Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 RJ 1187/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RJ 8/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ... 1950 geborene Klägerin durchlief nach ihren Angaben vom 1. April 1965 bis zum 16. November 1968 eine Lehre als Floristin und war anschließend bis Februar 1991 im erlernten Beruf beschäftigt. Vom 4. März 1991 an stand sie - ihren Angaben zufolge nach krankheitsbedingter Aufgabe ihres erlernten Berufes - bei S. in einem Beschäftigungsverhältnis als Museumsangestellte im Aufsichtsdienst.
Seit dem 7. November 1995 ist die Klägerin - ununterbrochen - krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Nachdem sie schon seit Jahren an rezidivierenden Lumbalgien gelitten hatte, wurde sie am 7. November 1995 wegen heftiger Lumbalgien und Lumboischialgien arbeitsunfähig krankgeschrieben. Sie befand sich vom 20. November 1995 bis zum 5. Dezember 1995 wegen inkomplettem Cauda-Syndrom bei Massenprolaps L 4/L 5 links in stationärer Behandlung des S.-Krankenhauses, Berlin- ..., wo eine Nukleotomie nach interlaminärer Fensterung mit Sequesterentfernung vorgenommen wurde (Operation vom 21. November 1995).
Die Klägerin erhielt bis zum 29. Januar 1996 Lohnfortzahlung und vom 30. Januar 1996 bis zur Aussteuerung am 5. Mai 1997 von der G.-Krankenkasse Krankengeld. Vom 6. Mai 1997 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 3. März 1999 bezog sie im Rahmen der sog. Nahtlosigkeitsregelung vom Arbeitsamt Arbeitslosengeld. Den Antrag der Klägerin, ihr vom 4. März 1999 an Arbeitslosenhilfe zu gewähren, lehnte das Arbeitsamt wegen fehlender Bedürftigkeit (Arbeitseinkommen des Ehemannes) ab.
Auf ihren Antrag vom 21. Februar 1996 gewährte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 10. Juli 1996 bis zum 7. August 1996 als medizinische Leistung zur Rehabilitation eine stationäre Heilbehandlung in der B. Klinik, B., und für deren Dauer Übergangsgeld. Im Ärztlichen Entlassungsbericht vom 22. August 1996 wurden als „Entlassungsdiagnosen“ ein Lumbalsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation (am 21. November 1995) und ein Zervicobrachialsyndrom genannt. In dem Bericht heißt es u.a., bei der als arbeitsunfähig entlassenen Klägerin bestünden noch erhebliche Restbeschwerden. Es könne davon ausgegangen werden, dass nach einer weiteren Rekonvaleszenzphase von etwa drei Monaten die Arbeitsfähigkeit der Klägerin für die vollschichtige Ausübung ihrer letzten Tätigkeit als Museumsangestellte wiederherstellt werden könne. Die Klägerin könne körperlich leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten.
Am 20. September 1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Sie halte sich wegen des Bandscheibenvorfalls seit November 1995 für erwerbsgemindert und könne keine Erwerbsarbeiten mehr verrichten. Die Beklagte ließ die Klägerin von dem Orthopäden Z. untersuchen, der in seinem Gutachten vom 12. März 1997 befand, dass die Klägerin leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen vollschichtig verrichten könne. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 9. April 1997 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1998 - ab. Die Klägerin sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Da es an Anhaltspunkten für eine Lösung der Klägerin von ihrem qualifizierten Beruf als Floristin aus gesundheitlichen Gründen fehle - so heißt es im Widerspruchsbescheid u.a. -, seien der Klägerin alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes zuzumuten. Darauf, ob sie ihre bisherige Tätigkeit als Museumsangestellte noch verrichten könne, komme es nicht an.
Während des gegen die Rentenablehnung gerichteten Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin (SG) kündigte die S. das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. September 1998.
Nachdem die behandelnden Ärzte der Klägerin deren quantitatives Leistungsvermögen unterschiedlich beurteilt hatten - einige von ihnen hielten die Klägerin noch für vollschichtig einsetzbar (Orthopäden Dres. K. und H. [Gemeinschaftspraxis], Internist Dr. W.), andere dagegen nicht (Orthopäde Dr. G., Nervenarzt H., Internist und Rheumatologe Dr. H.), der Orthopäde Dr. E. hielt diese Frage nur im Rahmen einer Begutachtung für ausreichend beantwortbar -, ernannte das SG den Chefarzt der Neurochirurgie im Klinikum B., Prof. Dr. K., zum gerichtlichen Sachverständigen.
Beim Sachverständigen gab die Klägerin an, sie könne eigentlich überhaupt nicht mehr arbeiten. Auch das Autofahren bereite ihr Mühe. Das Treten der Kupplung mit dem linken Bein funktioniere nicht. Der Hals sei immer schmerzhaft verspannt. Das Drehen des Kopfes sei nicht möglich. Beim Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln tue ihr der ganze Körper weh.
Prof. K. stellte in seinem Gutachten vom 12. April 1999 ein residuales Lumbalwurzelreizsyndrom und eine milde Gonarthrose beiderseits fest und kam aufgrund der Beschwerdeschilderung der Klägerin und deren neurochirurgischer Untersuchung zum Ergebnis, dass ihr körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung seit dem Zeitpunkt der Operation nur noch halb- bis untervollschichtig zumutbar seien. Dies folge aus der rezidivierenden, möglicherweise adhäsionsbedingten (narbenbedingten) Schmerzsymptomatik und der Chronifizierung des Schmerzbildes drei Jahre nach der seinerzeitigen Operation. Es handele sich um einen funktionellen Endzustand, mit dessen Besserung nicht zu rechnen sei. Im Übrigen sei die Wegefähigkeit der Klägerin eingeschränkt. Die Klägerin habe glaubhaft vorgebracht, dass ihr längeres Sitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln und die damit verbundenen Erschütterungen große Schmerzen bereiteten. Auf Vorhalt der Beklagten - die im Hinblick auf die objektiven Befunde einen vollschichtigen Einsatz der Klägerin weiterhin für möglich hielt - erläuterte Prof. K. seinen Standpunkt zur Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens unter dem 24. Juni 1999 ergänzend dahin, dass die Diskrepanz der Einschätzung auf der von ihm vorgenommenen umfassenden Würdigung des gesamten Krankheitszustandes beruhe. Die subjektiven Beschwerden der Klägerin seien durchaus glaubhaft. Bei dem sog. „Postnukleotomiesyndrom“, das bei der Klägerin in milder Ausprägung vorliege, sei es nicht ungewöhnlich, dass die objektiven Befunde besser erschienen als der subjektive Leidensdruck. Unter dem 14. Februar 2000 präzisierte der Sachverständige seine gutachterlichen Ausführungen im Übrigen dahin, dass eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen der damit verbundenen äußerst schmerzhaften Erschütterungen für die Klägerin nur für die Dauer von etwa fünf bis zehn Minuten zumutbar sei. Das gelte sowohl für die Benutzung schienengebundener als auch nicht schienengebundener Verkehrsmittel.
Zum Beweise für ihre Behauptung, dass sie ihre Tätigkeit als Floristin aus Gesundheitsgründen aufgegeben habe, legte die Klägerin eine eidesstattliche Erklärung ihres Ehemannes, K.-D. M., vom 9. November 1999 vor. Darin heißt es, die die Klägerin seinerzeit behandelnden Ärzte Dr. R. und Dr. E. hätten darauf hingewiesen, dass der von ihr ausgeübte Beruf einer Floristin mitverursachend für das damalige akute Krankheitsbild gewesen sei. Aufgrund der vorliegenden massiven Beschwerden sei ihr ein Wechsel der Tätigkeit angeraten worden.
Am 16. Februar 2000 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide, der Klägerin, ausgehend von einem am 21. November 1995 eingetretenen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit, vom 1. Dezember 1995 bis zum 9. Juli 1996 Übergangsgeld und vom 8. August 1996 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit dem Grunde nach zu gewähren. Die Klägerin erfülle die versicherungsrechtlichen Rentenvoraussetzungen. Sie sei auch erwerbsunfähig. Sie könne spätestens seit 21. November 1995, dem Zeitpunkt der Bandscheibenoperation, (über fünf bis zehn Minuten hinaus) keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen. Diese von Prof. K. überzeugend dargelegte Einschränkung der Wegefähigkeit gelte natürlicherweise auch für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges (die Klägerin besitze einen Führerschein und ein Auto), da dies ebenfalls mit schmerzverursachenden Erschütterungen verbunden sei. Wenn sich demgegenüber die behandelnden Ärzte Dr. H. und Dr. G. dahin geäußert hätten, dass es der Klägerin zumutbar sei, zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen, so sei darauf hinzuweisen, dass beide Ärzte nicht Neurochirurgen seien.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, das SG habe die Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen zur Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin unkritisch übernommen. Der Sachverständige begründe die Unmöglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, nicht mit objektiven medizinischen Feststellungen, sondern mit entsprechenden Behauptungen der Klägerin. Die Angaben der Klägerin seien aber nicht glaubhaft. Während diese angegeben habe, das Autofahren bereite ihr u.a. deshalb Mühe, weil das Drehen des Kopfes nicht möglich sei, habe der Sachverständige festgestellt, dass der Kopf frei beweglich sei. Im Übrigen habe sich Prof. K. zur Frage, ob es der Klägerin gesundheitlich zumutbar sei, ihren Pkw zur Erreichung eines Arbeitsplatzes zu benutzen, bisher gar nicht geäußert. Auch sei nicht erkennbar, dass beim U-Bahn-Fahren - die Klägerin wohne unweit eines U-Bahn-Hofes - Erschütterungen aufträten. Das Gleiche gelte für das Autofahren in der Großstadt. Die vom Gutachter aus seinen Untersuchungsbefunden abgeleitete Minderung des quantitativen Leistungsvermögens auf lediglich vier bis sechs Stunden täglich sei aus medizinischer Sicht nicht zu begründen. Vielmehr seien nach sozialmedizinischem Grundverständnis die objektiven Befunde, wie sie auch im neurochirurgischen Gutachten dargelegt worden seien, geeignet, eine vollschichtige leichte Tätigkeit durchaus zumutbar erscheinen zu lassen. Auch das SG habe sein Urteil ausschließlich auf die Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin gestützt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise weiteren Beweis zu erheben durch Einholung eines weiteren neurologisch/chirurgischen oder orthopädischen Gutachtens, das ergeben wird, dass die Klägerin in Würdigung ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen körperlich leichte Arbeiten noch vollschichtig zu leisten vermag sowie im Stande ist, viermal täglich eine Wegstrecke von mindestens 500 m jeweils innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, hilfsweise zur weiteren Abklärung der behaupteten Leistungseinschränkungen ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten einzuholen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. September 2000 hat sich Prof. K. dahin geäußert, es gehöre zu den Eckpunkten eines fachneurochirurgischen Gutachtens mit sozialmedizinischem Hintergrund, sich sehr detailliert mit den Beschwerden des Betroffenen auseinander zu setzen. In seinem Gutachten sei sehr präzise zwischen subjektiv empfundenen Symptomen und objektivierbaren Untersuchungsbefunden differenziert worden. Er habe nicht nur normale körperliche Untersuchungsbefunde beschrieben. Als pathologischer Befund erscheine im Gutachten ein verlängerter Finger-Boden-Abstand als Ausdruck der verminderten Wirbelsäulenentfaltbarkeit. Er bleibe bei seinen Schlussfolgerungen zur Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die Untersuchung der Klägerin habe ergeben, dass deren Beschwerden glaubhaft, ohne Ausgestaltungstendenz und ohne offensichtliches Rentenbegehren vorgebracht worden seien.
Die Beklagte hat sich hierzu dahin geäußert, ein lediglich mit 30 cm etwas verlängerter Finger-Boden-Abstand bei verzögert ausgeführter Rumpfbeuge könne als einzige in etwa pathologische, auch subjektiv steuerbare Funktionsübung „unmöglich“ ausschlaggebend für eine so weitreichende Entscheidung sein, das Leistungsvermögen der Klägerin in rentenrelevanter Weise herabzusetzen.
Der Senat hat Prof. K. zur Wegefähigkeit sowie zum quantitativen Leistungsvermögen der Klägerin ergänzend angehört. Insoweit wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 19. Januar 2001 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 29 RJ 1187/98 -), der Renten- und Rehabilitationsakten der Beklagten ( ...) sowie auf die Leistungsakte des Arbeitsamtes Tempelhof (Geschäftsstelle des Arbeitsamts Berlin Süd; zur Stamm-Nr ...) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin vom 1. Dezember 1995 an Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit zustehen, und zwar für die Zeit vom 1. Dezember 1995 bis zum 9. Juli 1996 Übergangsgeld und für die Zeit vom 8. August 1996 an Rente. Der Übergangsgeldanspruch folgt aus §§ 25 Abs. 2, 116 Abs. 2, 44 Abs. 2, 99 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI, der Rentenanspruch aus § 44 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 116 Abs. 1 SGB VI, jeweils in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI, der durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 [BGBl. I S. 1827] keine Änderung erfahren hat).
Das SG hat die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Rentenanspruch bzw. für den Übergangsgeldanspruch anstelle des Rentenanspruchs gemäß § 44 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI zutreffend festgestellt. Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Das SG hat auch zu Recht vom 21. November 1995 an das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit angenommen, nämlich, dass die Klägerin wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Senat nimmt auf die diesbezüglichen Darlegungen im angefochtenen Urteil Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Das Berufungsvorbringen vermag nach Anhörung des Sachverständigen Prof. K. zu keinem gegenteiligen Ergebnis zu führen. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, warum er für die von ihm vorgenommene Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin deren Beschwerdeangaben für ausreichend hält und sich im Wesentlichen nicht auf in der Untersuchungssituation vorgefundene Funktionseinschränkungen angewiesen sieht. Er hat ausgeführt, dass die Beschwerdeschilderung der Klägerin genau jener Schmerzsymptomatik entspricht, die durch eine Verletzung kleinkalibriger Nervenfasern hervorgerufen wird. Bereits in seinem Gutachten vom 12. April 1999 hatte der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die bei der Klägerin vorgefundene Schmerzsymptomatik narbenbedingt (adhäsionsbedingt) sein könne. Er hat nun ergänzend klargestellt, dass durch den bei der Klägerin vorgenommenen mikrochirurgischen Eingriff allerdings keine Vernarbungen der Rückenmarkshaut eingetreten seien. Dies macht die Schwierigkeit, das Beschwerdebild der Klägerin durch darstellbare körperliche Veränderungen zu objektivieren, deutlich, steht dessen Objektivierbarkeit aber nicht entgegen. Wenn die Klägerin auch nicht an durch Vernarbungen der Rückenmarkshaut verursachten neurologischen Ausfällen leidet, so bleibt doch - wie Prof. K. betont - die besondere, durch die Verletzung kleinkalibriger Nervenfasern (und das dafür typische Beschwerdebild) hervorgerufene Empfindlichkeit für Erschütterungen.
Die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerung des Sachverständigen von der Beschwerdeschilderung der Klägerin auf eine durch ein bestimmtes Krankheitsbild hervorgerufene typische Schmerzsymptomatik wird durch keine begründeten Zweifel am Wahrheitsgehalt der Beschwerdeangaben der Klägerin in Frage gestellt. Der Sachverständige hat diesbezügliche Vorbehalte der Beklagten überzeugend ausgeräumt. Er hat ausgeführt, dass die von ihm bei der Untersuchung vorgefundene freie Beweglichkeit des Kopfes in keinem Widerspruch zu der Angabe der Klägerin stehe, das Autofahren bereite ihr u.a. deshalb Mühe, weil das Drehen des Kopfes nicht möglich sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden - so hat er betont -, dass die freie Beweglichkeit des Kopfes immer vorhanden sei. Das Beschwerdebild sei veränderlich. Im Übrigen müsse beim Autofahren der gesamte Rumpf bewegt werden.
Auch sonst spricht nichts gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin. Prof. K. hat erneut hervorgehoben, dass die Klägerin ihr Schmerzbild in keiner Weise übertrieben habe bzw. keine Ausgestaltungen habe erkennen lassen.
Angesichts dessen folgt der Senat der anlässlich der Anhörung erneut bestätigten Einschätzung des Sachverständigen, durch die im Verkehr auftretenden Erschütterungen werde das Leiden der Klägerin verschlimmert, so dass sie nicht fähig sei, am öffentlichen Verkehr teilzunehmen, und zwar sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch - wie Prof. K. klarstellend ergänzte - mit dem eigenen Pkw. Der Einwand der Beklagten, beim U-Bahn-Fahren und beim Autofahren in der Großstadt träten keine Erschütterungen auf, überzeugt nicht. Er widerspricht allgemeiner Erfahrung. Dies gilt insbesondere für den Berufsverkehr - auf den es hier ankommt -, wo Züge in rascher Folge fahren und wo - im nicht schienengebundenen Großstadtverkehr - ein flüssiges Durchfahren nicht möglich ist. Was die U-Bahnzüge betrifft, so sei nur an die Vielzahl von Haltevorrichtungen in den Zügen erinnert, die offenbar wegen der stets zu gewärtigenden Erschütterungen (plötzliches Abbremsen, Beschleunigen usw.) angebracht sind. Im Übrigen kann die Klägerin nicht allein auf die U-Bahn als Verkehrsmittel verwiesen werden, selbst wenn sie im Nahbereich eines U-Bahnhofes wohnen sollte. Arbeitsplätze lassen sich nicht generell mit der U-Bahn erreichen. Was das Fahren mit dem eigenen Pkw betrifft, so hat der Sachverständige zudem auf die Notwendigkeit, den gesamten Rumpf zu bewegen, hingewiesen, was die Klägerin wiederum nicht vermag bzw. was zur Verschlimmerung ihrer Schmerzen führt. Im Übrigen hält er auch deren geschilderte sonstige Schwierigkeiten beim Autofahren für glaubhaft.
Bezüglich des Ausmaßes der Schmerzen der Klägerin trägt der Senat keine Bedenken, dass Prof. K. vermöge seiner durch die Vielzahl der Vergleichsfälle in seiner Berufspraxis gewonnenen reichen Erfahrungen die Erheblichkeit der Schmerzen der Klägerin und den Grad ihrer Verschlimmerung durch die im öffentlichen Verkehr auftretenden Erschütterungen zutreffend einschätzt. Der Senat hält deshalb auch für richtig, dass es der Klägerin nicht zumutbar ist, sich diesen Schmerzen im täglichen Berufsverkehr auszusetzen. Der Sachverständige hat die von der Klägerin vorgetragenen großen Schmerzen als glaubhaft bezeichnet. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Gebrauch von Schmerzmitteln verneint hat. Der Sachverständige hat sich dazu überzeugend dahin geäußert, dass die Klägerin - wie es in seiner Praxis bei Patienten mit einem Schmerzsyndrom häufig vorkomme - von Schmerzmitteln mit der Zeit Abstand genommen habe und versuche, schmerzvermeidende Haltungen einzunehmen. Die Dauereinnahme von Schmerzmitteln, wie sie der Berufsalltag erfordern würde, wäre ihr im Hinblick auf die damit verbundenen massiven Nebenwirkungen ohnehin nicht zumutbar. Dies dürfte auch die Beklagte nicht anders sehen.
Der Senat folgt dem gerichtlichen Sachverständigen schließlich auch insoweit, als er die Klägerin nicht mehr für vollschichtig einsetzbar hält. Es ist nachvollziehbar, dass ein Schmerzsyndrom, wie es bei der Klägerin nach Feststellung des Sachverständigen vorliegt, die Durchhaltekraft im Arbeitsleben einschränkt und eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit notwendig macht. Diese Auffassung haben immerhin drei der behandelnden Ärzte der Klägerin geteilt. Auch Dr. E. hat sich insoweit nicht verneinend geäußert, sondern eben auf die Einschätzung im Rahmen einer Begutachtung verwiesen. Wenn das SG davon abgesehen hat, sein Urteil auch auf die Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens zu stützen, so mag dies darin begründet liegen, dass diese Leistungseinschränkung allein nur zur Zuerkennung einer Zeitrente hätte führen und den Leistungen ohne zeitliche Begrenzung zuerkennenden Urteilsausspruch nicht hätte tragen können.
Nach allem kam es auf die Hilfsanträge der Beklagten nicht an und hatte der Senat keine Veranlassung, ihnen zu entsprechen. Das gilt insbesondere auch für das beantragte neurologisch-psychiatrische Gutachten. Der Sachverständige konnte keine Tendenz zur möglicherweise einmal vorhanden gewesenen „somatisierten Depression“ erkennen. Selbst der behandelnde Nervenarzt H. hat keine „Somatisierung“ festgestellt und die Klägerin allein schon aufgrund ihrer körperlichen Beschwerden für nicht mehr einsetzbar gehalten.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die am ... 1950 geborene Klägerin durchlief nach ihren Angaben vom 1. April 1965 bis zum 16. November 1968 eine Lehre als Floristin und war anschließend bis Februar 1991 im erlernten Beruf beschäftigt. Vom 4. März 1991 an stand sie - ihren Angaben zufolge nach krankheitsbedingter Aufgabe ihres erlernten Berufes - bei S. in einem Beschäftigungsverhältnis als Museumsangestellte im Aufsichtsdienst.
Seit dem 7. November 1995 ist die Klägerin - ununterbrochen - krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Nachdem sie schon seit Jahren an rezidivierenden Lumbalgien gelitten hatte, wurde sie am 7. November 1995 wegen heftiger Lumbalgien und Lumboischialgien arbeitsunfähig krankgeschrieben. Sie befand sich vom 20. November 1995 bis zum 5. Dezember 1995 wegen inkomplettem Cauda-Syndrom bei Massenprolaps L 4/L 5 links in stationärer Behandlung des S.-Krankenhauses, Berlin- ..., wo eine Nukleotomie nach interlaminärer Fensterung mit Sequesterentfernung vorgenommen wurde (Operation vom 21. November 1995).
Die Klägerin erhielt bis zum 29. Januar 1996 Lohnfortzahlung und vom 30. Januar 1996 bis zur Aussteuerung am 5. Mai 1997 von der G.-Krankenkasse Krankengeld. Vom 6. Mai 1997 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 3. März 1999 bezog sie im Rahmen der sog. Nahtlosigkeitsregelung vom Arbeitsamt Arbeitslosengeld. Den Antrag der Klägerin, ihr vom 4. März 1999 an Arbeitslosenhilfe zu gewähren, lehnte das Arbeitsamt wegen fehlender Bedürftigkeit (Arbeitseinkommen des Ehemannes) ab.
Auf ihren Antrag vom 21. Februar 1996 gewährte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 10. Juli 1996 bis zum 7. August 1996 als medizinische Leistung zur Rehabilitation eine stationäre Heilbehandlung in der B. Klinik, B., und für deren Dauer Übergangsgeld. Im Ärztlichen Entlassungsbericht vom 22. August 1996 wurden als „Entlassungsdiagnosen“ ein Lumbalsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation (am 21. November 1995) und ein Zervicobrachialsyndrom genannt. In dem Bericht heißt es u.a., bei der als arbeitsunfähig entlassenen Klägerin bestünden noch erhebliche Restbeschwerden. Es könne davon ausgegangen werden, dass nach einer weiteren Rekonvaleszenzphase von etwa drei Monaten die Arbeitsfähigkeit der Klägerin für die vollschichtige Ausübung ihrer letzten Tätigkeit als Museumsangestellte wiederherstellt werden könne. Die Klägerin könne körperlich leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten.
Am 20. September 1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Sie halte sich wegen des Bandscheibenvorfalls seit November 1995 für erwerbsgemindert und könne keine Erwerbsarbeiten mehr verrichten. Die Beklagte ließ die Klägerin von dem Orthopäden Z. untersuchen, der in seinem Gutachten vom 12. März 1997 befand, dass die Klägerin leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen vollschichtig verrichten könne. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 9. April 1997 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1998 - ab. Die Klägerin sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Da es an Anhaltspunkten für eine Lösung der Klägerin von ihrem qualifizierten Beruf als Floristin aus gesundheitlichen Gründen fehle - so heißt es im Widerspruchsbescheid u.a. -, seien der Klägerin alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes zuzumuten. Darauf, ob sie ihre bisherige Tätigkeit als Museumsangestellte noch verrichten könne, komme es nicht an.
Während des gegen die Rentenablehnung gerichteten Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin (SG) kündigte die S. das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. September 1998.
Nachdem die behandelnden Ärzte der Klägerin deren quantitatives Leistungsvermögen unterschiedlich beurteilt hatten - einige von ihnen hielten die Klägerin noch für vollschichtig einsetzbar (Orthopäden Dres. K. und H. [Gemeinschaftspraxis], Internist Dr. W.), andere dagegen nicht (Orthopäde Dr. G., Nervenarzt H., Internist und Rheumatologe Dr. H.), der Orthopäde Dr. E. hielt diese Frage nur im Rahmen einer Begutachtung für ausreichend beantwortbar -, ernannte das SG den Chefarzt der Neurochirurgie im Klinikum B., Prof. Dr. K., zum gerichtlichen Sachverständigen.
Beim Sachverständigen gab die Klägerin an, sie könne eigentlich überhaupt nicht mehr arbeiten. Auch das Autofahren bereite ihr Mühe. Das Treten der Kupplung mit dem linken Bein funktioniere nicht. Der Hals sei immer schmerzhaft verspannt. Das Drehen des Kopfes sei nicht möglich. Beim Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln tue ihr der ganze Körper weh.
Prof. K. stellte in seinem Gutachten vom 12. April 1999 ein residuales Lumbalwurzelreizsyndrom und eine milde Gonarthrose beiderseits fest und kam aufgrund der Beschwerdeschilderung der Klägerin und deren neurochirurgischer Untersuchung zum Ergebnis, dass ihr körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung seit dem Zeitpunkt der Operation nur noch halb- bis untervollschichtig zumutbar seien. Dies folge aus der rezidivierenden, möglicherweise adhäsionsbedingten (narbenbedingten) Schmerzsymptomatik und der Chronifizierung des Schmerzbildes drei Jahre nach der seinerzeitigen Operation. Es handele sich um einen funktionellen Endzustand, mit dessen Besserung nicht zu rechnen sei. Im Übrigen sei die Wegefähigkeit der Klägerin eingeschränkt. Die Klägerin habe glaubhaft vorgebracht, dass ihr längeres Sitzen in öffentlichen Verkehrsmitteln und die damit verbundenen Erschütterungen große Schmerzen bereiteten. Auf Vorhalt der Beklagten - die im Hinblick auf die objektiven Befunde einen vollschichtigen Einsatz der Klägerin weiterhin für möglich hielt - erläuterte Prof. K. seinen Standpunkt zur Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens unter dem 24. Juni 1999 ergänzend dahin, dass die Diskrepanz der Einschätzung auf der von ihm vorgenommenen umfassenden Würdigung des gesamten Krankheitszustandes beruhe. Die subjektiven Beschwerden der Klägerin seien durchaus glaubhaft. Bei dem sog. „Postnukleotomiesyndrom“, das bei der Klägerin in milder Ausprägung vorliege, sei es nicht ungewöhnlich, dass die objektiven Befunde besser erschienen als der subjektive Leidensdruck. Unter dem 14. Februar 2000 präzisierte der Sachverständige seine gutachterlichen Ausführungen im Übrigen dahin, dass eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen der damit verbundenen äußerst schmerzhaften Erschütterungen für die Klägerin nur für die Dauer von etwa fünf bis zehn Minuten zumutbar sei. Das gelte sowohl für die Benutzung schienengebundener als auch nicht schienengebundener Verkehrsmittel.
Zum Beweise für ihre Behauptung, dass sie ihre Tätigkeit als Floristin aus Gesundheitsgründen aufgegeben habe, legte die Klägerin eine eidesstattliche Erklärung ihres Ehemannes, K.-D. M., vom 9. November 1999 vor. Darin heißt es, die die Klägerin seinerzeit behandelnden Ärzte Dr. R. und Dr. E. hätten darauf hingewiesen, dass der von ihr ausgeübte Beruf einer Floristin mitverursachend für das damalige akute Krankheitsbild gewesen sei. Aufgrund der vorliegenden massiven Beschwerden sei ihr ein Wechsel der Tätigkeit angeraten worden.
Am 16. Februar 2000 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide, der Klägerin, ausgehend von einem am 21. November 1995 eingetretenen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit, vom 1. Dezember 1995 bis zum 9. Juli 1996 Übergangsgeld und vom 8. August 1996 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit dem Grunde nach zu gewähren. Die Klägerin erfülle die versicherungsrechtlichen Rentenvoraussetzungen. Sie sei auch erwerbsunfähig. Sie könne spätestens seit 21. November 1995, dem Zeitpunkt der Bandscheibenoperation, (über fünf bis zehn Minuten hinaus) keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen. Diese von Prof. K. überzeugend dargelegte Einschränkung der Wegefähigkeit gelte natürlicherweise auch für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges (die Klägerin besitze einen Führerschein und ein Auto), da dies ebenfalls mit schmerzverursachenden Erschütterungen verbunden sei. Wenn sich demgegenüber die behandelnden Ärzte Dr. H. und Dr. G. dahin geäußert hätten, dass es der Klägerin zumutbar sei, zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen, so sei darauf hinzuweisen, dass beide Ärzte nicht Neurochirurgen seien.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, das SG habe die Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen zur Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin unkritisch übernommen. Der Sachverständige begründe die Unmöglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, nicht mit objektiven medizinischen Feststellungen, sondern mit entsprechenden Behauptungen der Klägerin. Die Angaben der Klägerin seien aber nicht glaubhaft. Während diese angegeben habe, das Autofahren bereite ihr u.a. deshalb Mühe, weil das Drehen des Kopfes nicht möglich sei, habe der Sachverständige festgestellt, dass der Kopf frei beweglich sei. Im Übrigen habe sich Prof. K. zur Frage, ob es der Klägerin gesundheitlich zumutbar sei, ihren Pkw zur Erreichung eines Arbeitsplatzes zu benutzen, bisher gar nicht geäußert. Auch sei nicht erkennbar, dass beim U-Bahn-Fahren - die Klägerin wohne unweit eines U-Bahn-Hofes - Erschütterungen aufträten. Das Gleiche gelte für das Autofahren in der Großstadt. Die vom Gutachter aus seinen Untersuchungsbefunden abgeleitete Minderung des quantitativen Leistungsvermögens auf lediglich vier bis sechs Stunden täglich sei aus medizinischer Sicht nicht zu begründen. Vielmehr seien nach sozialmedizinischem Grundverständnis die objektiven Befunde, wie sie auch im neurochirurgischen Gutachten dargelegt worden seien, geeignet, eine vollschichtige leichte Tätigkeit durchaus zumutbar erscheinen zu lassen. Auch das SG habe sein Urteil ausschließlich auf die Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin gestützt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise weiteren Beweis zu erheben durch Einholung eines weiteren neurologisch/chirurgischen oder orthopädischen Gutachtens, das ergeben wird, dass die Klägerin in Würdigung ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen körperlich leichte Arbeiten noch vollschichtig zu leisten vermag sowie im Stande ist, viermal täglich eine Wegstrecke von mindestens 500 m jeweils innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, hilfsweise zur weiteren Abklärung der behaupteten Leistungseinschränkungen ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten einzuholen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. September 2000 hat sich Prof. K. dahin geäußert, es gehöre zu den Eckpunkten eines fachneurochirurgischen Gutachtens mit sozialmedizinischem Hintergrund, sich sehr detailliert mit den Beschwerden des Betroffenen auseinander zu setzen. In seinem Gutachten sei sehr präzise zwischen subjektiv empfundenen Symptomen und objektivierbaren Untersuchungsbefunden differenziert worden. Er habe nicht nur normale körperliche Untersuchungsbefunde beschrieben. Als pathologischer Befund erscheine im Gutachten ein verlängerter Finger-Boden-Abstand als Ausdruck der verminderten Wirbelsäulenentfaltbarkeit. Er bleibe bei seinen Schlussfolgerungen zur Leistungsfähigkeit der Klägerin. Die Untersuchung der Klägerin habe ergeben, dass deren Beschwerden glaubhaft, ohne Ausgestaltungstendenz und ohne offensichtliches Rentenbegehren vorgebracht worden seien.
Die Beklagte hat sich hierzu dahin geäußert, ein lediglich mit 30 cm etwas verlängerter Finger-Boden-Abstand bei verzögert ausgeführter Rumpfbeuge könne als einzige in etwa pathologische, auch subjektiv steuerbare Funktionsübung „unmöglich“ ausschlaggebend für eine so weitreichende Entscheidung sein, das Leistungsvermögen der Klägerin in rentenrelevanter Weise herabzusetzen.
Der Senat hat Prof. K. zur Wegefähigkeit sowie zum quantitativen Leistungsvermögen der Klägerin ergänzend angehört. Insoweit wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 19. Januar 2001 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 29 RJ 1187/98 -), der Renten- und Rehabilitationsakten der Beklagten ( ...) sowie auf die Leistungsakte des Arbeitsamtes Tempelhof (Geschäftsstelle des Arbeitsamts Berlin Süd; zur Stamm-Nr ...) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin vom 1. Dezember 1995 an Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit zustehen, und zwar für die Zeit vom 1. Dezember 1995 bis zum 9. Juli 1996 Übergangsgeld und für die Zeit vom 8. August 1996 an Rente. Der Übergangsgeldanspruch folgt aus §§ 25 Abs. 2, 116 Abs. 2, 44 Abs. 2, 99 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI, der Rentenanspruch aus § 44 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 116 Abs. 1 SGB VI, jeweils in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI, der durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 [BGBl. I S. 1827] keine Änderung erfahren hat).
Das SG hat die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Rentenanspruch bzw. für den Übergangsgeldanspruch anstelle des Rentenanspruchs gemäß § 44 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI zutreffend festgestellt. Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Das SG hat auch zu Recht vom 21. November 1995 an das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit angenommen, nämlich, dass die Klägerin wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Senat nimmt auf die diesbezüglichen Darlegungen im angefochtenen Urteil Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Das Berufungsvorbringen vermag nach Anhörung des Sachverständigen Prof. K. zu keinem gegenteiligen Ergebnis zu führen. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, warum er für die von ihm vorgenommene Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin deren Beschwerdeangaben für ausreichend hält und sich im Wesentlichen nicht auf in der Untersuchungssituation vorgefundene Funktionseinschränkungen angewiesen sieht. Er hat ausgeführt, dass die Beschwerdeschilderung der Klägerin genau jener Schmerzsymptomatik entspricht, die durch eine Verletzung kleinkalibriger Nervenfasern hervorgerufen wird. Bereits in seinem Gutachten vom 12. April 1999 hatte der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die bei der Klägerin vorgefundene Schmerzsymptomatik narbenbedingt (adhäsionsbedingt) sein könne. Er hat nun ergänzend klargestellt, dass durch den bei der Klägerin vorgenommenen mikrochirurgischen Eingriff allerdings keine Vernarbungen der Rückenmarkshaut eingetreten seien. Dies macht die Schwierigkeit, das Beschwerdebild der Klägerin durch darstellbare körperliche Veränderungen zu objektivieren, deutlich, steht dessen Objektivierbarkeit aber nicht entgegen. Wenn die Klägerin auch nicht an durch Vernarbungen der Rückenmarkshaut verursachten neurologischen Ausfällen leidet, so bleibt doch - wie Prof. K. betont - die besondere, durch die Verletzung kleinkalibriger Nervenfasern (und das dafür typische Beschwerdebild) hervorgerufene Empfindlichkeit für Erschütterungen.
Die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerung des Sachverständigen von der Beschwerdeschilderung der Klägerin auf eine durch ein bestimmtes Krankheitsbild hervorgerufene typische Schmerzsymptomatik wird durch keine begründeten Zweifel am Wahrheitsgehalt der Beschwerdeangaben der Klägerin in Frage gestellt. Der Sachverständige hat diesbezügliche Vorbehalte der Beklagten überzeugend ausgeräumt. Er hat ausgeführt, dass die von ihm bei der Untersuchung vorgefundene freie Beweglichkeit des Kopfes in keinem Widerspruch zu der Angabe der Klägerin stehe, das Autofahren bereite ihr u.a. deshalb Mühe, weil das Drehen des Kopfes nicht möglich sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden - so hat er betont -, dass die freie Beweglichkeit des Kopfes immer vorhanden sei. Das Beschwerdebild sei veränderlich. Im Übrigen müsse beim Autofahren der gesamte Rumpf bewegt werden.
Auch sonst spricht nichts gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin. Prof. K. hat erneut hervorgehoben, dass die Klägerin ihr Schmerzbild in keiner Weise übertrieben habe bzw. keine Ausgestaltungen habe erkennen lassen.
Angesichts dessen folgt der Senat der anlässlich der Anhörung erneut bestätigten Einschätzung des Sachverständigen, durch die im Verkehr auftretenden Erschütterungen werde das Leiden der Klägerin verschlimmert, so dass sie nicht fähig sei, am öffentlichen Verkehr teilzunehmen, und zwar sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch - wie Prof. K. klarstellend ergänzte - mit dem eigenen Pkw. Der Einwand der Beklagten, beim U-Bahn-Fahren und beim Autofahren in der Großstadt träten keine Erschütterungen auf, überzeugt nicht. Er widerspricht allgemeiner Erfahrung. Dies gilt insbesondere für den Berufsverkehr - auf den es hier ankommt -, wo Züge in rascher Folge fahren und wo - im nicht schienengebundenen Großstadtverkehr - ein flüssiges Durchfahren nicht möglich ist. Was die U-Bahnzüge betrifft, so sei nur an die Vielzahl von Haltevorrichtungen in den Zügen erinnert, die offenbar wegen der stets zu gewärtigenden Erschütterungen (plötzliches Abbremsen, Beschleunigen usw.) angebracht sind. Im Übrigen kann die Klägerin nicht allein auf die U-Bahn als Verkehrsmittel verwiesen werden, selbst wenn sie im Nahbereich eines U-Bahnhofes wohnen sollte. Arbeitsplätze lassen sich nicht generell mit der U-Bahn erreichen. Was das Fahren mit dem eigenen Pkw betrifft, so hat der Sachverständige zudem auf die Notwendigkeit, den gesamten Rumpf zu bewegen, hingewiesen, was die Klägerin wiederum nicht vermag bzw. was zur Verschlimmerung ihrer Schmerzen führt. Im Übrigen hält er auch deren geschilderte sonstige Schwierigkeiten beim Autofahren für glaubhaft.
Bezüglich des Ausmaßes der Schmerzen der Klägerin trägt der Senat keine Bedenken, dass Prof. K. vermöge seiner durch die Vielzahl der Vergleichsfälle in seiner Berufspraxis gewonnenen reichen Erfahrungen die Erheblichkeit der Schmerzen der Klägerin und den Grad ihrer Verschlimmerung durch die im öffentlichen Verkehr auftretenden Erschütterungen zutreffend einschätzt. Der Senat hält deshalb auch für richtig, dass es der Klägerin nicht zumutbar ist, sich diesen Schmerzen im täglichen Berufsverkehr auszusetzen. Der Sachverständige hat die von der Klägerin vorgetragenen großen Schmerzen als glaubhaft bezeichnet. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Gebrauch von Schmerzmitteln verneint hat. Der Sachverständige hat sich dazu überzeugend dahin geäußert, dass die Klägerin - wie es in seiner Praxis bei Patienten mit einem Schmerzsyndrom häufig vorkomme - von Schmerzmitteln mit der Zeit Abstand genommen habe und versuche, schmerzvermeidende Haltungen einzunehmen. Die Dauereinnahme von Schmerzmitteln, wie sie der Berufsalltag erfordern würde, wäre ihr im Hinblick auf die damit verbundenen massiven Nebenwirkungen ohnehin nicht zumutbar. Dies dürfte auch die Beklagte nicht anders sehen.
Der Senat folgt dem gerichtlichen Sachverständigen schließlich auch insoweit, als er die Klägerin nicht mehr für vollschichtig einsetzbar hält. Es ist nachvollziehbar, dass ein Schmerzsyndrom, wie es bei der Klägerin nach Feststellung des Sachverständigen vorliegt, die Durchhaltekraft im Arbeitsleben einschränkt und eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit notwendig macht. Diese Auffassung haben immerhin drei der behandelnden Ärzte der Klägerin geteilt. Auch Dr. E. hat sich insoweit nicht verneinend geäußert, sondern eben auf die Einschätzung im Rahmen einer Begutachtung verwiesen. Wenn das SG davon abgesehen hat, sein Urteil auch auf die Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens zu stützen, so mag dies darin begründet liegen, dass diese Leistungseinschränkung allein nur zur Zuerkennung einer Zeitrente hätte führen und den Leistungen ohne zeitliche Begrenzung zuerkennenden Urteilsausspruch nicht hätte tragen können.
Nach allem kam es auf die Hilfsanträge der Beklagten nicht an und hatte der Senat keine Veranlassung, ihnen zu entsprechen. Das gilt insbesondere auch für das beantragte neurologisch-psychiatrische Gutachten. Der Sachverständige konnte keine Tendenz zur möglicherweise einmal vorhanden gewesenen „somatisierten Depression“ erkennen. Selbst der behandelnde Nervenarzt H. hat keine „Somatisierung“ festgestellt und die Klägerin allein schon aufgrund ihrer körperlichen Beschwerden für nicht mehr einsetzbar gehalten.
Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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