Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 23 U 177/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 13/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens, ob dem Kläger wegen einer anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Lärmschwerhörigkeit – (BK 2301) von August 2001 an eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.
Bei dem am ... 1943 geborenen Kläger ist bei einem Ende seiner Beschäftigung zum 5. Februar 2001 und dem 26. September 2000 als letztem Tag einer beruflichen Lärmexposition eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits als BK 2301 bestandskräftig anerkannt (Bescheid vom 16. August 2001 und Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001). Einen Anspruch auf Verletztenrente wegen dieser BK hatte die Bergbau-Berufsgenossenschaft (Rechtsvorgängerin der Beklagten, nachfolgend einheitlich als Beklagte bezeichnet) mangels rentenberechtigender MdE abgelehnt.
Grundlagen dieser Entscheidung waren u.a. das Tonaudiogramm der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. B. vom 10. Januar 2001 sowie die von dem HNO-Arzt Dr. E. im Rahmen seiner am 17. Juli 2001 durchgeführten gutachtlichen Untersuchung des Klägers erhobenen Befunde: Aus dem Tonaudiogramm vom 10. Januar 2001 gingen bei 1 kHz für das rechte Ohr ein Hörverlust bei 25 dB (links 20 dB) und bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 135 dB (links 132 dB) hervor. Dr. E. hatte im Tonschwellenaudiogramm bei 1 kHz für das rechte Ohr einen Hörverlust bei 10 dB (links 5 dB) und bei 2 und 3 kHz einen solchen von zusammen 100 dB (links ebenfalls 100 dB) dokumentiert, hieraus – entsprechend der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 – einen prozentualen Hörverlust von jeweils 15 abgeleitet und daraus (unter Anwendung der Tabelle nach Feldmann 1995) eine MdE um 0 vH gebildet. Im Sprachaudiogramm vom 17. Juli 2001 hatte der Sachverständige für das rechte Ohr einen Hörverlust für Zahlenwörter bei 15 dB (links bei 16 dB), eine Verständnisquote für Einsilber von jeweils 60 % bei 60 dB, 100 % bei 80 dB und 100 % bei 100 dB festgehalten, hieraus ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von jeweils 240 gebildet (60 x 3 + 100 x 2 + 100 x 1 geteilt durch 2), daraus – entsprechend der Tabelle nach Boenninghaus und Röser 1973 – beidseitige Hörverluste von jeweils 10 % entnommen sowie im Ergebnis (wiederum aus der Tabelle nach Feldmann 1995) eine MdE um 0 vH abgeleitet. Mit Schreiben vom 11. bzw. 22. November 2002 beantragte der Kläger die Überprüfung der Entscheidung der Beklagten im Hinblick auf einen Rentenanspruch.
In einem Schreiben an den Kläger vom 23. Dezember 2002 führte Dr. B. aus, nach den erhobenen Audiometriewerten ergebe sich ein Hörverlust für das rechte Ohr von 53 % und für das linke Ohr von 48 %, woraus eine MdE um 35 vH resultiere. Zuzüglich einer MdE um 10 vH für den Tinnitus sei die Gesamt-MdE um 45 vH einzuschätzen. Im Hinblick hierauf stellte der Kläger bei der Beklagten unter dem 29. Januar 2003 auch einen Antrag auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung seiner Hörverluste.
Mit Bescheid vom 10. März 2003 lehnte die Beklagte eine Abänderung des Bescheides vom 16. August 2001 ab. Eine Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers nach Beendigung der belastenden Tätigkeit könne dieser nicht mehr angelastet werden. Die Hörsituation zum Ende der Lärmbelastung sei durch das Audiogramm von Januar 2001 sowie die von Dr. E. dokumentierten Befunde hinreichend belegt. Hieraus ergebe sich keine rentenberechtigende MdE. Insgesamt sei damit weder zu erkennen, dass von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch das Recht fehlerhaft angewandt worden sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 28. März 2003 Widerspruch und berief sich auf die Einschätzung Dr. B.s. Seinen Neufeststellungsantrag nahm er zurück.
Die Beklagte zog von Dr. B. die am 21. November 2002 erstellten Ton- und Sprachaudiogramme bei. Aus dem Tonaudiogramm gingen bei 1 kHz für beide Ohren Hörverluste bei jeweils 15 dB und bei 2 und 3 kHz für das rechte Ohr von addiert 115 dB und links 135 dB hervor. Nach dem Sprachaudiogramm lag der Hörverlust für Zahlen rechts und links bei jeweils 40 dB, betrug die Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB 0 %, bei 80 dB 55 % und bei 100 dB 90 % für das rechte bzw. entsprechend 0 %, 45 % sowie 75 % für das linke Ohr.
Von Prof. Dr. B. (ehemaliger Chefarzt der HNO-Klinik des Krankenhauses H. K.) ließ sich die Beklagte ärztlich beraten. In seiner Stellungnahme vom 13. Juli 2003 legte dieser dar, dass sich aus dem Tonaudiogramm vom 21. November 2002 ein Hörverlust rechts von 20 % und links von 30 % ableite, woraus sich nach der einschlägigen Tabelle eine MdE um 10 vH ergebe. Nach dem Sprachaudiogramm vom selben Tag sei das (einfache) Gesamtwortverstehen rechts auf einen Wert von (addiert) 145 (0 + 55 + 90) und links auf einen solchen von 120 (0 + 45 + 75) reduziert, so dass ein Hörverlust rechts von 50 % und links von 60 % resultieren würde. Bei derartigen Werten läge eine mittelgradige Schwerhörigkeit mit einer MdE um 30 vH vor. Die beiden Audiogramme seien jedoch nicht in Übereinstimmung zu bringen. Wenn aus dem Tonaudiogramm eine geringgradige Schwerhörigkeit folge, könne nicht gleichzeitig im Sprachaudiogramm eine mittelgradige Schwerhörigkeit bestehen. Überdies widerspreche das Sprachaudiogramm demjenigen vom 17. Juli 2001.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die nochmalige Prüfung habe ergeben, dass Dr. E. die von ihm am 17. Juli 2001 erhobenen Befunde korrekt ausgewertet habe. Aus den Werten des Tonaudiogramms vom 21. November 2002 seien zwar etwas höhere Hörverluste zu ersehen. Auch aus ihnen ergebe sich jedoch nur eine MdE um 10 vH. Die diesem Audiogramm sowie den am 17. Juli 2001 gemessenen Befunden widersprechenden Werte des Sprachaudiogramms vom 21. November 2002, die mehr als zwei Jahre nach Beendigung der Lärmexposition erhoben worden seien, könnten für die Bewertung dagegen nicht herangezogen werden. Im Ergebnis zeige sich damit keine neue Sachlage, die eine andere Entscheidung rechtfertige. Auch Hinweise auf eine unrichtige Rechtsanwendung seien nicht ersichtlich.
Hiergegen hat der Kläger am 23. September 2003 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben. Das SG hat von Dr. B. den Befundbericht vom 26. Februar 2005 eingeholt, die darin einen letztmaligen Besuch des Kläger am 28. Januar 2003 mitgeteilt und eingeschätzt hat, Fehlangaben des Klägers im Sinne einer Aggravation seien möglich; eine erneute Messung der Hörverluste sei empfehlenswert. Diese hat Dr. B. dann am 15. August 2005 durchgeführt, die hierzu erstellten Audiogramme vorgelegt und angegeben, beim Kläger lägen keine Sprachverständlichkeits- bzw. Sprachverständnisprobleme vor. Seine Alltagskommunikation sei gesichert; im Übrigen sei er mit Hörgeräten versorgt. Im Tonaudiogramm hat sie bei 1 kHz einen Hörverlust bei 30 dB sowie bei 2 und 3 kHz einen solchen von zusammen 140 dB für das rechte Ohr und von 30 dB bzw. 160 dB für das linke Ohr vermerkt. Nach diesen Werten errechne sich nach der Tabelle von Feldmann und Röser ein Hörverlust rechts von 45 % und links von 50 %, was einer MdE um 30 vH entspreche und damit zuzüglich des Tinnitus eine Gesamt-MdE um 40 vH bedinge. Aus dem Sprachaudiogramm ist für Zahlenwörter beiderseits ein Hörverlust bei 15 dB sowie eine Verständnisquote bei 60 dB von 75 %, bei 80 dB von 95 % und bei 100 dB von 95 % rechts sowie bei 60 dB von 65 %, bei 80 dB von 70 % und bei 100 dB von 90 % links ersichtlich. Damit folge aus dem Sprachaudiogramm nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser ein Hörverlust von 0 % rechts und 20 % links, so dass die MdE bei 10 vH liege. Werde zusätzlich eine MdE für den Tinnitus um 10 vH hinzuaddiert, sei eine Gesamt-MdE um 20 vH einzuschätzen.
Die Beklagte hat hierzu die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. B. vom 20. September 2005 vorgelegt. Dieser hat dargelegt, dass sich aus dem Sprachaudiogramm vom 15. August 2005 entgegen der Bewertung von Dr. B. nur eine MdE unter 10 vH errechne. Zudem sei unverständlich, weshalb für Ohrgeräusche, die nach den Mitteilungen im Gutachten von Dr. E. nur zeitweise auftreten würden, eine zusätzliche MdE veranschlagt werde. Überdies widerspreche die Addition der MdE den einschlägigen Vorgaben. Die im Tonaudiogramm verzeichneten zusätzlichen Hörverluste im Tieftonbereich seien wahrscheinlich messtechnisch bedingt. Darauf deute schon der im Sprachaudiogramm bei 15 dB verzeichnete Hörverlust für Zahlenwörter hin. Bei einem solchen Wert könne nämlich keine erhebliche Hörminderung im Tieftonbereich des Tonaudiogramms bestehen. Selbst wenn sich jedoch eine Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers erweisen sollte, könne diese nicht mehr der BK zugerechnet werden. Denn eine Lärmschwerhörigkeit nehme nach Beendigung der beruflichen Belastung nicht weiter zu. Eine solche Verschlechterung stelle dann einen expositionsunabhängigen Nachschaden dar.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Bescheide der Beklagten seien nicht zu beanstanden, da die beim Kläger anerkannte BK keine MdE um mindestens 20 vH bedinge. Die Richtigkeit des Tonaudiogramms vom 10. Januar 2001 sei zweifelhaft, weil sich aus demjenigen vom 21. November 2002 ein besseres Hörvermögen mit einer MdE um 10 vH anstatt um zuvor 15 vH errechne. Demgegenüber stimmten die Ton- und Sprachaudiogramme vom 17. Juli 2001 überein und sei die Einschätzung von Dr. E. schlüssig. Aus den von ihm erhobenen Befunden errechne sich eine MdE um jeweils 0 vH. Für die Richtigkeit der Bewertungen des Gutachters spreche auch das Sprachaudiogramm vom 15. August 2005, aus dem sich ein gewichtetes Gesamtwortverstehen rechts von 255 sowie links von 212,5 und damit im Ergebnis für das rechte Ohr ein Hörverlust von 10 % und für das linke Ohr von 20 % ergebe. Diese Hörverluste bedingten eine MdE um 10 vH, womit die aus dem Sprachaudiogramm vom 21. November 2002 ableitbare MdE um 30 vH widerlegt sei. Die MdE um 10 vH sei auch nicht wegen der Ohrgeräusche zu erhöhen. Insoweit sei den Darlegungen von Prof. Dr. B. zu folgen. Abgesehen davon sei der Tinnitus im Anerkennungsbescheid der Beklagten nicht aufgeführt.
Gegen das am 2. Januar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Januar 2006 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und sich nochmals gegen das Gutachten von Dr. E. gewandt, der ihn im Jahre 1996 auch schon wegen Tinnitus behandelt habe. Ergänzend hat er den Brief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. W. vom 10. Mai 2006 vorgelegt, in dem auf Berichte von Mai 1995 und April 2000 Bezug genommen und u.a. ein Tinnitus diagnostiziert wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 16. August 2001 abzuändern und dem Kläger vom 1. August 2001 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem Urteil des SG an.
Der Senat hat von Dr. B. den Befundbericht vom 13. Dezember 2006 eingeholt, die das Tonaudiogramm vom 12. Februar 2006 beigefügt hat. Aus diesem ist bei 1 kHz ein Hörverlust bei 10 dB rechts (links 20 dB) und bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen jeweils 130 dB zu entnehmen.
Ferner hat der Senat den Chefarzt der HNO-Klinik des Klinikums St. G. L. Privatdozent (PD) Dr. M. das Gutachten vom 21. August 2007 nach ambulanter Untersuchung am 17. Juli 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 23. Januar 2008 erstellen lassen. Gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger seine Ohrgeräusche als manchmal besonders lautes Pfeifen und Zischen beschrieben. Gegenwärtig liege kein Tinnitus vor. PD Dr. M. hat eine symmetrische Hochtonschwerhörigkeit beiderseits diagnostiziert. Aus dem Verlauf der Audiogramme sei mit Ausnahme der Befunde vom 21. November 2002, die weder untereinander und bezüglich des Sprachaudiogramms noch in Relation zu den übrigen Vergleichsmessungen plausibel seien, ein geringes Fortschreiten der Hörminderung des Klägers zu ersehen. Diese Verschlimmerung stelle einen Nachschaden dar. Die zeitweise auftretenden Ohrgeräusche begründeten keinen hohen MdE-Zuschlag, zumal die Gesamt-MdE insoweit integrativ zu bilden sei. Aus dem vom Sachverständigen erstellten Tonaudiogramm geht bei 1 kHz ein Hörverlust bei 15 dB sowie bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 135 dB für das rechte Ohr und bei 10 dB bzw. 140 dB für das linke Ohr hervor. Im Sprachaudiogramm hat er einen Hörverlust für Zahlen rechts bei 18 dB und links bei 17 dB, eine Verständnisquote bei 60 dB von 45 %, bei 90 dB von 90 % und bei 100 dB von 95 % für das rechte bzw. entsprechend 45 %, 85 % sowie 75 % für das linke Ohr dokumentiert, daraus ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 205 rechts (3 x 45 + 2 x 90 + 1 x 95 geteilt durch 2) bzw. entsprechend 190 links gebildet und (nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973) Hörverluste für das rechte Ohr von 20 % und für das linke Ohr von 30 % ermittelt.
Schließlich hat der Kläger dem Senat das von dem Chefarzt der HNO-Klinik des Klinikums H. Prof. Dr. B. am 5. Dezember 2007 erhobene Tonaudiogramm überlassen, aus dem sich nach dessen Bewertung eine MdE um ca. 30 vH ableite. Im Audiogramm ist bei 1 kHz ein Hörverlust bei jeweils 20 dB und bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 130 dB für das rechte und 135 dB für das linke Ohr festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte darin zutreffend die (teilweise) Rücknahme ihres Bescheides vom 16. August 2001 abgelehnt hat.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn die Beklagte ist beim Erlass des Bescheides vom 16. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2001 weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Der Kläger hat wegen der bei ihm anerkannten BK 2301 keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente.
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vH gemindert ist. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die Höhe der MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft. Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und sind die Basis für den Vorschlag, den der medizinische Sachverständige dem Gericht zur Höhe der MdE unterbreitet (siehe nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. Mai 2001 – B 2 U 24/00 R – SozR 3-2200 § 581 RVO Nr. 8; Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – Breithaupt 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Bezogen auf eine berufliche Hörminderung sind bei der MdE-Bewertung die Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit (Königsteiner Merkblatt, 4. Aufl. 1995, abgedruckt bei Mehrtens/B., Die Berufskrankheitenverordnung, Stand November 2008, M 2301, S. 6b ff.) maßgeblich, die den derzeitigen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 6/04 R – SozR 4-2700 § 9 Nr. 5; Mehrtens/B., a.a.O., M 2301, Rn. 6.1, S. 35).
Dies zugrunde gelegt erreicht der Kläger durch seine Lärmschwerhörigkeit keine MdE um wenigstens 20 vH. Der Senat folgt dabei den Ausführungen von Dr. E., Prof. Dr. B. und PD Dr. M., deren Bewertungen der vorliegenden Befunde nachvollziehbar und schlüssig sind, mit den Erfahrungswerten übereinstimmen und im Gegensatz zu den Einschätzungen von Dr. B. und Prof. Dr. B. überzeugen. Vorliegend gibt es auch keinen Anlass, wegen etwaiger besonderer Gesichtspunkte von den Erfahrungswerten abzurücken.
Da nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen die lärmbedingte Schädigung des Innenohres nach beendeter Exposition nicht mehr weiter fortschreiten kann (siehe nur Merkblatt zur BK 2301 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 1. Juli 2008, GMBl. 2008, 798 ff.), sind für die Bemessung der MdE die unmittelbar nach Beendigung der Exposition bestehenden Verhältnisse, mithin die zeitnächsten HNO-ärztlichen Befunde maßgeblich (siehe § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII: MdE "infolge" des Versicherungsfalls). Ausschlaggebend ist dabei sowohl im Hinblick auf die Ermittlung des prozentualen Hörverlustes als auch bezüglich der Bewertung der MdE der sprachaudiometrische Befund. Nur in besonderen Ausnahmefällen (z.B. nur geringe Deutschkenntnisse, Fehlen oder Unverwertbarkeit des Sprachaudiogramms) kommt eine Heranziehung des Tonaudiogramms in Betracht, wobei der Hörverlust hilfsweise aus der Knochenleitungskurve mittels der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 zu ermitteln ist (Königsteiner Merkblatt Ziff. 3.6, 4.2 und 4.2.2). Mit dem Abstellen auf das Sprachaudiogramm wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die sprachliche Verständigung in nahezu allen Bereichen des Erwerbslebens überragende Bedeutung hat. Ausgehend hiervon hatte Dr. E. im Sprachaudiogramm vom 17. Juli 2001 als ersten insoweit verfügbaren Befund für das rechte Ohr einen Hörverlust für Zahlenwörter bei 15 dB und für das linke Ohr bei 16 dB sowie eine Verständnisquote für Einsilber von jeweils 60 % bei 60 dB, 100 % bei 80 dB und 100 % bei 100 dB festgehalten und hieraus unter Anwendung der einschlägigen Vorgaben (Königsteiner Merkblatt, Ziff. 4.2.1) ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von jeweils 240 ermittelt. Daraus sind nach der heranzuziehenden Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 beidseitige Hörverluste von jeweils 10 % zu entnehmen, so dass bei Einstellung dieser Werte in die Tabelle nach Feldmann 1995 (siehe Königsteiner Merkblatt Ziff. 4.3.2) eine MdE um 0 vH resultiert. Damit ist die von Dr. E. nach dem von ihm erhobenen Hörverlust für Zahlenwörter und dem gewichteten Gesamtwortverstehen anhand der entsprechenden Tabelle des Königsteiner Merkblattes ermittelte MdE nicht zu beanstanden.
Bestätigt wird die Richtigkeit seiner Bewertung auch durch die Sprachaudiogramme vom 15. August 2005 und 17. Juli 2007, aus denen sich ebenfalls keine MdE um mindestens 20 vH ergibt. Nach dem Sprachaudiogramm vom 15. August 2005 liegt der Hörverlust für Zahlenwörter beiderseits bei 15 dB und beträgt die Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB 75 %, bei 80 dB 95 % und bei 100 dB 95 % rechts sowie entsprechend 65 %, 70 % und 90 % links. Damit errechnet sich ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 255 rechts (75 x 3 + 95 x 2 + 95 geteilt durch 2) sowie entsprechend 212,5 links, was nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 einen Hörverlust von 0 % rechts und 20 % links bedeutet. Werden diese Werte in die Tabelle nach Feldmann 1995 übertragen, folgt daraus eine MdE um 0 bzw. unter 10 vH, worauf bereits Prof. Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 20. September 2005 zutreffend hingewiesen hat. Nichts anders gilt schließlich unter Heranziehung des Sprachaudiogramms vom 17. Juli 2007. Hierin hat PD Dr. M. einen Hörverlust für Zahlen rechts bei 18 dB und links bei 17 dB sowie Verständnisquoten bei 60, 80 und 100 dB von 45 %, 90 % und 95 % rechts bzw. 45 %, 85 % und 75 % links dokumentiert. Das von ihm hieraus gebildete gewichtete Gesamtwortverstehen von 205 rechts (3 x 45 + 2 x 90 + 1 x 95 geteilt durch 2) bzw. entsprechend 190 links weist keine Rechenfehler auf und bedingt nach der zuvor genannten Tabelle Hörverluste für das rechte Ohr von 20 % und für das linke Ohr von 30 %, aus denen nach den Vorgaben des Königsteiner Merkblatts (Tabelle nach Feldmann 1995) eine MdE um 10 vH folgt.
Demgegenüber ist das Sprachaudiogramm vom 21. November 2002, dessen Werte weder mit denjenigen des Tonaudiogramms vom selben Tag noch mit sämtlichen anderen Tonschwellenaudiogrammen und ebenso nicht mit denen der zuvor dargestellten Sprachaudiogramme korrelieren, nicht verwertbar, zumal es mehr als zwei Jahre nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung der Lärmexposition erstellt wurde (s.o.). Aus dem genannten Sprachaudiogramm ist ein Hörverlust für Zahlen rechts und links bei jeweils 40 dB, eine Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB von 0 %, bei 80 dB von 55 % und bei 100 dB von 90 % für das rechte bzw. entsprechend 0 %, 45 % sowie 75 % für das linke Ohr zu ersehen. Wie Prof. Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 13. Juli 2003 dargelegt hat, würde sich aus diesen Werten ein einfaches Gesamtwortverstehen rechts von 145 (0 + 55 + 90) und links von 120 (0 + 45 + 75) ergeben, was nach dem Königseiner Merkblatt einen Hörverlust rechts von 50 % und links von 60 % bedeuten würde (siehe zum Rückgriff auf das einfache Gesamtwortverstehen Königsteiner Merkblatt Ziff. 4.2.1). Dies würde nach der Tabelle von Feldmann 1995 einer mittelgradigen Schwerhörigkeit mit einer MdE um 30 vH entsprechen und bedeuten, dass sich die Hörminderung des Klägers in den folgenden Jahren erheblich gebessert hat. Dies widerspricht jedoch nicht nur seinem eigenen Vorbringen, sondern auch der Einschätzung aller im Verfahren einbezogenen HNO-Ärzte, deren insoweit übereinstimmende Bewertung neben den Sprachaudiogrammen vom 17. Juli 2001, 15. August 2005 und 17. Juli 2007 auch durch die Tonaudiogramme – mit Ausnahme derjenigen vom 10. Januar 2001 und 15. August 2005, deren Befunde durch die jeweils nachfolgenden Messungen widerlegt werden – bestätigt wird.
Aus dem Tonaudiogramm vom 10. Januar 2001 gehen bei 1 kHz Hörverluste bei 25 dB rechts und 20 dB links sowie bei 2 und 3 kHz solche von zusammen 135 dB rechts bzw. 132 dB links hervor. Daraus resultieren nach der Drei-Frequenz-Tabelle von Röser 1980 prozentuale Hörverluste von 35 rechts sowie 30 links und unter Anwendung der Tabelle nach Feldmann 1995 eine MdE um 15 vH. Demnach müsste sich die Hörminderung des Klägers innerhalb eines halben Jahres gebessert haben. Denn nach dem Tonschwellenaudiogramm vom 17. Juli 2001 lag der Hörverlust bei 1 kHz für das rechte Ohr bei 10 dB und das linke Ohr bei 5 dB; bei 2 und 3 kHz lagen sie zusammengerechnet bei 100 dB beiderseits. Hieraus leiten sich prozentuale Hörverluste von jeweils 15 und nachfolgend eine MdE um 0 vH ab. Das Tonaudiogramm vom 21. November 2002 gibt bei 1 kHz für beide Ohren Hörverluste bei jeweils 15 dB und bei 2 und 3 kHz für das rechte Ohr von addiert 115 dB und links von 135 dB wieder, was einem Hörverlust rechts von 20 % und links von 30 % und damit einer MdE um 10 vH entspricht. Im Tonaudiogramm vom 15. August 2005 ist bei 1 kHz ein Hörverlust bei 30 dB sowie bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 140 dB für das rechte Ohr und bei 30 dB bzw. von 160 dB für das linke Ohr vermerkt. Nach diesen Werten ergibt sich ein Hörverlust rechts von 45 % rechts und links von 50 %, was zwar einer MdE um 30 vH entsprechen würde, jedoch nicht mit den Werten des Sprachaudiogramms vom selben Tag in Übereinstimmung zu bringen ist, aus denen sich eine MdE um maximal 10 vH ergibt (s.o). Abgesehen davon wird dieses Tonaudiogramm auch durch das ebenfalls von Dr. B. erstellte Audiogramm vom 12. Februar 2006 entkräftet, aus dem bei 1 kHz ein Hörverlust bei 10 dB rechts und 20 dB links sowie bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen jeweils 130 dB zu entnehmen ist. Denn hiernach ergeben sich prozentuale Hörverluste von 20 rechts und 30 links, so dass sich wiederum eine MdE um 10 vH ableitet und damit die Tonaudiometrie vom 21. November 2002 bestätigt wird. Entsprechendes gilt für das Tonaudiogramm vom 17. Juli 2007, wonach die Hörverluste bei 1 kHz bei 15 dB sowie bei 2 und 3 kHz bei zusammen 135 dB für das rechte Ohr bzw. bei 10 dB sowie 140 dB für das linke Ohr lagen. Aus diesen Werten folgen nach der Drei-Frequenz-Tabelle von Röser 1980 nämlich prozentuale Hörverluste von 30 rechts und 25 links, womit sich nach den Erfahrungswerten eine MdE um 15 vH ergibt. Schließlich belegt das Tonaudiogramm vom 5. Dezember 2007 bei 1 kHz beidseitige Hörverluste bei 20 dB sowie bei 2 und 3 kHz solche von zusammen 130 dB für das rechte und 135 dB für das linke Ohr. Hieraus sind Hörverluste von jeweils 30 % zu bilden, aus denen entgegen der Ansicht von Prof. Dr. B. jedoch keine MdE um ca. 30 vH, sondern eine solche um wiederum 15 vH resultiert.
Eine Erhöhung der sich aus den bezeichneten Sprachaudiogrammen ergebenden MdE auf einen Grad um 20 vH lässt sich auch nicht wegen des Tinnitus begründen. Zwar können bei der Bildung der Gesamt-MdE glaubhaft als sehr belastend geschilderte und durch audiometrische Verdeckungstests objektivierte dauernde Hochtonohrgeräusche bis zu einer Einzel-MdE um 10 vH integrativ – nicht dagegen additiv – berücksichtigt werden (Königsteiner Merkblatt Punkt 4.3.5; Mehrtens/B., a.a.O., M 2301, Rn. 6.4, S. 39). Sowohl gegenüber Dr. E. als auch im Rahmen der Befragung durch PD Dr. M. hat der Kläger jedoch selbst angegeben, dass die ihn belastenden Ohrgeräusche nicht ständig vorliegen. Damit kommt es nicht darauf an, ob Dr. B. eine Tinnitusverdeckung gegebenenfalls zu bestimmten Zeitpunkten objektiviert hat. Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens, ob dem Kläger wegen einer anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Lärmschwerhörigkeit – (BK 2301) von August 2001 an eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.
Bei dem am ... 1943 geborenen Kläger ist bei einem Ende seiner Beschäftigung zum 5. Februar 2001 und dem 26. September 2000 als letztem Tag einer beruflichen Lärmexposition eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits als BK 2301 bestandskräftig anerkannt (Bescheid vom 16. August 2001 und Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001). Einen Anspruch auf Verletztenrente wegen dieser BK hatte die Bergbau-Berufsgenossenschaft (Rechtsvorgängerin der Beklagten, nachfolgend einheitlich als Beklagte bezeichnet) mangels rentenberechtigender MdE abgelehnt.
Grundlagen dieser Entscheidung waren u.a. das Tonaudiogramm der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. B. vom 10. Januar 2001 sowie die von dem HNO-Arzt Dr. E. im Rahmen seiner am 17. Juli 2001 durchgeführten gutachtlichen Untersuchung des Klägers erhobenen Befunde: Aus dem Tonaudiogramm vom 10. Januar 2001 gingen bei 1 kHz für das rechte Ohr ein Hörverlust bei 25 dB (links 20 dB) und bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 135 dB (links 132 dB) hervor. Dr. E. hatte im Tonschwellenaudiogramm bei 1 kHz für das rechte Ohr einen Hörverlust bei 10 dB (links 5 dB) und bei 2 und 3 kHz einen solchen von zusammen 100 dB (links ebenfalls 100 dB) dokumentiert, hieraus – entsprechend der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 – einen prozentualen Hörverlust von jeweils 15 abgeleitet und daraus (unter Anwendung der Tabelle nach Feldmann 1995) eine MdE um 0 vH gebildet. Im Sprachaudiogramm vom 17. Juli 2001 hatte der Sachverständige für das rechte Ohr einen Hörverlust für Zahlenwörter bei 15 dB (links bei 16 dB), eine Verständnisquote für Einsilber von jeweils 60 % bei 60 dB, 100 % bei 80 dB und 100 % bei 100 dB festgehalten, hieraus ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von jeweils 240 gebildet (60 x 3 + 100 x 2 + 100 x 1 geteilt durch 2), daraus – entsprechend der Tabelle nach Boenninghaus und Röser 1973 – beidseitige Hörverluste von jeweils 10 % entnommen sowie im Ergebnis (wiederum aus der Tabelle nach Feldmann 1995) eine MdE um 0 vH abgeleitet. Mit Schreiben vom 11. bzw. 22. November 2002 beantragte der Kläger die Überprüfung der Entscheidung der Beklagten im Hinblick auf einen Rentenanspruch.
In einem Schreiben an den Kläger vom 23. Dezember 2002 führte Dr. B. aus, nach den erhobenen Audiometriewerten ergebe sich ein Hörverlust für das rechte Ohr von 53 % und für das linke Ohr von 48 %, woraus eine MdE um 35 vH resultiere. Zuzüglich einer MdE um 10 vH für den Tinnitus sei die Gesamt-MdE um 45 vH einzuschätzen. Im Hinblick hierauf stellte der Kläger bei der Beklagten unter dem 29. Januar 2003 auch einen Antrag auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung seiner Hörverluste.
Mit Bescheid vom 10. März 2003 lehnte die Beklagte eine Abänderung des Bescheides vom 16. August 2001 ab. Eine Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers nach Beendigung der belastenden Tätigkeit könne dieser nicht mehr angelastet werden. Die Hörsituation zum Ende der Lärmbelastung sei durch das Audiogramm von Januar 2001 sowie die von Dr. E. dokumentierten Befunde hinreichend belegt. Hieraus ergebe sich keine rentenberechtigende MdE. Insgesamt sei damit weder zu erkennen, dass von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch das Recht fehlerhaft angewandt worden sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 28. März 2003 Widerspruch und berief sich auf die Einschätzung Dr. B.s. Seinen Neufeststellungsantrag nahm er zurück.
Die Beklagte zog von Dr. B. die am 21. November 2002 erstellten Ton- und Sprachaudiogramme bei. Aus dem Tonaudiogramm gingen bei 1 kHz für beide Ohren Hörverluste bei jeweils 15 dB und bei 2 und 3 kHz für das rechte Ohr von addiert 115 dB und links 135 dB hervor. Nach dem Sprachaudiogramm lag der Hörverlust für Zahlen rechts und links bei jeweils 40 dB, betrug die Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB 0 %, bei 80 dB 55 % und bei 100 dB 90 % für das rechte bzw. entsprechend 0 %, 45 % sowie 75 % für das linke Ohr.
Von Prof. Dr. B. (ehemaliger Chefarzt der HNO-Klinik des Krankenhauses H. K.) ließ sich die Beklagte ärztlich beraten. In seiner Stellungnahme vom 13. Juli 2003 legte dieser dar, dass sich aus dem Tonaudiogramm vom 21. November 2002 ein Hörverlust rechts von 20 % und links von 30 % ableite, woraus sich nach der einschlägigen Tabelle eine MdE um 10 vH ergebe. Nach dem Sprachaudiogramm vom selben Tag sei das (einfache) Gesamtwortverstehen rechts auf einen Wert von (addiert) 145 (0 + 55 + 90) und links auf einen solchen von 120 (0 + 45 + 75) reduziert, so dass ein Hörverlust rechts von 50 % und links von 60 % resultieren würde. Bei derartigen Werten läge eine mittelgradige Schwerhörigkeit mit einer MdE um 30 vH vor. Die beiden Audiogramme seien jedoch nicht in Übereinstimmung zu bringen. Wenn aus dem Tonaudiogramm eine geringgradige Schwerhörigkeit folge, könne nicht gleichzeitig im Sprachaudiogramm eine mittelgradige Schwerhörigkeit bestehen. Überdies widerspreche das Sprachaudiogramm demjenigen vom 17. Juli 2001.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die nochmalige Prüfung habe ergeben, dass Dr. E. die von ihm am 17. Juli 2001 erhobenen Befunde korrekt ausgewertet habe. Aus den Werten des Tonaudiogramms vom 21. November 2002 seien zwar etwas höhere Hörverluste zu ersehen. Auch aus ihnen ergebe sich jedoch nur eine MdE um 10 vH. Die diesem Audiogramm sowie den am 17. Juli 2001 gemessenen Befunden widersprechenden Werte des Sprachaudiogramms vom 21. November 2002, die mehr als zwei Jahre nach Beendigung der Lärmexposition erhoben worden seien, könnten für die Bewertung dagegen nicht herangezogen werden. Im Ergebnis zeige sich damit keine neue Sachlage, die eine andere Entscheidung rechtfertige. Auch Hinweise auf eine unrichtige Rechtsanwendung seien nicht ersichtlich.
Hiergegen hat der Kläger am 23. September 2003 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben. Das SG hat von Dr. B. den Befundbericht vom 26. Februar 2005 eingeholt, die darin einen letztmaligen Besuch des Kläger am 28. Januar 2003 mitgeteilt und eingeschätzt hat, Fehlangaben des Klägers im Sinne einer Aggravation seien möglich; eine erneute Messung der Hörverluste sei empfehlenswert. Diese hat Dr. B. dann am 15. August 2005 durchgeführt, die hierzu erstellten Audiogramme vorgelegt und angegeben, beim Kläger lägen keine Sprachverständlichkeits- bzw. Sprachverständnisprobleme vor. Seine Alltagskommunikation sei gesichert; im Übrigen sei er mit Hörgeräten versorgt. Im Tonaudiogramm hat sie bei 1 kHz einen Hörverlust bei 30 dB sowie bei 2 und 3 kHz einen solchen von zusammen 140 dB für das rechte Ohr und von 30 dB bzw. 160 dB für das linke Ohr vermerkt. Nach diesen Werten errechne sich nach der Tabelle von Feldmann und Röser ein Hörverlust rechts von 45 % und links von 50 %, was einer MdE um 30 vH entspreche und damit zuzüglich des Tinnitus eine Gesamt-MdE um 40 vH bedinge. Aus dem Sprachaudiogramm ist für Zahlenwörter beiderseits ein Hörverlust bei 15 dB sowie eine Verständnisquote bei 60 dB von 75 %, bei 80 dB von 95 % und bei 100 dB von 95 % rechts sowie bei 60 dB von 65 %, bei 80 dB von 70 % und bei 100 dB von 90 % links ersichtlich. Damit folge aus dem Sprachaudiogramm nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser ein Hörverlust von 0 % rechts und 20 % links, so dass die MdE bei 10 vH liege. Werde zusätzlich eine MdE für den Tinnitus um 10 vH hinzuaddiert, sei eine Gesamt-MdE um 20 vH einzuschätzen.
Die Beklagte hat hierzu die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. B. vom 20. September 2005 vorgelegt. Dieser hat dargelegt, dass sich aus dem Sprachaudiogramm vom 15. August 2005 entgegen der Bewertung von Dr. B. nur eine MdE unter 10 vH errechne. Zudem sei unverständlich, weshalb für Ohrgeräusche, die nach den Mitteilungen im Gutachten von Dr. E. nur zeitweise auftreten würden, eine zusätzliche MdE veranschlagt werde. Überdies widerspreche die Addition der MdE den einschlägigen Vorgaben. Die im Tonaudiogramm verzeichneten zusätzlichen Hörverluste im Tieftonbereich seien wahrscheinlich messtechnisch bedingt. Darauf deute schon der im Sprachaudiogramm bei 15 dB verzeichnete Hörverlust für Zahlenwörter hin. Bei einem solchen Wert könne nämlich keine erhebliche Hörminderung im Tieftonbereich des Tonaudiogramms bestehen. Selbst wenn sich jedoch eine Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers erweisen sollte, könne diese nicht mehr der BK zugerechnet werden. Denn eine Lärmschwerhörigkeit nehme nach Beendigung der beruflichen Belastung nicht weiter zu. Eine solche Verschlechterung stelle dann einen expositionsunabhängigen Nachschaden dar.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Bescheide der Beklagten seien nicht zu beanstanden, da die beim Kläger anerkannte BK keine MdE um mindestens 20 vH bedinge. Die Richtigkeit des Tonaudiogramms vom 10. Januar 2001 sei zweifelhaft, weil sich aus demjenigen vom 21. November 2002 ein besseres Hörvermögen mit einer MdE um 10 vH anstatt um zuvor 15 vH errechne. Demgegenüber stimmten die Ton- und Sprachaudiogramme vom 17. Juli 2001 überein und sei die Einschätzung von Dr. E. schlüssig. Aus den von ihm erhobenen Befunden errechne sich eine MdE um jeweils 0 vH. Für die Richtigkeit der Bewertungen des Gutachters spreche auch das Sprachaudiogramm vom 15. August 2005, aus dem sich ein gewichtetes Gesamtwortverstehen rechts von 255 sowie links von 212,5 und damit im Ergebnis für das rechte Ohr ein Hörverlust von 10 % und für das linke Ohr von 20 % ergebe. Diese Hörverluste bedingten eine MdE um 10 vH, womit die aus dem Sprachaudiogramm vom 21. November 2002 ableitbare MdE um 30 vH widerlegt sei. Die MdE um 10 vH sei auch nicht wegen der Ohrgeräusche zu erhöhen. Insoweit sei den Darlegungen von Prof. Dr. B. zu folgen. Abgesehen davon sei der Tinnitus im Anerkennungsbescheid der Beklagten nicht aufgeführt.
Gegen das am 2. Januar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Januar 2006 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und sich nochmals gegen das Gutachten von Dr. E. gewandt, der ihn im Jahre 1996 auch schon wegen Tinnitus behandelt habe. Ergänzend hat er den Brief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. W. vom 10. Mai 2006 vorgelegt, in dem auf Berichte von Mai 1995 und April 2000 Bezug genommen und u.a. ein Tinnitus diagnostiziert wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. Dezember 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 16. August 2001 abzuändern und dem Kläger vom 1. August 2001 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem Urteil des SG an.
Der Senat hat von Dr. B. den Befundbericht vom 13. Dezember 2006 eingeholt, die das Tonaudiogramm vom 12. Februar 2006 beigefügt hat. Aus diesem ist bei 1 kHz ein Hörverlust bei 10 dB rechts (links 20 dB) und bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen jeweils 130 dB zu entnehmen.
Ferner hat der Senat den Chefarzt der HNO-Klinik des Klinikums St. G. L. Privatdozent (PD) Dr. M. das Gutachten vom 21. August 2007 nach ambulanter Untersuchung am 17. Juli 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 23. Januar 2008 erstellen lassen. Gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger seine Ohrgeräusche als manchmal besonders lautes Pfeifen und Zischen beschrieben. Gegenwärtig liege kein Tinnitus vor. PD Dr. M. hat eine symmetrische Hochtonschwerhörigkeit beiderseits diagnostiziert. Aus dem Verlauf der Audiogramme sei mit Ausnahme der Befunde vom 21. November 2002, die weder untereinander und bezüglich des Sprachaudiogramms noch in Relation zu den übrigen Vergleichsmessungen plausibel seien, ein geringes Fortschreiten der Hörminderung des Klägers zu ersehen. Diese Verschlimmerung stelle einen Nachschaden dar. Die zeitweise auftretenden Ohrgeräusche begründeten keinen hohen MdE-Zuschlag, zumal die Gesamt-MdE insoweit integrativ zu bilden sei. Aus dem vom Sachverständigen erstellten Tonaudiogramm geht bei 1 kHz ein Hörverlust bei 15 dB sowie bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 135 dB für das rechte Ohr und bei 10 dB bzw. 140 dB für das linke Ohr hervor. Im Sprachaudiogramm hat er einen Hörverlust für Zahlen rechts bei 18 dB und links bei 17 dB, eine Verständnisquote bei 60 dB von 45 %, bei 90 dB von 90 % und bei 100 dB von 95 % für das rechte bzw. entsprechend 45 %, 85 % sowie 75 % für das linke Ohr dokumentiert, daraus ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 205 rechts (3 x 45 + 2 x 90 + 1 x 95 geteilt durch 2) bzw. entsprechend 190 links gebildet und (nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973) Hörverluste für das rechte Ohr von 20 % und für das linke Ohr von 30 % ermittelt.
Schließlich hat der Kläger dem Senat das von dem Chefarzt der HNO-Klinik des Klinikums H. Prof. Dr. B. am 5. Dezember 2007 erhobene Tonaudiogramm überlassen, aus dem sich nach dessen Bewertung eine MdE um ca. 30 vH ableite. Im Audiogramm ist bei 1 kHz ein Hörverlust bei jeweils 20 dB und bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 130 dB für das rechte und 135 dB für das linke Ohr festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte darin zutreffend die (teilweise) Rücknahme ihres Bescheides vom 16. August 2001 abgelehnt hat.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn die Beklagte ist beim Erlass des Bescheides vom 16. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2001 weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Der Kläger hat wegen der bei ihm anerkannten BK 2301 keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente.
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vH gemindert ist. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die Höhe der MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft. Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und sind die Basis für den Vorschlag, den der medizinische Sachverständige dem Gericht zur Höhe der MdE unterbreitet (siehe nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. Mai 2001 – B 2 U 24/00 R – SozR 3-2200 § 581 RVO Nr. 8; Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – Breithaupt 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Bezogen auf eine berufliche Hörminderung sind bei der MdE-Bewertung die Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit (Königsteiner Merkblatt, 4. Aufl. 1995, abgedruckt bei Mehrtens/B., Die Berufskrankheitenverordnung, Stand November 2008, M 2301, S. 6b ff.) maßgeblich, die den derzeitigen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 6/04 R – SozR 4-2700 § 9 Nr. 5; Mehrtens/B., a.a.O., M 2301, Rn. 6.1, S. 35).
Dies zugrunde gelegt erreicht der Kläger durch seine Lärmschwerhörigkeit keine MdE um wenigstens 20 vH. Der Senat folgt dabei den Ausführungen von Dr. E., Prof. Dr. B. und PD Dr. M., deren Bewertungen der vorliegenden Befunde nachvollziehbar und schlüssig sind, mit den Erfahrungswerten übereinstimmen und im Gegensatz zu den Einschätzungen von Dr. B. und Prof. Dr. B. überzeugen. Vorliegend gibt es auch keinen Anlass, wegen etwaiger besonderer Gesichtspunkte von den Erfahrungswerten abzurücken.
Da nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen die lärmbedingte Schädigung des Innenohres nach beendeter Exposition nicht mehr weiter fortschreiten kann (siehe nur Merkblatt zur BK 2301 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 1. Juli 2008, GMBl. 2008, 798 ff.), sind für die Bemessung der MdE die unmittelbar nach Beendigung der Exposition bestehenden Verhältnisse, mithin die zeitnächsten HNO-ärztlichen Befunde maßgeblich (siehe § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII: MdE "infolge" des Versicherungsfalls). Ausschlaggebend ist dabei sowohl im Hinblick auf die Ermittlung des prozentualen Hörverlustes als auch bezüglich der Bewertung der MdE der sprachaudiometrische Befund. Nur in besonderen Ausnahmefällen (z.B. nur geringe Deutschkenntnisse, Fehlen oder Unverwertbarkeit des Sprachaudiogramms) kommt eine Heranziehung des Tonaudiogramms in Betracht, wobei der Hörverlust hilfsweise aus der Knochenleitungskurve mittels der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 zu ermitteln ist (Königsteiner Merkblatt Ziff. 3.6, 4.2 und 4.2.2). Mit dem Abstellen auf das Sprachaudiogramm wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die sprachliche Verständigung in nahezu allen Bereichen des Erwerbslebens überragende Bedeutung hat. Ausgehend hiervon hatte Dr. E. im Sprachaudiogramm vom 17. Juli 2001 als ersten insoweit verfügbaren Befund für das rechte Ohr einen Hörverlust für Zahlenwörter bei 15 dB und für das linke Ohr bei 16 dB sowie eine Verständnisquote für Einsilber von jeweils 60 % bei 60 dB, 100 % bei 80 dB und 100 % bei 100 dB festgehalten und hieraus unter Anwendung der einschlägigen Vorgaben (Königsteiner Merkblatt, Ziff. 4.2.1) ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von jeweils 240 ermittelt. Daraus sind nach der heranzuziehenden Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 beidseitige Hörverluste von jeweils 10 % zu entnehmen, so dass bei Einstellung dieser Werte in die Tabelle nach Feldmann 1995 (siehe Königsteiner Merkblatt Ziff. 4.3.2) eine MdE um 0 vH resultiert. Damit ist die von Dr. E. nach dem von ihm erhobenen Hörverlust für Zahlenwörter und dem gewichteten Gesamtwortverstehen anhand der entsprechenden Tabelle des Königsteiner Merkblattes ermittelte MdE nicht zu beanstanden.
Bestätigt wird die Richtigkeit seiner Bewertung auch durch die Sprachaudiogramme vom 15. August 2005 und 17. Juli 2007, aus denen sich ebenfalls keine MdE um mindestens 20 vH ergibt. Nach dem Sprachaudiogramm vom 15. August 2005 liegt der Hörverlust für Zahlenwörter beiderseits bei 15 dB und beträgt die Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB 75 %, bei 80 dB 95 % und bei 100 dB 95 % rechts sowie entsprechend 65 %, 70 % und 90 % links. Damit errechnet sich ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 255 rechts (75 x 3 + 95 x 2 + 95 geteilt durch 2) sowie entsprechend 212,5 links, was nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 einen Hörverlust von 0 % rechts und 20 % links bedeutet. Werden diese Werte in die Tabelle nach Feldmann 1995 übertragen, folgt daraus eine MdE um 0 bzw. unter 10 vH, worauf bereits Prof. Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 20. September 2005 zutreffend hingewiesen hat. Nichts anders gilt schließlich unter Heranziehung des Sprachaudiogramms vom 17. Juli 2007. Hierin hat PD Dr. M. einen Hörverlust für Zahlen rechts bei 18 dB und links bei 17 dB sowie Verständnisquoten bei 60, 80 und 100 dB von 45 %, 90 % und 95 % rechts bzw. 45 %, 85 % und 75 % links dokumentiert. Das von ihm hieraus gebildete gewichtete Gesamtwortverstehen von 205 rechts (3 x 45 + 2 x 90 + 1 x 95 geteilt durch 2) bzw. entsprechend 190 links weist keine Rechenfehler auf und bedingt nach der zuvor genannten Tabelle Hörverluste für das rechte Ohr von 20 % und für das linke Ohr von 30 %, aus denen nach den Vorgaben des Königsteiner Merkblatts (Tabelle nach Feldmann 1995) eine MdE um 10 vH folgt.
Demgegenüber ist das Sprachaudiogramm vom 21. November 2002, dessen Werte weder mit denjenigen des Tonaudiogramms vom selben Tag noch mit sämtlichen anderen Tonschwellenaudiogrammen und ebenso nicht mit denen der zuvor dargestellten Sprachaudiogramme korrelieren, nicht verwertbar, zumal es mehr als zwei Jahre nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung der Lärmexposition erstellt wurde (s.o.). Aus dem genannten Sprachaudiogramm ist ein Hörverlust für Zahlen rechts und links bei jeweils 40 dB, eine Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB von 0 %, bei 80 dB von 55 % und bei 100 dB von 90 % für das rechte bzw. entsprechend 0 %, 45 % sowie 75 % für das linke Ohr zu ersehen. Wie Prof. Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 13. Juli 2003 dargelegt hat, würde sich aus diesen Werten ein einfaches Gesamtwortverstehen rechts von 145 (0 + 55 + 90) und links von 120 (0 + 45 + 75) ergeben, was nach dem Königseiner Merkblatt einen Hörverlust rechts von 50 % und links von 60 % bedeuten würde (siehe zum Rückgriff auf das einfache Gesamtwortverstehen Königsteiner Merkblatt Ziff. 4.2.1). Dies würde nach der Tabelle von Feldmann 1995 einer mittelgradigen Schwerhörigkeit mit einer MdE um 30 vH entsprechen und bedeuten, dass sich die Hörminderung des Klägers in den folgenden Jahren erheblich gebessert hat. Dies widerspricht jedoch nicht nur seinem eigenen Vorbringen, sondern auch der Einschätzung aller im Verfahren einbezogenen HNO-Ärzte, deren insoweit übereinstimmende Bewertung neben den Sprachaudiogrammen vom 17. Juli 2001, 15. August 2005 und 17. Juli 2007 auch durch die Tonaudiogramme – mit Ausnahme derjenigen vom 10. Januar 2001 und 15. August 2005, deren Befunde durch die jeweils nachfolgenden Messungen widerlegt werden – bestätigt wird.
Aus dem Tonaudiogramm vom 10. Januar 2001 gehen bei 1 kHz Hörverluste bei 25 dB rechts und 20 dB links sowie bei 2 und 3 kHz solche von zusammen 135 dB rechts bzw. 132 dB links hervor. Daraus resultieren nach der Drei-Frequenz-Tabelle von Röser 1980 prozentuale Hörverluste von 35 rechts sowie 30 links und unter Anwendung der Tabelle nach Feldmann 1995 eine MdE um 15 vH. Demnach müsste sich die Hörminderung des Klägers innerhalb eines halben Jahres gebessert haben. Denn nach dem Tonschwellenaudiogramm vom 17. Juli 2001 lag der Hörverlust bei 1 kHz für das rechte Ohr bei 10 dB und das linke Ohr bei 5 dB; bei 2 und 3 kHz lagen sie zusammengerechnet bei 100 dB beiderseits. Hieraus leiten sich prozentuale Hörverluste von jeweils 15 und nachfolgend eine MdE um 0 vH ab. Das Tonaudiogramm vom 21. November 2002 gibt bei 1 kHz für beide Ohren Hörverluste bei jeweils 15 dB und bei 2 und 3 kHz für das rechte Ohr von addiert 115 dB und links von 135 dB wieder, was einem Hörverlust rechts von 20 % und links von 30 % und damit einer MdE um 10 vH entspricht. Im Tonaudiogramm vom 15. August 2005 ist bei 1 kHz ein Hörverlust bei 30 dB sowie bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 140 dB für das rechte Ohr und bei 30 dB bzw. von 160 dB für das linke Ohr vermerkt. Nach diesen Werten ergibt sich ein Hörverlust rechts von 45 % rechts und links von 50 %, was zwar einer MdE um 30 vH entsprechen würde, jedoch nicht mit den Werten des Sprachaudiogramms vom selben Tag in Übereinstimmung zu bringen ist, aus denen sich eine MdE um maximal 10 vH ergibt (s.o). Abgesehen davon wird dieses Tonaudiogramm auch durch das ebenfalls von Dr. B. erstellte Audiogramm vom 12. Februar 2006 entkräftet, aus dem bei 1 kHz ein Hörverlust bei 10 dB rechts und 20 dB links sowie bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen jeweils 130 dB zu entnehmen ist. Denn hiernach ergeben sich prozentuale Hörverluste von 20 rechts und 30 links, so dass sich wiederum eine MdE um 10 vH ableitet und damit die Tonaudiometrie vom 21. November 2002 bestätigt wird. Entsprechendes gilt für das Tonaudiogramm vom 17. Juli 2007, wonach die Hörverluste bei 1 kHz bei 15 dB sowie bei 2 und 3 kHz bei zusammen 135 dB für das rechte Ohr bzw. bei 10 dB sowie 140 dB für das linke Ohr lagen. Aus diesen Werten folgen nach der Drei-Frequenz-Tabelle von Röser 1980 nämlich prozentuale Hörverluste von 30 rechts und 25 links, womit sich nach den Erfahrungswerten eine MdE um 15 vH ergibt. Schließlich belegt das Tonaudiogramm vom 5. Dezember 2007 bei 1 kHz beidseitige Hörverluste bei 20 dB sowie bei 2 und 3 kHz solche von zusammen 130 dB für das rechte und 135 dB für das linke Ohr. Hieraus sind Hörverluste von jeweils 30 % zu bilden, aus denen entgegen der Ansicht von Prof. Dr. B. jedoch keine MdE um ca. 30 vH, sondern eine solche um wiederum 15 vH resultiert.
Eine Erhöhung der sich aus den bezeichneten Sprachaudiogrammen ergebenden MdE auf einen Grad um 20 vH lässt sich auch nicht wegen des Tinnitus begründen. Zwar können bei der Bildung der Gesamt-MdE glaubhaft als sehr belastend geschilderte und durch audiometrische Verdeckungstests objektivierte dauernde Hochtonohrgeräusche bis zu einer Einzel-MdE um 10 vH integrativ – nicht dagegen additiv – berücksichtigt werden (Königsteiner Merkblatt Punkt 4.3.5; Mehrtens/B., a.a.O., M 2301, Rn. 6.4, S. 39). Sowohl gegenüber Dr. E. als auch im Rahmen der Befragung durch PD Dr. M. hat der Kläger jedoch selbst angegeben, dass die ihn belastenden Ohrgeräusche nicht ständig vorliegen. Damit kommt es nicht darauf an, ob Dr. B. eine Tinnitusverdeckung gegebenenfalls zu bestimmten Zeitpunkten objektiviert hat. Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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