L 1 RA 13/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 An 2663/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 13/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung einer planmäßigen wissenschaftlichen Aspirantur als Beitragszeit.

Die 1930 geborene Klägerin absolvierte in der ehemaligen DDR ein Studium der Theologie, das sie im Juni 1953 mit der Abschlussprüfung erfolgreich beendete. Vom 1956 bis 1958 war sie planmäßige wissenschaftliche Aspirantin an der Universität L, vom 1965 bis zum 1971 an der H-U B. Die Aspiranturen dienten dem Erwerb akademischer Grade (Promotion und Habilitation) bzw. der Qualifizierung für eine spätere Tätigkeit als Hochschullehrerin. Zwischen den Aspiranturen war sie als Hauptreferentin im Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen tätig. Während der Aspiranturen bezog die Klägerin ein Stipendium, das nach ihren Angaben während der zweiten Aspirantur etwa 90 % ihres vorherigen Nettoeinkommens betrug. Sozialversicherungsrechtlich war sie zunächst beitragsfrei versichert, später waren die Aspiranten nur noch von der Zahlung eigener Beiträge für die Sozialversicherung befreit. Ab dem 1971 arbeitete sie bis zum 1990 als wissenschaftliche Oberassistentin an der H-U B.

Ab dem 01. Juni 1990 bezog sie eine Altersrente aus der Sozialpflichtversicherung sowie eine Zusatzaltersrente aus der freiwilligen Zusatzrentenversicherung in Höhe der Altersversorgung der Intelligenz (AVI), die zum 01. Januar 1992 nach den ab diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften umgewertet und angepasst wurde. Dem in den Rentenakten befindlichen Rentenberechnungsbogen ist zu entnehmen, dass die Zeiten der Aspirantur bei der Berechnung der Sozialpflichtversicherungsrente als Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit berücksichtigt wurden.

Mit Rentenbescheid vom 19. August 1996 stellte die Beklagte die bisherige Regelaltersrente der Klägerin unter Berücksichtigung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches / Sechstes Buch (SGB VI) neu fest. Dabei lehnte sie die Zeiten der Aspirantur vom 1956 bis 1958 und 1965 bis 1971 als rentenrechtliche Zeiten ab. Dem Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1997 der Erfolg versagt.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin nach Durchführung eines Erörterungstermins durch Urteil vom 08. Dezember 1997 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 25. März 1997 (Az.: 4 RA 48/96) und 31. Juli 1997 (Az.: 4 RA 22/96) ausgeführt, eine planmäßige wissenschaftliche Aspirantur erfülle weder die Voraussetzungen für die Berücksichtigung als Beitrags- noch als Anrechnungszeit. Eine Berücksichtigung als Beitragszeit (i.S.v. § 54 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI) scheide schon deswegen aus, weil die Klägerin in der fraglichen Zeit weder Pflichtbeiträge noch freiwillige Beiträge nach Bundesrecht gezahlt habe. Es handele sich auch nicht um eine Zeit, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gälten. Weiterhin scheide auch eine Anrechnung als gleichgestellte Beitragszeit nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI aus. Aus Satz 2 der Vorschrift ergäbe sich, dass Zeiten der Hochschulausbildung nicht als Beitragszeiten im Beitrittsgebiet anerkannt werden könnten. Im Sinne dieser Vorschrift sei Hochschulausbildung jeder in der früheren DDR als beitragspflichtige Versicherungszeit anerkannter Erwerbstatbestand im Bereich einer Hochschule der früheren DDR, wenn er dadurch geprägt sei, dass es sich um Ausbildung an der Hochschule für einen Beruf gehandelt habe. Die Vorschrift solle ausschließen, dass eine im fremden System als Versicherungspflichttatbestand anerkannte Hochschulausbildung zugunsten eines Teils der heutigen Rentner Bewertungsvorteile bringe, die dem größten Teil der Rentner, aber auch gerade den heute belasteten Beitragszahlern von vornherein nicht zuwachsen könnten. Demzufolge habe auch das SGB VI wie die Vorgängergesetze nur eine erstmalige oder berufsqualifizierende Ausbildung, die außerhalb eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses oder eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses zurückgelegt worden sei anerkannt und zwar nicht als Beitragszeit, sondern unter bestimmten Voraussetzungen als Anrechnungszeit. Die Voraussetzungen einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b SGB VI lägen aber ebenfalls nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei dieser Anrechnungstatbestand nur erfüllt, wenn ein immatrikulierter Student an einer Hochschule durch Teilnahme an den universitätsspezifischen Lehrveranstaltungen sich die Inhalte seines Studienfaches aneigne und dieses Studium durch das vorgeschriebene und übliche Examen oder durch eine gleichgestellte Leistung erfolgreich in dem Sinne abschließe, dass ihm regelmäßig der Weg in einen seiner bisherigen Ausbildung entsprechenden Beruf ermöglicht werde. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, da die Klägerin in den streitigen Zeiträumen keine immatrikulierte Studentin gewesen sei, sondern an einer Aspirantur teilgenommen habe.

Gegen das ihr am 12. Februar 1998 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 10. März 1998.

Sie macht geltend, die wissenschaftliche Aspirantur finde als Tätigkeitsform in Westeuropa oder den USA keine Entsprechung. Der vom Sozialgericht unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gezogene Vergleich zu den Möglichkeiten ehemaliger oder heutiger Studenten, in der Bundesrepublik eine Anrechnungsmöglichkeit zu erwerben, läge daher neben der Sache und würde den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG) verletzen. Denn dieser schreibe vor, nur Gleiches auch gleich zu behandeln. Ungleiches müsse dagegen verschieden behandelt werden. Da die Aspirantur eine Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eigener Art gewesen sei, könne sie nur unter Verletzung des Gleichheitssatzes mit den Ausbildungsverhältnissen in der Bundesrepublik verglichen werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Dezember 1997 aufzuheben, den Rentenbescheid vom 19. August 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1997 sowie die Rentenbescheide vom 28. Oktober 1998, 05. Februar 1999, 06. März 2000, 09. August 2001 und 11. Januar 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit der wissenschaftlichen Aspiranturen vom 01. Januar 1956 bis 16. Februar 1958 und 01. März 1965 bis 30. April 1971 als Beitragszeit nach dem SGB VI zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und die ihrer Auffassung nach zutreffende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die das Sozialgericht sich bei der angefochtenen Entscheidung gestützt habe.

Im Berufungsverfahren sind die im Klageantrag genannten Bescheide im Zusammenhang mit der Überführung der Bestandsrente der Klägerin ergangen, die an der Ablehnung der Zeiten der Aspirantur als Beitrags- oder Anrechnungszeit nichts geändert haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Rentenakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung und die gegen die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide gerichtete Klage sind unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Zeiten ihrer Aspiranturen als Beitrags- hilfsweise Anrechnungszeit hat.

Zu Recht hat das Sozialgericht mit der von ihm gegebenen Begründung ausgeführt, dass weder die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Aspiranturen als Beitragszeiten (vgl. §§ 54, 55, 248 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI) noch als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI) gegeben sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die die bereits ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berücksichtigt hat (vgl. zusätzlich zu den bereits vom Sozialgericht zitierten Entscheidungen auch die Urteile des Bundessozialgerichts vom 24. Oktober 1996, veröffentlicht in BSG SozR 3-2600 § 248 Nr. 1, vom 31. Juli 1997, Az.: 4 RA 76/96 sowie vom 23. März 1999, SozR 3-2600 § 248 Nr. 4), zurückweist (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ).

Lediglich zur nochmaligen Verdeutlichung der Rechtslage weist der Senat darauf hin, dass der Begriff der Hochschulausbildung in § 248 Abs. 3 Satz 2 SGB VI nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes inhaltlich nicht identisch mit dem Begriff der Hochschulausbildung in § 58 SGB VI ist. Deshalb ist es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht widersprüchlich, wenn die Beklagte die Anerkennung einer Beitragszeit mit dem Hinweis auf § 248 Abs. 3 Satz 2 SGB VI ablehnt, weil die Aspirantur Hochschulausbildung im Sinne dieser Vorschrift ist, andererseits aber die Anerkennung einer Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung i.S.d. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI ablehnt, weil die Aspirantur die Voraussetzungen der Hochschulausbildung im Sinne der letztgenannten Vorschrift nicht erfüllt, da die Aspirantur der Klägerin eine ihrem Studium entsprechende Berufstätigkeit nicht erstmals ermöglicht hat.

Auch aus dem Umstand, dass die Aspiranturen bei der Berechnung der Sozialpflichtversicherungsrente nach den Vorschriften der DDR als versicherungspflichtige Tätigkeit berücksichtigt wurden, kann die Klägerin nichts für sie Günstiges herleiten. Denn im vorliegenden Rechtsstreit geht es allein um die Berücksichtigung dieser Zeiten nach den Vorschriften des SGB VI. Eine „Vermischung“ beider Rentensysteme erfolgt nicht (dazu Urteil des BSG vom 25. März 1997, Az.: 4 RA 48/96, Seiten 3 und 4 des amtlichen Abdrucks).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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