Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 An 2877/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 52/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Rentenbeginn nach überstaatlichem Recht.
Die am ... 1934 geborene, in Italien als italienische Staatsangehörige lebende Klägerin entrichtete aufgrund einer Beschäftigung als Sozialarbeiterin beim Caritasverband e.V. S. für die Zeit vom 20. Oktober 1960 bis zum 30. September 1966 Pflichtbeiträge zur Beklagten (sechs Jahre mit Beitragszeiten). Seit dem 24. Februar 1969 war sie Mitarbeiterin beim Psychiatrischen Krankenhaus in U/Italien und - als im öffentlichen Dienst Beschäftigte - bei der Bundespensionsanstalt INPDAP, einem Sondersystem für Staatsbedienstete, versichert.
Nach vorangegangenem Kontenklärungs- und Rentenauskunftsverfahren beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 22. November 1995 Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 17. Juli 1996 mit der - schon in der Rentenauskunft vom 14. September 1994 gegebenen - Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die Wartezeit von 15 Jahren (= 180 Monaten) berücksichtigungsfähiger rentenrechtlicher Zeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten). Auf die Wartezeit sei nur die Zeit vom 20. Oktober 1960 bis 30. September 1966 (72 Monate) anrechenbar. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 1. April 1997 zurück, nachdem der zuständige italienische Versicherungsträger INPS bestätigt hatte, dass die Klägerin bei ihm nicht versichert sei. Angehörige des öffentlichen Dienstes, Staatsbeamte und Soldaten in Italien hätten Anspruch auf Versorgung aus ihren Sondersystemen. Diese unterlägen nicht dem Geltungsbereich der Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die Zeiten der Klägerin in Italien könnten deshalb nicht für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine deutsche Altersrente berücksichtigt werden.
Die dagegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) wies das SG durch Urteil vom 27. Mai 1998 mit derselben Begründung ab.
Im Berufungsverfahren bestätigten sich die Angaben der Klägerin über deren Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst zum 31. Dezember 1996. Seit dem 1. Januar 1997 bezieht sie von der INPDAP eine Rente. Im Hinblick auf eine am 25. Oktober 1998 in Kraft getretene Änderung der Verordnung -VO- (EWG) Nr. 1408/71, wonach auch Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Sondersystem für Beamte oder ihnen gleichgestellte Personen in deren Geltungsbereich einbezogen seien, bewilligte die Beklagte der Klägerin vom 1. November 1998 an Altersrente für Frauen (Bescheid vom 7. Dezember 1999).
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr die Rente bereits vom vollendeten 60. Lebensjahr an zusteht. Sollten die Regelungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 in der Fassung vor dem 25. Oktober 1998 der Zusammenrechnung ihrer INPDAP-Zeiten mit den zur Beklagten zurückgelegten Zeiten für den Anspruchserwerb wirklich entgegenstehen, so widerspräche dies den Art. 48 bis 51 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG-Vertrag). Diese ließen Nachteile im Bereich der Sozialversicherung bei Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit nicht zu.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 1998 sowie den Bescheid vom 17. Juli 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. April 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Rentenbescheides vom 7. Dezember 1999 zu verurteilen, ihr Altersrente für Frauen bereits vom 1. Oktober 1994 an zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil hinsichtlich der Zeit vor In-Kraft-Treten der Änderung der VO (EWG) Nr. 1408/71 weiterhin für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 13 An 2877/97 -) und Beklagtenakten (61 270934 P 504) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das angefochtene Urteil und die Klage gegen den Rentenbescheid vom 7. Dezember 1999, der gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - kraft Klage - Gegenstand des Verfahrens vor dem erkennenden Senat geworden ist, sind unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Rentenanspruch gegen die Beklagte für die Zeit vor dem 1. November 1998.
Die Altersrente für Frauen setzt nach § 39 Sozialgesetzbuch (SGB) VI neben der Vollendung des 60. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeitragszeiten nach Vollendung des 40. Lebensjahres sowie die Erfüllung der Wartezeit von 15 Jahren voraus. Im Übrigen wird eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur geleistet, wenn die monatliche Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (§ 34 Abs. 2 SGB VI). Sie beträgt bei einer Rente wegen Alters als Vollrente - wie bei der Klägerin - ein Siebtel (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI) der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV), d.h. im Jahre 1994 560,- DM (3.920,- DM: 7), 1995 580,- DM (4.060,- DM: 7) und 1996 590,- DM (4.130,- DM: 7) (vgl. die Sozialversicherungswerte in: Aichberger, Rentenversicherung - Textsammlung - Nr. 15). Schließlich wird eine Rente aus eigener Versicherung nach § 99 Abs. 1 SGB VI nur dann von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Satz 1). Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (Satz 2).
Die Klägerin hat die Rente erst später - nämlich nach dem 31. Dezember 1994 - beantragt. Vom 1. Oktober 1994 an könnte sie ihr danach allenfalls im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zustehen, nämlich dann, wenn die Beklagte die Klägerin in der Rentenauskunft vom 14. September 1994 falsch beraten und sie deshalb von der rechtzeitigen Antragstellung abgehalten hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.
Für die Zeit vor dem 1. November 1998 steht der Klägerin deshalb keine Rente zu, weil sie bis dahin weder mehr als zehn Jahre Pflichtbeitragszeiten nach Vollendung des 40. Lebensjahres aufzuweisen hatte noch die Wartezeit von 15 Jahren erfüllte. Die Pflichtbeitragszeiten und die Wartezeit können bis zum 31. Oktober 1998 nicht durch die italienischen INPDAP-Zeiten erfüllt werden. Der Zusammenrechnung dieser Zeiten mit den zur Beklagten zurückgelegten Beitragszeiten gemäß Art. 45 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 steht die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 in der bis zum 24. Oktober 1998 geltenden Fassung (alter Fassung = a.F.) entgegen, wonach diese VO u.a. nicht auf Sondersysteme für Beamte und ihnen Gleichgestellte anzuwenden ist.
Die Klägerin war von 1969 bis 1996 bei einem Sondersystem für Beamte und ihnen Gleichgestellte im Sinne des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 versichert. Dies ist ein System der Sozialen Sicherheit für die Angehörigen der öffentlichen Verwaltung, das sich von dem allgemeinen System der Sozialen Sicherheit in dem betreffenden Mitgliedstaat, das auf seine Arbeitnehmer anwendbar ist, unterscheidet (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] vom 22. November 1995 - Rs. C-443/93 - [Ioannis Vougioukas] in Oetker/Preis, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht [EAS], VO [EWG] Nr. 1408/71 Art. 4 Nr. 16). Das allgemeine System der Sozialen Sicherheit für die Arbeitnehmer in Italien ist die INPS. Demgegenüber hat die Klägerin dem Sondersystem für Beamte INPDAP angehört.
Der Nichtanwendbarkeit der VO (EWG) Nr. 1408/71 auf Sondersysteme für Beamte nach Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 a.F. stehen die (insoweit allein in Betracht kommenden) Art. 48 und 51 EG-Vertrag nicht entgegen. Danach ist zwar zwecks Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft durch Einführung eines entsprechenden Systems die „Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten für den Erwerb ... des Leistungsanspruchs ...“ zu sichern (Art. 51 Buchst. a EG-Vertrag). Der EuGH hat im Hinblick auf Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 a.F. auch eine „erhebliche Lücke in der gemeinschaftsrechtlichen Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit“ (vgl. Urteil vom 22. November 1995 a.a.O. Rz 31) sowie ferner festgestellt, dass das Bestehen tiefgreifender Unterschiede zwischen den nationalen Systemen „das Fehlen jeglicher Koordinierung der Sondersysteme für Beamte und ihnen Gleichgestellte nicht auf unbegrenzte Zeit rechtfertigen“ könne (a.a.O. Rz 32/33). Gleichwohl hat er hervorgehoben, dass diese Überlegungen in Anbetracht des dem Verordnungsgeber für die Verwirklichung des in Art. 51 EG-Vertrag genannten Ziels zur Verfügung stehenden weiten Ermessensspielraums die Gültigkeit des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 a.F. nicht berührten (a.a.O. Rz 35).
Der Verordnungsgeber ist seiner Verpflichtung aus Art. 51 EG-Vertrag hinsichtlich der Sondersysteme für Beamte und ihnen Gleichgestellte durch die am 25. Oktober 1998 in Kraft getretene Änderungs-VO (EG) Nr. 1606/98 vom 29. Juni 1998 nachgekommen. Wenn er zugleich bestimmt hat, dass die Änderungs-VO keine Ansprüche für den Zeitraum vor dem 25. Oktober 1998 begründe (Art. 95 c Abs. 1 VO [EWG] Nr. 1408/71), so unterliegt dies keinen durchgreifenden Bedenken. Der EuGH hat mit seiner o.a. Entscheidung zwar deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Verordnungsgeber handeln müsse und dies „nicht auf unbegrenzte Zeit“ hinausschieben dürfe. Der Verordnungsgeber ist dem aber in einer der Schwierigkeit der Materie und der Vorgabe des EuGH (noch) entsprechenden Weise nachgekommen, wenn er die Änderungs-VO binnen drei Jahren nach dem Urteil des EuGH (vom 22. November 1995) erlassen hat.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf früheren Rentenbeginn auch nicht - unabhängig von der Gültigkeit des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 a.F. - unmittelbar aus den Art. 48 bis 51 EG-Vertrag herleiten, wie es der dem o.a. Urteil des EuGH zugrunde liegende Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots ermöglichte. In jenem Fall erwuchsen dem dortigen Kläger allein daraus Nachteile, dass er bestimmte Beschäftigungszeiten nicht in seinem Heimatstaat, sondern in einem anderen Mitgliedsland zurücklegte. Im Falle der Klägerin ist hingegen festzustellen, dass ihre in Italien in einem Sondersystem für Beamte zurückgelegten Zeiten, wären sie in Deutschland in einem solchen System zurückgelegt worden, ebenfalls nicht zur Anrechnung gelangt wären. Darin liegt keine unzulässige Diskriminierung.
Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass die Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1994 bis zum Ausscheiden aus ihrem Beschäftigungsverhältnis in Italien am 31. Dezember 1996 auch deshalb keinen Rentenanspruch hat, weil sie die Hinzuverdienstgrenze überschritt. Davon ist aufgrund ihrer Beschäftigung im öffentlichen Dienst auszugehen.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist der Rentenbeginn nach überstaatlichem Recht.
Die am ... 1934 geborene, in Italien als italienische Staatsangehörige lebende Klägerin entrichtete aufgrund einer Beschäftigung als Sozialarbeiterin beim Caritasverband e.V. S. für die Zeit vom 20. Oktober 1960 bis zum 30. September 1966 Pflichtbeiträge zur Beklagten (sechs Jahre mit Beitragszeiten). Seit dem 24. Februar 1969 war sie Mitarbeiterin beim Psychiatrischen Krankenhaus in U/Italien und - als im öffentlichen Dienst Beschäftigte - bei der Bundespensionsanstalt INPDAP, einem Sondersystem für Staatsbedienstete, versichert.
Nach vorangegangenem Kontenklärungs- und Rentenauskunftsverfahren beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 22. November 1995 Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 17. Juli 1996 mit der - schon in der Rentenauskunft vom 14. September 1994 gegebenen - Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht die Wartezeit von 15 Jahren (= 180 Monaten) berücksichtigungsfähiger rentenrechtlicher Zeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten). Auf die Wartezeit sei nur die Zeit vom 20. Oktober 1960 bis 30. September 1966 (72 Monate) anrechenbar. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 1. April 1997 zurück, nachdem der zuständige italienische Versicherungsträger INPS bestätigt hatte, dass die Klägerin bei ihm nicht versichert sei. Angehörige des öffentlichen Dienstes, Staatsbeamte und Soldaten in Italien hätten Anspruch auf Versorgung aus ihren Sondersystemen. Diese unterlägen nicht dem Geltungsbereich der Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die Zeiten der Klägerin in Italien könnten deshalb nicht für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine deutsche Altersrente berücksichtigt werden.
Die dagegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) wies das SG durch Urteil vom 27. Mai 1998 mit derselben Begründung ab.
Im Berufungsverfahren bestätigten sich die Angaben der Klägerin über deren Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst zum 31. Dezember 1996. Seit dem 1. Januar 1997 bezieht sie von der INPDAP eine Rente. Im Hinblick auf eine am 25. Oktober 1998 in Kraft getretene Änderung der Verordnung -VO- (EWG) Nr. 1408/71, wonach auch Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Sondersystem für Beamte oder ihnen gleichgestellte Personen in deren Geltungsbereich einbezogen seien, bewilligte die Beklagte der Klägerin vom 1. November 1998 an Altersrente für Frauen (Bescheid vom 7. Dezember 1999).
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr die Rente bereits vom vollendeten 60. Lebensjahr an zusteht. Sollten die Regelungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 in der Fassung vor dem 25. Oktober 1998 der Zusammenrechnung ihrer INPDAP-Zeiten mit den zur Beklagten zurückgelegten Zeiten für den Anspruchserwerb wirklich entgegenstehen, so widerspräche dies den Art. 48 bis 51 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG-Vertrag). Diese ließen Nachteile im Bereich der Sozialversicherung bei Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit nicht zu.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 1998 sowie den Bescheid vom 17. Juli 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. April 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Rentenbescheides vom 7. Dezember 1999 zu verurteilen, ihr Altersrente für Frauen bereits vom 1. Oktober 1994 an zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil hinsichtlich der Zeit vor In-Kraft-Treten der Änderung der VO (EWG) Nr. 1408/71 weiterhin für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 13 An 2877/97 -) und Beklagtenakten (61 270934 P 504) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das angefochtene Urteil und die Klage gegen den Rentenbescheid vom 7. Dezember 1999, der gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - kraft Klage - Gegenstand des Verfahrens vor dem erkennenden Senat geworden ist, sind unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Rentenanspruch gegen die Beklagte für die Zeit vor dem 1. November 1998.
Die Altersrente für Frauen setzt nach § 39 Sozialgesetzbuch (SGB) VI neben der Vollendung des 60. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeitragszeiten nach Vollendung des 40. Lebensjahres sowie die Erfüllung der Wartezeit von 15 Jahren voraus. Im Übrigen wird eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur geleistet, wenn die monatliche Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (§ 34 Abs. 2 SGB VI). Sie beträgt bei einer Rente wegen Alters als Vollrente - wie bei der Klägerin - ein Siebtel (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI) der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV), d.h. im Jahre 1994 560,- DM (3.920,- DM: 7), 1995 580,- DM (4.060,- DM: 7) und 1996 590,- DM (4.130,- DM: 7) (vgl. die Sozialversicherungswerte in: Aichberger, Rentenversicherung - Textsammlung - Nr. 15). Schließlich wird eine Rente aus eigener Versicherung nach § 99 Abs. 1 SGB VI nur dann von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Satz 1). Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (Satz 2).
Die Klägerin hat die Rente erst später - nämlich nach dem 31. Dezember 1994 - beantragt. Vom 1. Oktober 1994 an könnte sie ihr danach allenfalls im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zustehen, nämlich dann, wenn die Beklagte die Klägerin in der Rentenauskunft vom 14. September 1994 falsch beraten und sie deshalb von der rechtzeitigen Antragstellung abgehalten hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.
Für die Zeit vor dem 1. November 1998 steht der Klägerin deshalb keine Rente zu, weil sie bis dahin weder mehr als zehn Jahre Pflichtbeitragszeiten nach Vollendung des 40. Lebensjahres aufzuweisen hatte noch die Wartezeit von 15 Jahren erfüllte. Die Pflichtbeitragszeiten und die Wartezeit können bis zum 31. Oktober 1998 nicht durch die italienischen INPDAP-Zeiten erfüllt werden. Der Zusammenrechnung dieser Zeiten mit den zur Beklagten zurückgelegten Beitragszeiten gemäß Art. 45 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 steht die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 in der bis zum 24. Oktober 1998 geltenden Fassung (alter Fassung = a.F.) entgegen, wonach diese VO u.a. nicht auf Sondersysteme für Beamte und ihnen Gleichgestellte anzuwenden ist.
Die Klägerin war von 1969 bis 1996 bei einem Sondersystem für Beamte und ihnen Gleichgestellte im Sinne des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 versichert. Dies ist ein System der Sozialen Sicherheit für die Angehörigen der öffentlichen Verwaltung, das sich von dem allgemeinen System der Sozialen Sicherheit in dem betreffenden Mitgliedstaat, das auf seine Arbeitnehmer anwendbar ist, unterscheidet (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] vom 22. November 1995 - Rs. C-443/93 - [Ioannis Vougioukas] in Oetker/Preis, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht [EAS], VO [EWG] Nr. 1408/71 Art. 4 Nr. 16). Das allgemeine System der Sozialen Sicherheit für die Arbeitnehmer in Italien ist die INPS. Demgegenüber hat die Klägerin dem Sondersystem für Beamte INPDAP angehört.
Der Nichtanwendbarkeit der VO (EWG) Nr. 1408/71 auf Sondersysteme für Beamte nach Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 a.F. stehen die (insoweit allein in Betracht kommenden) Art. 48 und 51 EG-Vertrag nicht entgegen. Danach ist zwar zwecks Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft durch Einführung eines entsprechenden Systems die „Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten für den Erwerb ... des Leistungsanspruchs ...“ zu sichern (Art. 51 Buchst. a EG-Vertrag). Der EuGH hat im Hinblick auf Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 a.F. auch eine „erhebliche Lücke in der gemeinschaftsrechtlichen Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit“ (vgl. Urteil vom 22. November 1995 a.a.O. Rz 31) sowie ferner festgestellt, dass das Bestehen tiefgreifender Unterschiede zwischen den nationalen Systemen „das Fehlen jeglicher Koordinierung der Sondersysteme für Beamte und ihnen Gleichgestellte nicht auf unbegrenzte Zeit rechtfertigen“ könne (a.a.O. Rz 32/33). Gleichwohl hat er hervorgehoben, dass diese Überlegungen in Anbetracht des dem Verordnungsgeber für die Verwirklichung des in Art. 51 EG-Vertrag genannten Ziels zur Verfügung stehenden weiten Ermessensspielraums die Gültigkeit des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 a.F. nicht berührten (a.a.O. Rz 35).
Der Verordnungsgeber ist seiner Verpflichtung aus Art. 51 EG-Vertrag hinsichtlich der Sondersysteme für Beamte und ihnen Gleichgestellte durch die am 25. Oktober 1998 in Kraft getretene Änderungs-VO (EG) Nr. 1606/98 vom 29. Juni 1998 nachgekommen. Wenn er zugleich bestimmt hat, dass die Änderungs-VO keine Ansprüche für den Zeitraum vor dem 25. Oktober 1998 begründe (Art. 95 c Abs. 1 VO [EWG] Nr. 1408/71), so unterliegt dies keinen durchgreifenden Bedenken. Der EuGH hat mit seiner o.a. Entscheidung zwar deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Verordnungsgeber handeln müsse und dies „nicht auf unbegrenzte Zeit“ hinausschieben dürfe. Der Verordnungsgeber ist dem aber in einer der Schwierigkeit der Materie und der Vorgabe des EuGH (noch) entsprechenden Weise nachgekommen, wenn er die Änderungs-VO binnen drei Jahren nach dem Urteil des EuGH (vom 22. November 1995) erlassen hat.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf früheren Rentenbeginn auch nicht - unabhängig von der Gültigkeit des Art. 4 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 a.F. - unmittelbar aus den Art. 48 bis 51 EG-Vertrag herleiten, wie es der dem o.a. Urteil des EuGH zugrunde liegende Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbots ermöglichte. In jenem Fall erwuchsen dem dortigen Kläger allein daraus Nachteile, dass er bestimmte Beschäftigungszeiten nicht in seinem Heimatstaat, sondern in einem anderen Mitgliedsland zurücklegte. Im Falle der Klägerin ist hingegen festzustellen, dass ihre in Italien in einem Sondersystem für Beamte zurückgelegten Zeiten, wären sie in Deutschland in einem solchen System zurückgelegt worden, ebenfalls nicht zur Anrechnung gelangt wären. Darin liegt keine unzulässige Diskriminierung.
Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass die Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1994 bis zum Ausscheiden aus ihrem Beschäftigungsverhältnis in Italien am 31. Dezember 1996 auch deshalb keinen Rentenanspruch hat, weil sie die Hinzuverdienstgrenze überschritt. Davon ist aufgrund ihrer Beschäftigung im öffentlichen Dienst auszugehen.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved