L 14 R 511/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 72/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 511/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 136/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird der Antrag auf Regelaltersrente abgelehnt, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt ist, liegt in dem daraufhin gestellten Antrag auf Beitragserstattung kein fristwahrender Widerspruch gegen die Ablehnung des Rentenantrags.
2. Der Versicherte ist durch ein von ihm beantragtes Erstattungsverfahren nicht i.S.d. § 67 Abs. 1 SGG ohne Verschulden gehindert, gegen die Ablehnung des Rentenantrags fristwahrend Widerspruch einzulegen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 15. April 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente.

Der 1934 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Marokko. Er hat in Deutschland zwischen Oktober 1962 und Mai 1965 mit Unterbrechungen insgesamt 27 Kalendermonate Pflichtbeitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt (Versicherungskarte Nr. 1 im Original). In Marokko hat der Kläger keine Versicherungszeiten zurückgelegt. Vom 17. Mai 1965 bis 14. Oktober 1966 erbrachte der damals zuständige Rentenversicherungsträger, die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (jetzt Deutsche Rentenversicherung -DRV - Rheinprovinz), dem Kläger Leistungen zur Rehabilitation nach § 1235 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung - RVO - (Bescheinigung vom 29. März 1968 im Original).

Am 19. Oktober 2006 beantragte der Kläger über seinen heimischen Versicherungsträgern sowie am 20. Oktober 2006 (Eingang) direkt bei der Beklagten eine Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren (60 Kalendermonaten) für eine Regelaltersrente nicht erfüllt sei. Beim Kläger lägen nur 27 Monate Wartezeit vor (Bescheid vom 16. Januar 2007). Der Kläger hat dagegen keinen Widerspruch erhoben.

Am 6. März 2007 (Eingang) beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage des Bescheides vom 16. Januar 2007, ihm seine Versicherungsbeiträge zu erstatten. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass Versicherten, die eine Sach- oder Geldleistung in Anspruch genommen haben, nur die später gezahlten Beiträge erstattet würden. Die DRV Rheinprovinz habe dem Kläger laut Bescheinigung vom 29. März 1968 medizinische Leistungen zur Rehabilitation gewährt. Danach seien keine Beiträge mehr entrichtet worden (Bescheid vom 22. März 2007). Der dagegen ohne nähere Begründung erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2007).

Am 28. Januar 2008 (Eingang bei Gericht) hat der Kläger beim Sozialgericht Augsburg (SG) unter Vorlage des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 Klage erhoben und beantragt, ihm aufgrund der in Deutschland ausgeübten Beschäftigung eine Altersrente zu gewähren. Auf Nachfrage des SG, ob eine Altersrente oder eine Beitragserstattung begehrt werde, und den nicht näher begründeten Hinweis, dass für die Klage keine Erfolgsaussicht erkennbar sei, hat der Kläger mitgeteilt, er bitte um eine Entscheidung über sein Recht auf Altersrente.

Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2009 abgewiesen. Es ist dabei davon ausgegangen, dass sich die Klage sowohl gegen den Bescheid vom 16. Januar 2007 (Ablehnung des Antrags auf Regelaltersrente) als auch gegen den Bescheid vom 22. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2007 (Ablehnung des Antrags auf Beitragserstattung) richtet und der Kläger neben einer Altersrente hilfsweise die Erstattung der Arbeitnehmeranteile der für ihn zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge beantragt.

Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Klage auf Altersrente sei unzulässig, weil der Bescheid vom 16. Januar 2007 bereits bestandskräftig sei. Das am
6. März 2007 bei der Beklagten eingegangene Schreiben des Klägers sei kein Widerspruch gegen die Ablehnung der Regelaltersrente, weil der Kläger darin ausdrücklich eine Beitragserstattung beantragt habe. Auch sei die Klage nicht innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben worden und es seien keine Gründe für eine Wiedereinsetzung (§ 67 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) vorgetragen worden oder ersichtlich.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Beitragserstattung nach § 210 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil gemäß § 210 Abs. 5 SGB VI Versicherte, die eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen hätten, nur die Erstattung später gezahlter Beiträge verlangen könnten, der Kläger nach Abschluss der von Mai 1965 bis Oktober 1966 erbrachten Leistungen zur Rehabilitation jedoch keine (erstattungsfähigen) Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung mehr entrichtet habe.

Dagegen hat der Kläger am 15. Juni 2009 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und eine erneute Entscheidung über sein Recht auf Altersrente beantragt.

Er beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 15. April 2009 und den Bescheid vom Bescheid vom 16. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 105 Abs. 2 S. 1, 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren nur die Verurteilung der Beklagten zur Leistung einer Regelaltersrente aus den für ihn zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträgen. Zwar hat der Kläger bei Klageerhebung den Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2007 vorgelegt, mit dem die Beklagte unter Hinweis auf
§ 210 Abs. 5 SGB VI eine Beitragserstattung abgelehnt hat. Auch hat das SG über beide Ansprüche (Regelaltersrente und Beitragserstattung) entschieden, obwohl der Kläger auf ausdrückliche Nachfrage des SG mitgeteilt hatte, er wolle eine Entscheidung über sein Recht auf Altersrente. Nachdem der Kläger bei der Beklagten zunächst Regelaltersrente und nach Ablehnung der Regelaltersrente aus eigener Initiative eine Beitragserstattung beantragt hat, geht der Senat aber davon aus, dass der Kläger bereits im Klageverfahren bewusst nicht die von der Beklagten zu Recht abgelehnte Erstattung von Beiträgen, sondern nur die Zahlung einer Regelaltersrente begehrt hat und auch im Berufungsverfahren nur diesen Anspruch verfolgen will. Ob das SG danach zu Unrecht auch über einen Anspruch auf Beitragserstattung entschieden hat, kann dahinstehen, da der Kläger insoweit keine Berufung eingelegt hat.

Das SG hat die auf Zahlung einer Regelaltersrente gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. April 2009 zu Recht als unzulässig verworfen, weil der Kläger gegen den Bescheid vom 16. Januar 2006, mit dem die Beklagte einen Anspruch auf Regelaltersrente abgelehnt hat, keinen Widerspruch eingelegt hat und es somit für die gegen diesen Bescheid gerichtete (kombinierte) Anfechtungs- (und Leistungs-) klage bereits am erforderlichen Vorverfahren mangelt (§ 78 Abs. 1 SGG). Das Schreiben vom 6. März 2007 ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht als Widerspruch gegen die Rentenablehnung auszulegen, weil der Kläger in diesem Schreiben ausdrücklich eine Beitragserstattung beantragt hat. Sein Schreiben enthält keinen Hinweis darauf, dass er zumindest hilfsweise Widerspruch gegen die Ablehnung seines Antrags auf Altersrente erheben wollte. Der Antrag auf Beitragserstattung stellt sich vielmehr als konsequente Reaktion auf die Mitteilung der Beklagten dar, dass mit den bisher vorliegenden Versicherungszeiten die allgemeine Wartezeit in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllt ist. Der Kläger konnte somit davon ausgehen, dass er aus diesen Beiträgen auch zukünftig keine Rentenleistungen mehr erhalten würde und die Beitragserstattung eine Möglichkeit wäre, noch wirtschaftlichen Nutzen aus den bereits geleisteten Beiträgen zu ziehen. Dass sein Antrag auf Beitragserstattung erfolglos geblieben ist, weil er aufgrund seiner Beiträge bereits 1965/66 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten hat, begründet weder hinsichtlich der Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG) noch hinsichtlich der ebenfalls versäumten Klagefrist (§ 87 Abs. 1 S. 1 und 2 SGG) einen Anspruch auf - vom Kläger auch nicht beantragte - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs. 1 SGG). Der Kläger war durch das von ihm selbst ohne Anregung der Beklagten beantragte Erstattungsverfahren weder rechtlich noch tatsächlich gehindert, gegen den eine Regelaltersrente ablehnenden Bescheid vom 16. Januar 2006 fristgerecht Widerspruch einzulegen oder Klage zu erheben.

Die Klage hätte aber auch dann, wenn sie zulässig wäre, keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Regelaltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, weil er die hierfür erforderliche Wartezeit nicht erfüllt.

Gemäß § 35 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat ein Versicherter Anspruch auf Altersrente, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
SGB VI) werden (nur) Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet (§ 51 Abs. 1
SGB VI). Beim Kläger liegen jedoch in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nur 27 Monate anrechenbare Beitragszeiten vor. In Marokko hat der Kläger keine Versicherungszeiten zurückgelegt, die nach dem deutsch-marokkanischen Abkommen über soziale Sicherheit vom 18. April 1986 (BGBl. II 1968 S. 522) auf die Wartezeit angerechnet werden könnten. Solche Versicherungszeiten sind weder vom Kläger behauptet noch vom marokkanischen Versicherungsträger mitgeteilt worden.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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