Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1637/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4167/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1954 geborene Klägerin hat von August 1969 bis Juli 1972 eine Lehre als Kauffrau für Groß- und Außenhandel absolviert und war zuletzt seit 25. April 1982 als Sachbearbeiterin und Sekretärin in der Werbeabteilung eines Elektronikunternehmens beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag zum 31. März 2004; seit dem 29. September 2003 war die Klägerin freigestellt, arbeitete jedoch bis 12. November 2003, um Projekte fertig zu stellen. Seit 1. April 2004 war sie arbeitslos gemeldet.
Am 27. Februar 2004 beantragte die Klägerin - wegen Elektrosensibilität aufgrund von Sendern und DECT-Telefonanlagen am Arbeitsplatz - die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung trug sie vor, sie habe nahezu 24 Jahre bis Februar 2001 bei derselben Firma ohne Beschwerden gearbeitet. Erst einige Monate nach dem Umzug in ein neues Gebäude, dem gegenüber mehrere Sendemasten installiert seien und das mit schnurlosen DECT-Telefonen ausgestattet sei, habe sie Beschwerden (starkes Brennen am Kopf, am Hals, an der Wirbelsäule, an Brust und Rücken, Kribbeln an den Beinen, starke Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Kraftlosigkeit, zeitweise Atemnot und Hustenanfälle) bekommen. Sie habe vor Schmerzen kaum arbeiten können und deswegen ihre Arbeit beendet.
Die Beklagte ließ die Klägerin vom Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. Sch. gutachterlich untersuchen. Als Diagnosen nannte er im Gutachten vom 13. April 2004 eine Neu¬rasthenie, eine Somatisierungsstörung (multiple), eine Elektrosensibilität sowie eine Hyper¬cholesterinämie. Auf internistischem Fachgebiet vermochte er keine Einschränkung der Leistungs¬fähigkeit festzustellen und gelangte zum Ergebnis, die Klägerin könne Tätigkeiten einer kaufmännischen Angestellten sowie körperlich leichte Arbeiten im Tagesschicht sechs Stunden und mehr verrichten. Er empfahl eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung.
Der Neurologe und Psychiater Dr. K. führte im Gutachten vom 21. Mai 2004 aus, aus psy¬chiatrischer Sicht liege das Bild einer Neurasthenie vor, wobei sich die subjektiv vorgetragenen Beschwerden objektiv eigentlich nicht widerspiegelten. Die Klägerin erscheine in gutem Allge¬meinzustand und sei weder mental noch körperlich geschwächt. Weiter liege eine Somatisie¬rungsstörung mit multiplen, körperlich nicht begründbaren Beschwerden vor; allerdings sei kein neurotischer Konflikt feststellbar. Insofern seien die Diagnosen einer Neurasthenie und Somati¬sierungsstörung lediglich deskriptiv und nicht ätiologisch durch einen erkennbaren zu Grunde liegenden Konflikt begründet. Eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer depressiven Stö¬rung oder psychotischen Störung liege nicht vor. Die Diagnose Elektrosensibilität gebe es in keinem anerkannten Klassifikationsschema. Da die Beschwerden auch in Ruhe zu Hause aufträ¬ten, verschlimmere Arbeit die Beschwerden nicht per se. Unter Aufbietung der zumutbaren Willensanstrengung könne die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit sowie vergleichbare mittel¬schwere Tätigkeiten weiterhin sechs Stunden täglich verrichten. Auszuschließen sei lediglich Nachtarbeit wegen der verschlechterten Schlafqualität.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil sie noch täglich mindestens sechs Stunden arbeiten und auch ihren bisherigen Beruf in diesem Umfang ausüben könne.
Hiergegen legte die Klägerin am 14. Juli 2004 Widerspruch ein. Die Beklagte zog einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 1. September 2004 sowie des praktischen Arztes Dr. H. vom 26. Oktober 2004 nebst weiteren Befundberichten und Arztbriefen sowie ärztliche Unterlagen der Agentur für Arbeit bei. Anschließend veranlasste sie eine erneute Begutachtung der Klägerin.
Im Gutachten vom 31. Januar 2005 führte der Internist Dr. F. aus, die Klägerin leide an einer generalisierten Schmerzsymptomatik. Sie bringe die Schmerzentstehung in ursächlichen Zusammenhang mit Elektrosensibilität, der sie sich nicht entziehen könne. Die Schmerzerkrankung führe nicht zu einer Reduzierung des quantitativen Leistungsvermögens. Die Verminderung der T-Helferzellen sei nicht krankheitsrelevant. In seiner Praxis habe sich die Klägerin durch den Einfluss einer Sendeanlage besonders schlecht gefühlt. Erschöpfung oder Konzentrationsstörungen seien jedoch nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin könne ihre letzte berufliche Tätigkeit vollschichtig verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2005 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28. April 2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Sie legte Atteste der Ärztin für Neurologie, Naturheilverfahren und Akupunktur Dr. G.-B. vom 7. Februar 2005 (Die toxikologische Untersuchung zeigt, dass die Klägerin ein Defizit an essenziellen Mineralien und eine toxische Belastung mit mehreren Schwermetallen in verschiedenen Kompartimenten - Haare und Urin - habe. Weiterhin konnten während der Handy-Exposition Veränderungen der Hirnströme im EEG nachgewiesen werden sowie eine genetische Entgiftungsschwäche für Schwermetalle) sowie des Arztes für Allgemeinmedizin, Chirotherapie Homöopathie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 21. Mai 2004 (Bei der Klägerin bestehen Schmerzzustände im Sinne einer Polyneuropathie im Kopf-, Hals- und Brustbereich. Zudem besteht eine erhebliche zelluläre Immundeffizienz und ein chronisches Erschöpfungssyndrom. Es liegt eine vielfache Metallunverträglichkeit und Metallbelastung durch langjähriges Vorliegen einer Gold-Amalgam-Bimetallsituation vor. Eine metallfreie Zahnversorgung mit einem biologisch und individuell verträglichen Material sowie einem ebenso verträglichen Klebermaterial wird empfohlen) sowie Presseberichte über Elektrosensibilität vor.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen, holte eine Auskunft bei der Berger Lahr GmbH vom 16. Dezember 2005 sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein.
Dr. B. teilte unter dem 17. August 2005 mit, die von der Klägerin angegebenen Beschwerden seien in den Gutachten von Dr. Sch., Dr. K. und Dr. F. zutreffend wiedergegeben; die von ihm erhobenen Befunde wichen von den gutachterlichen Feststellungen nicht ab. Die Klägerin müsse unterstützt werden, wieder vor den Kipppunkt zu kommen. Damit sei das Anhalten der vom Elektrosmog zunächst ausgelösten Beschwerden auch über eine erkennbare Exposition hinaus gemeint. Da es sich bei der Elektrosensibilität um ein multifaktorielles Geschehen handele, müsse eine umfassende Entlastung von sensibilisierenden Kofaktoren erfolgen (z.B. Metallentfernung, Zahnsanierung, toxikologische Diagnostik und Therapie, umweltmedizinische Betreuung, Wohn- und Schlafplatzsanierung). Zur Wiedereingliederung ins Berufsleben sei eine Umschulung ins Auge zu fassen, dass die Klägerin entweder als Selbstständige zu Hause arbeiten könne oder in einem Bereich mit geringem Elektrosmog. Angesichts der komplexen Therapie halte er eine Rente auf Zeit für ein bis zwei Jahre für unumgänglich.
Dr. Sch. erklärte am 23. August 2005, die Klägerin habe sich am 21. Mai und 8. Oktober 2004 in seine umweltmedizinische Betreuung (jeweils ein Termin von 120 Minuten) begeben. Die körperliche Befunderhebung weiche nicht von der in den Gutachten der Beklagten beschrie¬benen ab. Die Elektroakupunktur (EAV) habe bei der Klägerin eine Unverträglichkeit gegen Zahn-Gold ergeben. Der Klägerin sei empfohlen worden, das Amalgam, die Goldarbeiten und einige unverträgliche Plastikfüllungen entfernen zu lassen. Die Entfernung der Amalgamfüllun¬gen habe zu einer gewissen Besserungstendenz geführt. Bei elektrosensiblen Personen sei die Anzahl der Mastzellen in der Oberschicht der Haut vermehrt. Es gebe also für die Elektroallergie eine plausible, wissenschaftlich hoch signifikant abgesicherte organische Basis. Eine Somatisie¬rungsstörung bestehe bei der Klägerin nicht. Da es elektrosmogfreie Arbeitsplätze nicht gebe, sei für die nächsten zwei Jahre von einer hundertprozentigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen.
Dr. G.-B. bat darum, sie von der Verpflichtung zur Zeugenaussage zu entbinden, da sie weniger als 20 % ihrer ärztlichen Tätigkeit in Deutschland ausübe und nur sporadisch wenige Tage in Deutschland sei.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. führte am 30. Oktober 2005 aus, die Klägerin befinde sich seit dem 13. November 2002 in seiner Behandlung und suche ihn durchschnittlich einmal pro Quartal auf. Mittlerweile erlebe die Klägerin ihre Erkrankung im Rahmen einer depressiven Neurose; er halte die Klägerin für unter drei Stunden arbeitsfähig.
Dr. Sch., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, stellte im Gutachten vom 11. Juli 2006 unter Mitberücksichtigung eines neuropsychologischen Gutachtens der Dipl.-Psychologin K. vom 14. Mai 2006 bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung mit multiplen Schmerzen, Miss¬empfindungen und mit neurasthenischer Symptomatik fest. Es handele sich um somatoforme Störungen, die im subjektiven Erleben der Klägerin vorhanden seien und von deren Verursa¬chung durch Elektrosmog sie im Sinne einer überwertigen Idee überzeugt sei. Die Tätigkeit einer Sachbearbeiterin in Werbung bzw. Controlling sowie einer kaufmännischen Angestellten und vergleichbare leichte bis in Spitzen auch mittelschwere Tätigkeiten seien der Klägerin sechs Stunden und mehr zumutbar. Vermieden werden sollten schwere und überwiegend mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Tätigkeiten mit gleichförmi¬gen Körperhaltungen, mit häufigem Bücken, auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen, in Großraumbüros, unter ständigem Kunstlicht, in unmittelbarer Nachbarschaft zu elektrotech¬nischen Werkstätten sowie Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit. Das Störungsverständnis, das die Klägerin für ihre eigene Beschwerdesymptomatik entwickelt habe, entspreche einer über¬wertigen Idee. Die vorgebrachten Beschwerden seien als subjektives Erleben durchaus glaubhaft, auch wenn sich die Klagen über ein Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit und über Kon¬zentrationsstörungen bei der neuropsychologischen Zusatzbegutachtung nicht hätten nachweisen lassen. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Es gebe keine gesundheitlichen Beeinträchti¬gungen hinsichtlich der Benutzung öffentlicher und privater Verkehrsmittel. Nach Einwendun¬gen der Klägerin hat sich Dr. Sch. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 14. November 2006 ergänzend geäußert.
Mit Urteil vom 30. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, da sie noch mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Sachbearbeiterin für Werbung und Controlling tätig sein könne. Zu diesem Ergebnis komme das SG aufgrund der im schlüssigen Gutachten von Dr. Sch. vorgenommenen Leistungseinschätzung, die im Übrigen mit den Leistungseinschätzungen in den drei Verwaltungsgutachten übereinstimme. Für das SG nachvollziehbar habe Dr. Sch. aufgrund der geschilderten Beschwerdesymptomatik, des Tagesablaufs sowie der Ergebnisse der eingehenden neuropsychologischen Untersuchung ein noch vorhandenes Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich für eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin in Werbung und Controlling unter Berücksichtigung von Einschränkungen ermittelt. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 2. August 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. August 2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, mit dem Urteil des SG sei sie nicht einverstanden. Sie sei nach wie vor der Auffassung, dass ihr aufgrund ihres Gesundheitszustandes die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich sei. Die Beweiswürdigung des SG sei in keinster Weise nachvollziehbar; insbesondere seien die ärztlichen Stellungnahmen ihrer behandelnden Ärzte nicht angemessen berücksichtigt worden. Soweit sich das SG auf das Gutachten von Dr. Sch. und das Gutachten der Dipl.-Psychologin K. berufe, könne sie die Feststellungen keineswegs als Entscheidungsgrundlage akzeptieren. So gehe Dr. Sch. fälschlicherweise davon aus, dass ihre Schmerzen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (nach dem 31. März 2004) angefangen hätten. Tatsache sei jedoch, dass die Schmerzen bereits im Frühjahr 2001 nach einem Umzug in ein neues Gebäude mit DECT-Telefonen und viel Mobilfunk in der Nachbarschaft aufgetreten seien. Sie habe immer wieder versucht, einen Zugang zum Arbeitsleben zu finden. Von Juni 2007 bis 14. Oktober 2007 habe sie vier Kurzverträge beim SWR als Halbtagskraft im Büro als Urlaubs- und Krankheitsvertretung gehabt. Diese Arbeit habe sie nur unter Aufbietung aller Kräfte und geplagt von Schmerzen und Stress ausüben können. Bei unerträglichen Beschwerden habe sie tageweise Urlaub genommen. Ein neues Arbeitsverhältnis sei nicht in Sicht. Im letzten Jahr habe sie 273 Bewerbungen geschrieben. Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Mai 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, die Leiden der Klägerin seien umfassend untersucht und gutachterlich schlüssig bewertet worden. Eine erworbene Minderung der kognitiven Leistungsfähigkeit habe sich nicht objektivieren lassen. Im Vordergrund stehe eine konversionsneurotische Störung, welche das Leistungsvermögen jedoch nicht einschränke.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. Dr. H., Professor für Neurophysiologie und emeritierter Professor für experimentelle und klinische pathologische Physiologie, mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Ausweislich seines Gutachtens vom 23. August 2008 hat er die Klägerin am 2./3. Juli 2008 in einem Hotelzimmer in Berlin, unwesentlich EMF-belastet, und am 18./19. Juli 2008 in einem Hotel in der Nähe von Stuttgart, EMF-belastet, untersucht. Dazu hat er die Klägerin einen Spezialfragebogen zur subjektiven Einschätzung der EMF (Elektromagnetischen Felder) ausfüllen und ein Schlafprotokoll über vier Wochen erstellen lassen. Ferner hat er einen Blutdruckentspannungstest (BET) von jeweils 10 Minuten Dauer in relaxierendem Zustand, eine Messung der elektrodermalen Aktivität (EDA) zur Beurteilung der emotionalen Regulation für die Dauer von jeweils 10 Minuten in relaxierendem Zustand durchgeführt und ein elektrophysiologisches Schlafprofil mittels eines ambulanten, automatischen elektrophysiologischen Schlafanalysators erhoben. Die Analyse der 28 Schlafprotokolle zeige, dass die Klägerin in der Regel lange ()1 h) und mittellange ()30 Minuten) Einschlafzeiten habe und nachts 3-4 mal aufwache. Die EDA-Messung habe eine hohe Geräusch- und Lärmempfindlichkeit nachgewiesen. Die Einschaltung des Handys für die Dauer von ca. 2 Minuten habe zu einem Anstieg mit Nachhaltigkeit auf ein relativ hohes Stressniveau ansteigend geführt. Offensichtlich habe bereits die Ankündigung des Einschaltens eines Handys (die Klägerin habe nicht gewusst, wann das Einschalten erfolgte) zu einem erhöhten Stressniveau geführt, welches sich während und nach dem Einschreiten verstärkt habe. Dies spreche für eine hohe Stress-Sensibilität gegenüber EMF-Strahlung. Die gleiche Untersuchung in einem stark EMF-belasteten Hotel nahe Stuttgart, welches über ein komplettes DECT-Telefonnetz verfügte, habe ein sehr niedriges Ausgangsniveau der EDA ergeben. Das Einschalten eines Handys (ca. 3 Minuten) habe zu einer mittelmäßigen Stressreaktion geführt. Nach Ausschalten des Handys sei innerhalb von 5 Minuten das niedrigere Ausgangsniveau wieder erreicht worden. Nach ca. eineinhalb Stunden DECT-Telefonanlagen-Strahlung mit Handy-Einschaltung habe die Klägerin am Hals ausstrahlend nach rechts und links bis zum Brustbein eine starke Rötung gezeigt und über Beschwerden geklagt. Die Einschaltung eines Handys habe keinen Einfluss mehr gehabt. Diese Symptomatik spreche für das Vorliegen einer Radiostrahlen- bzw. Mikrowellenerkrankung mit ausgeprägter EM-Hypersensibilität. Beim BET habe das Einschalten des Handys zu einem Anstieg des systolischen Blutdrucks um mehr als 10 mmHg geführt, der nachhaltig gewesen und nach Ausschalten des Handys noch bestanden habe. Danach sei er unnatürlich rapide abgefallen. Die gleichen Untersuchungen in der Nähe von Stuttgart hätten einen geringen Anstieg des systolischen Blutdrucks bei Handy-Einschaltung ergeben. Nachdem die Klägerin ca. eineinhalb Stunden der DECT-Telefonanlage ausgesetzt gewesen sei, habe sich bei Einschalten des Handys nur ein geringer Anstieg des systolischen Blutdrucks gezeigt, dann habe er sich im Ausgangsniveau eingependelt. Der diastolische Blutdruck und die Herzfrequenz hätten keine Reaktion auf das Einschalten des Handys gezeigt. Dies belege eine Erschöpfung des emotionellen und vegetativen Systems. Diese Befunde sowie die Hautrötung und die von der Klägerin geschilderten Beschwerden nach 90 Minuten Konfrontation mit DECT-Telefonanlagen sprächen nicht nur für eine äußerst ausgeprägte Elektrosensibilität, sondern auch für das Vorhandensein der Radio- bzw. Mikrowellenkrankheit. Der EMF-Einfluss bewirke in kurzer Zeit eine generalisierte Erschöpfung und erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit. Die Schlafuntersuchung in Berlin habe einen partiell gestörten Schlafrhythmus mit häufigen Aufwachzeiten (29 x) besonders in der zweiten Schlafhälfte mit einer gesamten Wachzeit von 46 Minuten gezeigt. Die Schlafdauer habe ca. 7,5 Stunden und die Einschlafdauer 20 Minuten betragen. Das Schlafprofil im Hotel mit DECT-Telefonanlage habe eine starke Reduzierung des Tiefschlafs = 5 % (Referenzbereich 13-23 %) und eine fragmentierte Wachzeit von insgesamt 53 Minuten mit insgesamt 23 kürzeren (ca. 1 Minute) und längeren (ca. 5 Minuten) Wachzeiten angezeigt. Die Einschlafdauer habe 26 Minuten betragen. Unter den Bedingungen der EMF-Strahlung seien aufgrund der von ihm nachgewiesenen starken Erschöpfung wichtiger Funktionssymptome, wie die psychische Emotionalität und das Herz-Kreislauf-System, bereits nach 90 Minuten der Klägerin keine Arbeiten mehr zumutbar. Er empfehle deswegen, dem Antrag der Klägerin auf Erwerbsunfähigkeitsrente stattzugeben. Die bisherigen Gutachter hätten keinen Bezug auf mögliche EMF-Strahlen genommen, den Schlaf als sehr wichtigen Regenerationsfaktor ausgeschlossen und besondere Hypersensibilitäten (EMF, Lärm) sowie den extrem niedrigen Blutdruck nicht berücksichtigt, weshalb er deren Schlussfolgerungen nicht zustimmen könne. Nach Einwendungen der Beklagten hat Prof. Dr. Dr. H. am 8. Juni 2009 ergänzend Stellung genommen.
Die Klägerin hat zuletzt mitgeteilt, dass sie sich auf Überweisung von Dr. H. nun in der Behandlung der psychologischen Psychotherapeutin R. befinde. Sie hat einen Bericht der Psychologin R. vom 14. Januar 2010, eine "Einschätzung des Gesundheitszustands" der Klägerin durch Prof. Dr. Dr. H. vom 15. Januar 2010, einen (nicht vollständigen) Arztbrief des Internisten Dr. K. vom 3. März 2009 und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2010 Laborwerte vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Gutachten der Internisten Dr. Sch. vom 13. April 2004 und Dr. F. vom 31. Januar 2005 sowie der Neurologen und Psychiater Dr. K. vom 21. Mai 2004 und Dr. Sch. vom 11. Juli 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 14. November 2006. Die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten hat der Senat urkundsbeweislich verwertet.
Eine organische Erkrankung vermochten die oben genannten Ärzte bei der Klägerin nicht festzustellen. Eine von Dr. Sch. diagnostizierte Hypercholesterinämie ist einer medikamentösen Behandlung zugänglich und wirkt sich nicht auf das Leistungsvermögen der Klägerin aus. Die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. B. , Dr. Sch. und Dr. H. haben keine hiervon abweichenden Befunde erhoben. Zwar hat Prof. Dr. Dr. H. bei der Klägerin einen extrem niedrigen Blutdruck, bei der Blutdruckmessung einen unregelmäßigen Pulsschlag, Schlafstörungen und eine schnelle geistige Ermüdung festgestellt. Die Beklagte beanstandet aber zu Recht, dass diese Beschwerden weder ausreichend beschrieben noch differentialdiagnostisch abgeklärt wurden. Schließlich weist Dr. F. darauf hin, dass zwar im Blutbild eine Verminderung der T-Helferzellen festzustellen ist, der Wert als solcher aber hinsichtlich einer Leistungsbeurteilung nicht von Relevanz ist.
Die weiter von der Klägerin angegebenen Beschwerden (u.a. Schmerzen in der linken Gesichtshälfte, im Halsbereich links, im Unterkieferbereich, Kopfschmerzen, Brennen im Hals- und Brustbereich mit Rötungen der Haut und im Bereich des Rückens, Energielosigkeit und Erschöpfung) lassen sich mit Ausnahme der beschriebenen Rötungen im Hals- und Brustbereich durch objektive Untersuchungsbefunde nicht bestätigen. Nach der Beurteilung von Dr. K. und Dr. Sch. sind die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden und Schmerzen in ihrem subjektiven Erleben zweifelsohne vorhanden. Während die Klägerin selbst sowie ihre behandelnden Ärzte Dr. B. , Dr. Sch. sowie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. H. diese auf äußere Einwirkungen, Elektrosmog, Radio- und Mikrowellen, zurückführen, ordnen die Neurologen und Psychiater Dr. K. und Dr. Sch. diese Beschwerden am ehesten einer Neurasthenie (F 48.0) und einer Somatisierungsstörung (F 45.0) zu, wobei Dr. K. darauf hinweist, dass diese Diagnosen lediglich deskriptiv sind und nicht ätiologisch durch einen erkennbaren zugrunde liegenden Konflikt begründet sind. Weder Dr. K. noch Dr. Sch. konnten auf psychiatrischem, neurologischem und neuropsychologischem Gebiet objektive Befunde erheben, die auf eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer depressiven Störung oder einer psychotischen Störung hinwiesen. Letztlich ist die Ursache der Beschwerden bzw. ihre exakte diagnostische Zuordnung aber für die Frage, ob der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht, nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr, zu welchen Funktionseinschränkungen die Beschwerden führen.
Nach Überzeugung des Senats, die auf den Feststellungen der Drs. Sch., K., F. und Sch. beruht, ist die Klägerin trotz ihrer Beschwerden und Schmerzen bei zumutbarer Willensanstrengung nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Bei den gutachterlichen Untersuchungen befand sich die Klägerin jeweils in einem guten bis sehr guten Allgemein- und Kräftezustand; eine körperliche oder mentale Schwäche war - bei formal geordnetem Denken - nicht feststellbar. Bei der neuropsychologischen Untersuchung durch die Dipl.-Psychologin K. konnten bei der Klägerin in den Bereichen Merkfähigkeit, intellektuelles Leistungsvermögen, visuo-konstruktive Fähigkeiten und Exekutivfunktionen keine wesentlichen Beeinträchtigungen festgestellt werden, obwohl sich die Begutachtung über knapp vier Stunden hinzog und die Klägerin seit längerem einer derartigen Konzentration und Aufmerksamkeit fordernden Situation nicht mehr ausgesetzt gewesen war. Darüber hinaus sprechen auch die von den Sachverständigen erhobene erhaltene Tagesstruktur und die verbliebenen Interessen und Tätigkeiten der Klägerin gegen gravierende Leistungseinschränkungen, die eine sechsstündige Tätigkeit nicht mehr zuließen. So steht die Klägerin gegen 8:00 Uhr auf, duscht, frühstückt und geht anschließend für 60-70 Minuten im Wald spazieren. Zurückgekehrt schreibt sie etwas, lernt am PC, schreibt Bewerbungen, bügelt und verrichtet Hausarbeiten bzw. macht Gymnastik. Nach Rückkehr ihres Ehemannes gegen 18:00 Uhr wird gekocht. Am Abend wird fern gesehen (höchstens zwei Stunden). Nachmittags und abends werden im helleren Halbjahr Spaziergänge unternommen. Am Samstag wird die in Lahr wohnende Mutter der Klägerin besucht.
Angesichts der gutachterlichen Feststellungen der Drs. Sch., K., F. und Sch., des Ergebnisses der neuropsychologischen Tests, der Tagesstruktur und der Aktivitäten der Klägerin sowie ihrer kurzfristigen Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretungen im Jahr 2007 vermag sich der Senat den Beurteilungen von Dr. B. , Dr. Sch. und Dr. H. sowie Prof. Dr. Dr. H. nicht anzuschließen.
Die von Prof. Dr. Dr. H. durchgeführten EDA- und BET-Tests sowie die Untersuchungen des Schlafs der Klägerin mittels eines elektrophysiologischen Schlafanalysators belegen zwar - ausgehend von seinen Messungen -, dass die Klägerin empfindlich auf Lärm, die Ankündigung des Einschaltens eines Handys, auf eingeschaltete Handys und DECT-Telefonanlagen reagiert. Unabhängig davon, dass diese Messungen lediglich an wenigen Tagen vorgenommen worden sind, stellen sie keine Grundlage dar, um daraus - sozialmedizinisch nachvollziehbar - Funktionsbeeinträchtigungen ableiten und die oben genannten Gutachten widerlegen zu können. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass etwa Schlafstörungen oder niedriger Blutdruck durch Konditionstraining günstig beeinflusst werden. Deswegen ist für den Senat nicht nachgewiesen, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, mindestens sechs Stunden täglich als Sachbearbeiterin bzw. kaufmännische Angestellte zu arbeiten.
Nachdem weder Dr. K. noch Dr. Sch. bei der Klägerin Befunde erhoben haben, die auf eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer depressiven Störung oder einer psychotischen Störung hinweisen, kann der Bericht der Dipl.-Psychologin R., bei der sich die Klägerin seit Juni bzw. Herbst 2009 auf Überweisung ihres Hausarztes in Behandlung befindet, zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Psychologin stellt bei der Klägerin nunmehr wegen des zermürbenden Kampfes mit den Beschwerden einerseits und der zunehmenden gesellschaftlichen Isolation andererseits die Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2), während Prof. Dr. Dr. H. nach der Begutachtung der Klägerin im Juli 2008 aufgrund zwischenzeitlicher Konsultationen und einer im Januar 2010 durchgeführten Testung mit der Anxiety und Depression Scale (HADS) eine depressive Symptomatik annimmt. Die Klägerin hat hierzu im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2010 mitgeteilt, dass sie alle zwei Wochen bei Frau R. einen Termin zur Gesprächstherapie habe, während weder eine psychiatrische Behandlung bzw. medikamentöse antidepressive Therapie noch eine Schmerztherapie durchgeführt werden. Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass das Schmerzgeschehen zwischenzeitlich zu einem eigenständigen, nachhaltigen depressiven Zustand mit zusätzlichen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen der Klägerin geführt hat. Weitere Ermittlungen waren daher nicht veranlasst.
Das Urteil des SG ist deswegen nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1954 geborene Klägerin hat von August 1969 bis Juli 1972 eine Lehre als Kauffrau für Groß- und Außenhandel absolviert und war zuletzt seit 25. April 1982 als Sachbearbeiterin und Sekretärin in der Werbeabteilung eines Elektronikunternehmens beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag zum 31. März 2004; seit dem 29. September 2003 war die Klägerin freigestellt, arbeitete jedoch bis 12. November 2003, um Projekte fertig zu stellen. Seit 1. April 2004 war sie arbeitslos gemeldet.
Am 27. Februar 2004 beantragte die Klägerin - wegen Elektrosensibilität aufgrund von Sendern und DECT-Telefonanlagen am Arbeitsplatz - die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung trug sie vor, sie habe nahezu 24 Jahre bis Februar 2001 bei derselben Firma ohne Beschwerden gearbeitet. Erst einige Monate nach dem Umzug in ein neues Gebäude, dem gegenüber mehrere Sendemasten installiert seien und das mit schnurlosen DECT-Telefonen ausgestattet sei, habe sie Beschwerden (starkes Brennen am Kopf, am Hals, an der Wirbelsäule, an Brust und Rücken, Kribbeln an den Beinen, starke Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Kraftlosigkeit, zeitweise Atemnot und Hustenanfälle) bekommen. Sie habe vor Schmerzen kaum arbeiten können und deswegen ihre Arbeit beendet.
Die Beklagte ließ die Klägerin vom Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. Sch. gutachterlich untersuchen. Als Diagnosen nannte er im Gutachten vom 13. April 2004 eine Neu¬rasthenie, eine Somatisierungsstörung (multiple), eine Elektrosensibilität sowie eine Hyper¬cholesterinämie. Auf internistischem Fachgebiet vermochte er keine Einschränkung der Leistungs¬fähigkeit festzustellen und gelangte zum Ergebnis, die Klägerin könne Tätigkeiten einer kaufmännischen Angestellten sowie körperlich leichte Arbeiten im Tagesschicht sechs Stunden und mehr verrichten. Er empfahl eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung.
Der Neurologe und Psychiater Dr. K. führte im Gutachten vom 21. Mai 2004 aus, aus psy¬chiatrischer Sicht liege das Bild einer Neurasthenie vor, wobei sich die subjektiv vorgetragenen Beschwerden objektiv eigentlich nicht widerspiegelten. Die Klägerin erscheine in gutem Allge¬meinzustand und sei weder mental noch körperlich geschwächt. Weiter liege eine Somatisie¬rungsstörung mit multiplen, körperlich nicht begründbaren Beschwerden vor; allerdings sei kein neurotischer Konflikt feststellbar. Insofern seien die Diagnosen einer Neurasthenie und Somati¬sierungsstörung lediglich deskriptiv und nicht ätiologisch durch einen erkennbaren zu Grunde liegenden Konflikt begründet. Eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer depressiven Stö¬rung oder psychotischen Störung liege nicht vor. Die Diagnose Elektrosensibilität gebe es in keinem anerkannten Klassifikationsschema. Da die Beschwerden auch in Ruhe zu Hause aufträ¬ten, verschlimmere Arbeit die Beschwerden nicht per se. Unter Aufbietung der zumutbaren Willensanstrengung könne die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit sowie vergleichbare mittel¬schwere Tätigkeiten weiterhin sechs Stunden täglich verrichten. Auszuschließen sei lediglich Nachtarbeit wegen der verschlechterten Schlafqualität.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil sie noch täglich mindestens sechs Stunden arbeiten und auch ihren bisherigen Beruf in diesem Umfang ausüben könne.
Hiergegen legte die Klägerin am 14. Juli 2004 Widerspruch ein. Die Beklagte zog einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 1. September 2004 sowie des praktischen Arztes Dr. H. vom 26. Oktober 2004 nebst weiteren Befundberichten und Arztbriefen sowie ärztliche Unterlagen der Agentur für Arbeit bei. Anschließend veranlasste sie eine erneute Begutachtung der Klägerin.
Im Gutachten vom 31. Januar 2005 führte der Internist Dr. F. aus, die Klägerin leide an einer generalisierten Schmerzsymptomatik. Sie bringe die Schmerzentstehung in ursächlichen Zusammenhang mit Elektrosensibilität, der sie sich nicht entziehen könne. Die Schmerzerkrankung führe nicht zu einer Reduzierung des quantitativen Leistungsvermögens. Die Verminderung der T-Helferzellen sei nicht krankheitsrelevant. In seiner Praxis habe sich die Klägerin durch den Einfluss einer Sendeanlage besonders schlecht gefühlt. Erschöpfung oder Konzentrationsstörungen seien jedoch nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin könne ihre letzte berufliche Tätigkeit vollschichtig verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2005 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28. April 2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte. Sie legte Atteste der Ärztin für Neurologie, Naturheilverfahren und Akupunktur Dr. G.-B. vom 7. Februar 2005 (Die toxikologische Untersuchung zeigt, dass die Klägerin ein Defizit an essenziellen Mineralien und eine toxische Belastung mit mehreren Schwermetallen in verschiedenen Kompartimenten - Haare und Urin - habe. Weiterhin konnten während der Handy-Exposition Veränderungen der Hirnströme im EEG nachgewiesen werden sowie eine genetische Entgiftungsschwäche für Schwermetalle) sowie des Arztes für Allgemeinmedizin, Chirotherapie Homöopathie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 21. Mai 2004 (Bei der Klägerin bestehen Schmerzzustände im Sinne einer Polyneuropathie im Kopf-, Hals- und Brustbereich. Zudem besteht eine erhebliche zelluläre Immundeffizienz und ein chronisches Erschöpfungssyndrom. Es liegt eine vielfache Metallunverträglichkeit und Metallbelastung durch langjähriges Vorliegen einer Gold-Amalgam-Bimetallsituation vor. Eine metallfreie Zahnversorgung mit einem biologisch und individuell verträglichen Material sowie einem ebenso verträglichen Klebermaterial wird empfohlen) sowie Presseberichte über Elektrosensibilität vor.
Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen, holte eine Auskunft bei der Berger Lahr GmbH vom 16. Dezember 2005 sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten ein.
Dr. B. teilte unter dem 17. August 2005 mit, die von der Klägerin angegebenen Beschwerden seien in den Gutachten von Dr. Sch., Dr. K. und Dr. F. zutreffend wiedergegeben; die von ihm erhobenen Befunde wichen von den gutachterlichen Feststellungen nicht ab. Die Klägerin müsse unterstützt werden, wieder vor den Kipppunkt zu kommen. Damit sei das Anhalten der vom Elektrosmog zunächst ausgelösten Beschwerden auch über eine erkennbare Exposition hinaus gemeint. Da es sich bei der Elektrosensibilität um ein multifaktorielles Geschehen handele, müsse eine umfassende Entlastung von sensibilisierenden Kofaktoren erfolgen (z.B. Metallentfernung, Zahnsanierung, toxikologische Diagnostik und Therapie, umweltmedizinische Betreuung, Wohn- und Schlafplatzsanierung). Zur Wiedereingliederung ins Berufsleben sei eine Umschulung ins Auge zu fassen, dass die Klägerin entweder als Selbstständige zu Hause arbeiten könne oder in einem Bereich mit geringem Elektrosmog. Angesichts der komplexen Therapie halte er eine Rente auf Zeit für ein bis zwei Jahre für unumgänglich.
Dr. Sch. erklärte am 23. August 2005, die Klägerin habe sich am 21. Mai und 8. Oktober 2004 in seine umweltmedizinische Betreuung (jeweils ein Termin von 120 Minuten) begeben. Die körperliche Befunderhebung weiche nicht von der in den Gutachten der Beklagten beschrie¬benen ab. Die Elektroakupunktur (EAV) habe bei der Klägerin eine Unverträglichkeit gegen Zahn-Gold ergeben. Der Klägerin sei empfohlen worden, das Amalgam, die Goldarbeiten und einige unverträgliche Plastikfüllungen entfernen zu lassen. Die Entfernung der Amalgamfüllun¬gen habe zu einer gewissen Besserungstendenz geführt. Bei elektrosensiblen Personen sei die Anzahl der Mastzellen in der Oberschicht der Haut vermehrt. Es gebe also für die Elektroallergie eine plausible, wissenschaftlich hoch signifikant abgesicherte organische Basis. Eine Somatisie¬rungsstörung bestehe bei der Klägerin nicht. Da es elektrosmogfreie Arbeitsplätze nicht gebe, sei für die nächsten zwei Jahre von einer hundertprozentigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen.
Dr. G.-B. bat darum, sie von der Verpflichtung zur Zeugenaussage zu entbinden, da sie weniger als 20 % ihrer ärztlichen Tätigkeit in Deutschland ausübe und nur sporadisch wenige Tage in Deutschland sei.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. führte am 30. Oktober 2005 aus, die Klägerin befinde sich seit dem 13. November 2002 in seiner Behandlung und suche ihn durchschnittlich einmal pro Quartal auf. Mittlerweile erlebe die Klägerin ihre Erkrankung im Rahmen einer depressiven Neurose; er halte die Klägerin für unter drei Stunden arbeitsfähig.
Dr. Sch., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, stellte im Gutachten vom 11. Juli 2006 unter Mitberücksichtigung eines neuropsychologischen Gutachtens der Dipl.-Psychologin K. vom 14. Mai 2006 bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung mit multiplen Schmerzen, Miss¬empfindungen und mit neurasthenischer Symptomatik fest. Es handele sich um somatoforme Störungen, die im subjektiven Erleben der Klägerin vorhanden seien und von deren Verursa¬chung durch Elektrosmog sie im Sinne einer überwertigen Idee überzeugt sei. Die Tätigkeit einer Sachbearbeiterin in Werbung bzw. Controlling sowie einer kaufmännischen Angestellten und vergleichbare leichte bis in Spitzen auch mittelschwere Tätigkeiten seien der Klägerin sechs Stunden und mehr zumutbar. Vermieden werden sollten schwere und überwiegend mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Tätigkeiten mit gleichförmi¬gen Körperhaltungen, mit häufigem Bücken, auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen, in Großraumbüros, unter ständigem Kunstlicht, in unmittelbarer Nachbarschaft zu elektrotech¬nischen Werkstätten sowie Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit. Das Störungsverständnis, das die Klägerin für ihre eigene Beschwerdesymptomatik entwickelt habe, entspreche einer über¬wertigen Idee. Die vorgebrachten Beschwerden seien als subjektives Erleben durchaus glaubhaft, auch wenn sich die Klagen über ein Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit und über Kon¬zentrationsstörungen bei der neuropsychologischen Zusatzbegutachtung nicht hätten nachweisen lassen. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Es gebe keine gesundheitlichen Beeinträchti¬gungen hinsichtlich der Benutzung öffentlicher und privater Verkehrsmittel. Nach Einwendun¬gen der Klägerin hat sich Dr. Sch. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 14. November 2006 ergänzend geäußert.
Mit Urteil vom 30. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, da sie noch mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Sachbearbeiterin für Werbung und Controlling tätig sein könne. Zu diesem Ergebnis komme das SG aufgrund der im schlüssigen Gutachten von Dr. Sch. vorgenommenen Leistungseinschätzung, die im Übrigen mit den Leistungseinschätzungen in den drei Verwaltungsgutachten übereinstimme. Für das SG nachvollziehbar habe Dr. Sch. aufgrund der geschilderten Beschwerdesymptomatik, des Tagesablaufs sowie der Ergebnisse der eingehenden neuropsychologischen Untersuchung ein noch vorhandenes Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich für eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin in Werbung und Controlling unter Berücksichtigung von Einschränkungen ermittelt. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 2. August 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. August 2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, mit dem Urteil des SG sei sie nicht einverstanden. Sie sei nach wie vor der Auffassung, dass ihr aufgrund ihres Gesundheitszustandes die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich sei. Die Beweiswürdigung des SG sei in keinster Weise nachvollziehbar; insbesondere seien die ärztlichen Stellungnahmen ihrer behandelnden Ärzte nicht angemessen berücksichtigt worden. Soweit sich das SG auf das Gutachten von Dr. Sch. und das Gutachten der Dipl.-Psychologin K. berufe, könne sie die Feststellungen keineswegs als Entscheidungsgrundlage akzeptieren. So gehe Dr. Sch. fälschlicherweise davon aus, dass ihre Schmerzen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (nach dem 31. März 2004) angefangen hätten. Tatsache sei jedoch, dass die Schmerzen bereits im Frühjahr 2001 nach einem Umzug in ein neues Gebäude mit DECT-Telefonen und viel Mobilfunk in der Nachbarschaft aufgetreten seien. Sie habe immer wieder versucht, einen Zugang zum Arbeitsleben zu finden. Von Juni 2007 bis 14. Oktober 2007 habe sie vier Kurzverträge beim SWR als Halbtagskraft im Büro als Urlaubs- und Krankheitsvertretung gehabt. Diese Arbeit habe sie nur unter Aufbietung aller Kräfte und geplagt von Schmerzen und Stress ausüben können. Bei unerträglichen Beschwerden habe sie tageweise Urlaub genommen. Ein neues Arbeitsverhältnis sei nicht in Sicht. Im letzten Jahr habe sie 273 Bewerbungen geschrieben. Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Mai 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, die Leiden der Klägerin seien umfassend untersucht und gutachterlich schlüssig bewertet worden. Eine erworbene Minderung der kognitiven Leistungsfähigkeit habe sich nicht objektivieren lassen. Im Vordergrund stehe eine konversionsneurotische Störung, welche das Leistungsvermögen jedoch nicht einschränke.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. Dr. H., Professor für Neurophysiologie und emeritierter Professor für experimentelle und klinische pathologische Physiologie, mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Ausweislich seines Gutachtens vom 23. August 2008 hat er die Klägerin am 2./3. Juli 2008 in einem Hotelzimmer in Berlin, unwesentlich EMF-belastet, und am 18./19. Juli 2008 in einem Hotel in der Nähe von Stuttgart, EMF-belastet, untersucht. Dazu hat er die Klägerin einen Spezialfragebogen zur subjektiven Einschätzung der EMF (Elektromagnetischen Felder) ausfüllen und ein Schlafprotokoll über vier Wochen erstellen lassen. Ferner hat er einen Blutdruckentspannungstest (BET) von jeweils 10 Minuten Dauer in relaxierendem Zustand, eine Messung der elektrodermalen Aktivität (EDA) zur Beurteilung der emotionalen Regulation für die Dauer von jeweils 10 Minuten in relaxierendem Zustand durchgeführt und ein elektrophysiologisches Schlafprofil mittels eines ambulanten, automatischen elektrophysiologischen Schlafanalysators erhoben. Die Analyse der 28 Schlafprotokolle zeige, dass die Klägerin in der Regel lange ()1 h) und mittellange ()30 Minuten) Einschlafzeiten habe und nachts 3-4 mal aufwache. Die EDA-Messung habe eine hohe Geräusch- und Lärmempfindlichkeit nachgewiesen. Die Einschaltung des Handys für die Dauer von ca. 2 Minuten habe zu einem Anstieg mit Nachhaltigkeit auf ein relativ hohes Stressniveau ansteigend geführt. Offensichtlich habe bereits die Ankündigung des Einschaltens eines Handys (die Klägerin habe nicht gewusst, wann das Einschalten erfolgte) zu einem erhöhten Stressniveau geführt, welches sich während und nach dem Einschreiten verstärkt habe. Dies spreche für eine hohe Stress-Sensibilität gegenüber EMF-Strahlung. Die gleiche Untersuchung in einem stark EMF-belasteten Hotel nahe Stuttgart, welches über ein komplettes DECT-Telefonnetz verfügte, habe ein sehr niedriges Ausgangsniveau der EDA ergeben. Das Einschalten eines Handys (ca. 3 Minuten) habe zu einer mittelmäßigen Stressreaktion geführt. Nach Ausschalten des Handys sei innerhalb von 5 Minuten das niedrigere Ausgangsniveau wieder erreicht worden. Nach ca. eineinhalb Stunden DECT-Telefonanlagen-Strahlung mit Handy-Einschaltung habe die Klägerin am Hals ausstrahlend nach rechts und links bis zum Brustbein eine starke Rötung gezeigt und über Beschwerden geklagt. Die Einschaltung eines Handys habe keinen Einfluss mehr gehabt. Diese Symptomatik spreche für das Vorliegen einer Radiostrahlen- bzw. Mikrowellenerkrankung mit ausgeprägter EM-Hypersensibilität. Beim BET habe das Einschalten des Handys zu einem Anstieg des systolischen Blutdrucks um mehr als 10 mmHg geführt, der nachhaltig gewesen und nach Ausschalten des Handys noch bestanden habe. Danach sei er unnatürlich rapide abgefallen. Die gleichen Untersuchungen in der Nähe von Stuttgart hätten einen geringen Anstieg des systolischen Blutdrucks bei Handy-Einschaltung ergeben. Nachdem die Klägerin ca. eineinhalb Stunden der DECT-Telefonanlage ausgesetzt gewesen sei, habe sich bei Einschalten des Handys nur ein geringer Anstieg des systolischen Blutdrucks gezeigt, dann habe er sich im Ausgangsniveau eingependelt. Der diastolische Blutdruck und die Herzfrequenz hätten keine Reaktion auf das Einschalten des Handys gezeigt. Dies belege eine Erschöpfung des emotionellen und vegetativen Systems. Diese Befunde sowie die Hautrötung und die von der Klägerin geschilderten Beschwerden nach 90 Minuten Konfrontation mit DECT-Telefonanlagen sprächen nicht nur für eine äußerst ausgeprägte Elektrosensibilität, sondern auch für das Vorhandensein der Radio- bzw. Mikrowellenkrankheit. Der EMF-Einfluss bewirke in kurzer Zeit eine generalisierte Erschöpfung und erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit. Die Schlafuntersuchung in Berlin habe einen partiell gestörten Schlafrhythmus mit häufigen Aufwachzeiten (29 x) besonders in der zweiten Schlafhälfte mit einer gesamten Wachzeit von 46 Minuten gezeigt. Die Schlafdauer habe ca. 7,5 Stunden und die Einschlafdauer 20 Minuten betragen. Das Schlafprofil im Hotel mit DECT-Telefonanlage habe eine starke Reduzierung des Tiefschlafs = 5 % (Referenzbereich 13-23 %) und eine fragmentierte Wachzeit von insgesamt 53 Minuten mit insgesamt 23 kürzeren (ca. 1 Minute) und längeren (ca. 5 Minuten) Wachzeiten angezeigt. Die Einschlafdauer habe 26 Minuten betragen. Unter den Bedingungen der EMF-Strahlung seien aufgrund der von ihm nachgewiesenen starken Erschöpfung wichtiger Funktionssymptome, wie die psychische Emotionalität und das Herz-Kreislauf-System, bereits nach 90 Minuten der Klägerin keine Arbeiten mehr zumutbar. Er empfehle deswegen, dem Antrag der Klägerin auf Erwerbsunfähigkeitsrente stattzugeben. Die bisherigen Gutachter hätten keinen Bezug auf mögliche EMF-Strahlen genommen, den Schlaf als sehr wichtigen Regenerationsfaktor ausgeschlossen und besondere Hypersensibilitäten (EMF, Lärm) sowie den extrem niedrigen Blutdruck nicht berücksichtigt, weshalb er deren Schlussfolgerungen nicht zustimmen könne. Nach Einwendungen der Beklagten hat Prof. Dr. Dr. H. am 8. Juni 2009 ergänzend Stellung genommen.
Die Klägerin hat zuletzt mitgeteilt, dass sie sich auf Überweisung von Dr. H. nun in der Behandlung der psychologischen Psychotherapeutin R. befinde. Sie hat einen Bericht der Psychologin R. vom 14. Januar 2010, eine "Einschätzung des Gesundheitszustands" der Klägerin durch Prof. Dr. Dr. H. vom 15. Januar 2010, einen (nicht vollständigen) Arztbrief des Internisten Dr. K. vom 3. März 2009 und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2010 Laborwerte vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Gutachten der Internisten Dr. Sch. vom 13. April 2004 und Dr. F. vom 31. Januar 2005 sowie der Neurologen und Psychiater Dr. K. vom 21. Mai 2004 und Dr. Sch. vom 11. Juli 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 14. November 2006. Die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten hat der Senat urkundsbeweislich verwertet.
Eine organische Erkrankung vermochten die oben genannten Ärzte bei der Klägerin nicht festzustellen. Eine von Dr. Sch. diagnostizierte Hypercholesterinämie ist einer medikamentösen Behandlung zugänglich und wirkt sich nicht auf das Leistungsvermögen der Klägerin aus. Die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. B. , Dr. Sch. und Dr. H. haben keine hiervon abweichenden Befunde erhoben. Zwar hat Prof. Dr. Dr. H. bei der Klägerin einen extrem niedrigen Blutdruck, bei der Blutdruckmessung einen unregelmäßigen Pulsschlag, Schlafstörungen und eine schnelle geistige Ermüdung festgestellt. Die Beklagte beanstandet aber zu Recht, dass diese Beschwerden weder ausreichend beschrieben noch differentialdiagnostisch abgeklärt wurden. Schließlich weist Dr. F. darauf hin, dass zwar im Blutbild eine Verminderung der T-Helferzellen festzustellen ist, der Wert als solcher aber hinsichtlich einer Leistungsbeurteilung nicht von Relevanz ist.
Die weiter von der Klägerin angegebenen Beschwerden (u.a. Schmerzen in der linken Gesichtshälfte, im Halsbereich links, im Unterkieferbereich, Kopfschmerzen, Brennen im Hals- und Brustbereich mit Rötungen der Haut und im Bereich des Rückens, Energielosigkeit und Erschöpfung) lassen sich mit Ausnahme der beschriebenen Rötungen im Hals- und Brustbereich durch objektive Untersuchungsbefunde nicht bestätigen. Nach der Beurteilung von Dr. K. und Dr. Sch. sind die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden und Schmerzen in ihrem subjektiven Erleben zweifelsohne vorhanden. Während die Klägerin selbst sowie ihre behandelnden Ärzte Dr. B. , Dr. Sch. sowie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. H. diese auf äußere Einwirkungen, Elektrosmog, Radio- und Mikrowellen, zurückführen, ordnen die Neurologen und Psychiater Dr. K. und Dr. Sch. diese Beschwerden am ehesten einer Neurasthenie (F 48.0) und einer Somatisierungsstörung (F 45.0) zu, wobei Dr. K. darauf hinweist, dass diese Diagnosen lediglich deskriptiv sind und nicht ätiologisch durch einen erkennbaren zugrunde liegenden Konflikt begründet sind. Weder Dr. K. noch Dr. Sch. konnten auf psychiatrischem, neurologischem und neuropsychologischem Gebiet objektive Befunde erheben, die auf eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer depressiven Störung oder einer psychotischen Störung hinwiesen. Letztlich ist die Ursache der Beschwerden bzw. ihre exakte diagnostische Zuordnung aber für die Frage, ob der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht, nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr, zu welchen Funktionseinschränkungen die Beschwerden führen.
Nach Überzeugung des Senats, die auf den Feststellungen der Drs. Sch., K., F. und Sch. beruht, ist die Klägerin trotz ihrer Beschwerden und Schmerzen bei zumutbarer Willensanstrengung nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Bei den gutachterlichen Untersuchungen befand sich die Klägerin jeweils in einem guten bis sehr guten Allgemein- und Kräftezustand; eine körperliche oder mentale Schwäche war - bei formal geordnetem Denken - nicht feststellbar. Bei der neuropsychologischen Untersuchung durch die Dipl.-Psychologin K. konnten bei der Klägerin in den Bereichen Merkfähigkeit, intellektuelles Leistungsvermögen, visuo-konstruktive Fähigkeiten und Exekutivfunktionen keine wesentlichen Beeinträchtigungen festgestellt werden, obwohl sich die Begutachtung über knapp vier Stunden hinzog und die Klägerin seit längerem einer derartigen Konzentration und Aufmerksamkeit fordernden Situation nicht mehr ausgesetzt gewesen war. Darüber hinaus sprechen auch die von den Sachverständigen erhobene erhaltene Tagesstruktur und die verbliebenen Interessen und Tätigkeiten der Klägerin gegen gravierende Leistungseinschränkungen, die eine sechsstündige Tätigkeit nicht mehr zuließen. So steht die Klägerin gegen 8:00 Uhr auf, duscht, frühstückt und geht anschließend für 60-70 Minuten im Wald spazieren. Zurückgekehrt schreibt sie etwas, lernt am PC, schreibt Bewerbungen, bügelt und verrichtet Hausarbeiten bzw. macht Gymnastik. Nach Rückkehr ihres Ehemannes gegen 18:00 Uhr wird gekocht. Am Abend wird fern gesehen (höchstens zwei Stunden). Nachmittags und abends werden im helleren Halbjahr Spaziergänge unternommen. Am Samstag wird die in Lahr wohnende Mutter der Klägerin besucht.
Angesichts der gutachterlichen Feststellungen der Drs. Sch., K., F. und Sch., des Ergebnisses der neuropsychologischen Tests, der Tagesstruktur und der Aktivitäten der Klägerin sowie ihrer kurzfristigen Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretungen im Jahr 2007 vermag sich der Senat den Beurteilungen von Dr. B. , Dr. Sch. und Dr. H. sowie Prof. Dr. Dr. H. nicht anzuschließen.
Die von Prof. Dr. Dr. H. durchgeführten EDA- und BET-Tests sowie die Untersuchungen des Schlafs der Klägerin mittels eines elektrophysiologischen Schlafanalysators belegen zwar - ausgehend von seinen Messungen -, dass die Klägerin empfindlich auf Lärm, die Ankündigung des Einschaltens eines Handys, auf eingeschaltete Handys und DECT-Telefonanlagen reagiert. Unabhängig davon, dass diese Messungen lediglich an wenigen Tagen vorgenommen worden sind, stellen sie keine Grundlage dar, um daraus - sozialmedizinisch nachvollziehbar - Funktionsbeeinträchtigungen ableiten und die oben genannten Gutachten widerlegen zu können. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass etwa Schlafstörungen oder niedriger Blutdruck durch Konditionstraining günstig beeinflusst werden. Deswegen ist für den Senat nicht nachgewiesen, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, mindestens sechs Stunden täglich als Sachbearbeiterin bzw. kaufmännische Angestellte zu arbeiten.
Nachdem weder Dr. K. noch Dr. Sch. bei der Klägerin Befunde erhoben haben, die auf eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer depressiven Störung oder einer psychotischen Störung hinweisen, kann der Bericht der Dipl.-Psychologin R., bei der sich die Klägerin seit Juni bzw. Herbst 2009 auf Überweisung ihres Hausarztes in Behandlung befindet, zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Psychologin stellt bei der Klägerin nunmehr wegen des zermürbenden Kampfes mit den Beschwerden einerseits und der zunehmenden gesellschaftlichen Isolation andererseits die Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2), während Prof. Dr. Dr. H. nach der Begutachtung der Klägerin im Juli 2008 aufgrund zwischenzeitlicher Konsultationen und einer im Januar 2010 durchgeführten Testung mit der Anxiety und Depression Scale (HADS) eine depressive Symptomatik annimmt. Die Klägerin hat hierzu im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2010 mitgeteilt, dass sie alle zwei Wochen bei Frau R. einen Termin zur Gesprächstherapie habe, während weder eine psychiatrische Behandlung bzw. medikamentöse antidepressive Therapie noch eine Schmerztherapie durchgeführt werden. Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass das Schmerzgeschehen zwischenzeitlich zu einem eigenständigen, nachhaltigen depressiven Zustand mit zusätzlichen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen der Klägerin geführt hat. Weitere Ermittlungen waren daher nicht veranlasst.
Das Urteil des SG ist deswegen nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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