L 6 SB 5105/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SB 4353/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5105/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.09.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1962 geborene Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).

Der Kläger beantragte am 06.11.2002 beim ehemaligen Versorgungsamt S. die Feststellung seines GdB. Das Versorgungsamt holte den Befundbericht des Dr. Sch. vom 15.11.2002 mit beigefügten diversen Arztbriefen ein und zog über die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. Behandlungsunterlagen und Röntgenaufnahmen bei. Dr. W. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.01.2003 eine Instabilität und Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks und bewertete den GdB mit 20. Das Versorgungsamt stellte mit Bescheid vom 30.01.2003 den GdB des Klägers mit 20 ab 06.11.2002 fest.

Hiergegen legte der Kläger unter Vorlage des im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Stuttgart anhängig gewesenen Rechtsstreits von der V-BG (VBG) gemachten Vergleichsangebots vom 10.12.2003 (Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] 20 vom Hundert [v. H.] wegen des Arbeitsunfalls vom 11.12.1995; MdE 10 v. H. wegen des Arbeitsunfalls vom 21.01.2002) Widerspruch ein. Das Versorgungsamt zog den Bescheid der VBG vom 29.04.2004 (Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 10 v. H. wegen des Arbeitsunfalls vom 21.01.2002) bei. Das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 03.11.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Er legte neben diversen medizinischen Unterlagen den Bescheid der VBG vom 12.01.2005 (Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 10 v. H. wegen des Arbeitsunfalls vom 21.01.2002; anerkannte Unfallfolgen: anteilige Bewegungseinschränkung, anteilige Instabilität und Muskelminderung im linken Kniegelenk nach Reruptur der vorderen Kreuzbandersatzplastik) vor.

Das Sozialgericht zog das für ein privates Unfallversicherungsunternehmen erstellte unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. D., Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Marienhospital S., vom 15.01.2004 (MdE 10 v. H. wegen des Arbeitsunfalls vom 21.01.2002) bei. Dr. K. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.06.2005 aus, die bisherige GdB-Beurteilung sei korrekt.

Sodann holte das Sozialgericht von Amts wegen das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des Dr. D., Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie des Marienhospitals S., vom 27.03.2006 ein. Der Sachverständige beschrieb eine endgradig eingeschränkte Entfaltbarkeit der Brustwirbelsäule bei teilfixierter Rundrückenbildung mit Streckhemmung der kopfnahen Brustwirbelsäulen-Hälfte von 10 Grad (Teil-GdB 10), rezidivierende Schmerzen in der beinnahen Lendenwirbelsäule bei kernspintomographisch dokumentierten Bandscheibenprotrusionen, freier Lendenwirbelsäulenbeweglichkeit und fehlenden sensiblen oder motorischen Nervenwurzelreizerscheinungen seitens lumbaler Spinalnerven (Teil-GdB 10), endgradige Bewegungseinschränkungen im linken Schultergelenk nach ursprünglicher Schultereckgelenkssprengung bei jetzt stabilem Schultereck- und Schultergelenk (Teil-GdB 0) sowie eine antero-mediale muskulär unvollständig kompensierbare Instabilität im linken Kniegelenk nach mehrfacher Kreuzbandzerreißung und Innenbandzerreißung mit daraus resultierender verminderter Belastbarkeit der linken unteren Extremität, Streckhemmung im linken Kniegelenk von 10 Grad und Beugeeinschränkung von 25 Grad, kernspintomographisch dokumentierter Knorpelschädigung im linken Kniegelenk zweiten Grades (Teil-GdB 20) und schätzte den Gesamt-GdB auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet mit 20 ein.

Der Kläger legte medizinische Unterlagen über die am 10.05.2006 und 10.07.2006 bei Prof. Dr. St., Sportklinik St. W. Bad G., durchgeführten Arthroskopien des linken Kniegelenks vor.

Daraufhin hörte das Sozialgericht den Arzt für Chirurgie Prof. Dr. St. und den Arzt für Chirurgie Dr. L. schriftlich als sachverständige Zeugen. Prof. Dr. St. beschrieb unter dem 17.01.2007 eine ausgeprägte Instabilität bei Zustand nach mehrfachen Voroperationen mit minimaler Bewegungseinschränkung sowie erhebliche Knorpelschäden im Bereich des Kniegelenks und hielt eine MdE um 20 v. H. für angemessen. Ferner führte er aus, auch wenn aus verschiedenen Unfällen einige MdE-Werte zusammen kämen, könnten diese MdE-Werte nicht einfach addiert werden, sondern müssten funktionsadäquat eingestuft werden. Dr. L. führte aus, es bestünden eine weitgehend freie Beweglichkeit hinsichtlich Streckung/Beugung von 0/0/125 Grad bei verbleibender Instabilität und insbesondere Muskelatrophie, Knorpelschäden in Form einer Chondromalazie dritten Grades im Bereich des medialen Femurkondylus und einer Chondromalazie zweiten Grades im Bereich des lateralen Tibiaplateaus (Teil-GdB 30) sowie eine Erkrankung des Schultergelenks (Teil-GdB 25) und legte den Entlassungsbericht des Reha-Zentrums P. W. vom 18.12.2006 vor.

Dr. K. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.05.2007 an der bisherigen GdB-Beurteilung fest.

Der Kläger legte medizinische Unterlagen über die am 14.05.2007 bei Prof. Dr. St. durchgeführte Arthroskopie des linken Kniegelenks sowie den Bescheid der VBG vom 03.02.1999 (Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. wegen des Arbeitsunfalls vom 11.12.1995; anerkannte Unfallfolgen: deutliche Muskelminderung am linken Ober- und Unterschenkel, muskulär nicht kompensierbare deutliche antero-mediale Restinstabilität am linken Kniegelenk, endgradige Einschränkung der Streck- und Beugungsfähigkeit des linken Kniegelenkes, leicht hinkendes Gangbild, Minderung des Kalksalzgehaltes im Bereich der linken Kniescheibe sowie Sensibilitätsstörungen über der linken Kniescheibe und subjektive Belastungsbeschwerden nach einem mit Kreuzbandersatzplastik operativ versorgten vorderen Kreuzbandriss am linken Knie mit noch einliegendem Metall im linken Oberschenkelknochen) vor.

Dr. Götz führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.06.2007 aus, die prä- und postoperativ erhobenen Funktionsbefunde entsprächen im Wesentlichen den im Rahmen der Begutachtung durch Dr. D. erhobenen Befunden. Für eine Höherbewertung des GdB ergebe sich keine ausreichende Grundlage.

Ferner legte der Kläger den Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom 19.06.2007 (minimal lateralisierte Patella im Verlauf unverändert), die ärztlichen Entlassungsberichte des Reha-Zentrums P. W. vom 02.06.2008 und der Asklepios-Klinik St. W. vom 04.03.2008 mit Operationsbericht vom 25.02.2008, den Befundbericht des Prof. Dr. St. vom 11.06.2008 (vordere Kreuzbandplastik linkes Kniegelenk am 25.02.2008, Streckung endgradig eingeschränkt) sowie den Arztbrief des Radiologen Dr. H. vom 04.08.2008 vor.

Sodann holte das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Dr. L. vom 09.11.2008 ein. Der Sachverständige beschrieb Gesundheitsstörungen im linken Kniegelenk (Teil-GdB 30) und im linken Schultereckgelenk (Teil-GdB 10), eine Radiusköpfchenfraktur rechts (Teil-GdB 0) sowie einen Schaden in der Brust- und Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 10) und schätzte den Gesamt-GdB mit 50 ein. Dem Gutachten beigefügt waren unter anderem das für das Sozialgericht erstellte Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 22.12.2003 (Gesamt-MdE um 30 v. H. für beide Arbeitsunfälle), das für ein privates Unfallversicherungsunternehmen erstellte Gutachten des Prof. Dr. D. vom 18.02.1996 (Folgen des Arbeitsunfalls vom 07.02.1995: Zustand nach AC-Gelenkssprengung Tossy III links mit deutlicher Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks und Verminderung der groben Muskelkraft des linken Arms, Schulterhochstand links mit mäßiger Muskelverschmächtigung im Bereich der linken Schulter; Gebrauchsbeeinträchtigung nach der Gliedertaxe des linken Armes um ein Viertel) und das für die Signal-Iduna-Krankenversicherungs-AG erstellte Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 30.09.2008 (um 15 Grad eingeschränkte Kniegelenksbeugung, Streckdefizit um 20 Grad, im oberen Bereich des Oberschenkels deutlichere Muskulaturverschmächtigung, leichte Umfangsvermehrung über dem Kniegelenk), das für die VBG erstellte unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. D. vom 06.12.2004 (MdE 10 v. H. wegen des Arbeitsunfalls vom 21.01.2002) und diverse andere Unterlagen.

Dr. Götz führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.03.2009 aus, aus den von Dr. L. in seinem Gutachten erhobenen Befunden ergebe sich gegenüber dem Gutachten des Dr. D. eher eine Besserung der Bandinstabilität am linken Kniegelenk. Eine wesentliche Verschlechterung des Funktionszustandes am linken Kniegelenk sei nicht belegt. Insbesondere sei ein dauerhafter Funktionszustand, welcher mit einer Versteifung des Kniegelenks in günstiger Stellung gleichzusetzen wäre, weiterhin nicht nachgewiesen. Für das Schultergelenk sei kein GdB begründbar.

Der Kläger legte den Entlassungsbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 27.01.2009 vor.

Daraufhin hörte das Sozialgericht Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., unter dem 05.06.2009 schriftlich als sachverständigen Zeugen. Er führte aus, am 07.04.2009 sei ein Innenmeniskusersatz im linken Kniegelenk implantiert worden, beschrieb eine mittelgradige posttraumatische Arthrose sowie eine mittelgradige Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks und schätzte den diesbezüglichen GdB mit 20 ein. Beigefügt waren diverse Befundberichte und Entlassungsberichte.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.09.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Beklagte habe, nachdem der Kläger insbesondere arbeitsunfallunabhängige Gesundheitsstörungen in der Schulter und Wirbelsäule geltend gemacht habe, zu Recht ohne Bindung an die Bescheide der VBG eine eigene Feststellung getroffen. Auch ergebe sich aus den Bescheiden der VBG keine höhere MdE, nachdem die Feststellung einer Gesamt-MdE um 30 v. H. gerade nicht vorliege. Daher habe der Beklagte selbständig in die Prüfung eintreten können. Gesundheitsstörungen, die bei ihrer Berücksichtigung zu einem höheren Gesamt-GdB als 20 führten, seien jedoch nicht festzustellen. Die Funktionsbehinderungen des linken Kniegelenks bedingten einen GdB von 20. Das Sozialgericht folgte dabei der Einschätzung des Dr. D ... Die von Dr. L. festgestellten Bewegungsmaße belegten eine bloß geringfügige Bewegungseinschränkung, die keinen GdB von 30 bedinge. Diese Funktionsbeeinträchtigung könne keinesfalls mit einer Versteifung des Kniegelenks gleichgesetzt werden. Bestätigt werde diese Einschätzung durch Prof. Dr. St. und Prof. Dr. W ... Auch die am 07.04.2009 durchgeführte Implantation eines Innenmeniskusersatzes rechtfertige keine höhere GdB-Bewertung. Eine solche sei erst beim Einsatz einer Endoprothese des gesamten Kniegelenks möglich. Eine solche Situation liege beim Kläger aber nicht vor. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bedinge einen Teil-GdB von 10. Das Sozialgericht folgte dabei der Einschätzung des Dr. D ... Ein höherer GdB könne schon deshalb nicht angenommen werden, weil mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt nicht festzustellen seien. Es lägen allein geringe funktionelle Auswirkungen vor, die keinen höheren GdB als 10 rechtfertigen könnten. Aus den weiteren nach der Begutachtung bei Dr. D. eingeholten ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich kein anderer medizinischer Sachverhalt. Die Funktionsbehinderung des Schultergelenks rechtfertige keinen Teil-GdB. Auch diesbezüglich folgte das Sozialgericht dem Gutachten des Dr. D ... Aus diesen Teil-GdB-Werten sei ein Gesamt-GdB von 20 zu bilden.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 07.10.2009 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 04.11.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, die Entscheidung des Sozialgerichts beruhe auf einer unrichtigen Anwendung des § 69 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Die VBG habe mit Bescheid vom 03.02.1999 wegen des Arbeitsunfalls vom 11.12.1995 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. und mit Bescheid vom 12.01.2005 wegen des Arbeitsunfalls vom 21.01.2002 eine Verletztenrente nach einer MdE um 10 v. H. bewilligt, die im Jahr 2006 abgefunden worden sei. Hätte er sich nicht abfinden lassen, hätte er Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. An diese Entscheidung sei der Beklagte gemäß § 69 Abs. 2 SGB IX gebunden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.09.2009 aufzuheben und den Bescheid des Versorgungsamts S. vom 30.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamts Baden-Württemberg vom 07.10.2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 30 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Sozialgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass zu Recht ein Feststellungs- und kein Ausstellungsverfahren durchgeführt worden sei, nachdem der Kläger mit seinem Erstantrag nicht nur Arbeitsunfallfolgen, sondern auch unfallunabhängige Gesundheitsstörungen geltend gemacht habe. In einem solchen Feststellungsverfahren sei der Beklagte nicht an die jeweilige MdE-Bewertung durch eine Berufsgenossenschaft gebunden, auch wenn die entsprechenden Werte in der Praxis in der Regel übernommen würden. Es treffe also nicht zu, dass vorliegend § 69 Abs. 2 SGB IX falsch angewandt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 20. Zu Recht hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 30.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 die Feststellung eines höheren GdB abgelehnt.

Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Es hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB als 20 nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt hier ein Anwendungsfall des § 69 Abs. 2 SGB IX nicht vor. Danach sind zwar Feststellungen nach § 69 Abs. 1 SGB IX grundsätzlich nicht zu treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid getroffen worden ist, und gilt eine solche Feststellung zugleich als Feststellung des GdB. Das mit der Antragstellung des Klägers begonnene Verfahren betrifft aber, worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat, Feststellungen nach § 69 Abs. 1 SGB IX. Die Regelung des § 69 Abs. 2 SGB IX lässt (in Bezug auf die Beurteilung einzelner Funktionsbeeinträchtigungen) einen nur teilweisen (partiellen) Verzicht auf eigenständige Feststellungen der Versorgungsbehörden nach § 69 Abs. 1 SGB IX nicht zu. Entweder es liegt nach Maßgabe des § 69 Abs. 2 SGB IX eine hinreichende anderweitige Feststellung vor; dann scheidet ein Vorgehen nach § 69 Abs. 1 SGB IX vollständig aus. Oder die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 SGB IX sind nicht gegeben; dann ist ausschließlich nach § 69 Abs. 1 SGB IX zu verfahren. Eine anderweitige MdE-Feststellung im Sinne des § 69 Abs. 2 SGB IX ist mithin im Rahmen des Schwerbehindertenrechts nur dann maßgebend, wenn sie eine Feststellung nach § 69 Abs. 1 SGB IX gänzlich erübrigt und damit an deren Stelle treten kann. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass das SGB IX keine Bindungswirkung eines Teil-GdB-Wertes für die Gesamtbeurteilung kennt, sondern nur der Gesamtzustand der Behinderung festzustellen ist. Dieser kann zwar auch auf den Auswirkungen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen beruhen, ist aber stets nur mit einem Gesamt-GdB zu bewerten. Den bei der Festsetzung des Gesamt-GdB zugrunde gelegten einzelnen Teil-GdB-Werten für jeweils gesondert betrachtete Beeinträchtigungen kommt mithin keine Bindungswirkung zu. Bei den Teil-GdB-Werten handelt es sich nur um Einsatzgrößen, mit denen die Gesamtbeurteilung einerseits vorbereitet, andererseits nachvollziehbar begründet und damit überprüfbar gemacht wird. Darin erschöpft sich die Bedeutung der Teil-GdB-Werte. Sie gehen als bloße Messgrößen für mehrere zugleich vorliegende Funktionsbeeinträchtigungen restlos in der Gesamtbeurteilung des GdB auf und dieser allein gibt das Maß der Behinderung nach den Gesamtauswirkungen sämtlicher Funktionsbeeinträchtigungen an. Die Modalitäten der Feststellung des GdB richten sich in diesen Fällen nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX. Dieser Regelung ist eine Bindungswirkung von Einzelgraden fremd. Mit dem generellen Ausschluss einer Bindungswirkung von Teil-GdB-Werten wäre es unvereinbar, eine anderweitige MdE-Feststellung im Rahmen der Gesamtbeurteilung nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX als verbindlich anzusehen. Diesem Ergebnis entsprechen auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Die Übernahme einer bereits vorgenommenen Bewertung des GdB dient allein der Verwaltungsvereinfachung. Diese wird nur in jenen Fällen vollständig erreicht, in denen Feststellungen nach § 69 Abs. 1 SGB IX entbehrlich sind. Soweit die Gesamtbeurteilung der Behinderung durch eine Bindung an einzelne anderweitige MdE-Feststellungen erleichtert würde, hat der Gesetzgeber dieses Ziel offenbar nicht angestrebt. Vielmehr hat er sogar die Möglichkeit geschaffen, auch bei Vorliegen einer umfassenden Feststellung im Sinne des § 69 Abs. 2 SGB IX ein Tätigwerden der Versorgungsbehörde nach § 69 Abs. 1 SGB IX zu erreichen, wenn beispielsweise der behinderte Mensch geltend macht, nach dem Schwerbehindertenrecht seien für ihn günstigere Bewertungsmaßstäbe heranzuziehen (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 12/06 R).

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved