L 3 R 543/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 RJ 205/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 543/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, Pförtnerin an der Nebenpforte
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 9. Oktober 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2004 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem 1. September 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu bewilligen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) streitig.

Die am ... 1960 geborene Klägerin durchlief nach ihren Angaben nach der zehnklassigen Schulausbildung vom 1. September 1976 bis zum 7. August 1978 erfolgreich eine Ausbildung zum Kleidungsfacharbeiter. Vom 21. August 1978 an war die Klägerin dann als Produktionsarbeiterin, Gemeindearbeiterin, Raumpflegerin und Wirtschaftskraft, zuletzt vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1994 im Kindergarten der Gemeindeverwaltung R., versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist sie arbeitslos bzw. arbeitsunfähig, erhielt vom 21. November 2002 bis zum 21. Oktober 2003 Krankengeld, vom 15. Juli bis zum 5. August 2003 Übergangsgeld und erhält seitdem Leistungen der Arbeitsverwaltung.

Den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Rentenantrag stellte die Klägerin am 30. September 2003 mit der Begründung, wegen einer Rheumaerkrankung könne sie seit Oktober 2002 keinerlei Arbeiten mehr verrichten. Die Beklagte zog zunächst die im Rahmen der erfolglos gebliebenen Rentenanträge vom 12. April 1999 und 19. Dezember 2000 erstellten medizinischen Unterlagen bei. Im Rahmen der in der MEDIAN K. vom 14. Januar bis 4. Februar 1999 durchlaufenen Rehabilitationsmaßnahme waren ein Postdiskektomiesyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L 5/S 1 (August 1998), der Verdacht auf einen medialen Meniskusschaden des linken Kniegelenks und einen Zustand nach Seitenbandverletzung und Arthroskopie 1994, eine Sarkoidose Stadium I und eine Adipositas (108 bzw. 105 kg/174 cm Körpergröße) berücksichtigt. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung waren sowohl die Tätigkeit als Wirtschaftshilfe als auch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen in allen Schichten vollschichtig für zumutbar erachtet worden. In dem daraufhin von Dr. L., Chefarzt der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses Anhalt-Z., eingeholten Gutachten vom 20. Dezember 1999 hatte dieser ebenfalls eine Sarkoidose und ein lokales lumbales Schmerzsyndrom festgestellt. Dr. L. hatte ausgeführt, dass bei der Klägerin nach den vorliegenden Befunden eine Sarkoidose mit ausschließlichem Lungenbefall bekannt sei und eine Einschränkung der Lungenfunktion bis jetzt nicht vorliege. Im Vordergrund stünden die geklagten Schmerzen im Lendenwirbelsäulen (LWS)-Bereich und der Beine, sodass eine orthopädische Zusatzbegutachtung erfolgen solle. Aus internistischer Sicht könne die Klägerin als Wirtschaftskraft und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig und ohne wesentliche Einschränkungen arbeiten.

Im Verwaltungsverfahren zum zweiten Rentenantrag vom 19. Dezember 2000 hatte die Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie/Allerologie Dr. K. unter dem 7. März 2001 mitgeteilt, dass die Diffusionskapazität leicht eingeschränkt gewesen sei und die Ergooxytensiometrie bei 90 Watt in der vierten Minute wegen körperlicher Erschöpfung habe abgebrochen werden müssen. In dem sodann eingeholten Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R. vom 31. Mai 2001 waren Kreuzschmerzen ohne sichere neurologische Ausfallerscheinungen bei einem Zustand nach Bandscheibenoperation im August 1998 und Genua valga mit Hinweis auf eine beginnende Chondropathia patellae festgestellt worden. Hierdurch sei das qualitative und quantitative Leistungsvermögen der Klägerin erheblich beeinträchtigt. Leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sinne von Prüf- und Kontrollarbeiten mit gehobener Verantwortung könnten aus fachorthopädischer Sicht vollschichtig ausgeführt werden.

Aus einem von Dr. K. übersandten Arztbrief des Facharztes für Innere Medizin Dr. S. vom 7. November 2002 ergab sich die Diagnose einer Psoriasis im Jahr 1994 und eine erneute Vorstellung am 23. Oktober 2002 mit aktuell zunehmenden arthritischen Veränderungen im Bereich der Fingergelenke beidseits sowie in beiden Schulter- und Ellenbogengelenken. Bei der Untersuchung seien angeschwollene MCP-Gelenke 2 und 3 beidseits, PIP-Gelenke 2 und 3 beidseits sowie Anschwellungen des rechten Handgelenks, des rechten Kniegelenks, beider Knie- und beider Sprunggelenke sowie eine Druckschmerzhaftigkeit beider Vorfüße festgestellt und die Diagnose einer akut beginnenden Psoriasis-Arthritis gestellt worden.

Dem sozialmedizinischen Gutachten von Dr. R. vom 22. Mai 2003 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) ist zu entnehmen, dass bei der dortigen ambulanten Untersuchung eine leichte Schwellung über den Fingermittelgelenken mit Druckschmerz in den Fingergrund-, -mittel- und -endgelenken feststellbar gewesen war. Die Klägerin sei wegen der chronischen Erkrankungen in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt; eine wesentliche Besserung sei kaum zu erwarten. Vollschichtige Tätigkeiten könnten vermutlich nicht mehr ausgeführt werden. Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen seien angezeigt.

Vom 15. Juli bis zum 5. August 2003 hatte die Klägerin daraufhin in der Paracelsus-Harz-Klinik, Bad S., eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt. Dort waren eine rezidivierende Sarkoidose I der Lunge, eine Rheumatoidarthritis, eine Struma nodosa, eine Adipositas und ein labiler Hypertonus berücksichtigt worden. Die grobe Kraft der Hände sei herabgesetzt und es seien eine leichte Auftreibung der Fingergrundgelenke 2 und 3 rechts sowie Unterschenkel- und Knöchelödeme auffällig gewesen. Die Klägerin könne nur noch leichte körperliche Arbeiten, ständig im Sitzen oder zeitweilig im Gehen und Stehen, in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Aus kardiopulmonaler Sicht könne auch die letzte berufliche Tätigkeit ohne übermäßigen Zeitdruck und Stressbelastung, ohne Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten, ohne Exposition gegenüber Nässe, Zugluft, schwankenden Temperaturen, inhalativen Belastungen und Allergenen weiterhin sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden.

Sodann holte die Beklagte im Verwaltungsverfahren ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. F. vom 19. Dezember 2003 ein. Die Klägerin habe sich in reduziertem Allgemein- und Körperzustand und in adipösem Ernährungszustand vorgestellt (94 kg/1,64 m). Das Gangbild habe eine leichte Fehlhaltung des Körpers nach vorn und ein linksseitiges Hinken gezeigt. Die Belastbarkeit der Klägerin sei durch ausgeprägte degenerative Veränderungen der LWS und deren Funktionseinschränkung sowie durch die Abnutzungserscheinungen im Bereich der Kniegelenke eingeschränkt. Die Klägerin könne noch leichte körperliche Arbeiten zeitweise im Gehen, Stehen und/oder Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die rheumatologisch nachgewiesene Psoriasis-Arthritis habe lediglich zu minimalen Deformierungen im Bereich der Finger geführt. Röntgenologisch seien noch keine Destruktionen im Bereich der Gelenke nachweisbar gewesen. Als Diagnosen seien ein lumbales Pseudoradikulärsyndrom links bei Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation L 5/S 1, ein Cervikalsyndrom und eine diskrete Gonarthrose sowie eine Psoriasis Arthritis zu berücksichtigen. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin unter Hinweis auf ein bestehendes sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen ab (Bescheid vom 20. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2004).

Hiergegen hat die Klägerin am 30. April 2004 beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben. Mit Beschluss vom 2. Juni 2004 hat das Sozialgericht Magdeburg die Streitsache an das örtlich zuständige Sozialgericht Dessau verwiesen. Von dort sind Behandlungs- und Befundberichte von Dr. S. vom 29. September 2004 und von der praktischen Ärztin Dipl.-Med. W. vom 28. Oktober 2004 eingeholt worden. Dr. S., der die Klägerin seit März 2001 behandelt hat, hat über den am 13. September 2004 erhobenen Untersuchungsbefund berichtet: Anschwellung beider Handgelenke, mehrerer Fingergelenke beidseits und beider Sprunggelenke, Druckschmerzhaftigkeit beider Vorfüße, schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, beider Schultergelenke, beider Hand- und Sprunggelenke. Bei der Klägerin bestünden eine entzündungsaktive Psoriasis-Arthritis und degenerative Wirbelsäulenveränderungen. Insoweit handele es sich um eine chronisch-progrediente Erkrankung, weshalb trotz intensiver Therapie ein chronischer Entzündungszustand mit zunehmender Einschränkung der Gelenkfunktionen aufgetreten sei. Auch Dipl.-Med. W. hat berichtet, dass trotz intensiver medikamentöser Behandlung, u.a. mit einer Cortison-Therapie, keine Besserung der Entzündungsaktivität feststellbar sei und deshalb unverändert Schmerzen und Schwellungen der Weichteile und Gelenke nachfolgender Gelenksteifigkeit, Kraftlosigkeit und Schlafstörungen bestünden.

Das Sozialgericht hat daraufhin ein Gutachten von dem Chefarzt der Klinik für Rheumatologie im Fachkrankenhaus V.-G. Prof. Dr. K. vom 9. Mai 2005 eingeholt. Im Zeitpunkt der Untersuchung habe sich klinisch, laborchemisch und radiologisch keine Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis gefunden. Im Vordergrund stünden Arthralgien und eine schmerzhafte endgradige Funktionseinschränkung der Wirbelsäule; Bewegungseinschränkungen der Gelenke seien nicht feststellbar gewesen. Folgende Gesundheitsstörungen seien zu berücksichtigen:

Chronisches Schmerzsyndrom mit Depression. Rheumatoide Arthritis in Vollremission. Degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderungen. Anamnestisch Glaukom links 2003. Sarkoidose 1996 mit Rezidiv 2002. Zustand nach beidseitiger mehrseitiger Unterschenkelthrombose. Schilddrüsenfunktionsstörung. Anamnestisch Sehnervschädigung rechts 1987.

Das chronische Schmerzsyndrom sei begleitet durch Schlafstörungen, Unruhegefühl und Depressionen, sodass insbesondere die Anpassungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeiten und Ausdauer eingeschränkt seien. Die körperliche Leistungsfähigkeit sei durch die Schmerzsymptomatik und muskuläre Dysbalancen beeinträchtigt. Einfache, körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen in geschlossenen Räumen könnten vier bis unter sechs Stunden täglich verrichtet werden. Die Klägerin könne viermal täglich mehr als 500 Meter zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ob sie einen PKW führen könne, sollte im Hinblick auf die seit 1987 bestehende Sehnervstörung mit Gesichtfeldausfall und Störungen des Hell-/Dunkel-Sehens von einem Augenfacharzt beurteilt werden. Aus rheumatologischer Sicht könne sie lange Strecken im PKW wegen der vorhandenen Zwangshaltung nicht zurücklegen; kurze Strecken könnten bewältigt werden.

Die Beklagte hat sich der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen nicht angeschlossen und darauf hingewiesen, dass die erhobenen klinischen internistisch-rheumatologischen Funktionsbefunde im Wesentlichen unauffällig gewesen seien und sich keine Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis gezeigt habe. Bei bestehenden bekanntem Lungenleiden habe eine normale Lungenfunktion bestätigt werden können. Im Hinblick auf das vom Gutachter angenommene chronische Schmerzsyndrom mit Depressionen sei die Einschätzung durch einen Sachverständigen des psychiatrischen Fachgebietes notwendig. Allein unter Berücksichtigung der internistisch-rheumatologisch-orthopädischen Gesundheitsstörungen sei von einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen.

Daraufhin hat das Sozialgericht ein Gutachten von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie Prof. Dr. K. vom 24. Oktober 2005 eingeholt. Prof. Dr. K. hat eine einfache strukturierte Persönlichkeit der Klägerin, ohne wesentliche Hobbys oder Interessen, attestiert. Bei der Untersuchung seien Schwierigkeiten im Gebrauch der deutschen Sprache aufgefallen. Die Überprüfung des intellektuellen Leistungsniveaus habe eine unterdurchschnittliche intellektuelle Befähigung ergeben, die zwar nicht dem Abschluss der Zehnten Klasse, aber der bisherigen Berufslaufbahn entspräche. Die kognitiven Leistungsfunktionen (Merk- und Konzentrationsfähigkeit) seien nicht eingeschränkt und die Klägerin sei in der Lage gewesen, dem Gespräch aufmerksam und auch konzentriert zu folgen. Es habe ein geringes Antriebsdefizit bestanden, das nach den Angaben der Klägerin morgens stärker ausgeprägt sei. Die Stimmungslage sei wegen einer ungünstigen familiären Situation (kein Kontakt mehr zum sozial entgleisten Sohn) gedrückt gewesen. Folgende Diagnosen seien auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zu berücksichtigen:

Depressive Episode mit erheblichen exogenen Anteilen, Ausprägung gegenwärtig leicht. Zustand nach Laminektomie L 5/S 1 links 1998. Bandscheibenprolaps-Rezidiv bzw. Verwachsungen nach Laminektomie L 5/S 1. Zustand nach Neuritis nervi optici rechts 1987.

Die Klägerin sei nur noch in der Lage, leichte Arbeitstätigkeiten für vier bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Anforderungen an die feinmotorischen Fähigkeiten der Hände könnten wegen der rheumatoiden Arthritis nicht gestellt werden. Die Klägerin könne keine Lasten heben und nur Arbeiten ausführen, die ohne Zwangshaltung und einseitige Belastung zu absolvieren seien. Außerdem seien beim beruflichen Einsatz die praktische Funktionsuntüchtigkeit des rechten Auges und die einfache Persönlichkeitsstruktur zu berücksichtigen. Sie müsse in geschlossenen Räumen arbeiten und könne nur zeitweise ein Maximalgewicht von 10 kg bewältigen.

Die Beklagte hat sich hiermit nicht einverstanden erklärt und unter Bezugnahme auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 21. Dezember 2005 darauf hingewiesen, dass durch das Wirbelsäulenleiden nur leichtgradige Funktionseinschränkungen und damit keine quantitative Reduzierung des Leistungsvermögens bestehe. Auch aus der depressiven Episode leichten Grades könne eine Minderung der Dauer der täglichen Einsetzbarkeit nicht abgeleitet werden. Das Sozialgericht hat daraufhin Prof. Dr. K. um eine ergänzende Stellungnahme gebeten, die jedoch wegen der stationären Behandlung der gerichtlichen Sachverständigen (die dann verstorben ist) nicht mehr eingeholt werden konnte.

Daraufhin hat das Sozialgericht Dessau mit Urteil vom 9. Oktober 2006 die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer könne die Klägerin noch körperlich leichte Arbeiten im gelegentlichen Wechsel der Haltungsarten ohne besondere Belastungen des Stütz- und Bewegungsapparates und ohne besondere Anforderungen an Feinmotorik, Konzentration, Ausdauer und das Sehvermögen täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Hinsichtlich der qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin stütze sich die Kammer auf die Gutachten von Prof. Dr. K. vom 9. Mai 2005 und von Prof. Dr. K. vom 24. Oktober 2005. Hinsichtlich des quantitativen Leistungsvermögens halte die Kammer die beiden Gutachten jedoch nicht für überzeugend und schließe sich vielmehr der Beurteilung der Prüfärztin der Beklagten Dr. R. an. Die rheumatoide Arthritis habe unter derzeitiger Dauertherapie zu keiner objektiven Funktionseinschränkung geführt. Die gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. K. habe im Hinblick auf die psychiatrische Gesundheitsstörung nur eine leichte depressive Episode mitgeteilt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine psychosomatische Überlagerung oder eine somatoforme Schmerzstörung nicht vorliege. Auch im Hinblick auf die praktische Einäugigkeit der Klägerin sei keine schwere spezifische Leistungsbehinderung zu sehen, da die Klägerin unter dieser Erkrankung bereits seit 1987 leide und damit langjährig als Wirtschaftskraft in einem Kindergarten tätig gewesen sei.

Gegen das ihr am 3. November 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit dem am 24. November 2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schreiben, das am 28. November 2006 dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet worden ist, Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf ihre schon seit 1987 bestehende Sehnervstörung mit Einschränkung des Gesichtsfeldes und der Störung des Hell-/Dunkel-Sehens hingewiesen; sie sei nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Zudem sei sie wegen durchgängig auftretender Kreislaufskollapse des Öfteren in stationärer Behandlung gewesen. Aufgrund der Arthritis, d.h. der entzündlichen Gelenkfunktionsstörung, die mit ständigen Schmerzen verbunden sei, könne sie weder vollschichtig arbeiten noch Arbeiten wie Zureichen, Abnehmen oder Teile-Zusammensetzen verrichten, zumal sie räumlich nicht sehen könne. Zur Stützung ihres Vorbringens hat die Klägerin u.a. den Entlassungsberichts des Krankenhauses Anhalt-Z. gGmbH vom 23. November 2005 zu den Akten gereicht, wonach sie vom 19. bis zum 23. November 2005 stationär behandelt worden war, nachdem sie – wie schon im letzten Jahr – zu Hause bewusstlos zusammengebrochen sei. Es sei eine sympathikotone orthostatische Dysregulation festgestellt worden. Aus dem Arztbrief des Dr. H. vom 3. November 2005 ergibt sich die Durchführung einer Duplexuntersuchung aufgrund eines Lymphödems unklarer Genese, die ein freies tiefes Venenleitsystem und keine Insuffizienzen ergeben habe. In dem Bericht der Radiologischen Praxis Dr. Z. vom 7. Januar 2006 sind mediobilaterale Bandscheibenprotrusionen bei L 3/4, ein Bandscheibenprolaps bei L 4/L 5 sowie osteophytäre Randreaktionen mit Einengung des Recessus lateralis und des linken NF sowie eine Wurzelkompression beschrieben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 9. Oktober 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. September 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig und verweist auf die prüfärztlichen Stellungnahmen von Dr. V. vom 24. September 2008 und Dr. K. vom 24. Mai 2009.

Der Senat hat zunächst Behandlungs- und Befundberichte von Dr. K. vom 14. Mai 2008, von Dr. S. vom 19. Mai 2008, von dem Facharzt für Neurochirurgie Dr. P. vom 28. Mai 2008 und von Dipl.-Med. W. vom 11. Juli 2008 eingeholt. Dr. K. hat bei den am 27. September 2007 und am 2. April 2008 durchgeführten Untersuchungen die Lungenfunktion und die Diffusion im Normbereich vorgefunden und keine Therapie für notwendig erachtet. Dr. S. hat u.a. auf den Untersuchungsbefund vom 17. März 2008 hingewiesen, bei dem er Anschwellungen beider Handgelenke, mehrerer Fingergelenke beidseits sowie beider Sprunggelenke und Entzündungen im Bereich beider Vorfüße festgestellt hat. Die 2001 diagnostizierte entzündlich-rheumatische Erkrankung werde seitdem intensiv medikamentös behandelt; gleichwohl sei es nicht gelungen, die Entzündungssituation wesentlich zu beeinflussen. Dr. P. hat in seinem Befundbericht über die Behandlung der Klägerin vom 26. März 1998 bis 19. Juni 2007 berichtet. Die Klägerin klage seit 2001 über Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein. Bei der Untersuchung am 19. Juni 2007 habe er klinisch einen Lasègue bei 40 Grad sowie Dysaesthesien, einen Hartspann und eine muskuläre Dysbalance festgestellt. Dipl.-Med. W. hat u.a. auf eine Sarkoidose Stadium II und die diagnostizierte Rheumatoidarthritis hingewiesen und u.a. die Arztbriefe des Dr. S. vom 20. Januar 2006 und 14. Juni 2007 übersandt. Danach hatten die Untersuchungsbefunde jeweils Anschwellungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten ergeben und eine fortgesetzte medikamentöse Behandlung erforderlich gemacht.

Daraufhin holte der Senat ein Gutachten des Chefarztes Dr. W. im Fachkrankenhaus für Rheumatologie und Orthopädie V.-G. vom 1. April 2009 ein. Bei der ambulanten Untersuchung der Klägerin seien leichte Unterschenkelödeme und leichte Exantheme am Haaransatz frontal (Psoriasis) sowie eine leichte Varicosis feststellbar gewesen. Das Gangbild habe sich kleinschrittig und etwas unsicher gezeigt. Es sei ein deutliches Krepitieren in den Schultergelenken rechts mehr als links mit Druckschmerzhaftigkeit und einer rechtsseitigen Beweglichkeitseinschränkung bei der Abduktion/Adduktion bzw. Außen-/Innenrotation feststellbar gewesen. Es habe sich eine Druckschmerzhaftigkeit über den dorsalen und ventralen Handgelenken und über allen MCP gezeigt. Die Fingergelenke hätten keine wesentliche Schwellung aufgewiesen. Es habe jedoch eine deutliche Minderung der groben Kraft rechtsseitig bestanden. Auch im Bereich der gesamten Wirbelsäule und der unteren Extremitäten sei eine deutliche Druckschmerzhaftigkeit aufgefallen. Aus orthopädischer Sicht seien folgende Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen:

Periarthritis humeroscapularis beidseits, rechts mehr als links. Chronische Lumbalgie bei Zustand nach Bandscheibenoperation. Beginnende Gonarthrose beidseits, links mehr als rechts. Beginnende Arthrose der oberen Sprunggelenke.

Zusätzlich seien zu berücksichtigen:

Rheumatoidarthritis aufgrund einer bestehenden Psoriasis. Sehnervschädigung rechts (fast völlige Erblindung des rechten Auges). Sarkoidose.

Die Klägerin sei in ihrer Erwerbsfähigkeit durch die Veränderungen der HWS, LWS, der Schultergelenke sowie der Anschwellungen im Bereich der Hand- und Sprunggelenke beeinträchtigt. Es bestünden Behinderungen beim Steigen, Klettern, Kriechen, Bücken, Heben, Tragen, Greifen, Halten und Sehen. Hören, Sprechen und Sitzen seien nicht in größerem Maße eingeschränkt. Die Klägerin könne keine Arbeiten verrichten, die das Tragen von Gewichten von mehr als 3 kg beinhalteten. Die Klägerin könne nur im Wechsel der Haltungsarten arbeiten, wobei die Körperhaltung frei wählbar sein müsse. Kälte, Nässe, Zugluft, starke Temperaturschwankungen, Arbeiten unter Zeitdruck wie Akkord oder Fließbandarbeit oder in Wechselschicht sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, auf Gerüsten und Leitern sowie an laufenden Maschinen seien nicht möglich. Wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. K. ergebe, bestünden Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit. Wegen der Depressionen sei es nicht möglich, Arbeiten zu verrichten, die eine schnelle Reaktionsfähigkeit beinhalteten oder eine große Übersicht über bestimmte Produktionsabläufe erforderten. Die Aufmerksamkeit sei ebenfalls herabgesetzt; insoweit seien geringe Anforderungen zu erfüllen. Der Klägerin seien leichte körperliche Arbeiten wie Abnehmen, Reinigen, Sortieren und Verpacken zumutbar, wenn kein zeitlicher Druck bestehe, keine Akkordarbeit gefordert sei und die genannten Bedingungen erfüllt werden könnten. Im Rahmen der vorgenannten Einschränkungen könne die Klägerin noch sechs Stunden täglich (aber nicht mehr) arbeiten. Krankheitsbedingte Ausfälle seien mit Sicherheit zu erwarten. Die Einschränkungen der qualitativen und quantitativen Leistungsfähigkeit bestünden schon seit September 2003 und seien seitdem gleichbleibend zu beurteilen. Die Leistungseinbuße werde voraussichtlich dauerhaft bestehen bleiben. Lediglich symptomatische Behandlungen könnten die Beschwerden temporär lindern. Die Klägerin sei ständig auf Medikamente aufgrund ihrer bestehenden Rheumatoidarthritis und zur Behandlung der daraus resultierenden Schmerzen in den Gelenken angewiesen.

Schließlich hat der Senat einen Befundbericht des Augenfacharztes SR R. vom 19. Juni 2009 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass die Klägerin auf dem rechten Auge nur Handbewegungen erkennen könne. Es liege seit 1987 eine funktionelle Einäugigkeit als Endzustand vor. Auf die Frage, wie sich der augenärztliche Befund auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auswirke und welchen Anforderungen sie nicht mehr gewachsen sei, hat SR R. geantwortet, dass die Klägerin als Hauswirtschaftskraft in einem Kindergarten beschäftigt gewesen sei, allerdings seit 1994 nicht mehr arbeite.

Die Beklagte ist mit Richterbrief vom 15. April 2009 auf die Problematik eines ggfs. verschlossenen Arbeitsmarktes hingewiesen worden. Sie hält daran fest, dass weder eine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich machen würde. Vorsorglich hat sie die Tätigkeit der Pförtnerin an der Nebenpforte benannt.

Der Senat hat den Beteiligten daraufhin die gerichtliche Anfrage vom 5. November 2007 an den Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) sowie dessen Antwort vom 20. Dezember 2007 in dem Streitverfahren L 3 R 478/06 übersandt und diese Unterlagen zu den Akten genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. September 2003 zu.

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin ist seit Rentenantragstellung voll erwerbsgemindert, da sie zur Überzeugung des Senats nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Die Klägerin kann jedenfalls seit September 2003 nur noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen bis zu sechs Stunden täglich verrichten. Ausgeschlossen ist das Heben und Tragen von Lasten von mehr als 3 kg. Arbeiten unter Zeitdruck, mit Zwangshaltungen und in Wechselschicht, unter Einwirkung von Kälte, Nässe, Zugluft, Temperaturschwankungen, inhalativen Belastungen und Allergenen sind nicht möglich. Das Sehvermögen ist im Hinblick auf die funktionelle Einäugigkeit eingeschränkt. Die Klägerin kann nur geringe Anforderungen an mnestische Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Reaktionsvermögen, Übersicht und Umstellungsfähigkeit erfüllen. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände und Arme ist insoweit eingeschränkt, als Überkopfarbeiten nicht möglich sind und nur geringe Anforderungen an die Belastbarkeit und die Feinmotorik der Hände gestellt werden können.

Ursächlich für die qualitativen Leistungseinschränkungen sind die im Oktober 2002 erneut aufgetretenen Schübe der Rheumatoidarthritis aufgrund der seit 1994 bestehenden Psoriasis, die chronische Lumbalgie bei Zustand nach Bandscheibenoperation und die fortbestehenden Bandscheibenvorfälle sowie Bandscheibenprotrusionen in Höhe L 3/L 4 und L4/L5, die Periarthritis humeroscapularis beidseits, rechts mehr als links, die beginnende Gonarthrose beidseits, links mehr als rechts, die beginnende Arthrose der oberen Sprunggelenke, die Sehnervschädigung rechts und die bestehende Sarkoidose.

Die Sarkoidose Grad II hat im hier streitigen Zeitraum nicht zu Lungenfunktionseinschränkungen geführt; allerdings ist die Klägerin jeweils bei den Fachuntersuchungen nur bis 90 Watt belastbar gewesen, was eine Einschränkung ihres Leistungsvermögens auf nur leichte körperliche Arbeiten nach sich zieht. Die Rheumatoidarthritis hat zu häufig wiederkehrenden Schwellungen der Hand- und Ellenbogengelenke, einzelner Finger sowie der Knie- und Fußgelenke geführt. Diese Schwellungen sind zwar von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. als nicht in wesentlichem Umfang vorhanden beschrieben worden, sie sind jedoch dem behandelnden Rheumatologen jedenfalls im Oktober 2002, im Januar 2006, im Juni 2006, im März 2007 und im März 2008 aufgefallen und werden auch im MDK-Gutachten von Dr. R. im Mai 2003 und im Rehabilitationsentlassungsbericht von August 2003 beschrieben. Insoweit geht der Senat von einer dauerhaft eingeschränkten Belastungsminderung der Hände, aber auch der Ellenbogen- und Schultergelenke aus, wodurch Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 3 kg und Arbeiten mit mehr als geringen Anforderungen an die Feinmotorik und die Ausdauerbelastbarkeit der Hände ausscheiden. Ferner leidet die Klägerin an einer chronischen Lumbalgie bei Zustand nach Bandscheibenoperation und chronologisch fortbestehenden Bandscheibenprotrusionen und Vorfällen mit Wurzelirritationen, die zuletzt in der CT vom 16. Januar 2007 beschrieben sind. Ferner bestehen eine beginnende Gonarthrose beidseits und eine beginnende Arthrose der oberen Sprunggelenke beidseits. Insoweit sind der Klägerin nur noch Arbeiten mit frei wählbarem Haltungswechsel ohne Einfluss von Nässe, Kälte, Zugluft, Temperaturschwankungen, inhalative Belastungen und Allergene sowie ohne Zeitdruck und nicht an laufenden Maschinen, nicht auf Leitern und Gerüsten und nicht mit Zwangshaltungen möglich.

Zudem besteht aufgrund der Sehnervschädigung seit 1987 eine funktionelle Einäugigkeit.

Wegen einer depressiven Episode sind schließlich an die Klägerin nur geringe Anforderungen an mnestische Fähigkeiten zu stellen. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Gutachten von Prof. Dr. K., auf das Dr. W. ausdrücklich Bezug genommen hat.

Zur Überzeugung des Senats liegt bei der Klägerin damit eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die es ihr nicht ermöglicht, wettbewerbsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Ob im konkreten Fall eine Summierung im beschriebenen Sinne zu bejahen ist, hängt von der Anzahl, der Art und der Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet sind, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender ist zu untersuchen, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die bei der Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen ausgeschlossen sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23. Mai 2006, B 13 RJ 38/05, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 90 NZS 2007, 265, m.w.N.).

Hier macht die Vielzahl der bestehenden ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen die Benennung einer konkreten leidensgerechten Tätigkeit erforderlich. Denn der Klägerin sind mit ihrem Restleistungsvermögen körperliche Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, wie sie in ungelernten Tätigkeiten gefordert werden (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.), nicht mehr uneingeschränkt möglich. Insbesondere die geringe Belastbarkeit der Schultern, Arme und Hände sowie die eingeschränkte Feinmotorik und Geschicklichkeit der Finger steht im Zusammenspiel mit den übrigen o.g. qualitativen Einschränkungen, der funktionellen Einäugigkeit und der eingeschränkten mnestischen Fähigkeiten der Verrichtung solcher Arbeiten entgegen.

Die Beklagte hat jedoch eine konkrete leidensgerechte Tätigkeit nicht benannt und für den Senat ist eine solche auch nicht ersichtlich. Die Tätigkeit als Pförtnerin an der Nebenpforte kommt zur Überzeugung des Senats nicht in Betracht, da die Klägerin wegen der funktionellen Einäugigkeit keinen normalen Anforderungen an das Sehvermögen und keinen durchschnittlichen, sondern nur geringen Anforderungen an mnestische Fähigkeiten genügen kann. Zumindest durchschnittliche Anforderungen an Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Übersicht muss die Pförtnerin an der Nebenpforte, die eine körperlich leichte Tätigkeit im freien Wechsel der Haltungsarten verrichtet, bewältigen können. Dies ergibt sich für den Senat aus der beigezogenen und den Beteiligten zur Kenntnisnahme übersandten Anfrage des Senats bei dem BDWS vom 5. November 2007 mit dessen Antwort vom 20. Dezember 2007. Der Senat ist aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. K. überzeugt, dass die Klägerin nur noch geringe Anforderungen an mnestische Fähigkeiten erfüllen kann, da auch Dr. W. hierauf ausdrücklich Bezug genommen und damit offensichtlich den gleichen Eindruck von der Klägerin gewonnen hat. Insoweit ist auch die ständige Einnahme von Schmerzmitteln, zuletzt die Verwendung von Morphinpflastern, von Bedeutung.

Die Klägerin erfüllt auch die (besonderen) versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie ist bei der Beklagten versichert und hatte zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 30. September 2003 die allgemeine Wartezeit nach § 50 Abs. 1 SGB VI von fünf Jahren (60 Monaten) erfüllt. Ausweislich der in der Verwaltungsakte enthaltenen Wartezeitaufstellung lagen bis zu diesem Zeitpunkt 288 Monate mit Beitragszeiten und im maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Rentenantrag 60 Monate mit Pflichtbeiträgen vor, so dass auch die so genannte Drei-Fünftel-Belegung erfüllt ist.

Die Klägerin hat gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ab dem 1. September 2003 Anspruch auf Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Denn eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird diese Rente von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Hier ist vom Eintritt der vollen Erwerbsminderung im Mai 2003 auszugehen. Denn aufgrund der Einschätzung im sozialmedizinischen Gutachten von Dr. R. vom 22. Mai 2003 vom MDK, wonach aufgrund der dortigen ambulanten Untersuchung die Klägerin wegen der chronischen Erkrankungen in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt und eine wesentliche Besserung kaum zu erwarten sei sowie vollschichtige Tätigkeiten vermutlich nicht mehr ausgeführt werden könnten, ist zu diesem Zeitpunkt vom dauerhaften Vorliegen der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auszugehen. Bereits im Oktober 2002 war die aktivierte Psoriasis-Arthritis mit der Notwendigkeit ständiger medikamentöser Behandlung und häufiger Schwellneigung und Schmerzhaftigkeit im Bereich der oberen und unteren Extremitäten aufgetreten und von Dr. S. und Dr. R. beschrieben worden. Insoweit beginnt hier die Rente ab dem Antragsmonat.

Der Klägerin war die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu bewilligen. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1, 2 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wobei die Befristung für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn erfolgt. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nur unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 1 Satz 5 SGB VI). Hier hat Dr. W. dargelegt, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht möglich, sondern lediglich eine temporäre Linderung der Symptome denkbar ist. Der Krankheitsverlauf seit dem Beginn der Psoriasis-Arthritis im Oktober 2002 hat gezeigt, dass trotz verordneter Dauermedikation keine anhaltende Verbesserung der Beschwerden und Schwellungszustände erreicht werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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