L 10 U 257/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 289/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 257/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.12.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Verletztengeld über den 23.09.2007 hinaus.

Der am 1944 geborene Kläger (Rechtshänder) kam bei seiner neben dem Bezug von Arbeitslosengeld ausgeübten geringfügigen Beschäftigung als Bauarbeiter bei der Firma Bauunternehmen N. D. am 22.05.2007 mit der linken Hand in eine Kreissäge. Der Durchgangsarzt Dr. J. , bei dem sich der Kläger am Unfalltag vorstellte, beschrieb eine tiefe Risswunde über dem linken Zeigefinger (D II) beugeseitig mit wahrscheinlicher Durchtrennung der Sehnen- und Gefäßnervenbündel und eine tiefe Risswunde am Daumen (D I) volar. Der Kläger wurde stationär im Städtischen Klinikum K., aufgenommen, wo am 22.05.2007 eine operative Versorgung stattfand. PD Dr. M. , Klinik für Unfall-, Hand- und Orthopädische Chirurgie am Städtischen Klinikum K. diagnostizierte eine Kreissägenverletzung des Zeigefingers und des Daumens der linken Hand mit Beugesehnendurchtrennung der tiefen Oberflächenbeugesehne des Zeigefingers, einer Durchtrennung des Gefäß-Nervenbündels palmarseitig (radial und ulnar), eine große Weichteilwunde des Endgliedes palmar am Daumen und eine Knochenarrosion des Grundgliedes des Daumens. Im Operationsbericht führte Dr. B. bezüglich der anamnestischen Angaben des Klägers aus, der Zeigefinger sei bei Zustand nach alter Kreissägenverletzung bereits vor dem jetzigen Unfall nicht mehr voll beweglich sowie auch von der Sensibilität her nicht einwandfrei gewesen.

Die Vorschädigung des linken Zeigefingers rührt von einer Kreissägeverletzung mit Sehnen- und Knochendefekt am 30.04.1980, die sich der Kläger bei seiner Beschäftigung bei der Firma B. , K. zuzog. In dem für die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft erstatteten Gutachten vom Oktober 1980 führte Dr. G. aus, nach den Angaben des Klägers sei der Zeigefinger stark kälteempfindlich und die Beweglichkeit im Mittel- und Endgelenk herabgesetzt, sodass er beim Heben schwerer Gegenstände behindert sei, auch beim Greifen feiner Gegenstände, da die Berührungsempfindung herabgesetzt sei. Dr. G. beschrieb eine insgesamt livide Verfärbung des linken Zeigefingers, die Haut über der Streckseite, mehr als über der Beugeseite, sei glatt, athrophisch und lasse sich weniger gut fälteln als die Haut der Umgebung. Die aktive Beugung sei im Mittel- und Endgelenk erheblich eingeschränkt, passiv gelinge es, den Finger im Mittelgelenk etwa über 30° zu beugen, im Endgelenk seien lediglich Wackelbewegungen um 10° möglich, während das Grundgelenk nur endgradig in der Beugung behindert sei. Die Haut fühle sich kühl an, außerdem werde ein Druckschmerz beschrieben. Die grobe Kraft sei links im Zeigefingerbereich deutlich herabgesetzt. Der radiologische Befund zeige am Köpfchen des Grundgliedes, an der zum Daumen gelegenen Seite, einen schrägen Defekt, der etwa ein Drittel der inneren Gelenkrolle des Köpfchens einnehme. Als Folgen des Unfalls vom 30.04.1980 beschrieb Dr. G. einen Zustand nach Kreissägenverletzung des linken Zeigefingers, eine Beweglichkeitseinschränkung im Mittel- und Endglied, eine Herabsetzung der Sensibilität an der Speichenseite des Fingers, eine Hautdystrophie, Zirkulationsstörungen und einen röntgenologischen Defekt am Köpfchen des Grundgliedes. Wegen der Kälteempfindlichkeit des linken Zeigefingers verordnete er einen gefütterten Lederschutz. Mit Bescheid vom 26.03.1981 anerkannte die Südwestliche-Bau-Berufsgenossenschaft die von Dr. G. beschriebenen Unfallfolgen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.04.1980.

Wegen der durch den Arbeitsunfall vom 22.05.2007 bedingten Arbeitsunfähigkeit gewährte die Beklagte dem Kläger nach Ablauf der Endgeltfortzahlung Verletztengeld. Das Arbeitsverhältnis bei der Firma Bauunternehmen N. D. wurde durch Auflösungsvertrag zum 30.06.2007 beendet.

In der im Auftrag der Beklagten erstatteten Stellungnahme beschrieb Dr. N. , Oberarzt der Plastischen Chirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. , auf Grund einer Untersuchung des Klägers vom 13.09.2007 eine ausgeprägte Durchblutungsstörung des linken Zeigefingers, der sich im Gegensatz zu den benachbarten Langfingern kalt anfühle, blau verfärbt sei und ab dem Grundgliedschaft eine ausgeprägte verzögerte Rekapillarisierung ausweise, eine entsprechende Dystrophie des linken Zeigefingers mit aufgehobenem Faltenrelief auf der Streckseite und verhärteten Weichteilen, eine Asensibilität des linken Zeigefingers mit entsprechend verschmächtigtem Zeigefingerendglied, eine eingezogene Narbe auf der Beugeseite des linken Zeigefingermittelgliedes und auf der Beugeseite des linken Daumenendgelenks und Endgliedes, eine schmerzhafte Berührungsempfindlichkeit des linken Zeigefingers, eine fehlende aktive Beweglichkeit des linken Zeigefingermittel- und Endgelenks (Mittelgelenk nur passiv im Ausmaß von 0-0-30° wackelbeweglich, Endgelenk im Ausmaß 0-30-50° passiv wackelbeweglich), ein gestörtes Feingefühl auf der speichenseitigen Beugeseite des linken Daumens und einen stabilen Knochendefekt auf der Ellenseite und Beugeseite des linken Zeigefingergrundglieds im Röntgenbild. Die Daumengelenke seien beidseits frei beweglich, Schlüssel- und Spitzgriff könnten zwischen Daumen und Zeigefinger links formal korrekt ausgeführt werden, seien aber kraftgemindert. Die Gesundheitsstörungen seien nur zum Teil Folgen des Unfalls vom 22.05.2007. Arbeitsfähigkeit werde auf den 24.09.2007 festgelegt, da sich in Zukunft der Befund am linken Zeigefinger nicht mehr wesentlich ändern werde.

Mit Bescheid vom 27.09.2007 führte die Beklagte aus, nach ärztlichen Feststellungen sei der Kläger vom 22.05.2007 bis 23.09.2007 arbeitsunfähig gewesen und bewilligte Verletztengeld bis einschließlich 23.09.2007. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 zurück, der dem Kläger am 17.12.2007 zuging.

Der Kläger hat am 17.01.2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und geltend gemacht, er sei weiterhin nicht arbeitsfähig. Der Daumen sei zwar im Grundgelenk beweglich, nicht jedoch im Endgelenk, außerdem sei dieser überaus kälteempfindlich, sodass er bei kühlem oder kaltem Wetter den Daumen nicht einsetzen könne. Die Beklagte hat unter Vorlage eines Befundberichts des Prof. Dr. Sch. , Chefarzt der Klinik für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. , und eines Berichts des Dr. J. geltend gemacht, Prof. Dr. Sch. und Dr. J. bestätigten Arbeitsfähigkeit. In dem vorgelegten Bericht hat Prof. Dr. Sch. ausgeführt, der Kläger gebe persistierende Parästhesien und vor allem Hyperästhesien am linken Daumen palmarseitig und Probleme beim Spitzgriff an. Bei Unaufmerksamkeit des Klägers seien jedoch der Spitzgriff und Greiftätigkeiten problemlos gelungen. Zum Ausschluss eines Sulcus ulnaris Syndroms und eines Kompressionssyndroms wurde eine Neurografie empfohlen; die Beschwerden hat Prof. Dr. Sch. jedoch als unfallunabhängig bewertet, der Kläger sei weiterhin arbeitsfähig. Dr. J. hat einen unveränderten Befund des linken Zeigefingers beschrieben und den Kläger als arbeitsfähig angesehen. Prof. Dr. Dr. D. , Direktor der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikum K., hat zum Ergebnis der neurologischen Untersuchung im April 2008 ausgeführt, die Befunde ließen sich elektrophysiologisch als sensibel betontes Karpaltunnel-Syndrom beidseits interpretieren. In der hierzu durch die Beklagte eingeholten Stellungnahme hat Prof. Dr. Sch. den Kläger aus handchirurgischer Sicht als weiterhin voll arbeitsfähig beurteilt. Die Ergebnisse der neurologischen Untersuchung seien unfallunabhängig zu werten.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei ab 24.09.2007 in der Lage gewesen, eine ähnlich geartete Tätigkeit wie die zuletzt ausgeübte als Bauhelfer zu verrichten. Maßgebend hierfür sei, dass der Kläger die Tätigkeit als Bauhelfer ausüben habe können, obwohl bereits auf Grund des Arbeitsunfalls vom 30.04.1980 eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit des Zeigefingers mit starker Kälteempfindlichkeit und Berührungsempfinden, mithin Befunde, die vom Kläger auch nunmehr vorgetragen würden, bestanden hätten. Darüber hinaus habe die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. hinsichtlich der Beschwerden des linken Daumens angegeben, dass dem Kläger bei Unaufmerksamkeit der Spitzgriff und Greiftätigkeiten problemlos möglich gewesen seien. Da im Übrigen Prof. Dr. Dr. D. erhebliche unfallunabhängige neurologische Befunde beschreibe, bestünden keine Bedenken, sich im Ergebnis der Beurteilung des Dr. N. anzuschließen.

Gegen den am 16.12.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.01.2009 Berufung eingelegt. Er macht geltend, das Sozialgericht habe unzutreffend festgestellt, dass als Folge des Arbeitsunfalls vom 30.04.1980 eine erhebliche Einschränkung der Beugung im Mittel- und Endgelenk mit zusätzlicher starker Kälteempfindlichkeit des Zeigefingers und herabgesetzter Berührungsempfindung vorgelegen habe. Bei dem Arbeitsunfall 1980 habe anfänglich sicherlich auch eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit und Kälteempfindlichkeit sowie Berührungssensibilität vorgelegen, dies habe sich aber nach und nach gebessert. Dr. N. habe Arbeitsfähigkeit mit der Begründung angegeben, dass sich in Zukunft der Befund am linken Zeigefinger nicht mehr wesentlich ändern werde. Dies sei jedoch eine reine Hypothese und könne nicht dazu führen, dass Arbeitsfähigkeit festgestellt werde. Ganz sicherlich sei auch zu überlegen, ob nicht eine Amputation des Zeigefingers in Frage komme.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.12.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Verletztengeld über den 23.09.2007 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In dem im Auftrag des Senats erstatteten Gutachten hat PD Dr. E. , Chefarzt der Klinik für Hand-, Plastische und Mikrochirurgie im K.-O. Krankenhaus S. , ausgeführt, der Kläger leide an einer Funktionseinschränkung der linken Hand nach Verletzung des Zeigefingers und des Daumens mit einer Bewegungseinschränkung des linken Zeigefingers, Sensibilitätsstörungen des Daumens und Zeigefingers, einer erheblichen Weichteilverschmächtigung des linken Zeigefingers und einer posttraumatischen Arthrose des Zeigefingermittelgelenks. Durch den Unfall vom 22.05.2007 sei die Sensibilitätsstörung und der Narbenstatus im Bereich des linken Daumens entstanden. Die Beschwerden des linken Zeigefingers seien im Wesentlichen auf das Unfallereignis vom 30.04.1980 zurückzuführen. Eine berufliche Tätigkeit als Bauarbeiter habe ab dem 25.09.2007 den weiteren Gesundheitszustand des Klägers nicht gefährdet.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger über den 23.9.2007 hinaus keinen Anspruch auf Verletztengeld wegen der Folgen des Ereignisses vom 22.05.2007 hat.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Verletztengeld ist § 45 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach wird - soweit hier von Interesse - Verletztengeld erbracht, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen hatte.

Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit erfordert zum einen das Vorliegen eines Gesundheitsschadens sowie eines hierfür ursächlichen Unfallereignisses (bzw. einer hierfür ursächlichen Berufskrankheit). Dabei setzt die Kausalität nach der im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung wie allgemein im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum nachfolgenden: BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15) zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis (bzw. der Berufskrankheit) und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis (bzw. die Berufskrankheit) eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis (bzw. die versicherte Berufskrankheit) für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinne), z. B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Zum anderen bedarf es für die Annahme einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit eines Kausalzusammenhanges zwischen der entsprechend den oben gemachten Ausführungen durch den Unfall verursachten Gesundheitsstörung und einer eingetretenen Arbeitsunfähigkeit.

Während die anspruchsbegründenden Tatsachen, u. a. die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein müssen, also bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen erforderlich ist, genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 22.05.2007 liegt auch nach Überzeugung des Senats über den 23.09.2007 keine Arbeitsunfähigkeit mehr vor. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. E. , des im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachters Dr. N. , die Berichte des Prof. Dr. Sch. sowie das Ergebnis der neurologischen Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. D ...

Bei vergleichender Betrachtung der hinsichtlich des linken Zeigefingers erhobenen Befunde vor dem streitgegenständlichen Ereignis mit denjenigen nach Abheilung der akuten Folgen des Ereignisses vom 22.05.2007 lassen sich wesentliche Verschlechterungen nicht feststellen, sodass die Funktionsbeeinträchtigungen des linken Zeigefingers im Wesentlichen nicht auf den Arbeitsunfall vom 22.05.2007 zurückzuführen sind.

Bereits bei der Untersuchung durch Dr. G. im Oktober 1980 gab der Kläger eine starke Kälteempfindlichkeit des linken Zeigefingers und eine herabgesetzte Beweglichkeit im Mittel- und Endgelenk an, sodass er beim Heben schwerer Gegenstände und wegen einer herabgesetzten Berührungsempfindung auch beim Greifen feiner Gegenstände behindert sei. Bereits zum damaligen Zeitpunkt war der linke Zeigefinger - so die Angaben des Dr. G. - insgesamt livide verfärbt und die Haut über der Streckseite, mehr als über der Beugeseite glatt, athrophisch und ließ sich weniger gut fälteln als die Haut der Umgebung. Des weiteren beschrieb Dr. G. eine erheblich eingeschränkte aktive Beugung im Mittel- und Endgelenk. Passiv gelang es - so Dr. G. - den Finger im Mittelgelenk etwa über 30° zu beugen, im Endgelenk waren lediglich Wackelbewegungen um 10° möglich, während das Grundgelenk nur endgradig in der Beugung behindert war. Die Bewegungsmaße für den Zeigefinger links hielt Dr. G. für Streckung/Beugung im Grundgelenk mit 5-0-85°, im Mittelgelenk mit 0-5-30° und im Endgelenk mit 0-10-20° fest. Auch gab Dr. G. eine herabgesetzte Berührungsempfindung und eine deutlich herabgesetzte grobe Kraft im Zeigefingerbereich links an. Radiologisch beschrieb Dr. G. am Köpfchen des Grundglieds des linken Zeigefingers, an der zum Daumen gelegenen Seite, einen schrägen Defekt, der etwa ein Drittel der inneren Gelenkrolle des Köpfchens einnahm mit noch normal breitem Gelenkspalt und unbedeutend herabgesetztem Kalksalzgehalt. Wegen der bereits zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Kälteempfindlichkeit wurde von Dr. G. nach seinen Angaben im Nachschaubericht vom Oktober 1980 ein gefütterter Lederschutz verordnet.

Dr. N. beschrieb auf Grund der Untersuchung des Klägers am 13.09.2007 eine ausgeprägte Durchblutungsstörung des linken Zeigefingers, der sich im Gegensatz zu den benachbarten Langfingern kalt anfühlte, blau verfärbt war und ab dem Grundgliedschaft eine ausgeprägte verzögerte Rekapillarisierung auswies, eine entsprechende Dystrophie des linken Zeigefingers mit aufgehobenem Faltenrelief auf der Streckseite und verhärteten Weichteilen, eine Asensibilität des linken Zeigefingers mit entsprechend verschmächtigtem Zeigefingerendglied, eine eingezogene Narbe auf der Beugeseite des linken Zeigefingermittelgliedes, eine schmerzhafte Berührungsempfindlichkeit des linken Zeigefingers und eine fehlende aktive Beweglichkeit des Zeigefingermittel- und Endgelenks, wobei das Mittelgelenk nur passiv im Ausmaß von 0-0-30° wackelbeweglich und das Endgelenk im Ausmaß von 0-30-50° passiv wackelbeweglich war. Die Bewegungsmaße hielt Dr. N. für den linken Zeigefinger für die Streckung/Beugung mit 0-10-80° im Grundgelenk, 0-0-0° im Mittelgelenk und 0-30-30° im Endgelenk fest. Die Röntgenaufnahmen zeigten - so Dr. N. - einen stabilen Knochendefekt auf der Ellenseite und Beugeseite des linken Zeigefingergrundgliedes.

Der gerichtliche Sachverständige PD Dr. E. hat auf Grund der Untersuchung des Klägers am 10.06.2009 eine Bewegungseinschränkung des linken Zeigefingers (Streckung/Beugung im Grundgelenk 0-30-70°, im Mittelgelenk 0-5-10° und im Endgelenk 0-20-20°), Sensibilitätsstörungen, eine erhebliche Weichteilverschmächtigung des linken Zeigefingers und eine posttraumatische Arthrose des Zeigefingermittelgelenks beschrieben. Die Messung der groben Kraft hat rechts einen Wert von 0,7 und links von 0,3 bar ergeben.

Aus dem Vergleich der von Dr. G. und Dr. N. bzw. PD Dr. E. beschriebenen Befunde wird deutlich, dass zum Zeitpunkt des von der Beklagten angenommenen Endes der Arbeitsunfähigkeit am 23.09.2007 und darüber hinaus die Funktionsbeeinträchtigungen des linken Zeigefingers im Wesentlichen übereinstimmend mit denjenigen vom Oktober 1980 waren. Bereits im Oktober 1980 bestand eine insgesamt livide Verfärbung des Zeigefingers, die Haut über der Streckseite war athrophisch, der Zeigefinger war bereits zum damaligen Zeitpunkt stark kälteempfindlich, weshalb eine Versorgung mit einem gefütterten Lederschutz erfolgte. Auch bestand bereits damals eine herabgesetzte Berührungsempfindung und eine deutlich herabgesetzte grobe Kraft. Desweiteren war die aktive Bewegung - so Dr. G. - im Mittel- und Endglied bereits zum damaligen Zeitpunkt erheblich eingeschränkt. Hinsichtlich der passiven Beweglichkeit lässt sich eine wesentliche Verschlechterung für das Mittel- und Endgelenk nicht feststellen. So gab Dr. G. diese für die Streckung/Beugung am Mittelgelenk mit 0-5-30° und für das Endgelenk mit 0-10-20° an. Dr. N. hat für das Mittelgelenk für die Streckung/Beugung 0-0-30° und für das Endgelenk mit 0-30-50° und für die aktive Beweglichkeit im Mittelgelenk 0-0-0° und im Endgelenk 0-30-30° erhoben. PD Dr. E. hat den Bewegungsumfang für Streckung/Beugung im Mittelgelenk mit 0-5-10° und im Endgelenk mit 0-20-20° beschrieben.

Auch im Grundgelenk des Zeigefingers lässt sich eine erhebliche Verschlechterung der Beweglichkeit auf Grund des Unfalls vom 22.05.2007 nicht feststellen. Dr. G. beschrieb insoweit eine endgradige Behinderung der Beugung (Bewegungsmaße für Streckung/Beugung 5-0-85°). Dr. N. gab die Bewegungsfähigkeit im Grundgelenk des Zeigefingers links mit 0-10-80° - und damit mit Abweichungen nur im Bereich üblicher Messdifferenzen - an. Bei der Untersuchung durch Dr. E. hat dieser einen Bewegungsumfang für das Grundgelenk für die Streckung/Beugung mit 0-30-70° festgehalten. Hieraus ergibt sich zwar eine Differenz für die Beugung von 15° gegenüber den Messwerten von Dr. G ... Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass nach den von Dr. G. und PD Dr. E. erhobenen Messwerten auch die Beugefähigkeit des Grundgliedes des Zeigefingers an der nicht verletzten rechten Hand um 10° abgenommen hat (Streckung/Beugung bei Dr. G. rechts 5-0-90°; bei PD Dr. E. 0-0-80).

Kann somit eine wesentliche Verschlechterung der Funktionsbeeinträchtigungen des Zeigefingers links gegenüber den Befunden vom Oktober 1980 nicht festgestellt werden, lässt sich, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit über den 23.09.2007 hinaus nicht begründen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger mit den Funktionsbeeinträchtigungen des linken Zeigefingers vor dem Unfallereignis vom 22.05.2007 in der Lage war, die Beschäftigung als Bauarbeiter auszuüben. Soweit der Kläger insoweit im Berufungsverfahren vorgetragen hat, die Funktionsbeeinträchtigungen des linken Zeigefingers hätten sich nach Oktober 1980 verbessert, ist dies nicht nachgewiesen. Zu berücksichtigen ist insbesondere auch, dass der Kläger nach dem Operationsbericht des Dr. B. bei der anlässlich der Operation erhobenen Anamnese selbst angab, dass der Zeigefinger bei Zustand nach alter Kreissägenverletzung bereits vor dem Unfall im Mai 2007 nicht mehr voll beweglich sowie auch von der Sensibilität her nicht einwandfrei gewesen sei.

Wie PD Dr. E. nachvollziehbar dargelegt hat, ergeben sich zusätzliche Funktionsbeeinträchtigungen in Folge des Unfalls vom 22.05.2007 somit im Wesentlichen nur wegen der Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Daumens. Dass hierdurch die Gebrauchsfähigkeit der linken Hand insgesamt jedoch so gemindert wäre, dass der Kläger über dem 23.09.2007 hinaus nicht mehr in der Lage war, eine seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bauarbeiter entsprechende Tätigkeit auszuüben, ist nicht ersichtlich. Die Verletzung bezieht sich, da der Kläger Rechtshänder ist, zum einen ohnehin nicht auf die Gebrauchshand. Zum anderen beschrieb Dr. N. auf Grund seiner Untersuchung einen kompletten Faustschluss und eine komplette Fingerstreckung beidseits bis auf den linken Zeigefinger. Die Daumengelenke waren bei der Untersuchung durch Dr. N. beidseits frei beweglich, sodass sämtliche Langfingerkuppen mit den Daumenkuppen erreicht werden konnten und beide Daumen an den Kleinfingern bis zu deren Grundgelenk herabgeführt werden konnten. Der Schlüssel- und Spitzgriff konnten - wenn auch kraftgemindert - korrekt ausgeführt werden. PD Dr. E. hat zwar ausgeführt, dass bei Prüfung der primären Greifformen der Spitzgriff vom Daumen zum Zeigefinger links nicht möglich gewesen und der Grob-, Fein- und Schlüsselgriff links erheblichst reduziert demonstriert worden sei. Dies ist jedoch insoweit zu relativieren, als nach den Ausführungen des Prof. Dr. Sch. in dem von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Bericht der Spitzgriff und Greiftätigkeiten bei Unaufmerksamkeit des Klägers problemlos möglich gewesen sind, sodass der Kläger die linke Hand für Greiftätigkeiten tatsächlich einsetzen kann. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass nach dem Befundbericht des Prof. Dr. Dr. D. zwischenzeitlich eine Schädigung des Nervus medianus beidseits hinzugetreten ist, die als sensibel betontes Karpaltunnel-Syndrom beidseits zu interpretieren ist. Dass diese Schädigung nicht auf den Unfall zurückgeführt werden kann, ergibt sich bereits daraus, dass sie auch an der unverletzten rechten Hand vorliegt und Prof. Dr. D. insoweit eine hoch pathologische, nahezu symmetrische sensible Neurographie sowie eine beidseits verlängerte distal motorische Latenz am Nervus medianus beidseits beschrieben hat. Auch Prof. Dr. Sch. hat in seiner weiteren, von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse der neurologischen Untersuchung als unfallunabhängig zu werten sind, sodass hierdurch eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 23.09.2007 hinaus nicht begründbar ist.

Im Ergebnis schließt sich der Senat somit der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. E. an, wonach der Kläger nach dem 23.09.2007 - was die in Rede stehende Verletzung am linken Zeigefinger und Daumen anbelangt - wieder hätte arbeiten können. Diese Beurteilung steht in Übereinstimmung mit der Bewertung durch Dr. N. und Prof. Dr. Sch ... Eine andere Auffassung hat keiner mit der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit befassten Ärzte vertreten.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, es sei zu überlegen, ob nicht eine Amputation des Zeigefingers in Frage komme, vermag dies eine über den 23.09.2007 hinaus andauernde Arbeitsunfähigkeit nicht zu begründen. Denn zum einen sind - wie oben ausgeführt - die Funktionsbeeinträchtigungen des linken Zeigefingers im Wesentlichen auf das Unfallereignis vom 30.04.1980 zurückzuführen, zum anderen wurde eine Amputation bislang tatsächlich nicht durchgeführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved