L 8 SB 2260/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 675/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2260/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger zu Recht von 50 auf 30 herabgesetzt hat.

Der 1968 geborene Kläger stellte erstmals am 08.06.2001 einen Antrag auf Feststellung von Behinderungen und gab hierbei an, er sei an Morbus Hodgkin erkrankt. Vom 07.02.2001 bis 24.04.2001 sei er deswegen in der Universitätsklinik Freiburg stationär behandelt worden. Nach Beiziehung von Arztunterlagen erging die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 09.09.2001, mit der die Behinderung mit "Erkrankung des lymphatischen Systems" bezeichnet und mit einem GdB von 60 bewertet wurde.

Mit Bescheid vom 20.09.2001 stellte der Beklagte den GdB mit 60 seit 08.06.2001 fest und führte in diesem Bescheid aus, die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass als Funktionsbeeinträchtigung eine Erkrankung des lymphatischen Systems vorliege. Bei der Bewertung des GdB sei die Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung berücksichtigt worden, was bedeute, dass der GdB höher eingeschätzt worden sei, als er dem tatsächlichen Zustand entspreche. Dies geschehe, um über einen bestimmten Zeitraum eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes abzuwarten. Sei nach dem Ergebnis einer entsprechenden Nachprüfung diese Stabilisierung eingetreten, werde der GdB gegebenenfalls auf das tatsächlich bestehende Maß zurückgeführt, selbst wenn Beschwerden und Allgemeinzustand unverändert sein sollten. Vor einer entsprechenden Neufeststellung gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Herabsetzung des GdB werde der Kläger jedoch angehört. Für die Feststellung gesundheitlicher Merkmale (Merkzeichen) seien die Voraussetzungen nicht erfüllt.

Im Oktober 2002 nahm der Beklagte eine Nachprüfung von Amts wegen vor und holte zu diesem Zweck die Auskunft des den Kläger behandelnden Arztes Dr. Z. - Facharzt für Allgemeinmedizin - vom 18.10.2002 ein. Darin führte Dr. Z. aus, der Kläger sei weitestgehend beschwerdefrei. Nur bei anstrengenden körperlichen Arbeiten bleibe der Kläger noch hinter seiner Leistungsgrenze zurück. Dieses Defizit werde mit zunehmender Zeit geringer werden. Im Bericht der Universitätsklinik Freiburg - Onkologie - vom 05.06.2002 ist ausgeführt, der Kläger habe sich knapp acht Monate nach Abschluss einer kombinierten Radio-/Chemotherapie bei Hodgkin-Lymphom zur Verlaufskontrolle in der Ambulanz vorgestellt. Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen ergebe sich erfreulicherweise weiterhin kein Hinweis auf ein Rezidiv der Grunderkrankung. Der Kläger berichte über ein sehr gutes Allgemeinbefinden; keine gesundheitlichen Probleme. Die körperliche Belastungsfähigkeit sei deutlich steigend. Derzeit keine Medikation.

Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.11.2002 (nach Chemotherapie bei kompletter Remission Heilungsbewährung für drei Jahre mit GdB 50) und nach Anhörung des Klägers erging der Bescheid vom 20.01.2003, mit dem der GdB ab 24.01.2003 mit nur noch 50 festgestellt wurde.

Im Januar 2006 führte der Beklagte eine Überprüfung von Amts wegen durch und bat den Kläger um Mitteilung der ihn behandelnden Ärzte, dem der Kläger nachkam.

Das Universitätsklinikum Freiburg - Zentrum Lymphome - teilte mit Bericht vom 30.12.2005 an den Hausarzt des Klägers Dr. Z., B. K. mit, der Kläger habe sich in der Ambulanz zur Nachsorge vorgestellt. Klinisch, laborchemisch sowie in der durchgeführten Bildgebung habe es keinen Hinweis für ein Rezidiv des Hodgkin-Lymphoms ergeben.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.02.2006 wurde der GdB mit unter 20 bewertet.

Mit Schreiben vom 10.03.2003 hörte der Beklagte den Kläger an und teilte ihm mit, die Ermittlungen hätten ergeben, dass bezüglich der Gesundheitsstörung "Hodgkin-Lymphom" mehr als drei Jahre nach der Vollremission keine Neuerkrankung bzw. Reaktivierung aufgetreten und somit von einer Heilungsbewährung auszugehen sei. Die Bewertung des GdB richte sich deshalb nur noch nach der tatsächlichen Funktionseinbuße. Ein GdB von mindestens 20 könne nicht mehr festgestellt werden. Die Schwerbehinderteneigenschaft liege nicht mehr vor und die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises seien daher nicht mehr erfüllt. Es sei deshalb beabsichtigt, einen entsprechenden Neufeststellungsbescheid zu erteilen.

Der Kläger wandte ein, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum von einer hundertprozentigen Heilungsbewährung auszugehen sei. Er sei zwar voll erwerbsfähig, dies aber nur mit körperlichen und vor allem geistigem Mehreinsatz, als dies vor seiner Erkrankung der Fall gewesen sei. Er denke sehr oft an seine Erkrankung. Er bitte, dies mitzuberücksichtigen und auch zu bedenken, dass für ihn der Schwerbehindertenausweis auch eine gewisse Sicherheit für seinen Arbeitsplatz gebe, da er so nicht ohne Weiteres kündbar sei.

Der Beklagte holte den Befundbericht des Dr. Z. vom 19.05.2006 ein. Darin führte dieser zur seelischen Belastung aus, er sehe es nicht als ungewöhnlich an, dass die Angst vor einem Rezidiv vorhanden sei. Damit verbunden seien natürlich auch Zukunftsängste, bezüglich der Familie und des Berufes; eine Indikation zur Psychotherapie habe sich beim Kläger jedoch bisher noch nicht ergeben.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.06.2003 wies der Versorgungsarzt darauf hin, dass nach den vorhandenen Arztberichten davon auszugehen sei, dass derzeit noch ein Leberschaden mit einem Einzel-GdB-Wert von 20, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB-Wert von 20 sowie die Erkrankung des lymphatischen Systems, heilungsbewährt mit einem Einzel-GdB-Wert von 10, vorlägen. Der Gesamt-GdB betrage 30.

Nach erneuter Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 08.06.2006, auf das der Kläger weitere Arztberichte einreichte, erging die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 18.08.2006, wonach eine diskrete seelische Belastung mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt werden könne, was jedoch nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB von 30 führe.

Mit Bescheid vom 25.08.2006 hob der Beklagte den Bescheid vom 20.01.2003 gemäß § 48 SGB X auf und stellte den GdB ab 31.08.2006 nur noch mit 30 fest. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die vorliegende Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommenssteuergesetz geführt habe. Diese bestehe seit 31.08.2006. Zur Begründung wurde angegeben, die ärztliche Prüfung der vorliegenden aktuellen medizinischen Unterlagen bzw. der erhobenen medizinischen Befunde habe zu dem Ergebnis geführt, dass der GdB unter Berücksichtigung des Ablaufs des Zeitraums der Heilungsbewährung mit 30 zu bewerten sei. Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: Leberschaden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Erkrankung des lymphatischen Systems, heilungsbewährt, seelische Störung.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 26.09.2006 führte der Bevollmächtigte des Klägers zur Begründung aus, die Bezeichnung "Erkrankung des lymphatischen Systems" sei zu unbestimmt und im Übrigen auch unkorrekt. Korrekt sei die Bezeichnung "hoch malignes Non-Hodgkin-Lymphom und akute Leukämie".

Gleichzeitig stellte er den Antrag, den Bescheid vom 20.09.2001 im Wege des § 44 SGB X abzuändern und einen GdB von 100% festzustellen. Außerdem beantragte er, den Bescheid vom 20.01.2003 abzuändern und einen GdB von 80% festzustellen. Schließlich beantragte er, den Bescheid vom 25.08.2006 abzuändern und einen GdB von 50% festzustellen.

Hierzu holte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 09.01.2007 ein, worin versorgungsärztlicherseits ausgeführt wurde, beim Kläger habe im Juni 2001 ein M. Hodgkin, nicht aber ein Non-Hodgkin-Lymphom bestanden und dieses sei entsprechend dem Stadium IIa korrekt mit einem GdB von 60 bewertet worden (unter laufender Therapie). Nach Abschluss der Therapie habe eine komplette Remission der Erkrankung bestanden und es sei entsprechend den AHP ein GdB von 50 mit drei Jahren Heilungsbewährung erteilt worden. Nach Ablauf der Heilungsbewährung 2005 sei es erfreulicherweise zu keinem Rezidiv gekommen und es sei für die verbliebenen Folgen (geringe Minderbelastbarkeit, seelische Belastung) kein höherer GdB als 10 möglich. Weitere Funktionsbehinderungen seien entsprechend tenoriert und bewertet worden. An den bisherigen Feststellungen sei festzuhalten.

Mit Bescheid vom 23.01.2007 lehnte der Beklagte den Antrag des Bevollmächtigten des Klägers nach § 44 SGB X ab. Der gegen den Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2007 zurückgewiesen. Hiergegen erhob der Kläger am 08.03.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 6 SB 1393/07), das mit dem klagabweisenden Urteil vom 21.02.2008 erstinstanzlich endete. Die dagegen erhobene Berufung (L 8 SB 2261/08) nahm der Kläger im Erörterungstermin vom 14.11.2008 zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2007 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25.08.2006 zurückgewiesen.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.01.2007 (Herabsetzung des GdB von 50 auf 30 gemäß § 48 SGB X) erhob der Kläger am 05.02.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, S 6 SB 675/07) mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und weiterhin einen GdB von 50 anzuerkennen.

Auf Antrag des Klägers hörte das SG den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. Z. (Aussage vom 25.05.2007), den Facharzt für HNO Dr. B. (Aussage vom 20.03.2007) und Prof. Dr. F. - Leitender Oberarzt der Abteilung Innere Medizin I des Universitätsklinikums F. (Aussage vom 02.04.2007) schriftlich als sachverständige Zeugen. Letzterer führte aus, bezüglich des Hodgkin-Lymphoms liege kein Hinweis auf ein Rezidiv vor. Der Nachweis einer geringgradigen Leberschädigung sei am Ehesten als Folge der Chemotherapie anzusehen. Nachweis einer Sinterung des Brustwirbelkörpers liege vor. Bezüglich der Hodgkinerkrankung, die sich in kompletter Remission befinde, teile er die Auffassung des versorgungsärzlichen Dienstes.

Mit Urteil vom 21.02.2008 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der angefochtene Bescheid vom 25.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2007 sei rechtmäßig. Zu Recht habe der Beklagte den GdB von 50 auf 30 herabgesetzt. Die beim Kläger vorliegende heilungsbewährte Erkrankung des lymphatischen Systems sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Außerdem liege beim Kläger ein Leberschaden mit einem Einzel-GdB von 20 vor sowie degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, die ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten seien. Diese und die daneben noch bestehenden seelischen Störungen mit einem Einzel-GdB von 10 führten zu dem Gesamt-GdB von 30. Beim Kläger habe zur Überzeugung der Kammer ein Morbus Hodgkin vorgelegen, der seit Juni 2001 in Vollremission sei. Diese Krankheit werde auch als Hodgkin-Krankheit oder Hodgkin-Lymphom genannt. Da die dreijährige Phase der Heilungsbewährung bereits Ende Juni 2004 eingetreten sei, sei eine Änderung der Verhältnisse eingetreten, die den Beklagten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichteten, den bisherigen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Gegen das - dem Bevollmächtigten des Klägers am 05.05.2008 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 13.05.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 30.09.2008 geltend gemacht, die Berufung sei bisher nicht ausführlicher begründet worden, wenngleich auch im Klageverfahren bereits sehr ausführlich zu den Dingen Stellung bezogen worden sei und ja auch umfangreiche medizinische Fachliteratur übersandt worden sei. An der Vorlage von Beweismitteln könne also klägerischerseits nichts weiter ergänzend hinzugefügt werden, da klägerischerseits alles getan worden sei, um den Sachvortrag zu unterstützen mit Beweisunterlagen. Vom SG sei im Wege der Amtsermittlung nicht ausreichend nachgefasst worden im Hinblick auf die konkrete Erkrankungsform, der der Kläger unterworfen sei, und insbesondere sei auch keine entsprechende fachärztliche Meinung eingeholt worden zu der Fragestellung, ob eine Intensivtherapie vorgelegen habe oder nicht. Die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Z. im Klageverfahren habe hinsichtlich der psychischen Situation die Klage des Klägers bestätigt.

Der Kläger ist am 14.11.2008 in nichtöffentlicher Sitzung angehört worden. Hierbei hat er geltend gemacht, sein Wirbelsäulenleiden habe sich verschlechtert. Er sei deswegen seit Oktober 2008 in orthopädischer Behandlung bei Herrn Dr. P., B. K.

Mit dem Einverständnis des Klägers hat der Senat den Facharzt für Orthopädie A. P. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 05.02.2009 mitgeteilt, der Kläger habe vom 20.08. bis 25.11.2008 in seiner Behandlung gestanden. Beim Kläger lägen eine muskuläre Dysbalance, deutliche Spondylarthrose der LWS, deutliche Spondylarthrose der LWS, Verdacht auf lumbales Wurzelkompressionssyndrom und lumbale Bandscheibenprotrusionen vor.

Hierzu hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 24.02.2009 vorgelegt. Danach ergäben sich aus der Auskunft von Herrn P. keine Gesichtspunkte, den bisherigen Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden zu erhöhen. Mit Schriftsatz vom 24.11.2009 hat der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. J. N., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, B. K. gestellt und ergänzend vorgetragen, ein Mensch, der an einer karzinogenen Erkrankung gelitten habe, bleibe weiterhin ein Mensch, der krebskrank sei, nur habe er unter Umständen eben kein krankhaftes Erscheinungsbild im eigentlichen Sinne. Ein Mensch, der eine so schwere lebensbedrohliche Krankheit durchlitten habe, sei für immer verändert, organisch als auch psychisch. Eine Herabsetzung des GdB auf unter 50% sei daher grundsätzlich inakzeptabel. Dabei handele es sich um eine Rechtsfrage. Vor diesem Hintergrund werde beantragt, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Fragestellung insgesamt werde immer drängender, da es immer mehr Menschen gebe, die eine karzinogene Erkrankung überstünden und lange Jahre damit weiterleben würden, aber mit entsprechenden Veränderungen in physiologischer und psychologischer Hinsicht. Ein GdB von 30% sei völlig inakzeptabel für diesen Personenkreis.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 26.11.2009 wurde die Einholung des beantragten Gutachtens durch Dr. J. N. gemäß § 109 SGG davon abhängig gemacht, dass der Antragsteller die voraussichtlichen Kosten in Höhe von 1.200,00 EUR bis 30.12.2009 vorschießt und die beigefügte Kostenverpflichtungserklärung ausgefüllt und unterschrieben zurücksendet. Beides ist jedoch nicht erfolgt und mit gerichtlichem Schreiben vom 18.02.2010 wurde der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die mit gerichtlichem Schreiben vom 26.11.2009 gesetzte Frist zur Einzahlung des Kostenvorschusses und Rückgabe der Verpflichtungserklärung abgelaufen sei, weshalb die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG abgelehnt werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Februar 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können, ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 25.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2007, mit dem der GdB von 50 auf 30 für die Zeit ab 31.08.2006 herabgesetzt worden ist, ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Bescheides, weil entgegen seiner Auffassung eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid eingetreten ist. Er hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 25.08.2006, mit dem der Beklagte im Wege der Neufeststellung den GdB wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse von 50 auf 30 herabgesetzt hat. Mit der Anfechtungsklage machte der Kläger demgegenüber geltend, dass gegenüber dem maßgeblichen Vergleichszeitpunkt keine wesentliche Änderung eingetreten sei, so dass - gemäß dem Bescheid vom 20.01.2003 - weiterhin ein GdB von 50 anzunehmen sei; im Übrigen sei bei an Krebs erkrankten Personen immer von einem GdB von 50 auszugehen.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht formell rechtswidrig, da der Kläger vor dem Erlass des Bescheides und des Widerspruchsbescheides ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Er ist aber auch nicht materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die erfolgte Herabsetzung des GdB wegen Eintritts einer tatsächlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt sind. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist zu beachten, dass sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens beurteilt (Widerspruchsbescheid vom 31.01.2007). Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigten (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass sich im Gesundheitszustand des Klägers und in den sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen seit 31.08.2006 eine wesentliche Änderung ergeben hat. In den Verhältnissen, die dem maßgeblichen Vergleichsbescheid vom 20.01.2003, mit dem das Ausmaß der Behinderung des Klägers zuletzt verbindlich festgestellt worden ist (GdB 50 ab 24.01.2003), ist eine wesentliche Änderung eingetreten.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Das SG hat weiter ausführlich und zutreffend begründet, dass der Beklagte den GdB von 50 auf 30 zu Recht herabgesetzt hat. Die beim Kläger vorliegende heilungsbewährte Erkrankung des lymphatischen Systems ist mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Außerdem liegen beim Kläger ein Leberschaden mit einem Einzel-GdB von 20 vor sowie degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, die ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind. Diese und die daneben noch bestehenden seelischen Störungen mit einem Einzel-GdB von 10 führen zu dem Gesamt-GdB von 30. Beim Kläger hat ein Morbus Hodgkin vorgelegen, der seit Juni 2001 in Vollremmision ist. Da die dreijährige Phase der Heilungsbewährung bereits Ende Juni 2004 eingetreten ist, ist die mit dem angefochtenen Bescheid berücksichtigte Heilungsbewährung durch Herabsetzung des GdB von 50 auf 30 für die Zeit ab 31.08.2006 nicht zu beanstanden. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu demselben Ergebnis und nimmt zur Begründung seiner Entscheidung und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ebenfalls voll inhaltlich Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen bleibt auszuführen:

Soweit der Kläger im Erörterungstermin vom 14.11.2008 geltend gemacht hat, sein Wirbelsäulenleiden habe sich verschlechtert und er stehe deshalb seit August 2008 in orthopädischer Behandlung bei Dr. P., B. K., ist der Senat dem nachgegangen und hat hierzu die sachverständige Zeugenauskunft des Facharztes für Orthopädie A. P. vom 05.02.2009 eingeholt. Danach liegen eine muskuläre Dysbalance, eine deutliche Spondylarthrose der LWS, eine deutliche Spondylose der LWS, ein Verdacht auf lumbales Wurzekompressionssyndrom und lumbale Bandscheibenprotrusionen vor. Diese lassen aber - insbesondere unter Berücksichtigung des kernspintomographischen Befundberichts der Lendenwirbelsäule vom 20.08.2008 - keine Rückschlüsse auf größere klinische Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zu als sie bislang schon anerkannt und mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet worden sind.

Soweit der Bevollmächtigte des Klägers geltend macht, bei einem an Krebs erkrankten Menschen sei der GdB stets und auf unbegrenzte Dauer mit mindestens 50 zu beurteilen, findet diese Auffassung weder in den hier noch anzuwendenden "Anhaltspunkten für die ärztliche Begutachtung im Schwerbehindertenrecht" 2008 (AHP) noch in der nunmehr ab 01.01.2009 geltenden Versorgungsmedizin-Verordnung und den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) ihren Niederschlag. Nach den AHP und nach den VG ist eine Heilungsbewährung u.a. bei allen bösartigen Geschwulsterkrankungen abzuwarten (AHP 2008 Nr. 11 Abs. 2; VG B 1 a). Nach Ablauf der Heilungsbewährung ist auch bei gleichbleibenden Symptomen eine Neubewertung des GdB zulässig, weil der Ablauf der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt (vgl. AHP Nr. 24 Abs. 3; VG A7b). Der Zeitraum des Abwartens einer Heilungsbewährung beträgt in der Regel 5 Jahre; kürzere Zeiträume werden in der Tabelle vermerkt. Maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsgewährung ist der Zeitraum, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann. Der aufgeführte Grad der Behinderung bezieht den regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein. Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung - z.B. lang dauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie - sind zu berücksichtigen. (vgl. AHP Nr. 18 Abs. 7; VG B 1 c). Bei Hodgkin-Krankheit beträgt der GdB nach Vollremmision für die Dauer von drei Jahren (Heilungsbewährung) 50 (vgl. AHP Nr. 26.16; VGB 16.2). Seelische Beeinträchtigungen, die erfahrungsgemäß regelmäßig bei der Erkrankung auftreten, sind pauschal im - erhöhten - GdB für die Dauer der Heilungsbewährung berücksichtigt, unabhängig davon, ob sie überhaupt bzw. in welcher Bandbreite der regelmäßig üblichen Beeinträchtigung sie vorliegen (vgl. AHP Nr. 18 Abs. 7 und 8; jetzt auch VG A Nr. 2 h, i). Nach Ende der Heilungsbewährung ist das konkrete Ausmaß der seelischen Beeinträchtigung festzustellen. Dem ist das Sozialgericht mit Anhörung des Allgemeinmediziners Dr. Z., der nach Vorbringen des Klägerbevollmächtigten (Schriftsatz vom 02.03.2010) den Kläger wegen psychischer Belastung mitbehandelt, als sachverständigen Zeugen nachgekommen. Seine schriftliche Aussage vom 26.05.2007 über das Auftreten der größten Besorgnis des Klägers bei jedem banalem Infekt lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die einen höheren GdB als 10 rechtfertigt.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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