S 20 (19) SO 79/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 (19) SO 79/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 397/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beigeladenen vom 14.08.2009 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin seit 01.02.2009 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V krankenversicherungspflichtiges Mitglied der Beigeladenen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beigeladene.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ab 01.02.2009 gegen den Beklagten einen Anspruch auf Krankenhilfe nach dem 5. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) hat oder bei der Beigeladenen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der so genannten "Bürgerversicherung" krankenpflichtversichert ist.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin war zuletzt von 1992 bis 30.06.2000 als Pflichtmitglied und vom 01.07.2000 bis 15.04.2001 als freiwilliges Mitglied bei der "Barmer Ersatzkasse", einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, gesetzlich krankenversichert. Seitdem war sie nicht mehr - gesetzlich oder privat - krankenversichert gewesen.

Vom 01.03.2006 bis 31.01.2009 bezog die Klägerin vom Beklagten - zuletzt bewilligt durch Bescheid vom 24.06.2008 - laufende Leistungen der Grundsicherung (GSi) im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Als Einkommen wurden bedarfsmindernd eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 308,06 EUR und eine monatliche Erbteilszahlung in Höhe von 345,12 EUR - jeweils Stand Juli 2008 - berücksichtigt. Während des GSi-Leistungsbezuges erhielt die Klägerin vom Beklagten bei Bedarf Krankenhilfe nach dem 5. Kapitel des SGB XII, die gem. 264 Abs. 2 SGB V über die AOK Rheinland/Hamburg abgewickelt wurde.

Ab 01.01.2009 erhielt die Klägerin Wohngeld in Höhe von monatlich 105,00 EUR. Die Berücksichtigung dieses zusätzlichen Einkommens führte dazu, dass das Gesamteinkommen der Klägerin deren sozialhilferechtlichen Bedarf um 57,58 EUR überstieg. Der Beklagte stellte die laufenden GSi-Zahlungen zum 31.01.2009 ein.

Durch Bescheid vom 19.01.2009 hob der Beklagte die (letzte) Entscheidung über die Bewilligung von GSi im Alter ab 01.01.2009 auf. Er wies auf den fehlenden Krankenversicherungsschutz ab 01.02.2009 hin und bat die Klägerin, einen Antrag auf Aufnahme in die "Bürgerversicherung" zu stellen.

Am 28.01.2009 sprach die Klägerin bei der Beigeladenen wegen einer Krankenversicherung ab 01.02.2009 vor. Diese teilte ihr am 30.01.2009 mit, dass bei Begründung einer Mitgliedschaft ein monatlicher Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 143,64 EUR zu zahlen wäre; sie meinte, dass nach Zahlung dieses Betrages wieder Anspruch auf GSi bestünde, und bat die Klägerin, diesen Anspruch durch den Beklagten überprüfen zu lassen.

Daraufhin legte die Klägerin am 03.02.2009 gegen den Bescheid des Beklagten vom 19.01.2009 Widerspruch ein.

Am 22.04.2009 forderte der Beklagte die Klägerin schriftlich auf, die Aufnahme in die "Bürgerversicherung" ab 01.02.2009 durch Vorlage eines entsprechenden Beitragsbescheides der Beigeladenen nachzuweisen.

Am 09/14.07.2009 erstattete die Klägerin der Beigeladenen eine förmliche Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Durch Bescheid vom 14.07.2009 lehnte die Beigeladene den Antrag auf Mitgliedschaft ab mit der Begründung, es bestehe keine Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ab 01.02.2009, da ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall bestehe. Sie verwies hierzu auf die Regelungen des § 5 Abs. 8a Satz 2 und 3 i.V.m. Satz 1 SGB V. Da durch die bereits für den gesamten Monat Februar zu zahlenden Beiträge Sozialhilfebedürftigkeit bestünde, habe keine Handhabe bestanden, die Leistung einzustellen. Wenn aber der Anspruch auf Sozialhilfe für weniger als einen Monat unterbrochen werde, schließe dies Versicherungspflicht in der Bürgerversicherung aus. Desweiteren vertrat die Beigeladene die Auffassung, dass die Klägerin anderweitig gegen den Krankheitsfall abgesichert (gewesen) sei, weil sie bisher durch das Sozialamt zu den Betreuten nach § 264 Abs. 2 SGB V zähle; dies allein schließe Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus.

Dagegen legte die Klägerin am 16.07.2009 Widerspruch ein, über den die Beigeladene noch nicht entschieden hat. Die Beigeladene hat mitgeteilt, dass das Widerspruchsverfahren zunächst ruhend gestellt worden ist, um den Ausgang des anhängigen Klageverfahrens abzuwarten.

Durch Widerspruchsbescheid vom 16.07.2009 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 19.01.2009 zurück.

Im Juli 2009 endete der Anspruch der Klägerin auf die Erbteilszahlungen; sie erhielt daraus letztmals 409,03 EUR. Im Hinblick darauf beantragte die Klägerin am 17.07.2009 erneut Leistungen der GSi. Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 23.07.2009 laufende GSi im Alter vom 01.08.2009 bis 30.06.2010.

Am 01.08.2009 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 19.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2009 erhoben. Sie ist zuletzt der Auffassung, ab 01.02.2009 bestehe eine Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, für deren Durchführung die Beigeladene zuständig sei. Der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 8a SGB V greife nicht, da der Sozialhilfeleistungsbezug nicht um "weniger" als einen Monat unterbrochen worden sei; tatsächlich seien die GSi-Leistungen für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2009 unterbrochen worden; der erneute Bezug ab 01.08.2009 führe nicht zum Ende der Versicherungspflicht in der "Bürgerversicherung".

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr ab 01.02.2009 Krankenhilfe nach dem 5. Kapitel des SGB XII zu gewähren, hilfsweise, den Bescheid der Beigeladenen vom 14.07.2009 aufzuheben und festzustellen, dass sie seit 01.02.2009 gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V krankenversicherungspflichtiges Mitglied der Beigeladenen ist.

Der Beklagte beantragt,

die gegen ihn gerichtete Klage (Hauptantrag) abzuweisen.

Er verbleibt bei seiner Auffassung, die Klägerin habe ab 01.02.2009 keinen Anspruch auf Krankenhilfe nach § 48 SGB XII, da Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehe. Der Beklagte hat sich verpflichtet, für den Fall, dass die Klägerin ab 01.02.2009 in der "Bürgerversicherung" krankenversichert ist, bei entsprechender Bedürftigkeit die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen.

Die Beigeladene beantragt,

die gegen sie gerichtete Klage (Hilfsantrag) abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihre im Bescheid vom 14.07.2009 vertretene Auffassung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten und der Beigeladenen und der Gerichtsakte S 19 SO 81/09 ER (SG Aachen), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und im Hilfsantrag gegenüber der Beigeladenen begründet.

Die Klage ist zurecht gegen den Oberbürgermeister der Stadt Aachen, vertreten durch den StädteRegionsrat der Städteregion Aachen gerichtet. Die Städteregion Aachen hat die Rechtsstellung eines Kreises; auf sie finden die für Kreise geltenden Vorschriften Anwendung (§ 3 Abs. 1 des "Gesetz zur Bildung der Städteregion Aachen [Aachen-Gesetz]" vom 26.02.2008 - GV. NRW 2008 S.162). Demgemäß ist die Städteregion der zuständige örtliche Träger der Sozialhilfe (vgl. §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 1 des Landesausführungsgesetzes zum SGB XII für das Land NRW vom 16.12.2004 (GV. NRW 2004 S. 816). Zwar hat die Stadt Aachen die Rechtsstellung einer kreisfreien Stadt (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Aachen-Gesetz). Jedoch ist sie nicht örtlicher Träger der Sozialhilfe, da Landesrecht etwas anderes bestimmt (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XII). Durch § 6 Abs. 1 Satz 1 Aachen-Gesetz i.V.m. § 23 Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.10.1979 (GV. NRW 1979 S. 621) i.V.m. Nr. 6 der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Aufgabenübertragung in der Städteregion Aachen vom 17.12.2007 (GV. NRW 2008 S. 166) sind die Aufgaben der Stadt Aachen im Bereich der Sozialhilfe auf die Städteregion übertragen worden. Diese wiederum hat die ihr obliegenden Aufgaben nach dem SGB XII den regionsangehörigen Städten und Gemeinden, also auch der Stadt Aachen, zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen (§ 1 Nr. 1 der Satzung über die Durchführung der Aufgaben nach dem SGB XII in der Städteregion Aachen). Bei der Durchführung von gerichtlichen Streitverfahren werden die Städte und Gemeinden durch die Städteregion vertreten (§ 3 Nr. 3 der Satzung). Für die Stadt Aachen handelt der Oberbürgermeister, für die Städteregion der StädteRegionsrat als Behörde. Diese Behörden sind beteiligtenfähig im Sinne von § 70 Nr. 3 SGG. Nach dieser Vorschrift sind Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt, fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Lande NRW (AG-SGG NRW) vom 08.12.1953 (GV. NRW 1953 S. 412), zuletzt geändert durch Art. II des Gesetzes vom 28.10.2008 (GV. NRW 2008 S. 646), bestimmt für Nordrhein-Westfalen: "Behörden sind fähig, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein."(vgl. dazu: BSG, Urteil vom 23.04.2009 - B 9 SB 3/08 R; Urteil vom 24.03.2009 - B 8 SO 29/07 R; a.A. mit wenig überzeugender Begründung: LSG NRW, Urteil vom 25.02.2008 - L 20 SO 31/07, das den Rechtsträger - hier: die Stadt Aachen bzw. die Städteregion Aachen - für die allein beteiligtenfähige "richtige" Beklagte hält).

Soweit sich die Klage im Hauptantrag gegen den Beklagten richtet, ist sie unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat ab 01.02.2009 keinen Anspruch auf Krankenhilfe gem. § 48 SGB XII i.V.m. § 264 Abs. 2 SGB V, da sie zu diesem Zeitpunkt Pflichtmitglied in der "Bürgerversicherung" gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist. Aus diesem Grund ist die mit dem Hilfsantrag gegen die Beigeladene gerichtete Klage begründet.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten. Bis 31.01.2009 hatte die Klägerin noch einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Denn bis dahin bezog sie laufende Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Der Empfang dieser Leistungen schloss Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus, wie sich aus § 5 Abs. 8a Satz 2 i.V.m. Satz 1 SGB V ergibt. Da die Klägerin ab 01.01.2009 Wohngeld in Höhe von 105,00 EUR erhielt und die Berücksichtigung dieses zusätzlichen Einkommens dazu führte, dass das Gesamteinkommen der Klägerin deren sozialhilferechtlichen Bedarf überstieg, hatte der Beklagte zurecht durch Bescheid vom 19.01.2009 die Entscheidung über die Bewilligung der GSi-Leistungen ab 01.01.2009 aufgehoben. Soweit er diese Leistungen erst zum 31.01.2009 eingestellt hat, war die Klägerin bis dahin noch "Empfänger" laufender Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII im Sinne des § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V. Ab 01.02.2009 war dies jedoch nicht mehr der Fall; seit diesem Zeitpunkt erhielt sie keine laufenden Sozialhilfeleistungen mehr. Der allein noch mögliche Anspruch auf Krankenhilfe nach § 48 SGB XII beinhaltete keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Dies ergibt sich aus der bereits erwähnten Vorschrift des § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V; danach sind Empfänger laufender Leistungen nach 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII nicht nach Abs. 1 Nr. 13 versicherungspflichtig; Personen, die ausschließlich und fallweise Hilfen zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel des SGB XII erhalten, sind in § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V gerade nicht genannt. Der alleinige Bezug von bzw. der Anspruch auf Hilfe bei Krankheit gem. § 48 SGB XII stellt damit keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall dar.

Auch der Ausschlusstatbestand nach § 5 Abs. 8a Satz 3 i.V.m. Satz 2 und 1 SGB V steht der Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der "Bürgerversicherung" ab 01.02.2009 nicht entgegen, da die laufenden Sozialhilfeleistungen nicht weniger als einen Monat unterbrochen worden sind. Erst ab 01.08.2009 erhielt die Klägerin wieder Leistungen der GSi, d.h. die Leistungsunterbrechung dauerte sechs Monate. Die Auffassung der Beigeladenen, dass durch die Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen in die "Bürgerversicherung" wieder Sozialhilfebedürftigkeit der Klägerin entstanden ist (bzw. entstehen konnte), ist richtig, nicht aber die daraus von der Beigeladenen gezogene Schlussfolgerung, dass deshalb ab 01.02.2009 keine Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eingetreten ist. Aus § 22 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen i.V.m. § 10 Abs. 1 der "Beitragsverfahrengrundsätze Selbstzahler" des GKV-Spitzenverbandes vom 27.10.2008 ergibt sich, dass die Beiträge zwar für den jeweiligen Beitragsmonat erhoben werden, jedoch erst bis zum 15. des dem Beitragsmonat folgenden Monats (Fälligkeitstag) zu zahlen sind. Wenn die Beiträge von der Klägerin also erst (spätestens) am 15.03.2009 zu entrichten waren, wäre auch dann erst der sozialhilferechtliche Bedarf eingetreten und vom Beklagten zu befriedigen gewesen. § 223 SGB V regelt die Beitragszeit (Beiträge für jeden Tag), nicht aber die Beitrags- fälligkeit. Im Übrigen ergibt sich aus § 32 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, dass eine allein durch die Beiträge aufgrund einer Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V begründete Sozialhilfebedürftigkeit der Versicherungspflicht in der "Bürgerversicherung" nicht entgegensteht. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil es sonst zu einem nicht aufzulösenden Zirkelschluss käme: der Wegfall laufender Sozialhilfeleistungen begründet Versicherungs- und Beitragspflicht in der "Bürgerversicherung" mangels anderweitiger Absicherung im Krankheitsfall; die Beitragspflicht löst Sozialhilfebedürftigkeit aus und begründet einen Sozialhilfeanspruch; die daraus resultierende laufende Sozialhilfe schließt Versicherungspflicht in der "Bürgerversicherung" aus; ohne Versicherungs-/Beitragspflicht fehlt es an der Sozialhilfebedürftigkeit und einem Anspruch auf laufende Sozialhilfeleistungen; fehlende laufende Leistungen der Sozialhilfe begründen Versicherungs- und Beitragspflicht in der "Bürgerversicherung" usw. usw. usw.

Die somit ab 01.02.2009 bestehende Krankenversicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V besteht auch über den 31.07.2009 fort. Soweit die Klägerin seit 01.08.2009 wieder Empfängerin laufender Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII ist, hat dies die Versicherungspflicht in der "Bürgerversicherung" nicht entfallen lassen. Zwar endet grundsätzlich die Mitgliedschaft der in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V genannten Personen mit dem Ablauf des Vortages, an dem ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründet wird (§ 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V) und ist mit dem Bezug laufender Sozialhilfeleistungen grundsätzlich ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gegeben, der die Versicherungspflicht "in der Bürgerversicherung" ausschließt. Gem. § 190 Abs. 13 Satz 2 SGB V gilt jedoch Satz 1 Nr. 1 nicht für Mitglieder, die Empfänger von Leistungen nach dem 3., 4., 6., und 7. Kapitel des SGB XII sind. Diese Regelung in § 190 Abs. 13 Satz 2 SGB V stellt sicher, dass Personen, die gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung geworden sind, auch dann Mitglied bleiben, wenn sie nach dem Beitritt Empfänger von Leistungen der aufgezählten Kapitel des SGB XII werden (vgl. die Begründung zu dieser Vorschrift in: BT-Drucksache 16/3100, S. 159).

Die Zuständigkeit der Beigeladenen für die Durchführung der Pflichtversicherung der Klägerin ab 01.02.2009 folgt aus § 174 Abs. 5 SGB V. Danach werden abweichend von § 173 Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Mitglied der Krankenkasse oder des Rechtsnachfolgers der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versichert waren. Zuletzt war die Klägerin bis 15.04.2001 bei der "Barmer Ersatzkasse" versichert; die Beigeladene ist Rechtsnachfolgerin dieser Krankenkasse.

Die Möglichkeit zur Verurteilung der Beigeladenen - auch im Sinne einer Feststellung - ergibt sich aus § 75 Abs. 5 SGG. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens bei der Beigeladenen ist unschädlich, zumal die Beigeladene das Vorverfahren im Hinblick auf das anhängige Hauptsacheverfahren selbst ruhend gestellt hat. Solange der ablehnende Bescheid vom 14.07.2009 nicht bindend geworden ist, darf er im Rahmen der Verurteilung gem. § 75 Abs. 5 SGG aufgehoben werden (BSG, Urteil vom 19.05.1982 - 11 RA 37/81; vgl. auch Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 75 Rn. 18 ff. m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Auch wenn die Klage im Hauptantrag gegen den Beklagten gerichtet und insoweit nicht erfolgreich war, hält es die Kammer für sachgerecht und angemessen, dass die Beigeladene die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfang übernimmt. Da der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.01.2009 durch Widerspruchsbescheid vom 16.07.2009 zurückgewiesen hatte, war die Klägerin prozessual gezwungen, dagegen Klage zu erheben, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, dass diese Bescheide bestandskräftig werden, bevor endgültige Klarheit über ihre ab 01.02.2009 bestehende Absicherung im Krankheitsfall bestand. In dieser Situation konnte der Klägerin nicht zugemutet werden, ein prozessuales Risiko einzugehen und sich nur auf ein Verfahren, sei es gegen den Beklagten oder die Beigeladene zu beschränken. Das Klageziel der Klägerin war, Klarheit über ihren Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall ab 01.02.2009 zu erhalten; dabei war es für sie nur von untergeordneter Bedeutung, wer dafür zuständig ist - der Beklagte über die Krankenhilfe nach § 48 SGB XII oder die Beigeladene über den Versicherungsschutz nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Mit ihrem Kernbegehren war die Klägerin gegenüber der Beigeladenen erfolgreich, weshalb diese die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in vollem Umfang zu übernehmen hat. Kosten des - ebenfalls obsiegenden - Beklagten sind nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs. 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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