Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 547/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2009 und teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 wird die Beklagte verpflichtet, die Bescheide vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 dahingehend abzu- ändern, dem Kläger einen monatlichen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 254,43 Euro unter Anrechnung bereits ge- währter Zuschüsse für den Zeitraum 17.06. bis 31.12.2009 zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers in voller Höhe.
Der 1965 geborene Kläger war selbständig tätig und ist gemeinsam mit seiner Tochter bei der B Krankenversicherung AG, L, (Krankenversicherung) privat kranken- und pflegeversichert. Am 17.06.2009 beantragte er die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Die monatlichen Kosten für die Krankenversicherung betrugen im Tarif Elementar, der keinen Selbstbehalt vorsieht, für den Kläger 229,74 Euro und für die Pflegepflichtversicherung 24,69 Euro. Zum 30.06.2009 bestand ein Beitragsrückstand des Klägers in Höhe von 2.990,88 Euro. Der monatliche Gesamtbeitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung belief sich somit auf 254,43 Euro. Der monatliche Beitrag des Basistarifs hätte für den Kläger im Jahr 2009 569,63 Euro zuzüglich Pflegeversicherung in Höhe von 24,69 Euro betragen. Mit Bescheiden vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger und seiner Tochter vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 17.06. bis 31.12.2009. In den Leistungen war ein monatlicher Zuschuss nach § 26 SGB II zur Krankenversicherung in Höhe von 124,32 Euro für den Kläger und in Höhe von 113,00 Euro für die Tochter enthalten.
Der Kläger beantragte am 12.10.2009 die Kostenübernahme der Beiträge für die private Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Übernahme der Beitragsrückstände zum 30.06.2009. Die Beklagte, die den Antrag des Klägers als Überprüfungsantrag hinsichtlich der erlassenen Bewilligungsbescheide vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 wertete, lehnte diesen mit Bescheid vom 15.10.2009 ab. Ferner lehnte sie mit einem weiteren Bescheid vom 15.10.2009 auch die Übernahme der Beitragsrückstände zum 30.06.2009 bei der privaten Krankenversicherung ab.
Hiergegen legte der Kläger am 03.11.2009 Widerspruch ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2010 zurück. Zum Inhalt der Begründung wird auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Der Kläger hat am 15.02.2010 Klage erhoben. Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 dahingehend abzuändern, dem Kläger einen monatlichen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegever- sicherung in Höhe von 254,43 Euro unter Anrechnung bereits gezahlter Zu- schüsse für den Zeitraum 17.06. bis 31.12.2009 zu bewilligen sowie ein Darlehen für Beitragsrückstände in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 2.990,88 Euro zu übernehmen.
Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass die gegenwärtige Gesetzeslage in Bezug auf die Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes für Hilfeempfänger, die in der privaten Krankenversicherung versichert seien und nicht in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln könnten, verfassungswidrig sei. Sie sei willkürlich. Im Übrigen sei ihm ein Wechsel in den Basistarif nicht zumutbar, da der derzeitige Tarif "Elementar" günstiger sei. Dies gelte selbst für den hälftigen Basistarif. Schließlich stehe ihm auch ein Anspruch auf ein Darlehen für die Beitragsrückstände zu. Denn ansonsten könne seine Krankenversicherung mit aktuellen Forderungen aufrechnen und der Krankenversicherungsschutz sei nicht gewährleistet. Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Klageschrift vom 13.03.2010 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft die Beklagte im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid.
Der Kläger hat am gleichen Tage einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 29 AS 546/10 ER geführt. Der Kläger hat das Eilverfahren im Rahmen der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, auch die des Eilverfahrens S 29 AS 546/10 ER und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat teilweise Erfolg.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 ist insoweit rechtswidrig, als die Beklagte nicht den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers bewilligt hat. Dagegen ist der Bescheid vom 15.10.2009, mit welchem die Beklagte ein Darlehen für die Beitragsrückstände des Klägers bei der privaten Krankenversicherung zum 30.06.2009 ablehnte, rechtmäßig.
Streitgegenstand ist hier allein die Höhe des Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass die Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Tochter nicht Gegenstand des Verfahrens seien. Dies vor dem Hintergrund, dass der Anspruch auf Übernahme der privaten Krankenversicherungsbeiträge auf maximal die Hälfte des Basistarifes begrenzt ist. Der hälftige Basistarif für die Tochter beträgt 113,09 Euro. Die Beklagte hat für die Tochter jedoch bereits einen Zuschuss in Höhe von 113,00 Euro bewilligt.
Der Kläger hat hinsichtlich der Übernahme der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einen Anspruch auf Änderung der bestandskräftigen Bescheide der Beklagten vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 und Gewährung eines Zuschusses zum Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag für die Zeit vom 17. bis 30.06.2009 in Höhe von 118,73 Euro und für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 in Höhe von monatlich 254,43 Euro.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Zu Unrecht hat die Beklagte mit Bescheiden vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 den Zuschuss zur Krankenversicherung auf monatlich 124,32 Euro begrenz und einen Zuschuss zur Pflegeversicherung überhaupt nicht bewilligt. Richtigerweise hätte die Beklagte dem Klägler für die Zeit vom 17. bis 30.06.2009 ein Zuschuss in Höhe von 118,73 Euro Euro und für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 in Höhe von monatlich 254,43 Euro bewilligen müssen.
Zwar ist gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung ab dem 01.01.2009 i.V.m. § 12 Abs. 1 c Satz 5 und 6 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) der Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Höhe auf den Betrag beschränkt, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass sich der Anspruch des Klägers in tatsächlicher Höhe der Beiträge aus einer analogen Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II (i. d. F. des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl. I Seite 378 / GKV-WSG) ergibt. Nach dieser Vorschrift wird für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag übernommen.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder versicherungspflichtig noch familienversichert.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V sind Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II beziehen, grundsätzlich in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Hiervon ausgenommen sind allerdings diejenigen, die unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert waren (§ 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V i. d. F. des GKV-WSG); diese Personen sollen ab dem 1.1.2009 dem Kreis der Privatversicherten zugeordnet bleiben ( Just in: Becker/Kingreen , SGB V, § 5 Rdnr. 22; Baier in; SozKV, § 5 SGB V Rdnr. 20). Nur bei Personen, die bereits am 31.12.2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig waren, wird aus Gründen des Vertrauensschutzes die Pflichtversicherung für die Dauer der Hilfebedürftigkeit fortgesetzt (vgl. § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V i. d. F. des GKV-WSG).
Gemessen hieran war der Kläger nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig. Denn unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II, der am 17.06.2009 begann, also erst nach dem 31.12.2008, war er bei der B Krankenversicherung AG privat krankenversichert. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V.
Der Kläger war zwar - entgegen dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II - im streitigen Zeitraum nicht freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, sondern privat krankenversichert; die Kammer hält die Regelung hier aber für analog anwendbar. Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke voraus, zum anderen eine gleichartige Interessenlage. Der lückenhaft geregelte Sachverhalt muss dem geregelten so ähnlich sein, dass der Gesetzgeber ihn, hätte er die Regelungslücke erkannt, in gleicher Weise geregelt hätte (vgl. BSGE 83, 68, 71; 89, 199, 202 f.; 96, 257).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Hierzu führt das Sozialgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung vom 10.08.2009, Az. S 5 AS 2121/09, aus:
"Eine solche Lücke besteht in erster Linie, wenn das Gesetz - gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers - unvollständig ist. Sie kann aber auch vorliegen, wenn das Gesetz zwar eine nach ihrem Wortlaut anwendbare Regelung enthält, diese aber nach ihrem Sinn und Zweck nicht passt oder sich in dem System, in dem sie enthalten ist, als Fremdkörper erweist. Solche Systemwidrigkeiten können z. B. nachträglich durch Gesetzesänderungen eintreten. Die dadurch entstehende Regelungslücke ist dann durch Übertragung einer für einen anderen Tatbestand vorgesehenen Rechtsfolge zu schließen (BSGE 82, 68, 71 f.).
Im vorliegenden Fall existiert zwar mit § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (i. d. F. des GKV-WSK) eine nach ihrem Wortlaut einschlägige Regelung zur Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung; ihre wortgetreue Anwendung würde aber zu einer systemwidrigen Belastung des Klägers mit einem Teil seiner Beiträge führen:
Nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II sollen Bezieher von Arbeitslosengeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne gegen ihren Willen mit Beiträgen belastet zu sein.
Bis zum 31.12.2008 waren Bezieher von Arbeitslosengeld II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V generell in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Den pflichtversicherten Beziehern von Arbeitslosengeld II stehen die Leistungen nach dem SGB V in vollem Umfang zu, ohne dass sie selbst Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen (BSG, SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 Rdnr. 53). Denn gemäß § 251 Abs. 4 SGB V trägt der Bund deren Beiträge. Bei der Übernahme der Beiträge handelt es sich um eine Annexleistung zu den Leistungen nach dem SGB II ( Knickrehm in: Eicher/Spellbrink , SGB II, 2. Aufl., § 26 Rdnr. 5).
Von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen waren bis zum 31.12.2008 lediglich diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II, die auf ihren Antrag hin, also mit ihrem ausdrücklichen Willen, von der Versicherungspflicht befreit waren (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I Seite 2954). Diese Personen erhielten gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II (i. d. F. des Gesetzes vom 21.3.2005, BGBl I Seite 818) vom zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Zuschuss zu den Beiträgen, die sie für eine private Krankenversicherung zahlten. Zwar war dieser Zuschuss auf die Höhe des Beitrags begrenzt, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen gewesen wäre (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 21.3.2005, BGBl I Seite 818); er deckte also nicht zwingend den gesamten Beitrag für die private Krankenversicherung ab. Dies war aber im Ergebnis unproblematisch. Denn eine etwaige Differenz zwischen dem Zuschuss und dem Beitrag basierte stets auf der eigenen willentlichen Entscheidung des Hilfebedürftigen, sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreien zu lassen. Praktisch dürften von der Möglichkeit einer Befreiung nur diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II Gebrauch gemacht haben, deren Beitrag für die private Krankenversicherung unter oder jedenfalls nur geringfügig über der Grenze des § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II lag.
Seit dem 1.1.2009 sind nun gemäß § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V bestimmte Bezieher von Arbeitslosengeld II von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob dies ihrem Willen entspricht. Betroffen ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 und 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Nach der Begründung des Gesetzgebers handelt es sich bei dieser Regelung um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen: da die privaten Krankenversicherungen künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen anbieten müssten, die privat krankenversichert sind oder sein können, erscheine es nicht länger erforderlich, diese Bezieher von Arbeitslosengeld II in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen (BT-Drucks. 16/3100 Seite 94 f. - zu § 5 SGB V). Der Gesetzesbegründung ist indes kein Hinweis darauf zu entnehmen, der Gesetzgeber habe - abweichend von der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage - privat krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II nun gegen ihren Willen mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert werden (BT-Drucks. 16/3100 Seite 207- zu § 12 VAG). Dies erschien dem Gesetzgeber offenbar in der Annahme der "Bezahlbarkeit des Basistarifs" (BT-Drucks., a. a. O.,) gewährleistet. Der in § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II neu geregelten Verweisung auf § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG maß der Gesetzgeber anscheinend keine materiell-begrenzende, sondern nur eine formal-technische Bedeutung bei. Denn er rechtfertigt sie allein mit "Gründen der Rechtsklarheit und Anwenderfreundlichkeit" (BT-Drucks. 16/4247 Seite 60 - zu § 26 SGB II).
Vor diesem Hintergrund entspricht es weiterhin der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, für Bezieher von Arbeitslosegeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten, ohne sie gegen ihren Willen mit Beiträgen zu belasten."
Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an und macht sie sich nach Prüfung zu eigen.
Entgegen anders lautender Auffassungen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, Az. L 15 AS 1048/09 B ER; SG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.11.2009, Az.: S 37 AS 31127/09; Brünner, in: LPK-SGB II, 3. Auflage, 2009, § 26 Rn. 23) hält die Kammer eine planwidrige Regelungslücke für gegeben. Soweit diese Ansichten im Wesentlichen darauf abstellen, dass aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich sei, dass dem Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes diese Problematik tatsächlich bewusst war, kann dem nicht gefolgt werden. Die aufgeführten Materialien, etwa ein Schreiben des BMAS vom 04.08.2008 (erwähnt im Beschluss des LSG NRW vom 16.10.2009, Az. L 20 B 56/09 SO ER) oder ein BT-Plenarprotokoll der 230. Sitzung vom 02.07.2009 zu Tagesordnungspunkt 45, 25925, stammen diese sämtlich aus der Zeit nach Erlass des Gesetzes im Jahr 2007. Dass der Gesetzgeber nach Erlass des Gesetzes über diese Problematik diskutiert und keine Einigung gefunden hat, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass dieses Problem dem Gesetzgeber bereits bei Erlass bewußt war.
Dies ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat zum einen den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr für notwendig gehalten, jedoch zum anderen durch die Neuregelung des Zuschusses eine Bedarfsunterdeckung verursacht. In der Bundestagsdrucksache 16/4247 Seite 60 wird ausgeführt, dass der neue Absatz 2 des § 26 SGB II die Krankenversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II das Sozialgeld betreffe, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Soweit diese Personen für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert seien, enthalte § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG die Verpflichtung des Trägers nach dem Zweiten Buch, sich an den Aufwendungen im dort geregelten Umfang zu beteiligen. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Anwenderfreundlichkeit verweise Nr. 1 auf diese Regelung. Aus der Gesetzesbegründung der Neuregelungen des § 12 Abs. 1c VAG geht bezüglich der Sätze 5 und 6 lediglich hervor, dass Satz 6 klarstellen solle, dass die Halbierung des Beitrags im Basistarif bei Entstehen oder Vorliegen von Hilfebedürftigkeit greife. Es bleibe bei der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der vorgesehenen Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/4247 Seite 69). Der Gesetzesbegründung ist mit keinem Wort zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber die Folgen des Ausschlusses der Privatversicherten aus der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Arbeitslosengeld II-Bezug und die Neuregelung des § 26 Abs. 2 SGB II mit der Beschränkung des Zuschusses auf den Beitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung vor Augen stand. Nach Auswertung der Gesetzesmaterialien ist vielmehr anzunehmen, dass die Bedarfsunterdeckung im Falle einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung gesetzgeberisch nicht willentlich in Kauf genommen wurde und daher ein gesetzgeberisches Versehen darstellt. Im Ergebnis ist die Regelung in dieser Gestalt verfassungsrechtlich bedenklich, da zum verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums auch ein ausreichender Schutz für den Fall der Krankheit und Pflege gehört (a.A. SG Berlin-Brandenburg a.a.O.)
Für diese Sichtweise spricht auch der Zweck und die systematische Stellung des § 12 VAG. Das VAG regelt die staatliche Aufsicht über private Versicherungsunternehmen. Es regelt insbesondere die Gründung, Rechtsnatur, Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen und die Befugnisse der Aufsichtsbehörde. In § 12 VAG wird den Versicherungsunternehmen das Recht zum Angebot einer substitutiven Krankenversicherung eingeräumt, dessen nähere Ausgestaltung im VVG geregelt ist. Im Rahmen der substitutiven Krankenversicherung besteht nunmehr die Verpflichtung der Versicherungsunternehmen zum Angebot von Basistarifen. § 12 VAG regelt somit das Verhältnis zwischen privater Krankenversicherung und (potentiellen) Versicherungsnehmern. Normzweck des VAG ist es nicht, das Rechtsverhältnis zwischen Beziehern von Sozialleistungen und den Sozialleistungsbehörden zu regeln. Dies ist Aufgabe des SGB II bzw. SGB XII (vgl. SG Freiburg, Beschluss vom 11.05.2009, Az.: S 12 SO 1917/09 ER sowie den nachfolgenden Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30.06.2009, Az.: L 2 SO 2529/09 ER B). Diese Argumentation trifft nach Auffassung der Kammer nicht nur für den Bereich der Sozialhilfe zu, wo die Regelungen des SGB XII keine direkte Anknüpfung an § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG vorsehen, sondern ist auch im Rahmen der Anwendung des § 26 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs. 1c VAG zu beachten. So geht aus der Gesetzesbegründung hervor, dass der Verweis auf § 12 VAG lediglich der Anwenderfreundlichkeit und Rechtsklarheit dienen soll. Eine Aufklärung des Wertungswiderspruchs, dass einerseits mit der Einführung des Basistarifs ein Versicherungsbedarf geschaffen wird, um der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht Rechnung zu tragen, aber andererseits dessen Kosten vom Grundsicherungsträger nicht übernommen werden (vgl. SG Freiburg a.a.O.) folgt hieraus nicht.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII oder § 73 SGB XII zu. Eine Deckung der fehlenden Beiträge über § 32 Abs. 5 SGB XII scheitert daran, dass diese Vorschrift gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II für Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht anwendbar ist. Auch § 73 SGB XII ist nicht einschlägig, da dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine besondere atypische Bedarfslage liegt nicht vor, da diese bereits durch eine andere - zwar nicht anwendbare - Vorschrift des SGB XII, nämlich § 32 Abs. 5 SGB XII, erfasst ist.
Ferner stand dem Kläger auch keine zumutbare Möglichkeit zur Verfügung, die Lücke zwischen der Höhe seines Versicherungsbeitrages und des Zuschusses der Beklagten selbst zu schließen. Zwar ist der Kläger nicht in den Basistarif gewechselt. Der vom Kläger gewählte Kranken- und Pflegeversicherungstarif ist mit 254,93 Euro günstiger als der um die Hälfte ermäßigte Basistarif (569,63 Euro hiervon die Hälfte 284,97 Euro) zuzüglich des Pflegeversicherungsbeitrags in Höhe von 24,69 Euro, insgesamt 309,57 Euro.
Schließlich konnte der Kläger, den ungedeckten Teil seines Beitrages zur Versicherung nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II vom Einkommen absetzen. Denn im streitigen Zeitraum verfügte der Kläger über kein Einkommen.
Der monatliche Krankenversicherungsbeitrag des Klägers betrug 229,74 Euro. Der Beitrag zur Pflegeversicherung betrug 24,69 Euro. Ausgehend von der Verpflichtung der Beklagten, diese Beiträge in vollem Umfang zu übernehmen, konnte der Kläger somit (neben seiner Regelleistung) für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 monatlich 254,43 Euro beanspruchen. Für die Zeit vom 17. bis 30.06.2009 belief sich der Anspruch anteilig auf 118,73 Euro (14/30 von 254,43 Euro).
Bewilligt hat die Beklagte demgegenüber (neben der Regelleistung) für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 monatlich nur 124,32 Euro Krankenversicherung. Hieraus folgt ein restlicher Anspruch des Klägers für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 in Höhe von monatlich 130,11 Euro. Für die Zeit vom 17. bis 30.06.2009 ist für die Kammer nicht erkennbar, in welcher Höhe die Beklagte tatsächlich ein Zuschuss bewilligt worden ist. Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, den Differenzbetrag zu 118,73 Euro an den Kläger auszuzahlen.
Der Kläger hat dagegen keinen Anspruch auf Übernahme eines Darlehens für die zum 30.06.2009 aufgelaufenen Beitragsrückstände in Höhe von 2.990,88 Euro bei der privaten Krankenversicherung. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09 u.a.). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil eine Härtefallregelung insofern angeordnet, dass Leistungen wegen eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken ist, bejaht. Bei dem vom Kläger beantragten Darlehen dürfte es sich bereits nicht um einen laufenden Bedarf handeln. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24.03.2010, Az.: 1 BvR 395/09, entschieden, dass diese Härtefallregelung nur für die Zeit ab Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 09.02.2010 in Betracht kommt. Eine rückwirkende Geltung der Übergangsregelung hätte das Bundesverfassungsgericht ebenso wie eine entsprechende Pflicht des Gesetzgebers, auch für zurückliegende Leistungszeiträume eine Öffnungsklausel zu schaffen, ausdrücklich anordnen müssen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht getan.
Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass eine Aufrechnung des Krankenversicherungsunternehmens mit Versicherungsleistungsansprüchen des Klägers nicht möglich sein dürfte. Denn die Rechtsfolgen eines Zahlungsverzuges sind für die Basistarifversicherten abschließend in § 193 Abs. 6 VVG geregelt. Eine Aufrechnung nach § 394 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch bzw. § 35 VVG ist hierbei ausgeschlossen, da ansonsten der gesetzlich verfolgte Zweck einer Vermeidung des Ausschlusses vom Versicherungsschutz aufgrund Hilfebedürftigkeit gerade vereitelt würde (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 16.10.2009, L 20 B 56/09 SO-ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.03.2010, Az.: L 13 AS 919/10 ER-B)
Hierfür spricht auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.06.2009, Az.: 1 BvR 706/08 u.a. Die Verfassungsbeschwerdeführer gingen davon aus, dass das Verbot jeder Kündigung und die Pflicht zur Notversorgung trotz Nichtzahlung von Beiträgen verfassungswidrig sei, was nahelegt, dass sie selbst eine Aufrechnung für unzulässig hielten. Der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. hat ebenfalls empfohlen, von Aufrechnungen abzusehen. § 193 Abs. 6 VVG bestimmt unter den näheren Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 der Vorschrift bei der privaten Krankenversicherung (anstelle einer Aufrechnungsmöglichkeit) ein Ruhen von Leistungsansprüchen bei Verzug des Versicherten mit der Prämienzahlung. Das Ruhen endet nach Satz 5 der Vorschrift, wenn alle rückständigen und die Zeit des Ruhens entfallenen Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder des SGB XII wird. Dies muss erst Recht gelten, wenn der Versicherte bereits hilfebedürftig ist; ansonsten würde der gesetzlich verfolgte Zweck einer Vermeidung des Ausschlusses vom Versicherungsschutz allein aufgrund von Hilfebedürftigkeit vereitelt. Das gesetzliche Ziel, für jedermann entweder gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten, würde verfehlt, wenn neben dem Eintritt eines Ruhens nach Maßgabe des § 193 Abs. 6 VVG zusätzlich eine Aufrechnungsmöglichkeit des Versicherers nach § 35 VVG bestünde. Denn eine Aufrechnung durch den Versicherer hätte trotz formal weiter bestehender Versicherung einen faktischen Leistungsausschluss des Hilfebedürftigen von der Gewährleistung einer Krankenversicherung zur Folge. Diese Überlegungen dürften auch auf den Kläger übertragbar sein, obwohl dieser nicht im Basistarif versichert ist. Denn § 193 Abs. 6 VVG bezieht sich seinem Wortlaut des Satzes 1 nach auf eine der Pflicht nach Abs. 3 genügenden Versicherung und damit nicht allein auf den Basistarif, wie dies lediglich in Abs. 7 zum Ausdruck gebracht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Zwar unterliegt der Kläger betragsmäßig, da die Klage hinsichtlich der Übernahme des Darlehens unbegründet ist. Die Kammer misst dem Anspruch auf Übernahme der vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge jedoch eine größere wirtschaftliche Bedeutung zu, da die Entscheidung auch Auswirkungen auf künftige Bewilligungszeiträume hat. Vor diesem Hintergrund ist die Übernahme von 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte gerechtfertigt.
Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG für beide Beteiligte zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes liegt für die Beteiligten jeweils über 750,00 Euro.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers in voller Höhe.
Der 1965 geborene Kläger war selbständig tätig und ist gemeinsam mit seiner Tochter bei der B Krankenversicherung AG, L, (Krankenversicherung) privat kranken- und pflegeversichert. Am 17.06.2009 beantragte er die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Die monatlichen Kosten für die Krankenversicherung betrugen im Tarif Elementar, der keinen Selbstbehalt vorsieht, für den Kläger 229,74 Euro und für die Pflegepflichtversicherung 24,69 Euro. Zum 30.06.2009 bestand ein Beitragsrückstand des Klägers in Höhe von 2.990,88 Euro. Der monatliche Gesamtbeitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung belief sich somit auf 254,43 Euro. Der monatliche Beitrag des Basistarifs hätte für den Kläger im Jahr 2009 569,63 Euro zuzüglich Pflegeversicherung in Höhe von 24,69 Euro betragen. Mit Bescheiden vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger und seiner Tochter vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 17.06. bis 31.12.2009. In den Leistungen war ein monatlicher Zuschuss nach § 26 SGB II zur Krankenversicherung in Höhe von 124,32 Euro für den Kläger und in Höhe von 113,00 Euro für die Tochter enthalten.
Der Kläger beantragte am 12.10.2009 die Kostenübernahme der Beiträge für die private Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Übernahme der Beitragsrückstände zum 30.06.2009. Die Beklagte, die den Antrag des Klägers als Überprüfungsantrag hinsichtlich der erlassenen Bewilligungsbescheide vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 wertete, lehnte diesen mit Bescheid vom 15.10.2009 ab. Ferner lehnte sie mit einem weiteren Bescheid vom 15.10.2009 auch die Übernahme der Beitragsrückstände zum 30.06.2009 bei der privaten Krankenversicherung ab.
Hiergegen legte der Kläger am 03.11.2009 Widerspruch ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2010 zurück. Zum Inhalt der Begründung wird auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Der Kläger hat am 15.02.2010 Klage erhoben. Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 dahingehend abzuändern, dem Kläger einen monatlichen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegever- sicherung in Höhe von 254,43 Euro unter Anrechnung bereits gezahlter Zu- schüsse für den Zeitraum 17.06. bis 31.12.2009 zu bewilligen sowie ein Darlehen für Beitragsrückstände in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 2.990,88 Euro zu übernehmen.
Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass die gegenwärtige Gesetzeslage in Bezug auf die Sicherstellung des Krankenversicherungsschutzes für Hilfeempfänger, die in der privaten Krankenversicherung versichert seien und nicht in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln könnten, verfassungswidrig sei. Sie sei willkürlich. Im Übrigen sei ihm ein Wechsel in den Basistarif nicht zumutbar, da der derzeitige Tarif "Elementar" günstiger sei. Dies gelte selbst für den hälftigen Basistarif. Schließlich stehe ihm auch ein Anspruch auf ein Darlehen für die Beitragsrückstände zu. Denn ansonsten könne seine Krankenversicherung mit aktuellen Forderungen aufrechnen und der Krankenversicherungsschutz sei nicht gewährleistet. Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Klageschrift vom 13.03.2010 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft die Beklagte im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid.
Der Kläger hat am gleichen Tage einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 29 AS 546/10 ER geführt. Der Kläger hat das Eilverfahren im Rahmen der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, auch die des Eilverfahrens S 29 AS 546/10 ER und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat teilweise Erfolg.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 ist insoweit rechtswidrig, als die Beklagte nicht den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers bewilligt hat. Dagegen ist der Bescheid vom 15.10.2009, mit welchem die Beklagte ein Darlehen für die Beitragsrückstände des Klägers bei der privaten Krankenversicherung zum 30.06.2009 ablehnte, rechtmäßig.
Streitgegenstand ist hier allein die Höhe des Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass die Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Tochter nicht Gegenstand des Verfahrens seien. Dies vor dem Hintergrund, dass der Anspruch auf Übernahme der privaten Krankenversicherungsbeiträge auf maximal die Hälfte des Basistarifes begrenzt ist. Der hälftige Basistarif für die Tochter beträgt 113,09 Euro. Die Beklagte hat für die Tochter jedoch bereits einen Zuschuss in Höhe von 113,00 Euro bewilligt.
Der Kläger hat hinsichtlich der Übernahme der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einen Anspruch auf Änderung der bestandskräftigen Bescheide der Beklagten vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 und Gewährung eines Zuschusses zum Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag für die Zeit vom 17. bis 30.06.2009 in Höhe von 118,73 Euro und für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 in Höhe von monatlich 254,43 Euro.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Zu Unrecht hat die Beklagte mit Bescheiden vom 02.07., 20.07., 05.08. und 11.08.2009 den Zuschuss zur Krankenversicherung auf monatlich 124,32 Euro begrenz und einen Zuschuss zur Pflegeversicherung überhaupt nicht bewilligt. Richtigerweise hätte die Beklagte dem Klägler für die Zeit vom 17. bis 30.06.2009 ein Zuschuss in Höhe von 118,73 Euro Euro und für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 in Höhe von monatlich 254,43 Euro bewilligen müssen.
Zwar ist gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung ab dem 01.01.2009 i.V.m. § 12 Abs. 1 c Satz 5 und 6 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) der Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in der Höhe auf den Betrag beschränkt, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass sich der Anspruch des Klägers in tatsächlicher Höhe der Beiträge aus einer analogen Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II (i. d. F. des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl. I Seite 378 / GKV-WSG) ergibt. Nach dieser Vorschrift wird für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag übernommen.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder versicherungspflichtig noch familienversichert.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V sind Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II beziehen, grundsätzlich in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Hiervon ausgenommen sind allerdings diejenigen, die unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert waren (§ 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V i. d. F. des GKV-WSG); diese Personen sollen ab dem 1.1.2009 dem Kreis der Privatversicherten zugeordnet bleiben ( Just in: Becker/Kingreen , SGB V, § 5 Rdnr. 22; Baier in; SozKV, § 5 SGB V Rdnr. 20). Nur bei Personen, die bereits am 31.12.2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig waren, wird aus Gründen des Vertrauensschutzes die Pflichtversicherung für die Dauer der Hilfebedürftigkeit fortgesetzt (vgl. § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V i. d. F. des GKV-WSG).
Gemessen hieran war der Kläger nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig. Denn unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II, der am 17.06.2009 begann, also erst nach dem 31.12.2008, war er bei der B Krankenversicherung AG privat krankenversichert. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V.
Der Kläger war zwar - entgegen dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II - im streitigen Zeitraum nicht freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, sondern privat krankenversichert; die Kammer hält die Regelung hier aber für analog anwendbar. Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke voraus, zum anderen eine gleichartige Interessenlage. Der lückenhaft geregelte Sachverhalt muss dem geregelten so ähnlich sein, dass der Gesetzgeber ihn, hätte er die Regelungslücke erkannt, in gleicher Weise geregelt hätte (vgl. BSGE 83, 68, 71; 89, 199, 202 f.; 96, 257).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. Hierzu führt das Sozialgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung vom 10.08.2009, Az. S 5 AS 2121/09, aus:
"Eine solche Lücke besteht in erster Linie, wenn das Gesetz - gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers - unvollständig ist. Sie kann aber auch vorliegen, wenn das Gesetz zwar eine nach ihrem Wortlaut anwendbare Regelung enthält, diese aber nach ihrem Sinn und Zweck nicht passt oder sich in dem System, in dem sie enthalten ist, als Fremdkörper erweist. Solche Systemwidrigkeiten können z. B. nachträglich durch Gesetzesänderungen eintreten. Die dadurch entstehende Regelungslücke ist dann durch Übertragung einer für einen anderen Tatbestand vorgesehenen Rechtsfolge zu schließen (BSGE 82, 68, 71 f.).
Im vorliegenden Fall existiert zwar mit § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (i. d. F. des GKV-WSK) eine nach ihrem Wortlaut einschlägige Regelung zur Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung; ihre wortgetreue Anwendung würde aber zu einer systemwidrigen Belastung des Klägers mit einem Teil seiner Beiträge führen:
Nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II sollen Bezieher von Arbeitslosengeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne gegen ihren Willen mit Beiträgen belastet zu sein.
Bis zum 31.12.2008 waren Bezieher von Arbeitslosengeld II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V generell in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Den pflichtversicherten Beziehern von Arbeitslosengeld II stehen die Leistungen nach dem SGB V in vollem Umfang zu, ohne dass sie selbst Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen (BSG, SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 Rdnr. 53). Denn gemäß § 251 Abs. 4 SGB V trägt der Bund deren Beiträge. Bei der Übernahme der Beiträge handelt es sich um eine Annexleistung zu den Leistungen nach dem SGB II ( Knickrehm in: Eicher/Spellbrink , SGB II, 2. Aufl., § 26 Rdnr. 5).
Von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen waren bis zum 31.12.2008 lediglich diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II, die auf ihren Antrag hin, also mit ihrem ausdrücklichen Willen, von der Versicherungspflicht befreit waren (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I Seite 2954). Diese Personen erhielten gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II (i. d. F. des Gesetzes vom 21.3.2005, BGBl I Seite 818) vom zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Zuschuss zu den Beiträgen, die sie für eine private Krankenversicherung zahlten. Zwar war dieser Zuschuss auf die Höhe des Beitrags begrenzt, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen gewesen wäre (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 21.3.2005, BGBl I Seite 818); er deckte also nicht zwingend den gesamten Beitrag für die private Krankenversicherung ab. Dies war aber im Ergebnis unproblematisch. Denn eine etwaige Differenz zwischen dem Zuschuss und dem Beitrag basierte stets auf der eigenen willentlichen Entscheidung des Hilfebedürftigen, sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreien zu lassen. Praktisch dürften von der Möglichkeit einer Befreiung nur diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II Gebrauch gemacht haben, deren Beitrag für die private Krankenversicherung unter oder jedenfalls nur geringfügig über der Grenze des § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II lag.
Seit dem 1.1.2009 sind nun gemäß § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V bestimmte Bezieher von Arbeitslosengeld II von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob dies ihrem Willen entspricht. Betroffen ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 und 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Nach der Begründung des Gesetzgebers handelt es sich bei dieser Regelung um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen: da die privaten Krankenversicherungen künftig einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen anbieten müssten, die privat krankenversichert sind oder sein können, erscheine es nicht länger erforderlich, diese Bezieher von Arbeitslosengeld II in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen (BT-Drucks. 16/3100 Seite 94 f. - zu § 5 SGB V). Der Gesetzesbegründung ist indes kein Hinweis darauf zu entnehmen, der Gesetzgeber habe - abweichend von der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage - privat krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II nun gegen ihren Willen mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert werden (BT-Drucks. 16/3100 Seite 207- zu § 12 VAG). Dies erschien dem Gesetzgeber offenbar in der Annahme der "Bezahlbarkeit des Basistarifs" (BT-Drucks., a. a. O.,) gewährleistet. Der in § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II neu geregelten Verweisung auf § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG maß der Gesetzgeber anscheinend keine materiell-begrenzende, sondern nur eine formal-technische Bedeutung bei. Denn er rechtfertigt sie allein mit "Gründen der Rechtsklarheit und Anwenderfreundlichkeit" (BT-Drucks. 16/4247 Seite 60 - zu § 26 SGB II).
Vor diesem Hintergrund entspricht es weiterhin der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, für Bezieher von Arbeitslosegeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten, ohne sie gegen ihren Willen mit Beiträgen zu belasten."
Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an und macht sie sich nach Prüfung zu eigen.
Entgegen anders lautender Auffassungen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, Az. L 15 AS 1048/09 B ER; SG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.11.2009, Az.: S 37 AS 31127/09; Brünner, in: LPK-SGB II, 3. Auflage, 2009, § 26 Rn. 23) hält die Kammer eine planwidrige Regelungslücke für gegeben. Soweit diese Ansichten im Wesentlichen darauf abstellen, dass aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich sei, dass dem Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes diese Problematik tatsächlich bewusst war, kann dem nicht gefolgt werden. Die aufgeführten Materialien, etwa ein Schreiben des BMAS vom 04.08.2008 (erwähnt im Beschluss des LSG NRW vom 16.10.2009, Az. L 20 B 56/09 SO ER) oder ein BT-Plenarprotokoll der 230. Sitzung vom 02.07.2009 zu Tagesordnungspunkt 45, 25925, stammen diese sämtlich aus der Zeit nach Erlass des Gesetzes im Jahr 2007. Dass der Gesetzgeber nach Erlass des Gesetzes über diese Problematik diskutiert und keine Einigung gefunden hat, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass dieses Problem dem Gesetzgeber bereits bei Erlass bewußt war.
Dies ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat zum einen den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr für notwendig gehalten, jedoch zum anderen durch die Neuregelung des Zuschusses eine Bedarfsunterdeckung verursacht. In der Bundestagsdrucksache 16/4247 Seite 60 wird ausgeführt, dass der neue Absatz 2 des § 26 SGB II die Krankenversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II das Sozialgeld betreffe, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Soweit diese Personen für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert seien, enthalte § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG die Verpflichtung des Trägers nach dem Zweiten Buch, sich an den Aufwendungen im dort geregelten Umfang zu beteiligen. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Anwenderfreundlichkeit verweise Nr. 1 auf diese Regelung. Aus der Gesetzesbegründung der Neuregelungen des § 12 Abs. 1c VAG geht bezüglich der Sätze 5 und 6 lediglich hervor, dass Satz 6 klarstellen solle, dass die Halbierung des Beitrags im Basistarif bei Entstehen oder Vorliegen von Hilfebedürftigkeit greife. Es bleibe bei der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der vorgesehenen Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/4247 Seite 69). Der Gesetzesbegründung ist mit keinem Wort zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber die Folgen des Ausschlusses der Privatversicherten aus der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Arbeitslosengeld II-Bezug und die Neuregelung des § 26 Abs. 2 SGB II mit der Beschränkung des Zuschusses auf den Beitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung vor Augen stand. Nach Auswertung der Gesetzesmaterialien ist vielmehr anzunehmen, dass die Bedarfsunterdeckung im Falle einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung gesetzgeberisch nicht willentlich in Kauf genommen wurde und daher ein gesetzgeberisches Versehen darstellt. Im Ergebnis ist die Regelung in dieser Gestalt verfassungsrechtlich bedenklich, da zum verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums auch ein ausreichender Schutz für den Fall der Krankheit und Pflege gehört (a.A. SG Berlin-Brandenburg a.a.O.)
Für diese Sichtweise spricht auch der Zweck und die systematische Stellung des § 12 VAG. Das VAG regelt die staatliche Aufsicht über private Versicherungsunternehmen. Es regelt insbesondere die Gründung, Rechtsnatur, Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen und die Befugnisse der Aufsichtsbehörde. In § 12 VAG wird den Versicherungsunternehmen das Recht zum Angebot einer substitutiven Krankenversicherung eingeräumt, dessen nähere Ausgestaltung im VVG geregelt ist. Im Rahmen der substitutiven Krankenversicherung besteht nunmehr die Verpflichtung der Versicherungsunternehmen zum Angebot von Basistarifen. § 12 VAG regelt somit das Verhältnis zwischen privater Krankenversicherung und (potentiellen) Versicherungsnehmern. Normzweck des VAG ist es nicht, das Rechtsverhältnis zwischen Beziehern von Sozialleistungen und den Sozialleistungsbehörden zu regeln. Dies ist Aufgabe des SGB II bzw. SGB XII (vgl. SG Freiburg, Beschluss vom 11.05.2009, Az.: S 12 SO 1917/09 ER sowie den nachfolgenden Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30.06.2009, Az.: L 2 SO 2529/09 ER B). Diese Argumentation trifft nach Auffassung der Kammer nicht nur für den Bereich der Sozialhilfe zu, wo die Regelungen des SGB XII keine direkte Anknüpfung an § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG vorsehen, sondern ist auch im Rahmen der Anwendung des § 26 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs. 1c VAG zu beachten. So geht aus der Gesetzesbegründung hervor, dass der Verweis auf § 12 VAG lediglich der Anwenderfreundlichkeit und Rechtsklarheit dienen soll. Eine Aufklärung des Wertungswiderspruchs, dass einerseits mit der Einführung des Basistarifs ein Versicherungsbedarf geschaffen wird, um der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht Rechnung zu tragen, aber andererseits dessen Kosten vom Grundsicherungsträger nicht übernommen werden (vgl. SG Freiburg a.a.O.) folgt hieraus nicht.
Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII oder § 73 SGB XII zu. Eine Deckung der fehlenden Beiträge über § 32 Abs. 5 SGB XII scheitert daran, dass diese Vorschrift gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II für Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht anwendbar ist. Auch § 73 SGB XII ist nicht einschlägig, da dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine besondere atypische Bedarfslage liegt nicht vor, da diese bereits durch eine andere - zwar nicht anwendbare - Vorschrift des SGB XII, nämlich § 32 Abs. 5 SGB XII, erfasst ist.
Ferner stand dem Kläger auch keine zumutbare Möglichkeit zur Verfügung, die Lücke zwischen der Höhe seines Versicherungsbeitrages und des Zuschusses der Beklagten selbst zu schließen. Zwar ist der Kläger nicht in den Basistarif gewechselt. Der vom Kläger gewählte Kranken- und Pflegeversicherungstarif ist mit 254,93 Euro günstiger als der um die Hälfte ermäßigte Basistarif (569,63 Euro hiervon die Hälfte 284,97 Euro) zuzüglich des Pflegeversicherungsbeitrags in Höhe von 24,69 Euro, insgesamt 309,57 Euro.
Schließlich konnte der Kläger, den ungedeckten Teil seines Beitrages zur Versicherung nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II vom Einkommen absetzen. Denn im streitigen Zeitraum verfügte der Kläger über kein Einkommen.
Der monatliche Krankenversicherungsbeitrag des Klägers betrug 229,74 Euro. Der Beitrag zur Pflegeversicherung betrug 24,69 Euro. Ausgehend von der Verpflichtung der Beklagten, diese Beiträge in vollem Umfang zu übernehmen, konnte der Kläger somit (neben seiner Regelleistung) für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 monatlich 254,43 Euro beanspruchen. Für die Zeit vom 17. bis 30.06.2009 belief sich der Anspruch anteilig auf 118,73 Euro (14/30 von 254,43 Euro).
Bewilligt hat die Beklagte demgegenüber (neben der Regelleistung) für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 monatlich nur 124,32 Euro Krankenversicherung. Hieraus folgt ein restlicher Anspruch des Klägers für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 in Höhe von monatlich 130,11 Euro. Für die Zeit vom 17. bis 30.06.2009 ist für die Kammer nicht erkennbar, in welcher Höhe die Beklagte tatsächlich ein Zuschuss bewilligt worden ist. Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, den Differenzbetrag zu 118,73 Euro an den Kläger auszuzahlen.
Der Kläger hat dagegen keinen Anspruch auf Übernahme eines Darlehens für die zum 30.06.2009 aufgelaufenen Beitragsrückstände in Höhe von 2.990,88 Euro bei der privaten Krankenversicherung. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09 u.a.). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil eine Härtefallregelung insofern angeordnet, dass Leistungen wegen eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken ist, bejaht. Bei dem vom Kläger beantragten Darlehen dürfte es sich bereits nicht um einen laufenden Bedarf handeln. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24.03.2010, Az.: 1 BvR 395/09, entschieden, dass diese Härtefallregelung nur für die Zeit ab Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 09.02.2010 in Betracht kommt. Eine rückwirkende Geltung der Übergangsregelung hätte das Bundesverfassungsgericht ebenso wie eine entsprechende Pflicht des Gesetzgebers, auch für zurückliegende Leistungszeiträume eine Öffnungsklausel zu schaffen, ausdrücklich anordnen müssen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht getan.
Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass eine Aufrechnung des Krankenversicherungsunternehmens mit Versicherungsleistungsansprüchen des Klägers nicht möglich sein dürfte. Denn die Rechtsfolgen eines Zahlungsverzuges sind für die Basistarifversicherten abschließend in § 193 Abs. 6 VVG geregelt. Eine Aufrechnung nach § 394 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch bzw. § 35 VVG ist hierbei ausgeschlossen, da ansonsten der gesetzlich verfolgte Zweck einer Vermeidung des Ausschlusses vom Versicherungsschutz aufgrund Hilfebedürftigkeit gerade vereitelt würde (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 16.10.2009, L 20 B 56/09 SO-ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.03.2010, Az.: L 13 AS 919/10 ER-B)
Hierfür spricht auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.06.2009, Az.: 1 BvR 706/08 u.a. Die Verfassungsbeschwerdeführer gingen davon aus, dass das Verbot jeder Kündigung und die Pflicht zur Notversorgung trotz Nichtzahlung von Beiträgen verfassungswidrig sei, was nahelegt, dass sie selbst eine Aufrechnung für unzulässig hielten. Der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. hat ebenfalls empfohlen, von Aufrechnungen abzusehen. § 193 Abs. 6 VVG bestimmt unter den näheren Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 der Vorschrift bei der privaten Krankenversicherung (anstelle einer Aufrechnungsmöglichkeit) ein Ruhen von Leistungsansprüchen bei Verzug des Versicherten mit der Prämienzahlung. Das Ruhen endet nach Satz 5 der Vorschrift, wenn alle rückständigen und die Zeit des Ruhens entfallenen Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder des SGB XII wird. Dies muss erst Recht gelten, wenn der Versicherte bereits hilfebedürftig ist; ansonsten würde der gesetzlich verfolgte Zweck einer Vermeidung des Ausschlusses vom Versicherungsschutz allein aufgrund von Hilfebedürftigkeit vereitelt. Das gesetzliche Ziel, für jedermann entweder gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten, würde verfehlt, wenn neben dem Eintritt eines Ruhens nach Maßgabe des § 193 Abs. 6 VVG zusätzlich eine Aufrechnungsmöglichkeit des Versicherers nach § 35 VVG bestünde. Denn eine Aufrechnung durch den Versicherer hätte trotz formal weiter bestehender Versicherung einen faktischen Leistungsausschluss des Hilfebedürftigen von der Gewährleistung einer Krankenversicherung zur Folge. Diese Überlegungen dürften auch auf den Kläger übertragbar sein, obwohl dieser nicht im Basistarif versichert ist. Denn § 193 Abs. 6 VVG bezieht sich seinem Wortlaut des Satzes 1 nach auf eine der Pflicht nach Abs. 3 genügenden Versicherung und damit nicht allein auf den Basistarif, wie dies lediglich in Abs. 7 zum Ausdruck gebracht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Zwar unterliegt der Kläger betragsmäßig, da die Klage hinsichtlich der Übernahme des Darlehens unbegründet ist. Die Kammer misst dem Anspruch auf Übernahme der vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge jedoch eine größere wirtschaftliche Bedeutung zu, da die Entscheidung auch Auswirkungen auf künftige Bewilligungszeiträume hat. Vor diesem Hintergrund ist die Übernahme von 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte gerechtfertigt.
Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG für beide Beteiligte zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes liegt für die Beteiligten jeweils über 750,00 Euro.
Rechtskraft
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