L 12 AS 2354/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 86/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2354/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Übernahme der Kosten für Zahnbehandlungen, ein Kinderfahrrad, eine Brille, zwei Kleiderschränke sowie die Übernahme von Mietrückständen.

Die Klägerin und ihr 1999 geborener Sohn, der Kläger zu 2, lebten gemeinsam mit dem Kläger zu 3, dem Vater des Klägers zu 2, bis September 2004 in B ... Im Oktober 2004 zog die Familie in eine 97 qm große Wohnung nach N ... Die Kaltmiete betrug 533 EUR, Nebenkosten waren in Höhe von 120 EUR zu entrichten. Seit 2005 bezogen die Kläger als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Anfang März 2007 zog die Familie nach B. zurück.

Am 24. Juni 2005 beantragte die Klägerin die Übernahme von Kosten für eine zahnärztliche Behandlung in Höhe von 50 EUR und legte hierzu eine Rechnung der Dres. P. und M. in N. vom 3. Juni 2005 über eine Behandlung vom 25. Mai 2005 vor. Am 24. Oktober 2005 beantragte die Klägerin die Übernahme weiterer zahnärztlicher Behandlungskosten in Höhe von 118,97 EUR (Klägerin) und 70,14 EUR (Kläger zu 3) gemäß Rechnung Dr. J., B. vom 20. Oktober 2005. Mit Bescheiden vom 18. November 2005 lehnte die Beklagte die Anträge ab, die Widersprüche wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2005 zurück.

Am 29. August 2005 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für ein Kinderfahrrad für den Kläger zu 2 in Höhe von 170 EUR gemäß Rechnung vom 20. Mai 2005. Mit Bescheid vom 18. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2005 zurück.

Am 29. August 2005 beantragte die Klägerin desweiteren die Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer neuen Brille und legte hierzu eine Verordnung von Dr. S. vom 27. Juni 2005 vor nebst einem Kostenvoranschlag über 734,20 EUR. Mit Bescheid vom 18. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab, den hiergegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2005 zurück.

Am 2. September 2005 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für die Anschaffung von zwei Kleiderschränken für den Kläger zu 2. Hierzu legte sie eine Rechnung vom 29. August 2005 vor, wonach an diesem Tag zwei Schränke zum Preis von je 369 EUR gekauft und eine Anzahlung in Höhe von 238 EUR geleistet worden war. Mit Bescheid vom 18. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab, den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2005 zurück.

Am 10. September 2005 beantragte die Klägerin zudem die Übernahme von Mietschulden und legte hierzu ein an den Kläger zu 3 gerichtetes Schreiben der Vermieterin der B. Wohnung vom 24. August 2005 vor, mit welchem eine Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum Januar bis November 2004 erfolgte (Nachforderung 104,08 EUR) und Mietrückstände in Höhe von 1.098,86 EUR geltend gemacht wurden. Mit Bescheid vom 18. November 2005 übernahm die Beklagte die Nebenkostennachforderung, lehnte jedoch die Übernahme der Mietschulden ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2005 zurück.

Gegen die genannten Bescheide richtet sich die am 6. Januar 2006 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Die Klägerin trägt vor, die zahnärztliche Behandlung sei medizinisch notwendig gewesen, die Krankenkasse übernehme allerdings die Kosten nicht. Ein Kinderfahrrad für den Kläger zu 2 gehöre zum soziokulturellen Existenzminimum. Der Kleiderschrank sei notwendig geworden, da zuvor die Kleidung des Klägers zu 2 in ihrem Schrank mit aufbewahrt worden sei, was nun nicht mehr möglich sei. Der Bedarf sei auch nicht aus eigenen Mitteln zu decken, die Anzahlung sei ein Darlehen der Eltern des Klägers zu 3 gewesen. Die Beklagte könne nicht darauf verweisen, dass die Kosten nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien. Die Beklagte sei insoweit im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gleichwohl zur Kostenübernahme verpflichtet, da sie die Klägerin nie dahingehend beraten habe, dass für Einzelbeihilfen ein gesonderter Antrag erforderlich sei. Die Brille sei ebenfalls medizinisch notwendig, die Kosten hierfür trage die Krankenkasse nicht. Die Mietrückstände gegenüber dem ehemaligen Vermieter in B. seien zu übernehmen.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Einmalige Beihilfen für die Bestreitung der Kosten der zahnärztlichen Behandlungen, der Anschaffung eines Kinderfahrrads und eines Kleiderschranks seien bereits deswegen ausgeschlossen, weil die Anträge nicht rechtzeitig gestellt worden seien. Nach § 37 Abs. 2 SGB II würden Leistungen nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag müsse daher vor Entstehung des Bedarfs bzw. der entsprechenden Kosten gestellt werden. Bei den vorliegenden Kosten handele es sich nicht um gegenwärtigen Bedarf, sondern um Schuldverpflichtungen aus der Vergangenheit, für deren Übernahme außer für Mietrückstände keine gesetzliche Grundlage bestehe. Der Antrag auf laufende Leistungen umfasse nicht automatisch auch alle darüber hinausgehenden, nur im Einzelfall anfallenden Bedarfe. Von einer rechtzeitigen Antragstellung könne auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgegangen werden. Ein Verstoß gegen Beratungspflichten sei vorliegend nicht gegeben, denn ein konkreter Beratungsanlass habe nicht vorgelegen.

Es bestehe auch kein Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe oder eines Darlehens für die Anschaffung einer Brille. Ein Fall des § 23 Abs. 3 SGB II über die Gewährung einmaliger Beihilfen liege nicht vor, die Aufwendungen für eine Brille seien grundsätzlich aus der Regelleistung zu bestreiten. Es bestehe auch kein Anspruch auf Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II, da ein entsprechender Bedarf zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr bestehe. Nach der Rechnung der Firma G. O. in F. vom 23. September 2006 habe die Klägerin eine Brille entsprechend der Verordnung von Dr. G. vom 21. September 2006 gekauft. Darüber hinaus habe sich die Sehstärke der Klägerin gegenüber der Verordnung von Dr. S. verändert. Soweit die Klägerin geltend macht, sie benötige zwei Brillen, sei dies nicht nachvollziehbar. Ein medizinischer Grund, weswegen ein Brillenträger gleichzeitig sowohl eine Brille angepasst an die aktuelle Sehstärke sowie aufgrund einer veralteten Verordnung benötigen sollte, sei nicht ersichtlich. Eine Klage auf Feststellung, dass der Anspruch bestanden habe (Fortsetzungsfeststellungsklage) sei unzulässig, da kein Feststellungsinteresse bestehe. Eine Wiederholungsgefahr sei angesichts des Wegzugs der Klägerin aus dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten nicht erkennbar.

Ein Anspruch auf Übernahme der Mietrückstände bestehe nicht, die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II lägen nicht vor. Danach könnten Mietrückstände übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt sei. Den Zweck, die Wohnung zu sichern und so Wohnungslosigkeit zu vermeiden, könne eine Übernahme der Mietschulden nicht erreichen, denn die Rückstände bezögen sich auf eine Wohnung, die die Kläger seit Herbst 2004 gar nicht mehr bewohnten.

Gegen den Gerichtsbescheid richtet sich die am 15. Mai 2008 eingelegte Berufung der Kläger. Zur Begründung wird auf den Gleichbehandlungsgrundsatz verwiesen. Da die Beklagte in der Vergangenheit in ähnlich gelagerten Fällen Leistungen gewährt habe, habe sie dies auch gegenüber den Klägern zu tun. Die Regelsätze seien weder mit der Menschenwürde, dem Gleichheitsgebot noch mit einem Rechtsstaat vereinbar. Insoweit wird auf die Vorlagebeschlüsse des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) und des Bundessozialgerichts (BSG) an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Bezug genommen. Wegen der zu geringen Höhe der Regelleistung könne kein laufender Bedarf an den geltend gemachten Kosten in der Regelleistung enthalten sein. Das Bedarfsdeckungsprinzip müsse explizit anerkannt werden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung der Bescheide vom 18. November 2005 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7. Dezember 2005, der Klägerin einmalige Beihilfen für zahnärztliche Behandlungen in Höhe von 168,97 EUR, eine Brille in Höhe von 734,20, dem Kläger zu 2 eine Beihilfe für die Anschaffung eines Kinderfahrrads in Höhe von 170 EUR und von zwei Kleiderschränken in Höhe von 738 EUR und dem Kläger zu 3 eine einmalige Beihilfe für zahnärztliche Behandlung in Höhe von 70,14 EUR zu gewähren sowie die Mietrückstände in Höhe von 1.098,86 EUR zu übernehmen, hilfsweise die beantragten Leistungen als Darlehen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des SG an.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Senat kann in der vorliegenden Besetzung über die Berufung entscheiden. Die Ablehnungsgesuche gegen die Richter am LSG B. und V. vom 23. und 24. März 2010 sind mit Beschluss vom 25. März 2010 ohne Beteiligung der abgelehnten Richter zurückgewiesen worden. Die weiteren Ablehnungsgesuche gegen die Richter am LSG B., V. und S. vom 25. und 26. März 2010 sind unzulässig, da sie rechtsmissbräuchlich sind. Sie hindern den Senat daher nicht, unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden (vgl. Bundesfinanzhof, NJW 2009, 3806 f.).

Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 45 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 54 Rdnr. 10 m.w.N.). Nach § 60 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Es ist allerdings anerkannt, dass abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in alter Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheiden kann. Hierzu zählt etwa die Wiederholung einer Richterablehnung ohne neue Gesichtspunkte sowie die pauschale Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 60 Rdnr. 10d m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Über die Ablehnung der Richter B. und V. wurde bereits entschieden, neue Gesichtspunkte bringen die Kläger insoweit nicht vor. Die Ablehnung von Richter am LSG S.(sowie der übrigen, am Beschluss vom 25. März 2010 beteiligten Richter) beruht allein auf der Mitwirkung an dem Beschluss vom 25. März 2010, ohne dass konkrete Anhaltspunkte vorgebracht werden, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit der Mitglieder des Spruchkörpers hindeuten. Der Umstand der Vorbefassung allein rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht. Das geltende Verfahrensrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter grundsätzlich auch dann unbefangen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er bereits früher mit der Sache befasst war. Ausnahmen hiervon hat der Gesetzgeber in § 60 SGG i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO abschließend normiert (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Januar 2010 - B 11 AL 13/09 C - (juris)). Bei offenbarem Missbrauch - wie hier - ist eine Entscheidung durch gesonderten Beschluss nicht nötig (vgl. BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 4). Die gegen weitere Richter gestellten Befangenheitsanträge gehen ins Leere, da diese an der vorliegenden Entscheidung nicht beteiligt sind. Vizepräsident des Landessozialgerichts Denzinger, der Vorsitzende des 12. Senats, ist am Sitzungstag dienstlich verhindert.

Der Senat kann auch in Abwesenheit der Kläger verhandeln und entscheiden, da diese in der Ladung ordnungsgemäß auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 126 Rdnr. 4). Den Verlegungsanträgen der Kläger, die am Terminstag per Fax zwischen 4:00 und 5:00 Uhr eingegangen sind, war nicht stattzugeben. Eine Terminsverlegung kommt nur bei Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht (§ 202 SGG i.V.m. § 227 ZPO). Derartige Gründe liegen hier nicht vor. Soweit die Kläger geltend machen, dass ihr persönliches Erscheinen nicht angeordnet gewesen sei und ihnen deshalb kein rechtliches Gehör gewährt werde, übersehen sie, dass es ihnen - worauf sie mit Schreiben vom 12. März 2010 gesondert hingewiesen worden sind - selbstverständlich frei steht, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

Soweit die Kläger zu 1 und 3 darauf abstellen, wegen Mittellosigkeit die Fahrt zum Termin nicht bestreiten zu können und daher zur Wahrung des rechtlichen Gehörs einer Fahrkarte zum Termin zu bedürfen, trifft dies nicht zu. Eine Übernahme der Reisekosten ist auch außerhalb der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) möglich, wenn anders der Grundsatz der Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht sichergestellt werden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. März 2007 - L 7 SO 258/07 NZB - (juris) m.w.N.). Insoweit ist auch die Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über die "Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen für Reiseentschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen, Übersetzer, ehrenamtliche Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte" vom 27. April 2006 - VwV Reiseentschädigung - (i.d.F. vom 6. August 2009, Die Justiz 2009, S. 236) heranzuziehen, die unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Außenwirkung entfaltet. Auch insoweit haben die Kläger zu 1 und 3 indes keinen Anspruch auf Gewährung einer Fahrkarte zum Termin, da Mittel für die Reise zum Ort der Verhandlung nur mittellosen Beteiligten gewährt werden können. Als mittellos sind nach der VwV Reiseentschädigung Personen anzusehen, die nicht in der Lage sind, die Kosten der Reise aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin ist nach ihren zuletzt gemachten Angaben (erst) seit 10. März 2010 arbeitslos mit Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von ca. 1.400 EUR. Der Kläger zu 3 ist nach der zuletzt vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (im Verfahren L 12 AS 2397/08) versicherungspflichtig beschäftigt mit einem Verdienst von 1.071,15 EUR netto monatlich. Damit sind die Kläger zu 1 und 3 auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der PKH zu berücksichtigenden Freibeträge und Aufwendungen in der Lage, eine Bahnfahrkarte von Berlin nach Stuttgart zu bezahlen, welche regulär in der 2. Klasse 269,50 EUR (Hin- und Rückfahrt) kostet, jedoch über Sparpreisangebote der Bahn (noch drei Tage vor dem Termin nach Recherche tatsächlich verfügbar) erheblich günstiger zu bekommen ist. Kosten für eine Hotelübernachtung sind insoweit nicht zu berücksichtigen, da die Hin- und Rückfahrt angesichts des Termins um 11:40 Uhr am Terminstag zu bewältigen war (Abfahrt B.L. 5:38 Uhr, Ankunft S. Hbf 11:08 Uhr). Abgesehen davon wäre die Gewährung einer Fahrkarte zum Termin am Terminstag selbst nicht mehr möglich gewesen. Nachdem bereits mit Schreiben vom 16. März 2010 auf die Möglichkeit der Beantragung einer Fahrkarte hingewiesen worden war, wäre auch selbst bei Mittellosigkeit der Kläger einem Antrag auf Terminsverlegung zur Übersendung einer Fahrkarte nicht stattzugeben gewesen, weil die Kläger erst am Tag des Termins den Antrag auf Bewilligung einer Fahrkarte gestellt und damit selbst diese Möglichkeit zur Wahrnehmung des Termins vereitelt haben.

Schließlich ist dem Antrag auf Terminsverlegung auch nicht wegen einer Erkrankung der Klägerin stattzugeben. Nachdem die Klägerin per Fax am Sitzungstag mitgeteilt hat, der Termin sei bereits deshalb zu verlegen, weil sie arbeitsunfähig erkrankt sei, ist sie mit Fax um 8:09 Uhr aufgefordert worden, eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, aus der sich ergibt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht reisefähig und nicht in der Lage ist, am Termin teilnehmen zu können. Eine derartige Bescheinigung ging bis zum Ende des Termins um 12:35 Uhr nicht ein, die Klägerin hat nicht einmal vorgetragen, welche Erkrankung sie an der Terminswahrnehmung hindere. Damit ist ein wichtiger Grund für eine Terminsverlegung nicht nachgewiesen. Erst um 16:00 Uhr ging ein Fax ein (Original abgelegt im Verfahren L 12 AS 2325/08), mit dem eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung vom 25. März 2010) übersandt wurde über eine bereits ab 4. März 2010 bis voraussichtlich 31. März 2010 bestehende Arbeitsunfähigkeit.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Kläger ist statthaft (§ 143 SGG), da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die im Wege der Klagehäufung geltend gemachten Ansprüche werden bei der Berechnung des Beschwerdewerts zusammengerechnet (§ 202 SGG i.V.m. § 5 ZPO).

Rechtsmittelführer ist nicht nur die Klägerin, sondern auch ihr Sohn und ihr Lebensgefährte (Kläger zu 2 und 3). Der Senat hat insoweit das Rubrum berichtigt, da der geltend gemachte Bedarf für das Kinderfahrrad und die Kleiderschränke den Kläger zu 2 und für eine zahnärztliche Behandlung sowie die Übernahme der Mietrückstände den Kläger zu 3 betrifft. Da das SG insoweit ausdrücklich auch über Ansprüche der Kläger zu 2 und 3 entschieden hat, war das Urteil des SG entsprechend auszulegen.

Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II in der Fassung des kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft ist beteiligtenfähig nach § 70 Nr. 2 SGG (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = BSGE 97, 217). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar (BVerfGE 119, 331).

Streitgegenstand des Verfahrens sind nur die geltend gemachten einmaligen Leistungen, nicht die Höhe der laufenden Leistungen und somit auch nicht die Höhe der Regelleistung bzw. des Sozialgelds. Nur dieser Sachverhalt ist dem Gericht in diesem Verfahren unterbreitet worden und nur hierauf bezieht sich das im Klagantrag zum Ausdruck gekommene Klagebegehren. Ansprüche auf einmalige Leistungen können in einem selbstständigen Verfahren eingefordert werden (vgl. BSG SozR 4-4200 § 16 Nr. 1; BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 1). Hier hat die Beklagte in selbstständigen Bescheiden Regelungen zu Lebenssachverhalten getroffen, die hinreichend von den nach §§ 20, 22 SGB II getroffenen Entscheidungen abgrenzbar ist.

Zwar kommt ein Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Kosten für zahnärztliche Behandlungen, ein Kinderfahrrad und zwei Kleiderschränke nicht schon wegen verspäteter Antragstellung nicht in Betracht. Das BSG hat insoweit mit Urteil vom 23. März 2010 entschieden (- B 14 AS 6/09 R - (bisher nur als Pressemitteilung vorliegend)), dass Leistungen für Klassenfahrten vom Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst sind, so dass es keiner gesonderten Antragstellung bedurft habe (a.A. für einmalige Bedarfe: Sächs. LSG, Urteile vom 17. April 2008 - L 3 AS 107/07 - und vom 13. Oktober 2008 - L 7 AS 146/07 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 2008 - L 2 AS 6052/07 -; Bayer. LSG, Urteil vom 23. April 2009 - L 11 AS 125/08 - (alle juris)). Entsprechend wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung demnach auch für andere einmalige Bedarfe davon auszugehen sein, dass diese von der Antragstellung auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst sind. Für den vorliegenden Rechtsstreit kommt es daher auch nicht darauf an, ob eine rechtzeitige Antragstellung auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden kann (vgl. hierzu im einzelnen BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 9; BSG SozR 4-1200 § 14 Nr. 5 und 10).

Indes besteht kein Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen. Die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Kläger haben nach §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V Anspruch auf die zahnärztliche Behandlung, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Damit ist die Regelversorgung vollständig abgedeckt, es bleiben keine Kosten ungedeckt, die im Fall einer nach den Grundsätzen der §§ 12, 28 SGB V ausreichenden, das Maß des Notwendigen nicht überschreitenden zahnärztlichen Behandlung entstünden. Die Kläger zu 1 und 3 haben sich indes mit der hier streitigen professionellen Zahnreinigung für eine sogenannte individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) entschieden, die nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen wird. Die insoweit entstandenen Kosten beruhen daher nicht auf medizinischen Gründen, sondern auf der Entscheidung der Kläger für eine weitergehende Gesundheitsprophylaxe. Das soziokulturelle Existenzminimum wird durch die kostenfreie Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet. Lediglich die Kosten für medizinisch notwendige Leistungen, die in Folge der Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht (mehr) übernommen werden (etwa bestimmte Heil- und Hilfsmittel (§ 33 SGB V) oder nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 SGB V)) sind in der Regelleistung enthalten. Auch eine Darlehensgewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II kommt daher vorliegend nicht in Betracht, denn weder handelt es sich bei den Kosten für eine professionelle Zahnreinigung um einen von der Regelleistung umfassten Bedarf, noch ist dieser unabweisbar.

Auch bezüglich des Kinderfahrrads besteht kein Anspruch des Klägers zu 2. Es handelt sich nicht um eine einmalige Leistung im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II, sondern um einen Bedarf, der von der Regelleistung umfasst und insoweit anzusparen ist. Eine Darlehensgewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II kommt hier allerdings deshalb nicht in Betracht, weil eine solche - unabhängig davon, ob hier überhaupt ein unabweisbarer Bedarf vorliegt - jedenfalls angesichts der tatsächlich erfolgten Anschaffung nicht erforderlich war, denn der Bedarf konnte auf andere Weise gedeckt werden.

Auch die Kosten für zwei Kleiderschränke für den Kläger zu 2 können im konkreten Fall nicht übernommen werden. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind Leistungen für Erstausstattung für die Wohnung nicht von der Regelleistung umfasst, sie werden gesondert erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalen erbracht werden (§ 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II). Vorliegend handelt es sich schon gar nicht um eine Erstausstattung. Die Wohnung der Kläger war eingerichtet, auch die Bekleidung des Klägers zu 2 war untergebracht. Warum nach Angaben der Klägerin eine Aufbewahrung der Kleidung des damals fünfjährigen Klägers zu 2 in ihrem Kleiderschrank nicht mehr möglich gewesen sein sollte, erschließt sich nicht. Der Grundsicherungsträger hat nicht für Ausstattungsgegenstände aufzukommen, die nur deshalb erforderlich werden, weil der Hilfeempfänger seine funktionsfähige Wohnungseinrichtung umgestalten möchte (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 77/08 R - NJW 2010, 462). Insoweit kann dahin stehen, ob auch die tatsächlich geleistete Anzahlung in Höhe von 238 EUR einem Bedarf für Erstausstattung entgegen steht, denn die Beklagte gewährt üblicherweise für einen Kleiderschrank (ein zweiter wäre ohnehin nicht erforderlich) eine Pauschale in Höhe von 102 EUR, die mit der tatsächlich geleisteten Anzahlung bereits deutlich übertroffen wird.

Schließlich besteht ein Anspruch auf die Kosten für eine Brille nach der Verordnung von Dr. Szymanski schon deshalb nicht, weil der Bedarf insoweit nicht mehr besteht (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag im Verfahren L 12 AS 2325/08). Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass angesichts der Veränderung der Sehstärke der Klägerin bereits im Jahr 2006 eine nach der Verordnung von 2005 angepasste Brille nicht mehr in Betracht kam. Eine Klage auf Feststellung, dass die Beklagte zur Leistungsgewährung verpflichtet gewesen wäre (Fortsetzungsfeststellungsklage) - soweit die Klägerin eine derartige Feststellung überhaupt begehrt - wäre unzulässig, denn es ist kein Feststellungsinteresse ersichtlich. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen für Zahnbehandlungen, eine Brille, ein Kinderfahrrad und zwei Kleiderschränke lässt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG herleiten. Das BVerfG hat mit Urteil vom 9. Februar 2010 (- 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09; 1 BvL 4/09 -) entschieden, dass die - hier nicht maßgebenden - Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Kinder und Erwachsene betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. Es hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis 31. Dezember 2010 auch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzusehen (Härtefallregelung), denn ein pauschaler Regelleistungsbetrag kann nach seiner Konzeption nur den durchschnittlichen Bedarf decken. Nur dieser besondere Bedarf kann ab Verkündung der Entscheidung des BVerfG bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG geltend gemacht werden. Um einen derartigen, nur in seltenen Fällen vorliegenden Bedarf geht es hier indes gerade nicht, denn es steht nur ein einmaliger Bedarf im Streit, der die vom BVerfG aufgestellten Anforderungen gerade nicht erfüllt (vgl. BVerfG vom 9. Februar 2010, a.a.O.). Abgesehen davon stammt die Bedarfslage aus dem Jahr 2005, so dass auch insoweit aus der Entscheidung des BVerfG keine Ansprüche hergeleitet werden können.

Eine Übernahme der Mietrückstände für die Wohnung in Berlin kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 22 Abs. 5 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2 der Vorschrift). Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, kann der maßgebende Zweck der Vorschrift, die Sicherung der Unterkunft, schon deshalb nicht erreicht werden, weil die Kläger die Wohnung bereits seit Herbst 2004 nicht mehr bewohnen, so dass die Übernahme der Mietrückstände nicht gerechtfertigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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