L 1 U 4397/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 6870/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4397/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.08.2009 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe im Streit.

Der 1962 geborene Kläger ist gelernter Bäcker und arbeitete vor seinem Unfall wegen einer Mehlallergie zuletzt als Baggerführer. Er erlitt am 06.12.1991 einen bei der Beklagten versicherten Wegeunfall (Frontalkollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug). Nach dem Bericht der Kliniken S. vom 08.05.1992 hat er durch den Unfall einen Zustand nach Schädelhirntrauma mit Schädelbasisfraktur links temporo-basal, temporaler Contusion links, frontaler Subarachnoidalblutung und Mandibulafraktur links sowie homonymer Hemianopsie nach rechts, eine Weichteilcontusion der linken Arteria carotis mit Intima-Einriss und konsekutiver rechtsseitiger spastischer Hemiparese sowie multiple Frakturen, u. a. eine Oberschenkelfraktur links, Kiefergelenksfraktur links, und multiple Zahnfrakturen erlitten. Im Abschlussbericht des Reha-Krankenhauses K. L. vom 02.08.1993 werden als hauptsächliche Behinderungen des Klägers ein hirnorganisches Psychosyndrom, ein Restzustand nach einer spastischen Hemiparese rechts, eine homonyme Hemianopsie rechts, eine Globalaphasie, eine Alexie und Agraphie sowie eine Kniebandinstabilität beidseits mitgeteilt.

Der Kläger besaß vor seinem Unfall die Fahrerlaubnisse der Klassen A, B und C bzw. 1, 2 und 3, auf welche er im Jahre 1996 freiwillig unter Rückgabe seines Führerscheins verzichtete.

Im Bericht der Kurklinik W. vom 28.10.1994 werden Gesichtsfeldausfälle mit fast totaler Opticusathrophie und partieller Opticusathrophie links mitgeteilt. Zum Zeitpunkt der Untersuchung könne es nicht vertreten werden, dass der Kläger an Arbeitsmaschinen eingesetzt werde oder eigenverantwortlich und selbstständig ein motorgetriebenes Fahrzeug steuere. In einem neurochirurgisch-neurotraumatologischem und orthopädisch-traumatologischem Gutachten von Prof. Dr. Dr. S. und Dr. R. vom 11.05.1995 wird eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v. H.) festgestellt. Die Fahrtüchtigkeit sei durch die bestehende Gesichtsfeldeinschränkung und durch die raschere konzentrative Erschöpfbarkeit beeinträchtigt. Eine regelrechte Nachschulung könne gegebenenfalls zu Erteilung einer Fahrerlaubnis im limitierten Rahmen führen.

Bereits in einem Beratungsgespräch vom 22.06.1995 gab der Kläger an, unbedingt wieder den Führerschein erhalten zu wollen.

Der Kläger fand in der Folgezeit eine Probebeschäftigung und ab dem 01.10.1995 eine geringfügige Beschäftigung auf 590,-DM-Basis in der Bäckerei H. in E., in der er seitdem an durchschnittlich drei Tagen in der Woche in einer Drei- bis Vier- Stunden-Schicht arbeitet, und zwar jeweils ab ungefähr Mitternacht (0:00 Uhr). Auswirkungen der früher festgestellten Mehlallergie des Klägers haben sich bei diesem Beschäftigungsverhältnis nicht mehr gezeigt. Der Kläger wohnte zunächst in der Nähe der Bäckerei und konnte diese ohne Fahrzeug erreichen; erst aufgrund eines Neubaus des Klägers und seiner Ehefrau in einer ca. 14 km entfernten Siedlung drohte das Problem zu entstehen, dass die Ehefrau des Klägers diesen mit dem Auto zu seiner Arbeit in der Bäckerei fahren musste, weil zu den Arbeitszeiten des Klägers kein öffentlicher Nahverkehr zur Verfügung stand (vgl. Beratungsprotokoll vom 04.12.1996, Bl. 641 ff. der Verwaltungsakte).

Der Kläger erhielt ab dem 01.10.1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit der Landesversicherungsanstalt B. (LVA). Von der Beklagten erhielt er beginnend ab dem 01.10.1995 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 100 v. H. Es besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen G und B.

In der Folgezeit fanden Beratungen über die Möglichkeit statt, dem Kläger wieder eine Fahrerlaubnis auszustellen. Nach einem Beratungsvermerk des Berufsförderungswerks B. W. vom 05.12.1995 über ein Beratungsgespräch am 20.10.1995 habe der leitende Arzt Dr. L. nach Akteneinsicht erhebliche Bedenken bezügl. der Erteilung einer Fahrereignung der Klasse 3 geäußert. Es werde wohl ein medizinisch-psychologisches Gutachten erforderlich sein. Grundlage dafür seien die Schriftenreihe "Krankheit und Kraftverkehr" (Gutachten des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesminister für Verkehr und Gesundheit) sowie § 3 Abs. 2 der Straßenverkehrszulassungsordnung ("Einschränkungen und Entziehung der Fahrerlaubnis").

In einem mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen Gutachten vom 03.12.1995 gab Prof. Dr. Dr. S. an, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Fachgebiet nicht eingeschränkt sei. Prof. Dr. Dr. W. gab in einem weiteren unfallchirurgischen Gutachten die MdE auf seinem Fachgebiet am 04.12.1995 mit 20 v. H. an.

Aus einem Bericht der Kliniken S. vom 25.10.1996 gehen Verbesserungen bezüglich der mittelschweren Brocca-Aphasie, der Tiefendyslexie, Dysgraphie und Dyskalkulie mitgeteilt. Der Kläger habe sehr motiviert mitgearbeitet und könne Kompensationsstrategien erfolgreich einsetzen.

Laut einem Gesprächsprotokoll vom 02.12.1996 habe der Kläger berichtet, dass aufgrund seines eingeschränkten Sehvermögens mehrere Augenärzte die Frage der Fahrtauglichkeit verneint hätten.

Mit augenärztlichem Befundbericht teilte Dr. H. am 12.12.1996 mit, dass eine Opticusatrophie B und ein Zustand nach Schädelhirntrauma bestehe. Der Visus betrage rechts 0,40 und links 0,80. In einem weiteren Bericht vom 25.03.1997 gab Dr. H. ein Visus von 0,30 am rechten Auge und von 0,80 am linken Auge an. Des Weiteren gab Dr. H. am 02.02.1999 an, dass ein myoper Astigmatismus vorliege.

Der Kläger befand sich 1998, 2000 und 2002 in jeweils sechswöchigen Rehabilitationsmaßnahmen in den Kliniken S., wobei in dem Bericht über die letzte Maßnahme vom 20.03.2002 bis zum 30.04.2002 unter anderem angegeben wurde, dass bei einem Zustand nach posttraumatischem hirnorganischem Psychosyndrom mit Konzentrationsstörungen und Hirnleistungsschwäche trotz der motivierten Teilnahme des Klägers in Heilbehandlungen durch die angewendete neuropsychologische Therapie keine deutliche Besserung habe erzielt werden können. Der Kläger sei in gutem Allgemeinzustand in die weitere ambulante Behandlung entlassen worden.

Nach dem Umzug des Klägers in sein neues Haus in J. im Jahr 2003 bekam die Frage der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis für ihn eine besondere Bedeutung, weil er für das Erreichen seines Arbeitsplatzes in der Bäckerei H. von nun an auf die Benutzung eines Kfz angewiesen war.

In einem Bericht vom 16.10.2003 von Prof. Dr. W. von der Universitätsaugenklinik T. wurde angegeben, dass das Sehvermögen des Klägers durch einen bis an das Zentrum reichenden homonymen Gesichtsfeldausfall nach rechts eingeschränkt sei. Dieser Ausfall finde sich beidseits und könne nicht kompensiert werden. Von rechts kommende Personen oder Objekte könnten zu spät wahrgenommen werden. Die Mindestanforderungen der Anlage 6 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) in der Fassung von September 2002 seien nicht erfüllt, da das Sehen für die beantragten Fahrerlaubnis-Klassen A und B nicht ausreiche.

In einem Entlassungsbericht vom 28.04.2004 der Kliniken S. über einen 9-wöchigen Reha-Aufenthalt gibt Dr. S. an, dass der Kläger bei visuellen Einfachreaktionen durchschnittliche Ergebnisse erzielt habe. Auch die phasische Alertness habe sich als noch normgerecht erwiesen. Die geteilte Aufmerksamkeit habe indes Schwächen aufgewiesen und hinsichtlich der Arbeitsgenauigkeit unter den Ergebnissen der Altersnorm gelegen. Die Reaktionsgeschwindigkeit habe sich als weit unterdurchschnittlich erwiesen, ebenso die Ergebnisse bei der Prüfung der selektiven Aufmerksamkeit. Komplexe Reiz- und Reaktionsleistungen, bei denen mit Händen und Füßen auf unterschiedliche optische und akustische Signale reagiert werden müssen, seien leicht verlangsamt erfolgt. Die Überprüfung des Gesichtsfelds habe eine vollständige rechtseitige Hemianopsie ergeben. Aufgrund der Perimetrie und der neuropsychologischen Aufmerksamkeitsdefizite des Klägers sei eindringlich von der Teilnahme am Straßenverkehr abgeraten worden.

In einem Telefongespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten gab der Kläger am 27.10.2004 an, dass er sich ein fahrerlaubnisfreies Auto (bis 25 km/h Höchstgeschwindigkeit) kaufen wolle. Am 08.12.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten förmlich die Kostenübernahme für einen Krankenfahrstuhl "CHARLY Benzin", 10 oder 25 km/h (ATW-Fahrzeuge), mit Kosten in Höhe von 12.490 EUR. Der Kläger berief sich hierbei auf § 40 Sozialgesetzbuch SGB VII sowie § 76 Abs. 3 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV).

Mit Bescheid vom 09.12.2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) zur Beschaffung oder für die behinderungsgerechte Zusatzausstattung ab. Ein Anspruch auf Kfz-Hilfe aus medizinischen Gründen setze voraus, dass der Versicherte infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend erheblich gehbehindert und deshalb auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen sei. Der Kläger müsse jedoch keinen Rollstuhl benutzen. Eine Kfz-Hilfe aus beruflichen Gründen könne ebenfalls nicht gewährt werden, da das Fehlen öffentlicher Verkehrsmittel zur Nachtzeit nicht im Zusammenhang mit den Unfallfolgen stehe, sondern ein allgemeines Problem darstelle. Aus sozialen Gründen könne Kfz-Hilfe ebenfalls nicht gewährt werden, da die Benutzung des Kraftfahrzeugs nicht für die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft benötigt werde; hierfür könnten tagsüber öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden. Unabhängig von den genannten Versagungsgründen sei auch nicht gewährleistet, dass der Kläger ein Kraftfahrzeug führen könne oder ein Dritter das Fahrzeug für ihn führe. Der Kläger habe angegeben, das Kfz ausschließlich selbst zu benutzen. Er sei jedoch nicht mehr in Besitz eines Führerscheins, und Dr. S. habe ihm zuvor eindringlich von der Teilnahme am Straßenverkehr abgeraten.

Am 11.01.2005 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.12.2004 über seinen Bevollmächtigten ein. Die Benutzung eines Kfz sei erforderlich, um den Arbeitsplatz zu erreichen. Es sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Kläger keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen könne und aufgrund seiner Gehbehinderung im Sinne einer Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben auf ein Kfz angewiesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, wobei sie auf die Ausführungen in dem angegriffenen Ausgangsbescheid Bezug nahm.

Der Kläger hat am 06.04.2005 über seinen Bevollmächtigten beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben (Az.: S 9 U 1955/05). Wegen der Folgen des Arbeitsunfalles habe er auf die bisherige Fahrerlaubnis der Klassen 3 und 1 verzichten müssen, was sich aus der Sehfeldbegrenzung ergeben habe. Die gesundheitliche Situation habe sich jedoch inzwischen so stabilisiert, dass er ohne weiteres ein auf 25 km/h beschränktes Kraftfahrzeug führen könne, wozu die Kraftfahrzeughilfe beantragt werde.

Das SG hat die Kfz-Zulassungs- und Führerscheinstelle des Amtes für Öffentliche Ordnung der Landeshauptstatt S. zu den Voraussetzungen für das Führen eines Krankenfahrstuhls Fahrzeugtyp CHARLY mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h befragt. Am 02.11.2005 erfolgte von dort die Mitteilung, dass zum Führen eines Krankenfahrstuhls mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h seit dem 01.09.2002 eine Fahrerlaubnis erforderlich sei. Nur Krankenfahrstühle mit einer Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 15 km/h seien zu diesem Zeitpunkt nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 FeV fahrerlaubnisfrei.

Mit Beschluss vom 10.01.2006 setzte das SG das Verfahren gem. § 114 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens über die Wiedererteilung der vom Kläger parallel beantragten Fahrerlaubnis aus.

Am 23.08.2006 rief der Klägerbevollmächtigte das Verfahren beim SG wieder an (neues Aktenzeichen: S 9 U 6870/06) und legte eine Mitteilung des Kreises B.(Führerscheinstelle) vom 17.08.2006 vor, wonach der Kläger berechtigt sei, schnellere Krankenfahrstühle zu führen. Dem Schreiben war eine E-Mail des Regierungspräsidiums mit folgendem Wortlaut beigefügt:

"E-Mail vom 26.07.2006 Hallo Herr B., dem o. g. können wir den "schnelleren" Krankenfahrstuhl zugestehen, und zwar weil § 76 Nr. 2 FeV davon spricht, dass Inhaber einer Prüfbescheinigung für Krankenfahrstühle nach § 5 Abs. 4 FeV i.d.F. bis 1.08.02 Krankenfahrstühle mit mehr als 10 km/h in der bis zum 1.08.2002 geltenden Fassung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV fahren dürfen. Dieser Prüfbescheinigung bedurfte derjenige nicht, der vor dem 1.04.80 das 15. Lebensjahr vollendete (§76 Nr. 4 FeV a.F. i.V.m. § 5 Abs. 4 FeV a.F). Dies ist bei dem Betr. der Fall. Nach § 4 Abs. 1 S.2 Nr. 2 FeV in der bis zum 1.08.02 gelt. Fassung durften Krankenfahrstühle mit einem Leergewicht von nicht mehr als 300 kg und 25 km/h Höchstgeschwindigkeit mit der Prüfbescheinigung geführt werden, welcher der Betr. jedoch aufgrund seines Alters nicht bedurfte. Er darf mithin den "schnelleren" Krankenfahrstuhl führen - er könnte sogar einen 30 km/h schnellen Krankenfahrstuhl führen, wenn dieses Fahrzeug erstmals vor 30.06.1999 in Verkehr gekommen ist (§ 76 Nr. 2 a FeV i.d.F vor dem 1.08.2002). Dem Betreffenden diese Übergangsregelung "zugute kommen zu lassen" lässt sich auch zusätzlich damit begründen, dass er langjähriger Fahrerlaubnisinhaber war und noch mehr besass, als die grundsätzlich geforderte Prüfbescheinigung. mfG J."

Das SG hat die Verwaltungsakten des Landratsamtes B. (Führerscheinstelle) beigezogen. Aus einem Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. K.-E. vom 05.02.2004 geht hervor, dass die homonyme Hemianopsie rechts des Klägers eine deutliche Behinderung darstelle, welche ganz deutlich die Wahrnehmung sowie die Wahrnehmungsgeschwindigkeit beeinträchtige. Psychopathologisch fänden sich Zeichen eines hirnorganischen Psychosyndroms mit allgemeiner Verlangsamung, Auffassungserschwernissen und Konzentrationsstörungen. Diese Einschränkungen seien jedoch nicht so schwerwiegend ausgeprägt, dass sie die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aufheben würden. Nervlicherseits sei der Kläger in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/2 Fahrerlaubnisfahrklasse B gerecht zu werden. Voraussetzung sei allerdings, dass der Kläger regelmäßige Pausen einlege.

Die Beklagte übersandte einen Entlassungsbericht der Kliniken S. A. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 19.09. bis 29.10.2006. In dem psychologischen Befund wurde mitgeteilt, dass eine mit dem T. Perimeter durchgeführte Gesichtsfeldüberprüfung die komplette rechtsseitige Hemianopsie bestätigt habe. Trotz 15-jährigen Bestehens dieses Handicaps wünsche der Kläger ein Gesichtsfeldtraining in der Hoffnung, Verbesserungen erzielen zu können und die Fahrtauglichkeit wieder zu erlangen. Ein durchgeführtes visuelles Explorationstraining habe jedoch zu keiner Verbesserung geführt. Da die Gesichtsfeldgrenzen einen steilen Abfall aufwiesen, sei nach derzeitigem Wissensstand auch ein visuelles Restitutionstraining nicht erfolgversprechend.

Im Auftrag des SG erstattete die Neurologin PD Dr. S. am 15.07.2008 ein Gutachten insbesondere zu der Fähigkeit des Klägers, den Anforderungen einer Teilnahme am Straßenverkehr zu genügen und ein Kraftfahrzeug zu führen. Die Gutachterin führte aus, dass der Kläger unter Berücksichtigung der Folgen des Unfalles vom 06.12.1991 in der Lage sei, die Fahrerlaubnisgruppe 1 unter Auflagen zu erhalten. Insofern werde vorgeschlagen, dass die Eignung gemäß dem aktuellen Aktivitätsniveau auf einen Radius von 20 km um seinen Heimatort und auf eine realistische Höchstgeschwindigkeit von max. 30 km/h eingegrenzt werde. Zudem werde empfohlen, dass Hauptverkehrszeiten sowie nächtliche Fahrten zu meiden seien. Aus einem weiteren vom SG in Auftrag gegebenen augenärztlichen Gutachten vom 17.12.2008 des PD Dr. S. geht hervor, dass der Kläger aus ophtalmologischer Sicht als Folge des Arbeitsunfalls an einem homonymen Quadrantenausfall nach rechts bis knapp an das Sehzentrum reichend leide. Diese Ausfallserscheinung sei durch den Unfall und die Folgeerkrankung erklärbar und bereits dokumentiert. Das Vorliegen einer beidseitigen Kurzsichtigkeit (Myopie) und Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) sei als unfallunabhängig zu werten. Das Sehvermögen sei durch den bis knapp an das Sehzentrum heranreichenden homonymen Gesichtsfeldausfall nach rechts eingeschränkt. Da der Ausfall beidseits deckungsgleich vorliege, sei eine Kompensation nicht möglich. Die Mindestanforderung an das Sehvermögen zum Führen eines Kraftfahrzeugs der FeV Anlage 6 sei nicht erfüllt. Abgesehen davon könne der Kläger ohne Begleitung am Straßenverkehr teilnehmen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs aus medizinischen Gründen sei nicht erforderlich. Zwar sei der Kläger aus sozialmedizinischen Gründen darin zu unterstützen, seine derzeitige Tätigkeit in der ca. 17 km entfernt liegenden Bäckerei auszuüben. Allerdings sei der Kläger aufgrund der bis auf den Gesichtsfeldausfall normalen Funktionen des Sehorgans in der Lage, auch mit öffentlichen Verkehrsmittel am Straßenverkehr teilzunehmen. Aus ophtalmologischer bzw. medizinischer Sicht sei er nicht auf die Benutzung eines Kfz angewiesen. Da der Kläger in einer ländlichen Umgebung wohne, wo die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel eingeschränkt scheint, sei nachvollziehbar, dass Mobilität für ihn einen besonderen Stellenwert habe. Aus sozialen Gründen sei der Kläger jedoch nicht auf die Benutzung eines Kfz angewiesen. Weitere Gutachten zur Klärung der Führerscheintauglichkeit seien nicht erforderlich, da die Gesichtsfeldeinschränkung das Führen eines Kfz ausschließe.

Mit Urteil vom 20.08.2009 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Anspruch nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) i.V.m. der Verordnung über die Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation vom 28.09.1987 in der aktuellen Fassung bestehe nicht. Nach § 3 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (Kfz-HV) sei u. a. Voraussetzung, dass der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug führen könne oder gewährleistet sei, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führe. Die persönliche Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Kfz-HV erfülle der Kläger nicht, was insbesondere aus den augenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. W. vom 16.10.2003 und PD Dr. S. vom 17.12.2008 hervorgehe. Beide Augenärzte hätten das Sehvermögen des Klägers als nicht ausreichend im Sinne der Mindestanforderungen der FeV Anlage 6 angesehen. Infolge dessen sei auch von der Führerscheinstelle des Landratsamtes B. am 17.02.2004 die Neuerteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt worden, weil der Kläger nach den augenärztlichen Gutachten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen eingestuft worden sei. Nach der Anlage 6 zur FeV (Ziff. 6.2.2.2) sei ein normales Gesichtsfeld beider Augen, wenigstens ein normales binokulares Gesichtsfeld mit horizontalem Durchmesser von mindestens 40° Voraussetzung, wobei insbesondere das zentrale Gesichtsfeld bis 30° normal sein müsse. Beim Kläger liege jedoch ein Gesichtsfeldausfall bis an das Zentrum reichend vor. Sofern die neurologische Gutachterin Dr. S. am 15.07.2008 vorgeschlagen habe, dem Kläger die Fahrerlaubnis 1 unter Auflagen zu erteilen, führe das für den Kläger vorliegend nicht zum Erfolg. Der Kläger benötige das Kraftfahrzeug in erster Linie, um nachts zur Arbeit zu gelangen bzw. von der Arbeit nach Hause zu fahren, wohingegen auch Dr. S. nächtliche Fahren ausgeschlossen habe. Auch die Übergangsregelung nach § 76 Nr. 4 FeV a. F. i. V. m. § 5 Abs. 4 FeV a. F., wonach der Kläger keine Fahrerlaubnis für einen Krankenfahrstuhl benötigte, ändere nichts an diesem Ergebnis. Denn die Ausnahme von der Fahrerlaubnispflicht sei allein darin begründet, dass der Kläger infolge seines Geburtsdatums von einer Übergangsregelung erfasst sei und beruhe nicht auf einer Veränderung der medizinischen Umstände. Im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Kfz-HV werde jedoch nicht auf das Führen des Kraftfahrzeugs im rechtlichen Sinn, sondern auch auf die körperlichen Voraussetzungen für das Führen eines Kraftfahrzeuges abgestellt. Das Urteil des SG wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 28.08.2009 zugestellt.

Am 27.09.2009 hat die Bevollmächtigte des Klägers Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Das Urteil des SG sei in sich widersprüchlich, da anerkannt worden sei, dass der Kläger den beantragten Krankenstuhl fahren könne, jedoch im Ergebnis die Klage dennoch abgewiesen worden sei. Das SG verkenne, dass der Kläger keine Fahrerlaubnis benötige, weswegen er bereits berechtigt sei, das Fahrzeug CHARLY zu fahren. Auch sei die Neuregelung für Krankenfahrstühle mit einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h seit dem 01.09.2002 unwirksam, da sie aufs Gröbste gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstoße und auch vor dem EuGH keinen Bestand haben könne. Der Kläger sei aus medizinischen, beruflichen und sozialen Gründen auf die Benutzung des Krankenfahrstuhls angewiesen, was das SG unzureichend gewürdigt habe. Erst durch den Krankenfahrstuhl werde es dem Kläger ermöglicht, seine Arbeit auszuüben und am sozialen Leben teilzunehmen. Das Gericht werte die sachverständigen Aussagen falsch und beziehe sich zu Unrecht ausschließlich auf das augenärztliche Gutachten des Prof. Dr. W. vom 16.10.2003. Dr. S. habe in ihrem Gutachten mitgeteilt, dass der Kläger sogar Krankenfahrstühle mit einer maximale Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h führen könne. Seit dem 29.08.2006 fahre der Kläger zudem nunmehr in seiner Not mehrmals täglich einen Krankenfahrstuhl mit 25 km/h unfallfrei. Er habe daher bewiesen, dass er gesundheitlich in der Lage sei, das Fahrzeug zu führen. Außerdem seien die augenärztlichen Untersuchungen nicht vollständig und müssten noch vertieft werden. Der Kläger sei zudem nicht blind; nur wenn er blind wäre, sei er nicht in der Lage, das Fahrzeug zu führen. Hilfsweise hätte die Beklagte ein Krankenfahrstuhl gedrosselt auf eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h, äußerst hilfsweise gedrosselt auf eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h, bewilligen müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.08.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen der Kraftfahrzeughilfe entsprechend dem Antrag vom 08.12.2004 zu gewähren und die Kosten für den selbst angeschafften Krankenfahrstuhl zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Nach Auffassung der Beklagten könne die Berufungsbegründung nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Auch ohne jegliche Notwendigkeit einer Fahrerlaubnis dürfe der Kläger den Krankenfahrstuhl nicht benutzen, wenn er aus medizinischer Sicht nicht fahrtauglich sei. An der Fahrtauglichkeit indes fehle es, wozu auf die augenärztlichen Gutachten vom 16.10.2003 und vom 17.12.2008 verwiesen wird.

Auf Aufforderung des Berichterstatters legte die Klägerbevollmächtigte Unterlagen über den vom Kläger tatsächlich genutzten Krankenfahrstuhl vor. Danach handelt es sich um einen Krankenfahrstuhl "Canta" der Firma Ergobil b.v. (Niederlande) mit unter 300 kg Leergewicht, einem Honda-Viertakt-Motor mit 163 ccm und einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h, welcher dem Kläger am 29.08.2006 für einen Kaufpreis von 9.150,- EUR (zuzüglich Extras) geliefert worden ist.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kfz-Hilfe. Hinsichtlich des Streitgegenstands kann offengelassen werden, ob die Beklagte dem Kläger entsprechend den Hilfsanträgen seiner Bevollmächtigten ggf. einen auf 15 km/h oder 10 km/h gedrosselten Krankenfahrstuhl hätte bewilligen müssen, und ob entsprechende Anträge als gestellt anzusehen sind. Da die Beklagte zu Recht jegliche Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) zur Beschaffung oder für die behinderungsgerechte Zusatzausstattung abgelehnt hat, ist eine Differenzierung insoweit nicht erforderlich.

Nach den §§ 39 Abs. 1 Nr.1 , 40 Abs. 1 SGB VII wird Kraftfahrzeughilfe erbracht, wenn die Versicherten infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sind, um die Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Kraftfahrzeughilfe umfasst nach Absatz 2 der Vorschrift Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs, für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung und zur Erlangung einer Fahrerlaubnis. Für die Kraftfahrzeughilfe gilt nach Abs. 3 der Vorschrift die Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation vom 28.09.1987 (Kfz-HV, BGBl. I S. 2251), geändert durch Verordnung vom 30.09.1991 (BGBl. I S. 1950), in der jeweils geltenden Fassung. Diese Verordnung ist bei der Kraftfahrzeughilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft entsprechend anzuwenden.

Offenbleiben kann, ob der Kläger im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Kfz-HV aufgrund seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist, um seinen Arbeitsort zu erreichen. Die enge Sichtweise der Beklagten, wonach die Behinderung nicht maßgeblich ist, weil das zur Nachtzeit stattfindende Arbeitsverhältnis alleine die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausschließe, findet im Gesetz insoweit keine Stütze (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 16 Anh. 1 Kfz-HV Rdnr. 7).

Persönliche Voraussetzung für die Gewährung einer Kfz-Hilfe ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Kfz-HV indes auch, dass der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug führen kann oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt. Jedenfalls diese Voraussetzung ist im Falle des Klägers nicht erfüllt. Zum einen ist der Kläger aufgrund der übereinstimmenden augenärztlichen Stellungnahmen nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Zum anderen hat er auch deutlich gemacht, dass er die Kfz-Hilfe für sich als Selbstfahrer benötigt, weil seine Ehefrau ihn mit einem normalen Kfz zur Arbeit fahren könnte. Die Formulierung "ein Kraftfahrzeug führen kann" in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Kfz-HV stellt dabei nicht auf die formale Berechtigung zum Führen eines Kfz ab, sondern darauf, dass der behinderte Mensch unter Berücksichtigung aller Umstände in der Lage ist, ein Kfz zu führen (Niesel a.a.O. Rdnr. 9).

Die fehlende Eignung zur Führung eines motorbetriebenen Krankenfahrstuhls ergibt sich insbesondere aus dem augenärztlichen Gutachten des PD Dr. S. vom 17.12.2008, wonach das Sehvermögen des Klägers durch einen knapp bis an das Sehzentrum heranreichenden homonymen Gesichtsfeldausfall nach rechts eingeschränkt ist. Da der Ausfall beidseits deckungsgleich vorliegt, ist eine Kompensation nicht möglich. Die Mindestanforderung an das Sehvermögen zum Führen eines Kraftfahrzeugs nach der FeV Anlage 6 ist damit nicht erfüllt.

Dass der Kläger nicht die gemäß § 12 der FeV i.V.m der Anlage 6 genannten Anforderungen an das Sehvermögen erfüllt, ergibt sich im Übrigen aus zahlreichen anderen medizinischen Stellungnahmen (insbesondere Prof. Dr. W. vom 16.02.2003; Dr. S. vom 28.04.2004; Bericht der Kurklinik W. vom 28.10.1994; Prof. Dr. Dr. S. und Dr. R. vom 11.05.1995). Der Kläger selbst hat in dem Beratungsgespräch vom 04.12.1996 angegeben, dass er bei verschiedenen Augenärzten vorstellig geworden sei, welche alle seine Fahrtauglichkeit verneint hätten.

Bereits Dr. S. (28.04.2004) hat auch darauf hingewiesen, dass dies nicht nur aufgrund des Gesichtsfeldausfalls des Klägers gilt, sondern auch wegen seiner neuropsychologischen Aufmerksamkeitsdefizite. Von den genannten Ärzten wurde eine Teilnahme am Straßenverkehr insgesamt abgelehnt, so dass auch ein auf eine Geschwindigkeit von unter 25 km/h begrenzter Krankenfahrstuhl nicht zu bewilligen war. Dies überzeugt, weil die beim Kläger bestehenden starken Gesichtsfeldausfälle weder durch Seitwärtsbewegungen des Kopfes noch durch eine Drosselung der Geschwindigkeit des Krankenfahrstuhls ausreichend kompensiert werden können. Da auch bei einer langsameren Fortbewegung des Klägers im Straßenverkehr andere Autos sich mit ungedrosselter Geschwindigkeit auf ihn zubewegen und ihm den Weg verstellen können, besteht auch bei einer langsamen Eigengeschwindigkeit das Erfordernis eines Mindestsichtwinkels und einer Mindestreaktionsgeschwindigkeit.

Sofern die Neurologin PD Dr. S. am 15.07.2008 in ihrem Gutachten ausführt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der Folgen des Unfalles vom 06.12.1991 in der Lage sei, die Fahrerlaubnisgruppe 1 unter Auflagen zu erhalten, weshalb unter anderem vorgeschlagen werde, dass die Eignung gemäß dem aktuellen Aktivitätsniveau auf einen Radius von 20 km ums einen Heimatort zu begrenzen und Hauptverkehrszeiten sowie nächtliche Fahrten zu meiden seien, kann dies nicht zum Erfolg der Berufung führen. Der Kläger gibt an, sein Fahrzeug gerade für Nachtfahrten zu seinem Arbeitgeber zu verwenden, was nach keiner der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen befürwortet werden kann.

Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten bestand daher nicht die Notwendigkeit, den medizinischen Sachverhalt weiter aufzuklären und ein weiteres Gutachten einzuholen, weil aus keiner der speziell zur Frage der Fahrtüchtigkeit eingeholten ärztlichen Stellungnahmen die Tauglichkeit des Klägers für die Teilnahme am Straßenverkehr hervorgeht. Sofern die Klägerbevollmächtigte darauf verweist, dass der Kläger seit 2006 mit seinem selbst angeschafften Krankenfahrstuhl unfallfrei am Verkehr teilnehme, kann dies nach den oben zitierten gesetzlichen Vorschriften keinen Anspruch auf eine Kfz-Hilfe begründen.

Auch sofern der Kläger auf seine Befreiung von einer Fahrerlaubnis nach § 76 Nr. 4 FeV a. F. i. V. m. § 5 Abs. 4 FeV a. F. aufgrund seines Alters verweist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Freiheit vom Erfordernis einer Fahrerlaubnis hat für die Beklagte keine Tatbestands- oder Bindungswirkung dahingehend, dass sie ungeachtet der Voraussetzungen in § 40 SGB VII und § 3 KfzHV zur Förderung der Mobilität des Klägers mit einem Krankenfahrstuhl verpflichtet wäre. Die Fahrerlaubnis bzw. Fahrerlaubnisbefreiung nach der FeV stellt lediglich eine formale Voraussetzung für die Teilnahme am Straßenverkehr im Sinne einer notwendigen Bedingung dar, ohne dass sie indes für sich besehen alleine eine hinreichende Bedingung für die Teilnahme am Straßenverkehr darstellt.

Denn nach § 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) gelten die Grundregeln, dass die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht (Abs. 1) erfordert, und dass jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. § 3 Abs. 1 StVO legt zudem für die zulässige Höchstgeschwindigkeit fest, dass jeder Fahrzeugführer nur so schnell fahren darf, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht; er hat seine Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.

Diese Regeln, die unabhängig vom Vorliegen einer Fahrerlaubnis bzw. Fahrerlaubnisfreiheit Geltung beanspruchen, haben im Falle des Klägers nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen zur Konsequenz, dass er aufgrund seiner neurologischen und ophtalmologischen Einschränkungen grundsätzlich nicht mit einem Kfz am Straßenverkehr teilnehmen darf, um eine eigene Gefährdung und die Gefährdung anderer zu vermeiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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