L 1 AL 84/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AL 97/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 84/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.10.2000 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Klägers. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Der Kläger ist ehemaliger Gesellschafter und Geschäftsführer der ... Bau GmbH in ... Am Gesellschaftskapital in Höhe von 100.000 DM war er mit 25.000 DM beteiligt. Die vier weiteren Gesellschafter waren mit 5.000 DM (B.), mit 20.000 DM (Zeugin R.) und mit je 25.000 DM (Zeugen M. und Ba.) beteiligt. Bis Januar 1998 war die Zeugin M. ebenfalls als Geschäftsführerin tätig.

Nach § 8 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages richtete sich das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung nach der Höhe des Geschäftsanteils mit der Maßgabe, dass für je 1.000 DM eine Stimme verliehen wurde. Beschlüsse der Gesellschaft waren mit 2/3 Mehrheit zu fällen (§ 8 Ziff. 6 des Gesellschaftsvertrages). Gemäß § 6 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages bedurften alle Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen, die in ungewöhnlichem Ausmaße in den Vermögens stand, die Organisation oder den Charakter der Gesellschaft eingriffen, insbesondere solche, die infolge ihrer Laufzeit oder des ihnen anhaftenden großen Risikos von besonderer Bedeutung waren, eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung.

Nach dem Anstellungsvertrag vom 01.01.1987 hatte der Kläger als Geschäftsführer Anspruch auf ein monatliches Gehalt in Höhe von 4.487,00 DM (§ 6 Ziff. 1 des Anstellungsvertrages). Daneben bestand Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehaltes, ein Urlaubsgeld nach den jeweils tariflich gelten den Bestimmungen sowie eine Gewinntantieme in Höhe von 8%. Der Urlaubsanspruch richtete sich gem. § 7 des Anstellungsvertrages nach den tariflichen Bestimmungen. Die Lage des Urlaubs konnte der Kläger selbst unter Wahrung der Belange des Betriebes festlegen. Für die auf die Beendigung der Tätigkeit folgenden sechs Monate war ein Wettbewerbsverbot vereinbart.

Der Kläger sowie drei weitere Gesellschafter übernahmen mit Vertrag vom 04.05.1998 zur Sicherung eines Betriebsmittelrahmenkreditvertrages eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 500.000 DM. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte jeder dieser Gesellschafter Bürgschaften in Höhe von 250.000 DM übernommen.

Am 06.07.1998 wurde Konkursantrag gestellt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde am 26.08.1998 zum 31.12.1998 gekündigt. Der Kläger meldete sich am 01.09.1998 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Arbeitsbescheinigung vom 09.09.1998 erklärte der Konkursverwalters, dass der Kläger ab dem 01.09.1998 freigestellt worden sei.

Mit Bescheid vom 20.10.1998 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit der Begründung ab, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Der dagegen am 23.11.1998 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.1999 u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers sei zu verneinen. Der Kläger sei aufgrund seiner Beteiligung am Gesellschaftskapital zwar nur einer von fünf gleichberechtigten Gesellschaftern gewesen, seine Position sei jedoch aufgrund der Geschäftsführertätigkeit "herausgehoben" gewesen. Gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spreche das enorme, zusätzliche finanzielle Risiko, das der Kläger durch Übernahme einer Bürgschaft von 250.000 DM auf sich genommen habe.

Die am 28.04.1999 erhobene Klage, hat der Kläger u.a. damit begründet, dass er als Arbeitnehmer beitragspflichtig gewesen sei. Er sei von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20.10.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.04.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie u.a darauf verwiesen, dass insbesondere das mit der Bürgschaft übernommene enorme zusätzliche finanzielle Risiko gegen eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spreche.

Mit Urteil vom 24.10.2000 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 20.10.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.04.1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf Blatt 68 ff. der Gerichtsakten verwiesen.

Gegen das am 27.11.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.12.2000 mit der Begründung Berufung eingelegt, dass nach dem Anstellungsvertrag die beiden Geschäftsführer in alleiniger Vollmacht die innerbetriebliche Organisation bestimmten und daher Arbeitgeber im Sinne des Arbeits- und Sozialrechts seien. Der Kläger sei zudem vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Lage und Verteilung des Urlaubs selbst bestimmen können. Er habe seinen Arbeitseinsatz selbst bestimmt und sei - wie auch die übrigen Gesellschafter - keinen Weisungen eines Vorgesetzten unterworfen gewesen. Da jeder Mitgesellschafter in gleicher Weise den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung unterworfen gewesen sei, führe das notwendige Einvernehmen bei größeren Anschaffungen und wichtigen Entscheidungen nicht zur Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Würde man der Argumentation des Klägers folgen, so wäre im Ergebnis keiner der Gesellschafter selbständig gewesen, obgleich die Gesellschaft von den Gesellschaftern gemeinsam geführt wurde und diese ein erhebliches wirtschaftliches Risiko getragen hätten. So sei der Kläger durch vertragliche Regelungen am Gewinn des Unternehmens beteiligt gewesen. Durch die Übernahme einer Bürgschaft habe er sich einem erheblichen Unternehmerrisiko ausgesetzt, das weit über das Engagement eines Arbeitnehmers hinaus gehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.10.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, er sei versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, weil er aufgrund des Gesellschaftervertrages keinen entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen habe ausüben können. Als Geschäftsführer sei er den Weisungen der Gesellschafterversammlung unter worfen gewesen. Seinen Urlaub habe er nach den betrieblichen Erfordernissen ausrichten müssen. Zwar habe ihm grundsätzlich eine Gewinntantieme zugestanden, es fehle jedoch das für eine selbständige Tätigkeit charakteristische Verlustrisiko. Ort, Zeit, Umfang und Art seiner Tätigkeit seien klar definiert gewesen, ein eigenmächtiges Handeln hätte ohne weiteres zur Kündigung des Anstellungsvertrages geführt. Die Übernahme der Bürgschaft sei kein Indiz dafür, dass er nicht in einem versicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis gestanden habe. Trotz Übernahme der Bürgschaft sei er als Geschäftsführer weisungsgebunden gewesen.

Es ist Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen W. R., L. M. und R. B ... Wegen des genauen Inhalts der Zeugenaussagen wird auf Blatt 114 der Gerichtsakten verwiesen. Es ist weiter die Niederschrift der mündlichen Verhandlung und das Urteil vom 18.07.2001 (L 12 AL 185/00) in der Streitsache der Zeugin L. M. gegen die Bundesanstalt für Arbeit beigezogen worden.

Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakten und der Leistungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld hat.

Gemäß § 117 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Der Kläger hat sich am 01.09.1998 arbeitslos gemeldet (§ 122 Abs. 1 SGB III) und Arbeitslosengeld beantragt. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger entsprechend der mit Arbeitsbescheinigung vom 09.09.1998 erfolgten Erklärung des Konkursverwalters, ab dem 01.09.1998 freigestellt wurde und somit sowohl beschäftigungslos (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (§§ 118 Abs. 1 Nr. 2, 119 Abs. 2 bis 4 SGB III).

Der Kläger hat die Anwartschaftszeit (§ 123 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) erfüllt, weil er in der Rahmenfrist (§ 124 Abs. 1 SGB III) - vom 01.09.1995 bis 31.08.1998 - mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis als Geschäftsführer der ... Bau GmbH gestanden hat.

Für den genannten Zeitraum kann ein Versicherungspflichtverhältnis allerdings nicht schon deswegen angenommen werden, weil Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit gezahlt worden sind und die IKK Recklinghausen als Einzugsstelle die Beitragspflicht des Klägers zur Arbeitslosenversicherung mit Bescheid vom 21.05.1987 förmlich festgestellt hatte. Denn das Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung ist vom Beitragsrecht abgekoppelt. Das gilt nicht nur für den Fall, dass die Einzugsstelle die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit zu Unrecht verneint hat, sondern auch, wenn die Beitragspflicht fälschlicherweise bejaht worden ist (BSG, Urteil vom 09.02.1995, 7 RAr 76/94, Die Beiträge 1995, 358 ff.).

Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die vom Kläger für die ... Bau GmbH ausgeübte Tätigkeit versicherungspflichtig im Sinne des § 25 SGB III gewesen ist. Versicherungspflichtig sind danach Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Die Versicherungspflicht ist daher die Folge einer abhängigen Beschäftigung und beurteilt sich somit nach den Grundsätzen, die Lehre und Rechtsprechung zum Begriff des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung entwickelt haben (u.a. BSG, Urteil vom 04.09.1974, SozR 4100 § 168 Nr. 10).

Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer ist demnach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb mithin derjenige, der in den Betrieb eingegliedert ist und einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung umfasst. Demgegen über wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen (u.a. BSG, Urteil vom 06.02.1992,7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8; Urteil 27.06.1996, 11 RAr 111/95, SozR 3-4100 § 102 Nr. 4; Urteil vom 30.01.1997, 10 RAr 6/95, SozR 3-4100 § 141 b Nr. 17). Weist eine Tätigkeit zugleich Merkmale auf, die auf eine abhängige wie auch eine selbständige Beschäftigung hindeuten, ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen; dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebend ist zunächst die vertragliche Ausgestaltung des Verhältnisses, die allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (u.a. BSG, Urteil vom 30.01.1997, 10 RAr 6/95, SozR 3-4100 § 141b Nr. 17). Die Frage, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH eine abhängige und deshalb beitragspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ist, beurteilt sich ebenfalls nach diesen Grundsätzen (u.a. BSG, Urteil vom 18. April 1991, SozR 3-4100 § 168 Nr. 5).

Allein die Organstellung des Geschäftsführers (§ 35 Abs. 1 GmbH- Gesetz) schließt eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft bzw. den Gesellschaftern ist nicht aus (BSG, Urteil vom 13. 12.1960, BSGE 13, 196, 200). Bei dem am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist eine abhängige Beschäftigung jedoch grundsätzlich zu verneinen, wenn er aufgrund seiner Gesellschaft erstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hatte, damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfalle jederzeit verhindern konnte und damit die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit eine Arbeitnehmers vermeiden kann. Eine abhängige Beschäftigung entfällt daher regelmäßig, wenn der Geschäftsführer über mindestens die Hälfte des Gesamtkapitals der Gesellschaft verfügt; entsprechendes gilt bei einer Sperrminorität (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 18.04.1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr. 5, Urteil vom 24.09.1992, 7 RAr 12/92, SozR 3-4100 § 168 Nr. 8).

Der Kläger war aufgrund seiner Kapitalbeteiligung nicht in der Lage, ihm nicht genehme Einzelanweisungen der Gesellschafterversammlung zu unterbinden. Er war am Stammkapital der ... Bau GmbH von 100.000 mit einer Einlage von 25.000 DM (25 v.H.) beteiligt. Je 1000,00 DM eines Geschäftsanteils gewährten eine Stimme (§ 8 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages). Beschlüssen der Gesellschafter, die mit 2/3 Mehrheit zu fällen waren (§ 8 Ziffer 6 des Gesellschaftsvertrages), konnte sich der Kläger daher nicht entziehen. Die Beteiligung am Stammkapital reichte somit nicht aus, um generell die für ein Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit zu vermeiden. Die Kapitalbeteiligung des Klägers ist somit Indiz dafür, dass er abhängig beschäftigt gewesen ist.

Dieses Indiz kann entkräftet werde, wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist und - wirtschaftlich gesehen - seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübt, d.h. seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten konnte (u.a. vgl. BSG, Urteil vom 09.02.1995,7 RAr 76/94, Die Beiträge 1995, 358 ff; BSG, Urteil vom 06.02.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8; BSG, Urteil vom 24.09.1992, 7 RAr 12/92, SozR 3-4100 § 168 Nr. 8). Dabei ist zunächst auf die im Anstellungs- bzw. im Gesellschaftsvertrag zur Rechtsstellung des Gesellschaf ter-Geschäftsführers getroffenen Regelungen abzustellen (BSG, Ur teil vom 06.02.1992,7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8).

Die Regelungen des Anstellungsvertrages vom 01.01.1987 über die Höhe des monatlichen Gehalts, die Weihnachtsgratifikation, das Urlaubsgeld sowie die Gewinntantieme, die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund und das Wettbewerbsverbot könnten ebenso Inhalt eines üblichen Anstellungsvertrages sein und räumen dem Geschäftsführer keine Rechtsstellung ein, mit der er besonderen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft hätte ausüben können. Der Kläger erhielt seine Bezüge, wie bei Arbeitnehmern üblich, monatlich. Sie lagen weder mit den (1987) vertraglich vereinbarten 4.487 DM noch mit den tatsächlich zuletzt gezahlten ca. 7.000 DM über den Bezügen vergleichbarer, abhängig Beschäftigter. Für eine abhängige Beschäftigung spricht ferner, dass der Kläger auf die Willensbildung der Gesellschaft hinsichtlich der Beendigung seines Anstellungsverhältnisses keinen entscheidenden Einfluss nehmen konnte. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrages endete der Anstellungsvertrag im Zeitpunkt einer wirksamen Abberufung durch die Gesellschafterversammlung. Im Hinblick auf die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschafterversammlung hätte der Kläger sich mit seinem eigenen Stimmenanteil von lediglich 25 v.H. nicht mit Erfolg gegen eine Abberufung und damit gegen eine Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit wehren können.

Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht auch die weithin fehlende Entscheidungsverantwortlichkeit des Klägers für den Finanz- und Personalbereich der GmbH. Die Entscheidungsbefugnisse des Klägers wurden zunächst vertraglich durch die Regelungen des § 3 des Anstellungsvertrages und § 6 des Gesellschaftsvertrages eingeschränkt. Danach bedurfte u.a. der Erwerb, die Veräußerung und Belastung von Grundstücken, die Anschaffung und Erstellung von Gegenständen des Anlagevermögens, sofern dafür im Einzelfall mehr als 20.000 DM oder in einem Geschäftsjahr insgesamt über 100.000 DM aufgewendet wurden, die Aufnahme bzw. Erhöhung von Krediten, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten und der Abschluss von Dienstverträgen mit höheren Beträgen als 5.000 DM brutto im Monat der Zustimmung der Gesellschaft. Über diese Beschränkungen hinaus hatte der Kläger tatsächlich lediglich bei kleineren Aufträgen einen größeren Entscheidungsspielraum. So wurden, nach Aussage der Zeugin R., größere Bauvorhaben nur im Konsens mit allen Gesellschaftern der GmbH realisiert. Finanziell verpflichten konnte der Kläger die Gesellschaft - bis zum Ausscheiden der Zeugin M. im Januar 1998 - generell nur bei Mitzeichnung der weiteren Geschäftsführerin, so z.B. bei Ausstellung von Schecks. Personaleinstellungen wurden, den Aussagen der Zeugen R. und B. folgend, grundsätzlich im Kreis der Mitgesellschafter abgestimmt. Der Kläger war daher nicht nur bei den im Anstellungsvertrag und Gesellschaftsvertrag genannten Geschäften in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, sondern bei fast allen Geschäften, die über das bloße Alltagsgeschäfts hinausgingen. Erkonnte daher, zumindest in seiner Funktion als Geschäftsführer, die Geschicke der Gesellschaft nicht wesentlich mitbestimmen.

Der Senat hat keine Bedenken, seiner Entscheidung die Aussagen der Zeuginnen R., M. und B. zu Grunde zu legen. Ihre Erklärungen sind in sich stimmig und fügen sich widerspruchslos in das Bild einer durch alle Gesellschafter gleichberechtigt geführten GmbH ein. Die Gesellschafter haben sich vor dem Hintergrund der Beweggründe, die zur Gründung der GmbH geführt haben, sowie aufgrund ihrer speziellen Sachkenntnisse als gleichberechtigte Partner verstanden. Es bleibt daher nachvollziehbar, dass dem Geschäftsführer eine hervorgehobene und mit weitergehenden Einflussmöglichkeiten verbundene Position nicht zukommen sollte.

Der Kläger konnte in tatsächlicher Hinsicht weder frei über die eigene Arbeitskraft verfügen noch den Arbeitsort und die Arbeitszeit selbst bestimmen. Soweit der Anstellungsvertrag diesbezüglich keine oder nur unzureichende Bestimmungen getroffen hat, ist auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles abzustellen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85, Die Beiträge 1987, 17 ff.). Der Kläger war gehalten, die Arbeitszeit in den betrieblich - von den Gesellschaftern - vorgegebenen Zeiten zu leisten. So haben die Zeuginnen R. und M. bekundet, dass der Kläger täglich- außer samstags und sonntags - zwischen 7.30 und 8.00 Uhr mit der Arbeit beginnen musste und die Arbeitszeit üblicherweise zwischen 17.00 und 18.00 Uhr endete. Ausdrücklich haben diese Zeuginnen darauf hingewiesen, dass die Gesellschafter eine durch den Kläger selbstgewählte Reduzierung der Arbeitszeit nicht hingenommen hätten.

Das Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer muss, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht durch eine natürliche Person, einen Vorgesetzten, ausgeübt werden. Die Weisungsbefugnis bzw. das Direktionsrecht steht dem Arbeitgeber - vorliegend der GmbH als juristischer Person - zu. Weisungen gegenüber dem Geschäftsführer können daher grundsätzlich durch das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter, erfolgen. Denn nach dem Recht der GmbH kann die Bindung des Geschäftsführers an die GmbH in unterschiedlichster Weise ausgestaltet sein. Neben weisungsfreien Geschäftsführern gibt es Geschäftsführer, die durchgehend weisungsgebunden sind; in den letztgenannten Fällen führen die Gesellschafter mit Hilfe des Weisungsrechts die Geschäfte der GmbH möglicherweise im Wesentlichen selbst (vgl. BSG, Urteil vom 09.02.1995,7 RAr 76/94, Die Beiträge 1995, 358 ff.).

Bezüglich des Arbeitsorts musste der Kläger, abgesehen von den Baustellenbesuchen, seine Arbeit im firmeneigenen Büro leisten. Da jeder Gesellschafter zudem seinen eigenen Zuständigkeitsbereich hatte, konnte er den Arbeitsinhalt ebenfalls nicht bestimmen bzw. selbständig ändern. Des Weiteren musste er zu Beginn des Kalenderjahres seinen Urlaub mit den übrigen Gesellschaftern abstimmen. Insbesondere bedurfte es der Absprache mit dem Zeugen Bauch, der - wie der Kläger selbst - für den technischen Bereich zuständig war. Hinsichtlich des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft, des Arbeitsortes und der Arbeitszeit war der Kläger daher nicht frei, sondern wie ein Arbeitnehmer in eine von ihm selbst nicht bestimmte, sondern in eine von der Gesellschaft im Wesentlichen vorgegebene betriebliche Ordnung eingebunden.

Der Kläger hatte - anders als der Selbständige - kein wesentliches Unternehmerrisiko zu tragen. Als Geschäftsführer war der Kläger nicht am Verlust der Gesellschaft beteiligt. Nach § 6 des Anstellungsvertrages hatte er lediglich einen Anspruch auf eine Gewinntantieme von 8%. Diese kam jedoch, nach eigener Aussage im Termin zur Erörterung des Sachverhalts, nicht zur Auszahlung, da Gewinne nicht ausgeschüttet wurden. Sein wesentliches Einkommen wurde durch das monatliche Gehalt als Geschäftsführer, von zuletzt ca. 7.000 DM bestimmt.

Die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft in Höhe von 500.000 DM zur Sicherung des Betriebsmittelrahmenkreditvertrages reicht allein nicht aus, um ein abhängiges Beschäftigungsverhält nis zu verneinen. Grundsätzlich dürfte sich ein abhängig beschäftigter Geschäftsführer nicht dazu bereit finden, über seine Einlage hinaus mit seinem Privatvermögen durch Mitübernahme einer Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (vgl. LSG Berlin Urteil vom 03.11.2000, L 4 AL 101/98). Allerdings lässt sich die Motivlage, die zur entsprechenden Übernahme einer solchen Verpflichtung führt, nur schwerlich erfassen und kann sich im Ergebnis möglicherweise darauf beschränken, allein den Arbeitsplatz als Geschäftsführer zu erhalten. Vor diesem Hintergrund erscheint es nach Auffassung des Senats angemessen, die Übernahme einer Bürgschaft nur dann als ausschlaggebendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit zu werten, wenn der Geschäftsführer dadurch zugleich weitere Einflussmöglichkeiten auf die wirtschaftlichen Geschicke der Gesellschaft gewinnt, die er aufgrund seiner bis herigen Gesellschafterstellung, insbesondere seines Kapitalanteils, nicht hatte. Dies könnte dann angenommen werden, wenn der Geschäftsführer durch Übernahme entsprechender Bürgschaften im Wesentlichen allein für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ein zustehen hätte und die GmbH bzw. die übrigen Gesellschafter durch die mögliche Kündigung des Bürgschaftsvertrages wirtschaftlich unter Druck gesetzt werden. Davon kann im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Gesellschafter sich in gleicher Höhe mit selbstschuldnerischen Bürgschaften verpflichtet haben. Die tatsächlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten, soweit sie dem Kläger als Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung standen, haben sich damit nicht erweitert. Eine selbständige Tätigkeit des Klägers kann damit nicht angenommen werden.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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