S 29 AS 16/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 16/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 26.02.2007 unter Berücksichtigung von Tilgungsraten für ein selbstgenutztes Eigenheim.

Der am geborene Kläger bewohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen vier Kindern ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von 173 m² unter der Anschrift

Für den Erwerb des selbstgenutzten Eigenheims nahm der Kläger folgende Darlehen auf:

Darlehensnummer Darlehensbetrag: 47.900,00 Euro Tag der Bewilligung: 30.01.2003 Laufzeit bis: 30.01.2033 monatliche Tilgungszinsen: 189,21 Euro (Stand: 01.07.2009) monatliche Tilgungsraten: 0,00 Euro (Tilgungsbeginn 30.01.2033).

Darlehensnummer: Darlehensbetrag: 15.000,00 Euro Tag der Bewilligung: 04.01.2003 Laufzeit bis: 28.02.2038 monatliche Tilgungszinsen: 63,43 Euro (Stand: 01.07.2009) monatliche Tilgungsraten: 16,95 Euro (Stand: 01.07.2009)

Darlehensnummer: Darlehensbetrag: 10.000,00 Euro Tag der Bewilligung: 28.05.2004 Laufzeit bis: 30.08.2028 monatliche Tilgungszinsen: 40,67 Euro (Stand: 01.07.2009) monatliche Tilgungsraten: 21,38 Euro (Stand: 01.07.2009)

Darlehensnummer: Darlehensbetrag: 25.061,32 Euro Tag der Bewilligung: 28.09.2004 Laufzeit bis: 30.06.2013 monatliche Tilgungszinsen: 59,56 Euro (Stand: 31.08.2008) monatliche Tilgungsraten: 306,78 Euro (Stand: 31.08.2008)

Darlehensnummer: Darlehensbetrag: 77.500,00 Euro Tag der Bewilligung: 04.03.2003 Laufzeit bis: voraussichtlich 2015 monatliche Tilgungszinsen: 0,00 Euro monatliche Tilgungsraten: 581,25 Euro (Stand: 30.06.2009)

Darlehensnummer: Darlehensbetrag: 16.000,00 Euro Tag der Bewilligung: 04.03.2003 Laufzeit bis: 31.03.2009 jährliche Tilgungszinsen: 98,01 Euro (Stand: 20.03.2009) jährliche Tilgungsraten: 2.377,99 Euro (Stand: 20.03.2009)

Zur Sicherung der Darlehensverbindlichkeiten sind im Grundbuch (Amtsgericht) Grundschulden in Höhe von 77.000,00 Euro, 15.000,00 Euro und 10.000,00 Euro sowie eine Hypothek in Höhe von 93.500,00 Euro eingetragen.

Die Bedarfsgemeinschaft des Klägers bezog in der Zeit vom 14.02.2005 bis 31.01.2010 zuletzt durch Bescheid vom 27.07.2007 in der Fassung des Bescheides vom 06.06.2008 (Leistungszeitraum: 01.09.2007 bis 29.02.2008); Bescheid vom 08.02.2008 in der Fassung der Bescheide vom 06.03.2008, 18.04.2008 und 17.05.2009 (01.03.2008 bis 31.08.2008); Bescheid vom 11.08.2008 in der Fassung der Bescheide vom 13.11.2008 und 24.02.2009 (01.09.2008 bis 28.02.2009); Bescheid vom 24.02.2009 in der Fassung der Bescheide vom 01.07.2009 und 04.08.2009 (01.03.2009 bis 31.08.2009) und Bescheid vom 04.08.2009 in der Fassung der Bescheide vom 24.09.2009 und 29.09.2009 (01.08.2009 bis 31.01.2010) existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II.

Mit Schreiben vom 26.02.2007 beantragte der Kläger die Übernahme der Tilgungsraten für sein selbstgenutztes Eigenheim. Zur Begründung führte er aus, dass ohne die Übernahme der Tilgungsraten das Haus finanziell nicht zu halten sei.

Mit Bescheid vom 09.05.2007 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Unter Hinweis auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes (LSG) vom 05.03.2007 (Az.: L 7 AS 225/06 ER) vertrat sie die Auffassung, dass der Aufbau von Vermögen nicht Aufgabe der Allgemeinheit sei. Das Gesetz sehe als Zweck ausschließlich die Unterstützung der Erwerbstätigkeit und die Sicherung des Lebensunterhaltes vor. Dies biete keine Grundlage, um laufende Leistungen mit unmittelbar vermögensbildender Wirkung zu gewähren.

Mit Schreiben vom 06.06.2007 legte der Kläger Widerspruch ein. Er führte aus, dass die ihm zu gewährenden Kosten der Unterkunft sich an den für eine Mietwohnung maximal angemessenen Unterkunftskosten zu orientieren hätten. Ein Umzug der sechsköpfigen Bedarfsgemeinschaft in eine angemessene Mietunterkunft sei für die Beklagte wirtschaftlich ungünstiger. In diesem Falle werde zudem eine Vermögensbildung auf Vermieterseite unterstützt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie nahm Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 07.11.2006 (Az.: B 7b AS 8/06 R), wonach eine Übernahme von Tilgungsbeiträgen im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich nicht in Betracht komme, da Leistungen des SGB II nicht der Vermögensbildung dienten.

Am 01.02.2008 hat der Kläger unter Wiederholung der im Antrags- und Widerspruchsverfahren vorgetragenen Einwände Klage erhoben. Er führt ergänzend aus, dass bei der Frage, ob Tilgungsraten übernahmefähig seien, allein der Faktor der Wirtschaftlichkeit entscheidend sein müsse. Es könne nicht verlangt werden, ein Eigenheim zu verkaufen und eine teurere Mietwohnung zu beziehen, für die seitens der Beklagten Kosten übernommen werden müssten. Der Steuerzahler wäre hierdurch schwerwiegender belastet als wenn seine Tilgungsraten übernommen würden. Letztlich mache es keinen Unterschied, ob die Vermögensbildung beim Vermieter oder beim Kläger anfalle, weil die finanziellen Mittel für die Unterkunft ohnehin ausgegeben werden müssten. Durch die unterlassene Übernahme der Tilgungsraten sei der Kläger gezwungen, sein Eigenheim zu verkaufen und eine Wohnung anzumieten. Dies sei für die Beklagte finanziell belastender. Gegenwärtig sei eine Tilgung der Darlehen nur durch die wiederholte Aufnahme von Privatdarlehen bei einer Bekannten, Frau , möglich.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2008 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 26.02.2007 bis 31.01.2010 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Tilgungsraten für das Eigenheim als Beihilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt auf ihre im angefochtenen Bescheid getroffenen Ausführungen Bezug.

Auf gerichtliche Anfrage hat die mit Schreiben vom 17.03.2009 mitgeteilt, dass es nicht möglich sei, die Darlehensraten auszusetzen. Bei Nichtzahlung dieser Raten werde das Mahnverfahren eingeleitet und weitere Maßnahmen ergriffen. Die hat in ihrem Schreiben vom 01.03.2009 ausgeführt, dass Tilgungsaussetzungen nicht zugestimmt werden könnte. In besonders begründeten Ausnahmefällen könne eine Aussetzung für einen Zeitraum von maximal 3 Monaten erfolgen. Ebenfalls könne eine Tilgungsstreckung in Anspruch genommen werden. Die Ersparnis betrage &8531; des Tilgungsbetrages. Für die Tilgungsstreckung würden übliche Kapitalmarktzinsen anfallen. Voraussetzung hierfür sei eine erneute positive Bonitätsprüfung. Die hat mit Schreiben vom 25.09.2009 eine Tilgungsaussetzung abgelehnt. Sollte der Kläger in Verzug geraten, würden umgehend Zwangsmaßnahmen eingeleitet werden. Rückstände könnten zur Kündigung der Darlehen und anschließenden Zwangsversteigerung des geförderten Objektes führen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

1.) Gegenstand des Verfahrens sind allein Ansprüche des Klägers auf Kosten der Unterkunft. Es handelt sich dabei um einen abtrennbaren selbständigen Anspruch, so dass eine Beschränkung des Streitgegenstandes möglich ist. Nach der Rechtsprechung des BSG sind zwar beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2007, Az.: B 11b AS 29/06). Von diesem Grundsatz hat das BSG für den Fall der Kosten der Unterkunft indes eine Ausnahme gemacht (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14/11b AS 67/06 R), weil die Zuständigkeit für die Regelleistung und die Kosten der Unterkunft nach § 6 SGB II unterschiedlich und die Leistung inhaltlich von anderen Leistungen abgrenzbar ist.

2.) Die geltend gemachten Ansprüche betreffen die Zeit ab dem 26.02.2007, d.h. dem Tag, an dem der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung der Tilgungsraten für sein selbstgenutztes Eigenheim beantragte. Der Bescheid vom 09.05.2007 lehnte die Berücksichtigung von Tilgungsraten bei der Gewährung der Kosten der Unterkunft ohne zeitliche Begrenzung ab. Werden Leistungen ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt, ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: 7b AS 14/06 R). Der am 27.07.2007 ergangene Bescheid in der Fassung des Bescheides vom 06.06.2008, mit dem der Bedarfsgemeinschaft des Klägers für die Zeit vom 01.09.2007 bis 28.02.2008 Kosten der Unterkunft gewährt wurden, ist gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und - soweit der Leistungszeitraum 01.03.2008 bis 31.01.2010 betroffen ist – der Bescheid vom 08.02.2008 in der Fassung der Bescheide vom 06.03.2008, 18.04.2008 und 17.05.2009; der Bescheid vom 11.08.2008 in der Fassung der Bescheide vom 13.11.2008 und 24.02.2009; der Bescheid vom 24.02.2009 in der Fassung der Bescheide vom 01.07.2009 und 04.08.2009 sowie der Bescheid vom 04.08.2009 in der Fassung der Bescheide vom 24.09.2009 und 29.09.2009 ist nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn sie ersetzen für die späteren Zeiträume in Bezug auf die Höhe der zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft den früheren Ablehnungsbescheid (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R).

3.) Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 09.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2008 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der Bescheid ist rechtmäßig.

a) Der Kläger ist Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, jedoch nicht das 65. Lebensjahr (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Er ist im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB

II).

Der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. §§ 9, 11 und 12 SGB II steht nicht bereits entgegen, dass der Kläger Eigentümer eines selbstgenutzten Eigenheimes ist. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Nur nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Bei dem Begriff der angemessenen Größe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 33/08 R). Nach dem Willen des Gesetzgebers folgt die Berücksichtigung des Vermögens nach § 12 SGB II im Wesentlichen dem bisherigen Recht der Arbeitslosenhilfe (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1516, S. 53). Dort wurde zur näheren Bestimmung der angemessenen Größe eines Hausgrundstücks auf die Wohnflächengrenzen des § 39 Abs. 1 i.V.m. § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (2. WoBauG) zurückgegriffen. Eine Orientierung an diesen Vorschriften ist auch nach deren Aufhebung mit Wirkung vom 01.01.2002 durch Artikel 12 des Wohnungsbaureformgesetzes vom 13.09.2001 (BGBl. I 2001, 2376) geboten (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 2/05 R). Demnach sind Familienheime grundsätzlich dann nicht unangemessen groß, wenn ihre Wohnfläche die Grenze von 130 m² nicht übersteigt (§ 39 Abs. 1 des 2. WoBauG). Gemäß § 82 Abs. 3 Satz 1 des 2. WoBauG ist bei einem Haushalt mit mehr als vier Personen für jede weitere Person, die zu dem Haushalt gehört eine Mehrfläche bis zu 20 m² zulässig. Wird dabei die Wohnflächenobergrenze um nicht mehr als 10 v.H. überschritten, ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes noch von einer angemessenen Wohnflächengröße auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 2/05 R). Aus diesen Grundsätzen folgt, dass das vom Kläger, seiner Ehefrau und seinen vier Kindern bewohnte Eigenheim mit einer Größe von 173 m² grundsätzlich als angemessen zu betrachten ist; nach den Vorschriften des 2. WoBauG beträgt die angemessene Obergrenze 170 m² (130 m² + 2 x 20 m²). Das geringfügige Überschreiten dieser Obergrenze um 3 m² ist unschädlich.

Ob sonstiges verwertbares Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II oder Einkommen im Sinne von § 11 SGB II, das die Bedürftigkeit des Klägers nach § 9 Abs. 1 SGB II ausschließt, vorliegt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Zweifel bestehen zwar, wenn der Kläger ausführt, die bisherigen Tilgungsraten seien über mehrere Jahre durch ein Privatdarlehen einer Bekannten, für das keine Sicherheiten gewährt worden seien, getilgt worden. Im Ergebnis kann dies dahinstehen.

b) Denn dem Kläger stehen keine höheren Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II, als von der Beklagten bisher bewilligt, zu.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Als angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung anzusehen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Diese zur Mietwohnung entwickelten Grundsätze gelten auch, soweit Hilfebedürftige Kosten für einen selbstgenutztes Eigenheim geltend machen (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 34/06 R).

Ob hierbei die - zwischen den Beteiligten einzig streitige - Berücksichtigung von Tilgungsraten für das vom Kläger selbstgenutzte Eigenheim zu erfolgen hat, ist nach dem Gesetzeswortlaut offen. Auch die Gesetzesmaterialien des § 22 SGB II treffen diesbezüglich keine Aussagen (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1516, S. 57).

Folgt man der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R) ist eine Berücksichtigung von Tilgungsraten nach dem SGB II nicht möglich. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dienten nicht der Vermögensbildung, dem Vemögensaufbau oder der Schuldenübernahme. Das Arbeitslosengeld II solle den Lebensunterhalt sichern und grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienen. Die mit der Tilgung eintretende Minderung der auf dem Wohneigentum ruhenden Belastung führe jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Vermehrung des Vermögens des (hilfebedürftigen) Eigentümers. Unter Bezugnahme auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz – BSHG - (vgl. beispielsweise Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 24.04.1975, Az.: V C 61.73) führe die Anerkennung von Tilgungsraten dieser Art als zu berücksichtigende Kosten der Unterkunft zu dem vom Gesetz nicht gewollten Ergebnis, dass der Hilfesuchende es in der Hand hätte, durch entsprechende Vereinbarungen mit seinen Gläubigern die Schuldentilgung in ihrer Höhe so zu bestimmen, dass sein Grundstück alsbald schuldenfrei wäre, und er somit auf diesem Wege Vermögen bilden könnte.

Diese Auffassung übersieht, dass die Tilgung von Schulden des Hilfeempfängers, die durch Sozialleistungen nicht abgedeckt werden, zur Unterschreitung des Existenzminimums führen kann und dem Hilfeempfänger dann nicht mehr die Führung eines Lebens ermöglicht wird, dass der Würde des Menschen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) entspricht. Das würde zwar bei jeder Abtragung von Schulden eines Hilfeempfängers aus den für den Lebensunterhalt bestimmten Mitteln des SGB II der Fall sein. Wenn der Hilfeempfänger aber in Fällen der vorliegenden Art eine Schuldentilgung in Wahrung seines Existenzminimums unterlässt, wird er seine bisherige Unterkunft verlieren und gezwungen sein, eine Mietunterkunft zu beziehen. Folge wäre, dass die dabei entstehenden tatsächlichen Unterkunftskosten in angemessener Höhe dann in jedem Fall von der Beklagten gewährt werden müssten. Die strikte Beachtung des Grundsatzes, dass die Leistungen nach dem SGB II nicht zur Schuldentilgung Verwendung finden dürfen, führt in solchen Fällen eine neue Notlage herbei, der wiederum nur mit dem Einsatz von staatlichen Leistungen entgegen gesteuert werden könnte. Ein solches Ergebnis wäre ebenfalls nicht im Sinne des Gesetzes.

Folgerichtig hat das BSG in seinem Urteil vom 18.06.2008 (Az.: B 14/11b AS 67/06 R) den Grundsatz "Sozialhilfe dient nicht der Vermögensbildung" zu Recht nicht als unverbrüchliches Dogma angesehen und die Übernahme von Tilgungsleistungen als Kosten der Unterkunft jedenfalls dann anerkannt, wenn der Hilfebedürftige ohne (ggf. anteilige) Übernahme von Tilgungsraten gezwungen wäre, seine Wohnung aufzugeben.

Hiermit wird dem Sinn und Zweck der Leistungen nach dem SGB II dahingehend Rechnung getragen als der Gesetzgeber dem Erhalt der Wohnung allgemein einen hohen Stellenwert einräumt, ohne Rücksicht darauf, ob diese gemietet ist oder im Eigentum des Hilfebedürftigen steht. § 22 SGB II dient dem Schutz der Wohnung als räumlichem Lebensmittelpunkt (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14/11b AS 67/06 R; Sächsisches LSG, Beschluss vom 26.07.2006, Az.: L 3 B 301/05 AS-ER; vgl. aus dem Bereich der Arbeitslosenhilfe BSG, Urteil vom 05.06.2003, Az.: B 11 AL 55/02 R; BSG, Urteil vom 04.09.1979, Az.:7 RAr 115/78).

Hieraus ist allerdings nicht zu schlussfolgern, dass eine Übernahme von Tilgungsraten im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II stets zu erfolgen hat. Denn andernfalls wären auch sehr hohe Tilgungsleistungen zu übernehmen; bereits zu Beginn einer Finanzierungsphase wäre der Grundsicherungsträger verpflichtet, Tilgungsverbindlichkeiten des Hilfebedürftigen zu bedienen. Damit würde im Vordergrund nicht der Erhalt des Wohneigentums gewährleistet werden, sondern primär dessen Aufbau. Der Aspekt der Vermögensbildung würde gesetzeswidrig vollkommen in den Hintergrund treten.

Auch würde man bei einer bedingungslosen Übernahme von Tilgungsraten im Rahmen des § 22 SGB II wegen der vermögensbildenden Wirkung der Tilgungsbeiträge diejenigen benachteiligen, die zwar ein Eigenheim besitzen jedoch keine Schulden haben. Insbesondere würde eine gegenteilige Ansicht zu erheblichen Bedenken Anlass geben, ob damit nicht Mieter unter Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligt würden. Bewohnern von Eigenheimen würde letztendlich von staatlicher Seite ermöglicht, Immobilienvermögen zu erwerben, während eine entsprechende Unterstützung Mietern vorenthalten bliebe. Eine derartige Besserstellung der Eigenheimbewohner ist nicht zu rechtfertigen. Insbesondere folgt dies nicht aus der Überlegung, die Veräußerung von Eigenheimen stelle sich schwieriger dar als der Wechsel einer Mietwohnung. Das mag zwar stimmen. Jedoch steht dieser geringfügige faktische Nachteil der Eigenheimbewohner außer Verhältnis zu der außerordentlichen rechtlichen Bevorzugung, die diese erfahren würden. Sonstige tragfähige Differenzierungsgründe vermag die Kammer nicht zu erkennen. Insbesondere darf nicht typisierend davon ausgegangen werden, Eigenheimbewohner hätten ein signifikant höheres ideelles Interesse an der Beibehaltung der Wohnsituation; langjährigen Mietern dürfte ein Wohnungswechsel affektiv ebenso schwer fallen (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 13.04.2007, Az.: L 7 AS 182/06). Unabhängig von diesen Erwägungen würde die bedingungslose Übernahme von Tilgungsraten bei "grundschuldbeladenden" Eigenheimen zur Einführung einer staatlichen Eigenheimförderung enormen Ausmaßes führen, ohne dass Anzeichen dafür vorhanden sind, dass der Gesetzgeber dies wollte. Abgesehen davon, dass damit zudem ein erheblicher sozialer Unfriede verbunden wäre, würden "Leistungsbezieher erster Klasse" und "Leistungsbezieher zweiter Klasse" geschaffen (so ausdrücklich Bayerisches LSG, Urteil vom 13.04.2007, Az.: L 7 AS 182/06).

Nichts anderes folgt aus der Überlegung, durch Mietzahlungen werde auch – auf Vermieterseite - zur Vermögensbildung beigetragen. Es sei daher gleichgültig, ob steuerfinanzierte Sozialleistungen in Gestalt von Mietzahlungen oder - in gleicher Höhe - als Tilgungsraten unmittelbar gegenüber dem Hilfebedürftigen erbracht würden. Diese Auffassung verkennt, dass die Vermögensbildung oder besser gesagt, die Gewinnerzielung hier nicht bei dem Hilfeempfänger eintritt, sondern beim Vermieter, für den es gleichgültig ist, von wem er seine Miete erhält (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.10.1972, Az.: V C 50.71).

Diesen Ausführungen widerspricht es nicht, dass dies zur Konsequenz haben kann, dass die für ein selbstbewohntes Eigenheim vom Grundsicherungsträger zu gewährenden Aufwendungen gegebenenfalls niedriger sind, als wenn der Hilfesuchende zur Miete wohnt. Denn die Kosten der Unterkunft sind nicht stets bis zur Höhe der angemessenen Vergleichsmiete zu übernehmen. § 22 SGB II sieht nicht gleiche Leistungen in jedem Falle vor. Der Leistungsumfang ist vielmehr von der jeweiligen Notlage abhängig. Es ist folgerichtig und entspricht dem Nachranggrundsatz des SGB II (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB II; vgl. Bundestagsdrucksache 15/1516, S. 51), wenn die Aufwendungen für die Unterkunft umso niedriger sind, je mehr der Hilfesuchende aus eigenen Kräften den Wohnungsaufwand decken kann (vgl. zum BSHG BVerwG, Urteil vom 05.10.1972, Az.: V C 50.71). Bei dem Kriterium der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt es sich lediglich um die Festlegung einer Obergrenze, keinesfalls aber um eine Festlegung des Anspruchs der Höhe nach. Im Einzelfall können die Kosten auch darunter liegen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 03.07.2009, Az.: L 12b 42/09 AS ER).

Diese Auslegung steht zudem im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 18.06.2008 (Az.: B 14/11b AS 67/06 R). Das BSG hat in dieser Entscheidung ausdrücklich seine Rechtsprechung, wonach Tilgungsleistungen (generell) nicht als Kosten der Unterkunft zu übernehmen sind, nicht aufgegeben, sondern lediglich unter Abwägung der widerstreitenden Zielvorgaben "eingeschränkt".

Insoweit besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohnungseigentums einerseits und der Beschränkung der Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung andererseits. Die Übernahme von Tilgungsraten im Rahmen des § 22 SGB II kommt damit in Betracht, wenn im Rahmen einer Abwägung der im SGB II normierte Schutz des Wohneigentums das Gebot überwiegt, dass eine Vermögensbildung durch SGB II-Mittel nicht erfolgen darf. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn zum Ende der Finanzierungsphase die Tilgungsleistungen sowohl absolut als auch relativ zu den Zinsleistungen besonders hoch und damit aus den Regelleistungen nicht zu bestreiten sind. Im Übrigen wird an dem Grundsatz festgehalten werden müssen, dass steuerfinanzierte Sozialleistungen grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 10.10.2008, Az.: L 16b 449/08 AS ER).

Unter Berücksichtigung und wertender Betrachtung der widerstreitenden Leistungsprinzipien kommt somit eine Übernahme von Tilgungsraten im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur unter den folgenden drei Voraussetzungen in Betracht:

Erstens ist erforderlich, dass die Kosten in Form von Tilgungsleistungen zur Erhaltung des Wohneigentums unvermeidbar sind. Dies ist nur der Fall, wenn der Hilfebedürftige vor einer Inanspruchnahme staatlicher Leistungen alles unternimmt, um Tilgungsverpflichtungen während des Bezugs von Grundsicherungsleistungen so niedrig wie möglich zu halten (vgl. sogleich aa.).

Zweitens muss das selbstgenutzte Wohneigentum bereits weitestgehend finanziert und abgezahlt worden sein und deswegen die Übernahme der Tilgungsrate durch den Grundsicherungsträger schwerpunktmäßig nicht mehr dem Aufbau, sondern dem Erhalt bereits bestehender Vermögenswerte dienen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 10.10.2008, Az.: L 16b 449/08 AS ER; vgl. auch Groth, in: JurisPR - SozR 4/2009 Anm. 1; vgl. sodann bb.).

Drittens können Finanzierungskosten einschließlich der Tilgungsleistungen insgesamt vom Grundsicherungsträger nur bis zu der Höhe übernommen werden, die er auch bei einer angemessenen Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu tragen hätte (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14/11b AS 67/06 R).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kommt vorliegend eine Übernahme der streitgegenständlichen Tilgungsraten nicht in Betracht.

aa.) Hierbei kann es dahinstehen, ob einer Übernahme bereits entgegensteht, dass der Kläger vor Antragstellung nicht mit seinen Gläubigerbanken in Kontakt getreten ist, um die Tilgungsverpflichtungen so niedrig wie möglich zu halten. Denn selbst bei einer erfolgten Kontaktaufnahme wäre diese nicht erfolgreich gewesen.

Die hat mit Schreiben vom 17.03.2009 ausgeführt, dass keine Möglichkeit bestehe, die Darlehensraten auszusetzen. Bei Nichtzahlung werde das Mahnverfahren eingeleitet. Gleichlautend hat die mit Schreiben vom 18.02.2009 mitgeteilt, dass eine Tilgungsaussetzung nicht in Betracht komme. Eine Tilgungsstreckung werde nur nach erneuter positiver Bonitätsprüfung, die nach Auffassung der Kammer bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II ausgeschlossen werden kann, gewährt. Die hat mit Schreiben vom 25.09.2009 dargelegt, dass eine Tilgungsaussetzung grundsätzlich abgelehnt werde und bei Zahlungsverzug umgehend Zwangsmaßnahmen eingeleitet würden.

bb.) Die Übernahme der streitgegenständlichen Tilgungsraten dient im Wesentlichen nicht dem Erhalt bereits bestehender Vermögenswerte, sondern deren Aufbau.

Hierbei gilt zu beachten, dass die bei der gewährten Darlehen (Nr. ) eine Laufzeit bis zum 28.02.2038 bzw. 30.08.2028 aufweisen. Eine nennenswerte Tilgung dieser Darlehen, die in den Erhalt bereits bestehender Vermögenswerte gemündet ist, ist nicht erfolgt. Diese Darlehensverbindlichkeiten sind erst zu einem geringen Anteil bedient worden. In Anbetracht der noch beträchtlichen Laufzeit steht der Kläger bezüglich dieser Kredite erst am Beginn der Finanzierungsphase.

Ansprüche auf Übernahme von Tilgungsraten in Bezug auf das ebenfalls bei der unter der Nr. geführte weitere Darlehen können angesichts der erst im Jahre 2033 beginnenden Tilgungsverpflichtungen nicht bestehen.

Gleichermaßen gelten diese Ausführungen auch in Bezug auf das von der gewährte Darlehen (Nr. ). Die Tilgung dieses Darlehens begann am 31.08.2008. Eine letzte Schlussrate ist zum 30.06.2013 fällig. Im streitgegenständlichen Zeitraum (26.02.2007 bis 31.01.2010) ist dieses Darlehen erst zu einem geringen Anteil bedient worden. Von den zu entrichtenden 58 Monatsraten waren zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung lediglich 19 getilgt.

Auch das von der gewährte Darlehen (Nr. ), das halbjährlich seit dem 30.06.2004 in Raten von 581,25 Euro zurückgezahlt wird, ist in Anbetracht der Darlehenshöhe von 77.500,00 Euro zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erst in Höhe eines sehr geringen Teils von 6.975,00 Euro (12 x 581,25 Euro) getilgt. Ein Ende der Finanzierungsphase steht nicht kurz bevor.

Ebenfalls sind die auf das von der gewährte Darlehen mit der Nr. zu entrichtenden Tilgungsraten nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II von der Beklagten zu erstatten. Dem widerspricht es nicht, dass die seit dem 31.03.2004 laufende Tilgung bereits zum 31.03.2010 abgeschlossen sein wird. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass das vom Kläger bewohnte Eigenheim aufgrund der offenen Darlehensverbindlichkeiten bei der , der und der als nicht weitestgehend finanziert bzw. abbezahlt betrachtet werden kann. Eine Übernahme der aus dem Vertrag bei der mit der Nr. resultierenden Darlehensraten hätte nicht zur Folge, dass der Erhalt der bereits bestehenden Vermögenswerte gesichert werden könnte. Die kreditgewährenden Banken würden aus den übrigen – nicht übernahmefähigen - Darlehensverbindlichkeiten vollstrecken; d.h. der Schutz der Wohnung als räumlichem Lebensmittelpunkt könnte hierdurch nicht gewährleistet werden.

Das Gericht hat im Übrigen hinsichtlich der korrekten Berechnung der im streitgegenständlichen Zeitraum gewährten Kosten der Unterkunft, die im Weiteren vom Kläger nicht angegriffen wurde, keine Zweifel.

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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