine Ehefrau von der Lohnsteuerklasse V zur Lohnsteuerklasse III. Nachdem das Arbeitsamt am 26. Juli 1999 vom Steuerklassenwechsel erfahren hatte, hob es mit Wirkung ab 01. März 1998 die Alg-Bewilligung in Höhe der Differenz zwischen den Leistungssätzen nach Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III) und Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) auf und setzte wegen zu Unrecht gewährter Leistungen einen Erstattungsbetrag von 21.678,73 DM fest (Bescheid vom 16. September 1999).
Widerspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. November 1999; Urteil des Sozialgerichts (SG) Freiburg vom 29. Juni 2000).
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit er die teilweise Aufhebung der Bewilligung einschließlich Erstattung von Leistungen für den Monat März 1998 zum Gegenstand hatte. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) durch Urteil vom 24. April 2001 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die teilweise Aufhebung der Alg-Bewilligung sei für die Zeit ab 01. April 1998 zu Recht erfolgt, weil der an jenem Tag wirksam gewordene Lohnsteuerklassenwechsel des Klägers zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse geführt habe. Denn dadurch habe sich die Höhe des zu gewährenden Alg verringert, weil dem Kläger nunmehr Alg nur noch nach Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) zugestanden habe. Zwar sei evident, dass der Wechsel des Klägers in Lohnsteuerklasse V und derjenige seiner Ehefrau in Lohnsteuerklasse III nicht dem Verhältnis der Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprochen habe, weil insoweit das vom Kläger vor der Arbeitslosigkeit zuletzt erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich bleibe. Nach § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei der Lohnsteuerklassenwechsel aber gleichwohl bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen, weil er - wie von dieser Vorschrift vorausgesetzt - zu einem geringeren Alg-Anspruch führe. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestünden nicht. Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung der Bewilligungsentscheidung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (01. April 1998) seien ebenfalls erfüllt, weil der Kläger grob fahrlässig gegen seine Pflicht verstoßen habe, die Änderung seiner Lohnsteuerklasse dem Arbeitsamt sofort mitzuteilen. Auf Grund der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass dem Kläger bei Antragstellung ein aktuelles Merkblatt für Arbeitslose (Stand Januar 1998) ausgehändigt worden sei. In diesem werde auf die Pflicht zur sofortigen Benachrichtigung des Arbeitsamts bei einer Änderung der Lohnsteuerklasse sowie auf die Gründe dafür hingewiesen.
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend: § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III sei ungeachtet seines Wortlauts auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht anwendbar, weil die Berücksichtigung eines Lohnsteuerklassenwechsels, der zu einem niedrigeren Alg-Anspruch führe, vom Gesetzeszweck, Manipulationen hinsichtlich der Leistungshöhe zu verhindern, nicht gedeckt sei. In seinem Fall könne auch der Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung keine Rolle spielen, weil auf den ersten Blick klar gewesen sei, dass die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprächen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III müsse ebenfalls zur Nichtanwendbarkeit der Vorschrift führen, weil die in ihr vorgesehene Rechtsfolge einen unverhältnismäßigen und sachlich nicht zu begründenden Eingriff in vom Grundgesetz geschützte Rechte des Leistungsberechtigten darstelle. Aus demselben Grund sei die Vorschrift als verfassungswidrig anzusehen, falls eine verfassungskonforme Auslegung nicht möglich sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 24. April 2001 und des SG Freiburg vom 29. Juni 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. September 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG und das SG haben die angefochtenen Bescheide zu Unrecht bestätigt.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III für eine Teilaufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit vom 1. April 1998 bis zum 31. Juli 1999 und eine entsprechende Rückforderung liegen nicht vor.
Zutreffend ist die Beklagte allerdings davon ausgegangen, dass der Wechsel von Steuerklasse III zu Steuerklasse V mit Wirkung ab 01. April 1998 eine nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X wesentliche und für den Kläger nachteilige Änderung der Verhältnisse darstellt. Denn die auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragene Lohnsteuerklassenänderung hat Auswirkungen auf die dem Kläger zuerkannte Leistung, weil sie sich mindernd auf die Höhe seines Anspruchs auf Alg auswirkt. Nach § 129 SGB III beträgt das Alg einen bestimmten Prozentsatz des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum (§§ 130f SGB III) erzielt hat (Bemessungsentgelt; §§ 132ff SGB III). In Konkretisierung dieses Grundsatzes ist Leistungsentgelt das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (§ 136 Abs 1 SGB III). Zu den Entgeltabzügen gehört ua die Lohnsteuer, wobei die Steuer zu Grunde zu legen ist, die sich nach der für den Arbeitslosen maßgeblichen Leistungsgruppe ergibt (§ 136 Abs 2 Satz 1 und Satz 2 Nr 1 iVm § 137 Abs 1 SBG III). Soweit hier von Bedeutung sind Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III eingetragen ist, der Leistungsgruppe C zuzuordnen und Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, der Leistungsgruppe D (§ 137 Abs 2 Nr 3a und Nr 4 SGB III).
Die Zuordnung zu einer Leistungsgruppe richtet sich grundsätzlich nach derjenigen Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch (auf Alg) entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war (§ 137 Abs 3 Satz 1 SGB III). Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen (§ 137 Abs 3 Satz 2 SGB III). Das Gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (§ 137 Abs 3 Satz 3 SGB III). Diese Vorschriften entsprechen inhaltlich unverändert den früheren Regelungen in § 113 Abs 1 Sätze 1 bis 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Für den (freiwilligen) Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten enthält § 137 Abs 4 SGB III eine abschließende Sonderregelung. Danach werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen (Satz 1 Nr 1) oder wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Alg ergibt, das geringer ist als das Alg, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe (Satz 1 Nr 2). Diese Regelung erfasst jedes Auswechseln der Steuerklassen, die für verheiratete unbeschränkt einkommensteuerpflichtige und nicht dauernd getrennt lebende Arbeitnehmer vorgesehen sind (§ 38b Satz 2 Nr 3 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG); vgl zur Vorgängerregelung in § 113 AFG: BSG SozR 3-4100 § 113 Nr 1 mwN).
Bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte iS des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB III bleibt nach Satz 2 dieser Vorschrift ein Ausfall des Arbeitsentgelts, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet, außer Betracht. Aus dieser Regelung folgt, dass bei der Prüfung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitsentgelte der Ehegatten nur insoweit auf die aktuellen Einkünfte abzustellen ist, als einer der Ehegatten am Tag des Eintritts der Steuerklassenänderung Arbeitsentgelt erzielt. Bei demjenigen Ehegatten, der aktuell kein Arbeitsentgelt erzielt und wegen dieses Ausfalls einen Anspruch auf das gemäß § 3 Nr 2 EStG steuerfreie Alg hat, ist dagegen das vor der Arbeitslosigkeit zuletzt erzielte Arbeitsentgelt für die Prüfung maßgeblich (vgl zu § 113 AFG: BSG SozR 4100 § 113 Nr 3; ( BSGE 61, 45ff) = SozR 4100 § 113 Nr 5 und Nr 7 sowie SozR 3-4100 § 113 Nr 1; zu § 137 SGB III: BSG SozR 3-4300 § 137 Nr 1 und Urteil vom 21. März 2002 - B 7 AL 46/01 R -). Danach hat der Wechsel des Klägers von der Lohnsteuerklasse III zur Lohnsteuerklasse V mit Wirkung ab 01. März 1998 dazu geführt, dass der Kläger nunmehr einer anderen Leistungsgruppe (D statt vorher C) zuzuordnen war und deswegen Alg nur noch in geringerer Höhe beanspruchen konnte als nach den Verhältnissen zur Zeit der Bewilligungsentscheidung vom 20. Januar 1998.
Der Lohnsteuerklassenwechsel wirkt sich nach § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III leistungsrechtlich aus, wenn eine der beiden in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt ist (vgl BSG Urteil vom 21. März 2002 - B 7 AL 46/01 R -). Da die beim Kläger neu eingetragene Lohnsteuerklasse V aus den schon genannten Gründen einer anderen Leistungsgruppe (D) mit gegenüber der bisherigen Leistungsgruppe (C) niedrigeren Leistungssätzen entsprach, ergibt sich die leistungsrechtliche Relevanz des vorgenommenen Lohnsteuerklassenwechsels aus § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III, wonach die neu eingetragene Lohnsteuerklasse dann berücksichtigt wird, wenn sich danach ein geringeres Alg als nach der vorher eingetragenen Lohnsteuerklasse ergibt. Der Auffassung des Klägers, diese Vorschrift sei nicht anwendbar, obwohl ihre Voraussetzungen - wie auch der Kläger einräumt - vorliegen, kann nicht gefolgt werden. Denn für eine teleologische Reduktion der Vorschrift fehlen entsprechende Anhaltspunkte.
Richtig ist allerdings, dass der Gesetzgeber, soweit es in den Materialien zu § 137 SGB III (BT-Drucks 13/4941 S 179) zum Ausdruck gekommen ist, mit der Neuregelung zum Steuerklassenwechsel von Ehegatten nur (noch) das Ziel verfolgt hat, Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung zu verhindern (vgl BSGE 88, 299, 303 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1). Das vom Gesetzgeber angeführte Ziel der Manipulationsabwehr ist für Fallgestaltungen der vorliegenden Art ohne Bedeutung. Die vom Kläger gewählte Lohnsteuerklasse hatte den vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit bestehenden Einkommensverhältnissen der Ehegatten entsprochen. Der Wechsel der Lohnsteuerklassen ist in derartigen Fällen nicht auf eine Manipulationsabsicht zurückzuführen, sondern dient der Anpassung der steuerrechtlichen Verhältnisse an die geänderte Einkommenssituation. Es ist auch zweifelhaft, ob § 137 Abs 4 SGB III dem in den Gesetzesmotiven (aaO) formulierten Anspruch genügt, solche Manipulationen "stärker" als das bisher geltende Recht (§ 113 Abs 2 AFG) zu verhindern. Zudem unterliegt die Regelung auch verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zwar ist die Anlehnung der Leistungsbemessung an das Lohnsteuersystem nach gefestigter Rechtsprechung verfassungsrechtlich zulässig und im Hinblick auf die Lohnersatzfunktion des Alg sachlich gerechtfertigt. Funktion des Alg ist es, dem Arbeitslosen angemessenen Ersatz für den Ausfall zu leisten, den er dadurch erleidet, dass er gegenwärtig keinen bezahlten Arbeitsplatz findet (vgl BVerfGE 51, 115, 125). Es ist deshalb grundsätzlich sachgerecht, bei der Bemessung des Alg an den Nettolohnausfall anzuknüpfen, den der Arbeitslose infolge der Arbeitslosigkeit erleidet. Darüber hinaus erfordert die existenzsichernde Natur des Alg, dass die Feststellung der Leistungshöhe und die Auszahlung beschleunigt erfolgen. Das zwingt schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu einfachen Maßstäben bei der Leistungsberechnung. Die darin liegende Pauschalierung bei der Bemessung von Alg ist dem Gesetzgeber als typisierende Regelung bei der Ordnung von Massenerscheinungen grundsätzlich erlaubt (BVerfGE 17, 1, 25; BVerfGE 63, 255, 261ff = SozR 4100 § 111 Nr 6; BVerfG SozR 3-4100 § 111 Nr 2).
Verfassungsrechtlich nicht unproblematisch erscheint es gleichwohl, eine Leistung, die nach Art 14 Grundgesetz eigentumsgeschützt ist, nur deshalb zu vermindern, weil der Betreffende und sein Ehegatte von einer steuerrechtlich zulässigen Gestaltung der Lohnsteuerklassen Gebrauch machen, der Grund für die Bemessung des bisherigen Alg-Anspruchs in der Höhe sich jedoch im Übrigen nicht geändert und die vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gewählte Steuerklassenkombination den Einkommensverhältnissen der Ehegatten entsprochen hat. Die nachteilige Berücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels nach Beginn des Leistungsbezugs kann auch nicht mit dem Argument, Manipulationen zu verhindern gerechtfertigt werden. Bleibt der Alg-Anspruch nach dem Lohnsteuerklassenwechsel unverändert, wird er durch diesen Lohnsteuerklassenwechsel nicht manipuliert. Zwar entbindet die Regelung in § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III die Verwaltung in den Fällen einer Verringerung des Alg von der Prüfung der "arbeitsförderungsrechtlichen Tunlichkeit" (vgl zu diesem Begriff BSG, Urteil vom 21. März 2002 - B 7 AL 46/01 R -) des Lohnsteuerklassenwechsels. Gleichwohl erscheint der Eingriff in einen zuerkannten Anspruch auf Alg trotz der Verwaltungsvereinfachung problematisch, weil er auch die Betroffenen, die vor Eintritt der Arbeitslosigkeit die zweckmäßigen Lohnsteuerklassen gewählt haben, im Ergebnis davon abhält, während der Arbeitslosigkeit die steuerrechtlich sinnvollen Steuerklassen zu wählen. Ob § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III, soweit er allein wegen des Lohnsteuerklassenwechsels eine Minderung des Alg anordnet, mit höherrangigem Recht vereinbar ist (vgl dazu für eine andere Fallgestaltung auch Urteil des Senats vom 29. August 2002 - B 11 AL 99/01 R -), muss hier jedoch nicht entschieden werden.
Denn im vorliegenden Fall geht es allein um die Aufhebung eines Anspruchs auf Alg für die Vergangenheit, der hier nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X nur möglich ist, wenn der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die vorsätzliche Verletzung einer Mitteilungspflicht hat weder die Beklagte noch das LSG im angefochtenen Urteil angenommen. Es liegt aber auch entgegen der Annahme des LSG keine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht vor. Allerdings ist die Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, grundsätzlich eine Tatfrage, deren Beurteilung dem Berufungsgericht als Tatsachengericht obliegt. Die Entscheidung über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit ist, wie das BSG bereits entschieden hat (BSGE 47, 180, 181 = SozR 2200 § 1301 Nr 8; BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42), revisionsrechtlich nur in engen Grenzen überprüfbar. Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier vor, denn die Frage, ob der Kläger auf Grund von grober Fahrlässigkeit einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist, lässt sich in Fällen der vorliegenden Art anhand genereller Maßstäbe beantworten. Für die Anwendung eines einheitlichen und vom Revisionsgericht insoweit vorzugebenden Maßstabes spricht entscheidend, dass hinsichtlich der Beurteilung des Lohnsteuerklassenwechsels unter Ehegatten nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ein Wertungswiderspruch zwischen Einkommensteuerrecht und Arbeitsförderungsrecht besteht, der nicht ohne Auswirkungen auf die der Beklagten obliegenden Beratungspflichten bleiben kann. Zudem legen auch die bereits dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Anwendungsbereich des § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III es nahe, die Frage, ob eine Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die damit zwingend verbundene Rückforderung wegen grob fahrlässiger Verletzung einer Mitteilungspflicht in Betracht kommt, nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen.
Im Einkommensteuerrecht ist der Lohnsteuerklassenwechsel, der allgemein dazu dient, die aktuelle Lohnsteuerbelastung möglichst nahe an der zu erwartenden Jahreslohnsteuer zu halten, für den Fall, dass bei einem Ehegatten Arbeitslohn völlig entfällt, besonders erleichtert. Denn nach § 38b Satz 2 Nr 3 Buchst a Doppelbuchst bb EStG gehören in die Steuerklasse III Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte keinen Arbeitslohn bezieht. Während Ehegatten, die beide in einem Arbeitsverhältnis stehen, eine Änderung der Steuerklasse nur einmal im Laufe des Kalenderjahres beantragen können (§ 39 Abs 5 Satz 3 EStG), gilt diese Einschränkung nicht, wenn ein Arbeitnehmer keinen Arbeitslohn mehr bezieht (vgl auch die Lohnsteuer-Richtlinien 109 Abs 5 Satz 5). Geht das Steuerrecht somit davon aus, dass dem Ehegatten bei Eintritt von Arbeitslosigkeit ein Wechsel in die zweckmäßige Steuerklassenkombination ermöglicht werden muss, so muss er nicht damit rechnen, dass er deswegen leistungsrechtlich in jedem Falle Nachteile hinzunehmen hat. Für die Gemeinde oder das Finanzamt als die zuständigen Finanzbehörden ist der Lohnsteuerklassenwechsel aus der Sicht des Einkommensteuerrechts geboten.
Angesichts dieser steuerrechtlichen Bewertung des Lohnsteuerklassenwechsels unter Ehegatten muss ein Arbeitsloser, der wie der Kläger vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ein erheblich höheres Arbeitsentgelt als seine Ehefrau erzielt hatte, nicht damit rechnen, dass der Lohnsteuerklassenwechsel negative Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch haben würde. Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger nach den Feststellungen des LSG ein Merkblatt für Arbeitslose (Stand Januar 1998) erhalten hatte. Die Beklagte verpflichtet darin den Betroffenen lediglich zur Meldung eines bereits vollzogenen Lohnsteuerklassenwechsels. Im Hinblick auf die Folgen des Lohnsteuerklassenwechsels hätte die Beklagte aber den Betreffenden darauf aufmerksam machen müssen, dass er vor einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Beratung bei der Beklagten suchen sollte. Denn nur bei einer Beratung vor dem Lohnsteuerwechsel können die arbeitsförderungsrechtlich schädlichen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels vermieden werden. Die Meldung nach der Vornahme eines Lohnsteuerklassenwechsels kann angesichts der Regelung in § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III nur noch dazu dienen, die leistungsrechtlichen Folgerungen aus der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu ziehen. Deshalb genügt der Hinweis im Merkblatt nicht dafür, den Schluss auf die grobfahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht zuzulassen.
Die Revision ist nach alledem begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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