Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2311/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 617/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt als Alleinerbe seines am 2009 verstorbenen Bruders W. S. (im Folgenden: Versicherter) Anspruch auf Nachzahlung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am. 1962 geborene Versicherte, seit 1994 geschieden, ließ sich von August 1977 bis Juli 1980 zum Landschaftsgärtner ausbilden und war anschließend in diesem Beruf beschäftigt. Aus diesem Beruf wechselte er zum 16. September 1986 ohne weitere Ausbildung als Kraftfahrer im Werksfernverkehr zu N. W. in L ... Ab September 2001 war er bei der Baustoffspedition S. beschäftigt. Im Jahr 1999 trat ein Bandscheibenvorfall L4/5 auf. Ab 10. Mai 1999 bezog der Versicherte Krankengeld. Vom 05. August bis 09. September 1999 befand er sich zu einer von der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden) bewilligten Heilbehandlung in der B.-Klinik B. K., wo neben den vorrangig behandelten Kreuzschmerzen auch Folgen von Alkoholmissbrauch festgehalten wurden (Entlassungsbericht Dr. K. vom 09. September 1999). Ein weiterer Zeitraum des Bezugs von Krankengeld datiert vom 20. Februar bis 10. Juni 2001. Zum 18. Januar 2002 wurde das Arbeitsverhältnis wegen "Arbeitsmangel" beendet. Anschließend bezog der Versicherte, unterbrochen nochmals von Krankheitszeiten und den im Folgenden zu nennenden Rehabilitationsmaßnahmen, bis zur Erschöpfung des Anspruchs mit 22. August 2004 Arbeitslosengeld.
Vom 01. Oktober 2002 bis 21. Januar 2003 befand sich der Versicherte in der Rehabilitationsklinik Bi., Fachklinik für Abhängigkeitskrankheiten in M.-M. (Entlassungsbericht Dr. A. vom 22. Januar 2003: Alkoholabhängigkeit, äthyltoxische Neuropathie sowie chronische Pankreatitits). Wegen der weiterhin bestehenden Lumbalgien bei Zustand nach Bandscheibenvorfall wurden wechselnde Körperhaltungen angeraten; die Tätigkeit als Kraftfahrer sei ohne mittelschwere und schwere Lasten noch sechsstündig möglich. Nach einem ärztlichen Gutachten des Arbeitsamts O. vom 18. März 2003 (Vertragsärztin Dr. Ke.) wurde die Tätigkeit als Lkw-Fahrer Klasse II als nicht mehr uneingeschränkt möglich betrachtet. Ein daraufhin im April 2003 eingeleitetes Verfahren wegen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit der Fragestellung einer Arbeitserprobung/Berufsfindung führte nicht zu einem Ergebnis. Der Versicherte befand sich sodann vom 08. August bis 11. September 2003 in stationärer Behandlung des Klinikums L. - Chirurgische Klinik - mit den Diagnosen: Chronische Pankreatitis bei infizierter Ascites, Alkoholabusus und Nierenversagen (Arztbrief Prof. Dr. M. vom 26. September 2003). Ein weiterer Aufenthalt wurde dort vom 25. bis 30. September 2003 erforderlich. Es folgte vom 20. November bis 11. Dezember 2003 ein Aufenthalt in der Rehaklinik Ka. in M.-M. mit den Diagnosen Zustand nach äthyltoxischer nekrotisierender Pankreatitits, Alkoholkrankheit und jetzt auch Verdacht auf coronare Herzkrankheit sowie äthyltoxische Leberzirrhose (Entlassungsbericht Dr. W. vom 11. Dezember 2003). Schließlich folgten weitere Aufenthalte im Klinikum L. - Medizinische Klinik - vom 22. bis 30. März 2004 und vom 06. bis 07. April 2004 vorrangig wegen OGI-Blutung bei ausgeprägten Fundusvarizen (Arztbrief Prof. Dr. D. vom 29. April 2004).
Am 23. August 2004 beantragte der Versicherte Rente wegen Erwerbsminderung. Beigezogen wurde auch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg in O. (Dr. Z., 12. Februar 2004). Der Versicherte sei vollschichtig leistungsfähig für leichte bis zeitweise maximal mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Arbeiten im Bücken und mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule. Der Versicherte wurde am 17. November 2004 auf der klinischen Begutachtungsstation der Beklagten in Karlsruhe untersucht. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. fand auf seinem Fachgebiet derzeit keinen Anhalt für alkoholbedingte neurologische oder psychopathologische Folgeschäden oder für ein Trinkverhalten, welches grundsätzlich einem vollschichtigen Leistungsvermögen im Wege stünde; weder neurologisch noch psychiatrisch bestehe derzeit eine eigenständige krankheitswertige Störung (Gutachten vom 23. November 2004). Facharzt für Orthopädie Dr. Sc. nannte im Gutachten vom 30. November 2004 Lumbalsyndrom bei Osteochondrose und altem, verkalktem Vorfall L4/5, Kniegelenksarthrose rechts und Osteoporose; gegen leichte bis mittelschwere Arbeiten, die überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Haltung ausgeführt werden könnten, ergäben sich keine Bedenken und auch keine zeitlichen Einschränkungen. Arzt für Innere Medizin Dr. M. fand auf seinem Fachgebiet die Alkoholkrankheit mit Rückfall seit August 2004 mit chronischer Pankreatitits sowie eine Vergrößerung von Milz und Leber bei intra- abdomineller venöser Thrombose mit Ausbildung von Fundusvarizen. Nicht mehr möglich seien körperlich schwere und mittelschwere Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit Alkoholexposition, mit besonderen Anforderungen an Verantwortungsbewusstsein, mit erhöhter Infektionsgefahr, in längeren Zwangshaltungen des Rumpfes, mit häufigem oder regelmäßigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, Steigen auf Leitern und Gerüste. Innerhalb dieses Rahmens seien leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig zumutbar (zusammenfassendes Gutachten vom 14. Januar 2005). Durch Bescheid vom 19. Januar 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Mit dem Widerspruch machte der Versicherte geltend, sein Zustand habe sich jedenfalls verschlechtert. Er legte das Attest des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L. vom 08. März 2005 vor, in welchem neben den bereits bekannten Diagnosen eine essentielle Hypertonie genannt wurde. Internist Dr. M. fand in den Stellungnahmen vom 10. Februar und 14. März 2005 keine neuen medizinischen Gesichtspunkte. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2005). Der Versicherte könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.
Mit der am 09. Juni 2005 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage trug der Versicherte vor, die Rückenproblematik und die Osteoporose würden unterbewertet. Arbeit von sechs Stunden sei nicht mehr möglich.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte im weiteren Verfahren die Stellungnahmen der Fachärztin für Innere Medizin Dr. P. vom 03. November 2005 und der Fachärztin für Chirurgie Dr. Lang vom 17. August 2007 vor.
Fachärzte für Radiologie Dr. Baitsch/Dr. Banse erstatteten die schriftliche Zeugenaussage vom 11. August 2005, Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. diejenige vom 29. August 2005, in welcher er die Behandlungstermine seit 1999 aufführte. Der Versicherte könne einer leichten Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine Steigerung der Arbeitszeit von drei bis sechs Stunden sei möglich. Dr. L. fügte seiner Auskunft Arztbriefe bei, u.a. den Arztbrief des Prof. Dr. D., Medizinische Klinik des Klinikums Lahr-Ettenheim, vom 21. April 2005 über die erneute stationäre Behandlung vom 12. bis 18. April 2005 wegen akuter OGI-Blutung bei Fundusvarizen.
Prof. Dr. D. erstattete das Gutachten vom 30. Mai 2006. Im Einzelnen zeigten sich (auf internistischem Gebiet) eine äthyltoxische Leberzirrhose mit aktuell unauffälliger Synthese- und Entgiftungsfunktion, eine chronische Pankreatitis bei Zustand nach zweimaliger akuter Pankreatitis, ein Zustand nach infiziertem Ascites mit Laparotomie August 2003, portalvenöse Umgehungskreisläufe mit Ausbildung von Ösophagusvarizen und Cardiavarizen, eine alkoholtoxische Myelosuppression mit intermittierender Leukopenie und anhaltender Thrombopenie, eine generalisierte Osteoporose, eine progrediente nutritiv-toxische Hirnvolumenminderung, ein Zustand nach Alkoholentzugsdelir 2002, Gelegenheitskrampfanfälle, eine axonale sensible und motorische Polyneuropathie äthyltoxischer Genese, eine äthyltoxische Myopathie, eine Wernicke-Enzephalopathie mit delirantem Syndromnovember 2005 sowie eine arterielle Hypertonie. Eine subjektive Beeinträchtigung durch die Lebererkrankung bestehe derzeit nicht. Der Bluthochdruck sei medikamentös eingestellt. In erster Linie lägen Beschwerden im muskulo-skelettalen System vor. Unter Berücksichtigung der orthopädischen und neurologischen Befunde erscheine eine leichte Erwerbstätigkeit bei entsprechendem Profil des Arbeitsplatzes und Eingliederung von täglich sechs Stunden möglich. Es folgte das Gutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. Kolander von der Schwarzwaldklinik Neurologie Bad Krozingen vom 15. Januar 2007. Sie nannte eine alkoholtoxische Polyneuropathie; weitere körperliche, seelische oder geistige Störungen hätten nicht festgestellt werden können. Der aktuelle neurologische Befund spreche weder für eine Wernicke-Enzephalopathie noch für ein Korsakow-Syndrom. Es seien schwerpunktmäßig die orthopädischen Veränderungen, die zu Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe am Leben führten. Unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen sei Arbeit von sechs Stunden täglich möglich. Schließlich erstattete Chefarzt Dr. Schweigert vom Ortenauklinikum O.-Gengenbach - Orthopädie - das Gutachten vom 20. Mai 2007. Zu nennen seien auf diesem Gebiet ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom, Unkarthrose der unteren Halswirbelsäule, beginnende Hüftgelenksarthrose links, mediale Kniegelenksarthrose und Retropatellararthrose links, beginnende mediale Kniegelenksarthrose rechts, Senk-Spreizfüße sowie Osteoporose. Leichte Tätigkeiten unter Ausschluss der qualitativen Erschwernisse könnten "bis jeweils sechs Stunden" ausgeübt werden. Auf Rückfrage äußerte der Sachverständige unter dem 05. Juli 2007, die noch möglichen Tätigkeiten könnten "drei Stunden bis weniger als sechs Stunden" durchgeführt werden. Dem trat die Beklagte mit der bereits zitierten Stellungnahme der Fachärztin Dr. La. vom 17. August 2007 entgegen. Diese Leistungsbeurteilung sei im Hinblick auf die eher geringen funktionellen Beeinträchtigungen, die fehlenden Reizzustände und die fehlenden Folgen der Osteoporose nicht nachvollziehbar.
Durch Urteil vom 22. Oktober 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, nach der Einschätzung aller Sachverständiger sei eine Tätigkeit von sechs Stunden täglich möglich. Die zeitliche Einschränkung, die der Sachverständige Dr. Schweigert zuletzt genannt habe, sei mangels Begründung nicht nachvollziehbar. Immerhin habe der Sachverständige in dem Gutachten keine Unterschiede zu den Vorgutachten festgestellt.
Gegen das am 23. Januar 2008 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 07. Februar 2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, das Gericht habe sich nicht über die zeitlich einschränkende Beurteilung des Sachverständigen Dr. Schweigert hinwegsetzen dürfen. Die Alkoholkrankheit begründe eine schwere spezifische Leistungsbehinderung und sei zusammen mit den weiteren festgestellten Leiden eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Der Grad der Behinderung (GdB) habe bisher 30 betragen, sei jedoch durch Abhilfebescheid des Landratsamts Or. vom 11. Dezember 2007 mit Wirkung ab 18. Juli 2007 auf 90 erhöht worden, was ein weiteres Indiz dafür sei, dass das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden gesunken sei. Einzuräumen sei, dass für die erfolgreiche Höherstufung die Gutachten aus dem Rentenverfahren maßgeblich gewesen seien. Seit Juni 2007 bestehe zusätzlich ein Diabetes II. Die Osteoporose habe sich insoweit verschlechtert, als bereits nach kurzer Belastung erhebliche Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule aufträten und keine Wegstrecke von drei Kilometer mehr zurückgelegt werden könne. Nach dem Tod des Versicherten am 03. Januar 2009 hat der Bruder des Versicherten als Alleinerbe den Rechtsstreit fortgeführt (Schriftsatz eingegangen am 21. Januar 2009). Er macht geltend, es sei von einer Leistungsfähigkeit unter sechs Stunden ab 24. Januar 2006 auszugehen. Der Versicherte sei an einem Magendurchbruch verstorben, sodass die Gastritis in einem weit fortgeschrittenen Stadium gewesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2005 zu verurteilen, aus der Versicherung des Wolfgang Saemann Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 01. August 2004 bis 31. Januar 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat die Stellungnahmen des Internisten Medizinaldirektor Le. vom 22. April und 18. Juni 2009 vorgelegt, ein zum Rentenanspruch führendes Herabsinken der Leistungsfähigkeit sei frühestens im November 2008 anzunehmen.
Der Senat hat den behandelnden Arzt Dr. L. als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat unter dem 30. November 2008 (später noch Ergänzung vom 18. Dezember 2009) über seine Behandlung vom 28. Juni 2007 bis zuletzt 26. November 2008 berichtet (zuletzt Druck retrosternal und könne kaum mehr etwas zu sich nehmen). Beigefügt gewesen sind der Röntgenbefund der Praxis Dr. Baitsch/Dr. Banse vom 11. April 2007, der Arztbrief des Augenarztes Wojtasik vom 27. November 2007 und der Befund der Ösophago-Gastro-Duodenoskopie der Praxis Dr. Mohr u.a. vom 16. Juli 2008. In der weiteren, unter Beifügung der Arztbriefe des Klinikum Lahr-Ettenheim - Neurologische Klinik - (Prof. Dr. Schuchardt) vom 11. November 2005, 24. November 2005 und 25. Januar 2006 erstatteten Zeugenaussage vom 22. Mai 2009 hat Dr. L. eine seit November 2005 eingetretene Wernicke- und Korsakow-Veränderung genannt mit der Folge einer toxischen Neuropathie und Myopathie. Der Versicherte habe seinen Alkoholkonsum zu keinem Zeitpunkt bis zu seinem Ableben eingestellt. Die Problematik der Neuropathie habe wie immer mit der Menge des konsumierten Alkohols und der Lebensführung zusammengehangen. So sei es manchmal zu Verbesserung oder Verschlechterung gekommen. Mit dieser Aussage hat sich Internist Le. in der Stellungnahme vom 18. Juni 2009 auseinandergesetzt.
Der Senat hat sodann noch Leitenden Notarzt Dr. Wi. vom Klinikum Lahr-Ettenheim befragt (schriftliche Aussage vom 31. Januar 2010). Der Versicherte sei am 03. Januar 2009 um die Mittagszeit nach Wohnungsöffnung tot aufgefunden worden. Ein Eimer habe erbrochenes Blut enthalten. Darüber, inwieweit in den letzten Lebenstagen die Erwerbsfähigkeit gemindert gewesen sei, könnten aus eigener Anschauung keine Angaben gemacht werden. Der hinzugezogene Dr. L. habe die diesem bekannten Diagnosen bestätigt. Hierzu hat sich für die Beklagte Medizinaldirektor Le. in der Stellungnahme vom 24. Februar 2010 geäußert, eine Leistungsminderung wesentlich vor dem Todestag könne aus diesen Angaben weiterhin nicht abgeleitet werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (zwei Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die noch vom Versicherten eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist jedoch, vom Bruder des Versicherten als Kläger im Wege der Erbfolge fortgeführt (§ 58 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB I] i. V. mit den erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -), in der Sache nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 22. Oktober 2007 ist im rechtlichen Ergebnis nicht zu beanstanden. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2005 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachzahlung von Rente wegen Erwerbsminderung aus der Versicherung seines verstorbenen Bruders.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Versicherte litt auf internistischem Gebiet an Folgen einer Alkoholerkrankung. Es bestanden eine äthyltoxische Leberzirrhose, jedoch mit aktuell unauffälliger Synthese- und Entgiftungsfunktion, eine chronische Pankreatitis und der Zustand nach infiziertem Ascites. Der Bluthochdruck war eingestellt. Wesentliche subjektive Beeinträchtigungen bestanden nicht. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. D. vom 30. Mai 2006. Auf neurologischem Gebiet bestand eine alkoholtoxische Polyneuropathie. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. Kolander vom 15. Januar 2007. Die in den Berichten des Prof. Dr. Schuchardt vom 11. und 24. November 2005 sowie vom 25. Januar 2006 und auch im Gutachten des Prof. Dr. D. genannte Verdachtsdiagnose einer Wernicke-Enzephalopathie mit Gang- und Standataxie konnte die Sachverständige Dr. Kolander nicht bestätigen. Auf orthopädischem Gebiet bestanden das seit längerem bekannte Lendenwirbelsäulensyndrom, eine Unkarthrose der unteren Halswirbelsäule, beginnende Hüftgelenksarthrose links, mediale Kniegelenksarthrose und Retropatellararthrose links, beginnende mediale Kniegelenksarthrose rechts, Senk-Spreizfüße sowie Osteoporose. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. Schweigert vom 20. Mai 2007. Dr. Schweigert beschrieb in seinem Gutachten keine Beeinträchtigungen des Gangs und des Stands. Die orientierende neurologische Untersuchung ergab keinen Anhalt für ein motorisches Defizit oder für Sensibilitätsstörungen der unteren Extremitäten, was auch die Feststellungen der Sachverständige Dr. Kolander bestätigt.
Aufgrund der auf internistischem und neurologischem Gebiet vorhandenen Gesundheitsstörungen ergab sich keine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Versicherten. Der Senat folgt der jeweiligen Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. Kolander. Auch auf orthopädischem Gebiet bestand keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit von weniger als sechs Stunden. Die Aussage des Dr. Schweigert im Gutachten vom 20. Mai 2007, leichte Tätigkeiten könnten noch bis zu sechs Stunden ausgeübt werden und den früheren Gutachten sei zu folgen, wurde, worin dem SG zu folgen ist, ohne nachvollziehbare Begründung in der ergänzenden Äußerung vom 05. Juli 2007 auf weniger als sechs Stunden abgeschwächt. Einen ins Gewicht fallenden Befund für eine solche Einschränkung beschrieb Dr. Schweigert in seinem Gutachten nicht, insbesondere keine Befunde, aus denen sich wesentliche funktionelle Einschränkungen ableiten ließen. Ein solcher Befund war und ist auch nicht aus anderen ärztlichen Unterlagen erkennbar. Die Behandlungen im Klinikum Lahr-Ettenheim - Neurologische Klinik -, die in den Arztbriefen des Prof. Dr. Schuchardt vom 11. November 2005, 24. November 2005 und 25. Januar 2006 dokumentiert sind (vgl. Zeugenaussage Dr. L. vom 22. Mai 2009), hatten zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits zurückgelegen.
Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ergab sich trotz des noch vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten nicht wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung. Hierzu zählen z.B. eine betriebsunübliche Anzahl von Pausen, ekelerregende oder ansteckende Krankheit, Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit ohne häufige Anfälle bei Epileptikern (vgl. Kasseler Kommentar-Niesel § 43 SGB VI Rn. 39 ff.). Derartiges oder Vergleichbares bestand beim Versicherten nicht. Die Behauptung im Berufungsverfahren, diese Voraussetzungen seien erfüllt, ist auch vom Kläger nicht näher präzisiert worden.
Dass nach dem Schwerbehindertenrecht der GdB durch Bescheid des Landratsamts Or. vom 11. Dezember 2007 auf 90 erhöht wurde, beruht, wie schon seitens des Versicherten eingeräumt worden ist, allein auf der Vorlage des Gutachtens aus diesem Verfahren und lässt keine rentenrechtliche Wertung zu.
Soweit der Annahme des beratenden Arztes Medizinaldirektor Le. in der Stellungnahme vom 22. April 2009 zu folgen sein sollte, ein Absinken der Erwerbsfähigkeit unter sechs Stunden könne im November 2008 angenommen werden, führt dies zu keinem Rentenanspruch. Nachdem gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auf Zeit geleistet werden, wäre die Frist von sieben Monaten (vgl. § 101 Abs. 1 SGB I) bis zum Tod am 2009 nicht abgelaufen. Anderes käme mit der Wirkung eines Rentenbeginns im Folgemonat des Eintritts der Erwerbsminderung (Grundregel des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) nur in Betracht, wenn unwahrscheinlich war, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden konnte (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).
Die Anregung des behandelnden Arztes Dr. L. in der letzten Zeugenaussage vom 22. Mai 2009, es könne - ohne nähere quantitative Präzisierung - etwa im Januar 2006 zu einer rentenrechtlich erheblichen Verschlechterung gekommen sein, wird durch die weiteren Angaben dieses Arztes nicht mit der notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit erhärtet, wie Medizinaldirektor Le. in der Stellungnahme vom 18. Juni 2009 dargelegt hat. Der behandelnde Arzt vermochte lediglich zu bemerken, dass der Versicherte seinen Alkoholkonsum zu keinem Zeitpunkt eingestellt habe, was aus langjähriger allgemeinärztlicher Erfahrung ausgesprochen werden könne. Nach Mitteilung des behandelnden Arztes sei es manchmal zu einer Verbesserung oder zu einer Verschlechterung gekommen; präzisere Angaben zu Zeitabschnitten waren nicht mehr möglich. Nach der mit der Zeugenaussage des Arztes vom 30. November 2008 - noch zu Lebzeiten des Versicherten - mitgeteilten datumsmäßigen Anamnese haben von Mitte 2007 bis Mitte 2008 keine auffälligen, eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den Gutachtenszeitpunkten naheliegenden Befunde bestanden. Falls der Vermerk vom 09. Juli 2008, er habe "Schmerzen, kann nichts mehr essen, bekommt nichts mehr runter", den signifikanten Zeitpunkt für eine Verschlimmerung markieren sollte und nicht erst der im wesentlichen ähnliche Vermerk vom 26. November 2008, wäre die Frist von sieben Monaten bis zum Tod am 03. Januar 2009 nicht mehr abgelaufen.
Etwas Günstigeres lässt sich auch nicht aus der Aussage des Notfallarztes Dr. Wi. vom 31. Januar 2010 über seinen Einsatz am Todestag des Versicherten 03. Januar 2009 erschließen. Der Versicherte habe geschätzt 1,5 bis zwei Liter Blut erbrochen. Hierfür verantwortlich gemacht wurden im Zusammenwirken mit dem hinzugerufenen Hausarzt Dr. L., dessen letzter Behandlungstermin der 30. November 2008 gewesen war, krampfartige Erweiterungen der Magenvenen auf dem Boden eines Milzverschlusses (Fundusvarizen), die sich aufgrund einer Leberzirrhose oder Entzündung der Bauchspeicheldrüse zwanglos erklären ließen. Eine tragfähige Aussage, ob es sich um ein akutes Ereignis handelte oder auf eine dauerhafte Erwerbsminderung bereits im Vormonat geschlossen werden kann, vermochten weder Dr. L. (letzte Aussage vom 22. Mai 2009) noch Dr. Wi. (Aussage vom 31. Januar 2010) zu treffen. Arztkontakte hatten seit 30. November 2008 nicht bestanden, sodass weitere Klärung nicht möglich ist. Der letzten Stellungnahme von Medizinaldirektor Le. vom 24. Februar 2010 kann mithin im Ergebnis nicht entgegengetreten werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da der Kläger erst im Berufungsrechtszug das Verfahren aufgenommen hat, bleibt dieses kostenfrei (vgl. § 183 Satz 2 SGG).
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt als Alleinerbe seines am 2009 verstorbenen Bruders W. S. (im Folgenden: Versicherter) Anspruch auf Nachzahlung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am. 1962 geborene Versicherte, seit 1994 geschieden, ließ sich von August 1977 bis Juli 1980 zum Landschaftsgärtner ausbilden und war anschließend in diesem Beruf beschäftigt. Aus diesem Beruf wechselte er zum 16. September 1986 ohne weitere Ausbildung als Kraftfahrer im Werksfernverkehr zu N. W. in L ... Ab September 2001 war er bei der Baustoffspedition S. beschäftigt. Im Jahr 1999 trat ein Bandscheibenvorfall L4/5 auf. Ab 10. Mai 1999 bezog der Versicherte Krankengeld. Vom 05. August bis 09. September 1999 befand er sich zu einer von der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden) bewilligten Heilbehandlung in der B.-Klinik B. K., wo neben den vorrangig behandelten Kreuzschmerzen auch Folgen von Alkoholmissbrauch festgehalten wurden (Entlassungsbericht Dr. K. vom 09. September 1999). Ein weiterer Zeitraum des Bezugs von Krankengeld datiert vom 20. Februar bis 10. Juni 2001. Zum 18. Januar 2002 wurde das Arbeitsverhältnis wegen "Arbeitsmangel" beendet. Anschließend bezog der Versicherte, unterbrochen nochmals von Krankheitszeiten und den im Folgenden zu nennenden Rehabilitationsmaßnahmen, bis zur Erschöpfung des Anspruchs mit 22. August 2004 Arbeitslosengeld.
Vom 01. Oktober 2002 bis 21. Januar 2003 befand sich der Versicherte in der Rehabilitationsklinik Bi., Fachklinik für Abhängigkeitskrankheiten in M.-M. (Entlassungsbericht Dr. A. vom 22. Januar 2003: Alkoholabhängigkeit, äthyltoxische Neuropathie sowie chronische Pankreatitits). Wegen der weiterhin bestehenden Lumbalgien bei Zustand nach Bandscheibenvorfall wurden wechselnde Körperhaltungen angeraten; die Tätigkeit als Kraftfahrer sei ohne mittelschwere und schwere Lasten noch sechsstündig möglich. Nach einem ärztlichen Gutachten des Arbeitsamts O. vom 18. März 2003 (Vertragsärztin Dr. Ke.) wurde die Tätigkeit als Lkw-Fahrer Klasse II als nicht mehr uneingeschränkt möglich betrachtet. Ein daraufhin im April 2003 eingeleitetes Verfahren wegen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit der Fragestellung einer Arbeitserprobung/Berufsfindung führte nicht zu einem Ergebnis. Der Versicherte befand sich sodann vom 08. August bis 11. September 2003 in stationärer Behandlung des Klinikums L. - Chirurgische Klinik - mit den Diagnosen: Chronische Pankreatitis bei infizierter Ascites, Alkoholabusus und Nierenversagen (Arztbrief Prof. Dr. M. vom 26. September 2003). Ein weiterer Aufenthalt wurde dort vom 25. bis 30. September 2003 erforderlich. Es folgte vom 20. November bis 11. Dezember 2003 ein Aufenthalt in der Rehaklinik Ka. in M.-M. mit den Diagnosen Zustand nach äthyltoxischer nekrotisierender Pankreatitits, Alkoholkrankheit und jetzt auch Verdacht auf coronare Herzkrankheit sowie äthyltoxische Leberzirrhose (Entlassungsbericht Dr. W. vom 11. Dezember 2003). Schließlich folgten weitere Aufenthalte im Klinikum L. - Medizinische Klinik - vom 22. bis 30. März 2004 und vom 06. bis 07. April 2004 vorrangig wegen OGI-Blutung bei ausgeprägten Fundusvarizen (Arztbrief Prof. Dr. D. vom 29. April 2004).
Am 23. August 2004 beantragte der Versicherte Rente wegen Erwerbsminderung. Beigezogen wurde auch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg in O. (Dr. Z., 12. Februar 2004). Der Versicherte sei vollschichtig leistungsfähig für leichte bis zeitweise maximal mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Arbeiten im Bücken und mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule. Der Versicherte wurde am 17. November 2004 auf der klinischen Begutachtungsstation der Beklagten in Karlsruhe untersucht. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. fand auf seinem Fachgebiet derzeit keinen Anhalt für alkoholbedingte neurologische oder psychopathologische Folgeschäden oder für ein Trinkverhalten, welches grundsätzlich einem vollschichtigen Leistungsvermögen im Wege stünde; weder neurologisch noch psychiatrisch bestehe derzeit eine eigenständige krankheitswertige Störung (Gutachten vom 23. November 2004). Facharzt für Orthopädie Dr. Sc. nannte im Gutachten vom 30. November 2004 Lumbalsyndrom bei Osteochondrose und altem, verkalktem Vorfall L4/5, Kniegelenksarthrose rechts und Osteoporose; gegen leichte bis mittelschwere Arbeiten, die überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Haltung ausgeführt werden könnten, ergäben sich keine Bedenken und auch keine zeitlichen Einschränkungen. Arzt für Innere Medizin Dr. M. fand auf seinem Fachgebiet die Alkoholkrankheit mit Rückfall seit August 2004 mit chronischer Pankreatitits sowie eine Vergrößerung von Milz und Leber bei intra- abdomineller venöser Thrombose mit Ausbildung von Fundusvarizen. Nicht mehr möglich seien körperlich schwere und mittelschwere Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit Alkoholexposition, mit besonderen Anforderungen an Verantwortungsbewusstsein, mit erhöhter Infektionsgefahr, in längeren Zwangshaltungen des Rumpfes, mit häufigem oder regelmäßigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, Steigen auf Leitern und Gerüste. Innerhalb dieses Rahmens seien leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig zumutbar (zusammenfassendes Gutachten vom 14. Januar 2005). Durch Bescheid vom 19. Januar 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Mit dem Widerspruch machte der Versicherte geltend, sein Zustand habe sich jedenfalls verschlechtert. Er legte das Attest des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L. vom 08. März 2005 vor, in welchem neben den bereits bekannten Diagnosen eine essentielle Hypertonie genannt wurde. Internist Dr. M. fand in den Stellungnahmen vom 10. Februar und 14. März 2005 keine neuen medizinischen Gesichtspunkte. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2005). Der Versicherte könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.
Mit der am 09. Juni 2005 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage trug der Versicherte vor, die Rückenproblematik und die Osteoporose würden unterbewertet. Arbeit von sechs Stunden sei nicht mehr möglich.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte im weiteren Verfahren die Stellungnahmen der Fachärztin für Innere Medizin Dr. P. vom 03. November 2005 und der Fachärztin für Chirurgie Dr. Lang vom 17. August 2007 vor.
Fachärzte für Radiologie Dr. Baitsch/Dr. Banse erstatteten die schriftliche Zeugenaussage vom 11. August 2005, Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. L. diejenige vom 29. August 2005, in welcher er die Behandlungstermine seit 1999 aufführte. Der Versicherte könne einer leichten Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine Steigerung der Arbeitszeit von drei bis sechs Stunden sei möglich. Dr. L. fügte seiner Auskunft Arztbriefe bei, u.a. den Arztbrief des Prof. Dr. D., Medizinische Klinik des Klinikums Lahr-Ettenheim, vom 21. April 2005 über die erneute stationäre Behandlung vom 12. bis 18. April 2005 wegen akuter OGI-Blutung bei Fundusvarizen.
Prof. Dr. D. erstattete das Gutachten vom 30. Mai 2006. Im Einzelnen zeigten sich (auf internistischem Gebiet) eine äthyltoxische Leberzirrhose mit aktuell unauffälliger Synthese- und Entgiftungsfunktion, eine chronische Pankreatitis bei Zustand nach zweimaliger akuter Pankreatitis, ein Zustand nach infiziertem Ascites mit Laparotomie August 2003, portalvenöse Umgehungskreisläufe mit Ausbildung von Ösophagusvarizen und Cardiavarizen, eine alkoholtoxische Myelosuppression mit intermittierender Leukopenie und anhaltender Thrombopenie, eine generalisierte Osteoporose, eine progrediente nutritiv-toxische Hirnvolumenminderung, ein Zustand nach Alkoholentzugsdelir 2002, Gelegenheitskrampfanfälle, eine axonale sensible und motorische Polyneuropathie äthyltoxischer Genese, eine äthyltoxische Myopathie, eine Wernicke-Enzephalopathie mit delirantem Syndromnovember 2005 sowie eine arterielle Hypertonie. Eine subjektive Beeinträchtigung durch die Lebererkrankung bestehe derzeit nicht. Der Bluthochdruck sei medikamentös eingestellt. In erster Linie lägen Beschwerden im muskulo-skelettalen System vor. Unter Berücksichtigung der orthopädischen und neurologischen Befunde erscheine eine leichte Erwerbstätigkeit bei entsprechendem Profil des Arbeitsplatzes und Eingliederung von täglich sechs Stunden möglich. Es folgte das Gutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. Kolander von der Schwarzwaldklinik Neurologie Bad Krozingen vom 15. Januar 2007. Sie nannte eine alkoholtoxische Polyneuropathie; weitere körperliche, seelische oder geistige Störungen hätten nicht festgestellt werden können. Der aktuelle neurologische Befund spreche weder für eine Wernicke-Enzephalopathie noch für ein Korsakow-Syndrom. Es seien schwerpunktmäßig die orthopädischen Veränderungen, die zu Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe am Leben führten. Unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen sei Arbeit von sechs Stunden täglich möglich. Schließlich erstattete Chefarzt Dr. Schweigert vom Ortenauklinikum O.-Gengenbach - Orthopädie - das Gutachten vom 20. Mai 2007. Zu nennen seien auf diesem Gebiet ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom, Unkarthrose der unteren Halswirbelsäule, beginnende Hüftgelenksarthrose links, mediale Kniegelenksarthrose und Retropatellararthrose links, beginnende mediale Kniegelenksarthrose rechts, Senk-Spreizfüße sowie Osteoporose. Leichte Tätigkeiten unter Ausschluss der qualitativen Erschwernisse könnten "bis jeweils sechs Stunden" ausgeübt werden. Auf Rückfrage äußerte der Sachverständige unter dem 05. Juli 2007, die noch möglichen Tätigkeiten könnten "drei Stunden bis weniger als sechs Stunden" durchgeführt werden. Dem trat die Beklagte mit der bereits zitierten Stellungnahme der Fachärztin Dr. La. vom 17. August 2007 entgegen. Diese Leistungsbeurteilung sei im Hinblick auf die eher geringen funktionellen Beeinträchtigungen, die fehlenden Reizzustände und die fehlenden Folgen der Osteoporose nicht nachvollziehbar.
Durch Urteil vom 22. Oktober 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, nach der Einschätzung aller Sachverständiger sei eine Tätigkeit von sechs Stunden täglich möglich. Die zeitliche Einschränkung, die der Sachverständige Dr. Schweigert zuletzt genannt habe, sei mangels Begründung nicht nachvollziehbar. Immerhin habe der Sachverständige in dem Gutachten keine Unterschiede zu den Vorgutachten festgestellt.
Gegen das am 23. Januar 2008 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 07. Februar 2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, das Gericht habe sich nicht über die zeitlich einschränkende Beurteilung des Sachverständigen Dr. Schweigert hinwegsetzen dürfen. Die Alkoholkrankheit begründe eine schwere spezifische Leistungsbehinderung und sei zusammen mit den weiteren festgestellten Leiden eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Der Grad der Behinderung (GdB) habe bisher 30 betragen, sei jedoch durch Abhilfebescheid des Landratsamts Or. vom 11. Dezember 2007 mit Wirkung ab 18. Juli 2007 auf 90 erhöht worden, was ein weiteres Indiz dafür sei, dass das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden gesunken sei. Einzuräumen sei, dass für die erfolgreiche Höherstufung die Gutachten aus dem Rentenverfahren maßgeblich gewesen seien. Seit Juni 2007 bestehe zusätzlich ein Diabetes II. Die Osteoporose habe sich insoweit verschlechtert, als bereits nach kurzer Belastung erhebliche Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule aufträten und keine Wegstrecke von drei Kilometer mehr zurückgelegt werden könne. Nach dem Tod des Versicherten am 03. Januar 2009 hat der Bruder des Versicherten als Alleinerbe den Rechtsstreit fortgeführt (Schriftsatz eingegangen am 21. Januar 2009). Er macht geltend, es sei von einer Leistungsfähigkeit unter sechs Stunden ab 24. Januar 2006 auszugehen. Der Versicherte sei an einem Magendurchbruch verstorben, sodass die Gastritis in einem weit fortgeschrittenen Stadium gewesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2005 zu verurteilen, aus der Versicherung des Wolfgang Saemann Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 01. August 2004 bis 31. Januar 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat die Stellungnahmen des Internisten Medizinaldirektor Le. vom 22. April und 18. Juni 2009 vorgelegt, ein zum Rentenanspruch führendes Herabsinken der Leistungsfähigkeit sei frühestens im November 2008 anzunehmen.
Der Senat hat den behandelnden Arzt Dr. L. als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat unter dem 30. November 2008 (später noch Ergänzung vom 18. Dezember 2009) über seine Behandlung vom 28. Juni 2007 bis zuletzt 26. November 2008 berichtet (zuletzt Druck retrosternal und könne kaum mehr etwas zu sich nehmen). Beigefügt gewesen sind der Röntgenbefund der Praxis Dr. Baitsch/Dr. Banse vom 11. April 2007, der Arztbrief des Augenarztes Wojtasik vom 27. November 2007 und der Befund der Ösophago-Gastro-Duodenoskopie der Praxis Dr. Mohr u.a. vom 16. Juli 2008. In der weiteren, unter Beifügung der Arztbriefe des Klinikum Lahr-Ettenheim - Neurologische Klinik - (Prof. Dr. Schuchardt) vom 11. November 2005, 24. November 2005 und 25. Januar 2006 erstatteten Zeugenaussage vom 22. Mai 2009 hat Dr. L. eine seit November 2005 eingetretene Wernicke- und Korsakow-Veränderung genannt mit der Folge einer toxischen Neuropathie und Myopathie. Der Versicherte habe seinen Alkoholkonsum zu keinem Zeitpunkt bis zu seinem Ableben eingestellt. Die Problematik der Neuropathie habe wie immer mit der Menge des konsumierten Alkohols und der Lebensführung zusammengehangen. So sei es manchmal zu Verbesserung oder Verschlechterung gekommen. Mit dieser Aussage hat sich Internist Le. in der Stellungnahme vom 18. Juni 2009 auseinandergesetzt.
Der Senat hat sodann noch Leitenden Notarzt Dr. Wi. vom Klinikum Lahr-Ettenheim befragt (schriftliche Aussage vom 31. Januar 2010). Der Versicherte sei am 03. Januar 2009 um die Mittagszeit nach Wohnungsöffnung tot aufgefunden worden. Ein Eimer habe erbrochenes Blut enthalten. Darüber, inwieweit in den letzten Lebenstagen die Erwerbsfähigkeit gemindert gewesen sei, könnten aus eigener Anschauung keine Angaben gemacht werden. Der hinzugezogene Dr. L. habe die diesem bekannten Diagnosen bestätigt. Hierzu hat sich für die Beklagte Medizinaldirektor Le. in der Stellungnahme vom 24. Februar 2010 geäußert, eine Leistungsminderung wesentlich vor dem Todestag könne aus diesen Angaben weiterhin nicht abgeleitet werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (zwei Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die noch vom Versicherten eingelegte Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist jedoch, vom Bruder des Versicherten als Kläger im Wege der Erbfolge fortgeführt (§ 58 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB I] i. V. mit den erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -), in der Sache nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 22. Oktober 2007 ist im rechtlichen Ergebnis nicht zu beanstanden. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2005 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachzahlung von Rente wegen Erwerbsminderung aus der Versicherung seines verstorbenen Bruders.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Versicherte litt auf internistischem Gebiet an Folgen einer Alkoholerkrankung. Es bestanden eine äthyltoxische Leberzirrhose, jedoch mit aktuell unauffälliger Synthese- und Entgiftungsfunktion, eine chronische Pankreatitis und der Zustand nach infiziertem Ascites. Der Bluthochdruck war eingestellt. Wesentliche subjektive Beeinträchtigungen bestanden nicht. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. D. vom 30. Mai 2006. Auf neurologischem Gebiet bestand eine alkoholtoxische Polyneuropathie. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Fachärztin für Neurologie Dr. Kolander vom 15. Januar 2007. Die in den Berichten des Prof. Dr. Schuchardt vom 11. und 24. November 2005 sowie vom 25. Januar 2006 und auch im Gutachten des Prof. Dr. D. genannte Verdachtsdiagnose einer Wernicke-Enzephalopathie mit Gang- und Standataxie konnte die Sachverständige Dr. Kolander nicht bestätigen. Auf orthopädischem Gebiet bestanden das seit längerem bekannte Lendenwirbelsäulensyndrom, eine Unkarthrose der unteren Halswirbelsäule, beginnende Hüftgelenksarthrose links, mediale Kniegelenksarthrose und Retropatellararthrose links, beginnende mediale Kniegelenksarthrose rechts, Senk-Spreizfüße sowie Osteoporose. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. Schweigert vom 20. Mai 2007. Dr. Schweigert beschrieb in seinem Gutachten keine Beeinträchtigungen des Gangs und des Stands. Die orientierende neurologische Untersuchung ergab keinen Anhalt für ein motorisches Defizit oder für Sensibilitätsstörungen der unteren Extremitäten, was auch die Feststellungen der Sachverständige Dr. Kolander bestätigt.
Aufgrund der auf internistischem und neurologischem Gebiet vorhandenen Gesundheitsstörungen ergab sich keine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Versicherten. Der Senat folgt der jeweiligen Leistungsbeurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. D. und Dr. Kolander. Auch auf orthopädischem Gebiet bestand keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit von weniger als sechs Stunden. Die Aussage des Dr. Schweigert im Gutachten vom 20. Mai 2007, leichte Tätigkeiten könnten noch bis zu sechs Stunden ausgeübt werden und den früheren Gutachten sei zu folgen, wurde, worin dem SG zu folgen ist, ohne nachvollziehbare Begründung in der ergänzenden Äußerung vom 05. Juli 2007 auf weniger als sechs Stunden abgeschwächt. Einen ins Gewicht fallenden Befund für eine solche Einschränkung beschrieb Dr. Schweigert in seinem Gutachten nicht, insbesondere keine Befunde, aus denen sich wesentliche funktionelle Einschränkungen ableiten ließen. Ein solcher Befund war und ist auch nicht aus anderen ärztlichen Unterlagen erkennbar. Die Behandlungen im Klinikum Lahr-Ettenheim - Neurologische Klinik -, die in den Arztbriefen des Prof. Dr. Schuchardt vom 11. November 2005, 24. November 2005 und 25. Januar 2006 dokumentiert sind (vgl. Zeugenaussage Dr. L. vom 22. Mai 2009), hatten zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits zurückgelegen.
Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ergab sich trotz des noch vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten nicht wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung. Hierzu zählen z.B. eine betriebsunübliche Anzahl von Pausen, ekelerregende oder ansteckende Krankheit, Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit ohne häufige Anfälle bei Epileptikern (vgl. Kasseler Kommentar-Niesel § 43 SGB VI Rn. 39 ff.). Derartiges oder Vergleichbares bestand beim Versicherten nicht. Die Behauptung im Berufungsverfahren, diese Voraussetzungen seien erfüllt, ist auch vom Kläger nicht näher präzisiert worden.
Dass nach dem Schwerbehindertenrecht der GdB durch Bescheid des Landratsamts Or. vom 11. Dezember 2007 auf 90 erhöht wurde, beruht, wie schon seitens des Versicherten eingeräumt worden ist, allein auf der Vorlage des Gutachtens aus diesem Verfahren und lässt keine rentenrechtliche Wertung zu.
Soweit der Annahme des beratenden Arztes Medizinaldirektor Le. in der Stellungnahme vom 22. April 2009 zu folgen sein sollte, ein Absinken der Erwerbsfähigkeit unter sechs Stunden könne im November 2008 angenommen werden, führt dies zu keinem Rentenanspruch. Nachdem gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auf Zeit geleistet werden, wäre die Frist von sieben Monaten (vgl. § 101 Abs. 1 SGB I) bis zum Tod am 2009 nicht abgelaufen. Anderes käme mit der Wirkung eines Rentenbeginns im Folgemonat des Eintritts der Erwerbsminderung (Grundregel des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) nur in Betracht, wenn unwahrscheinlich war, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden konnte (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).
Die Anregung des behandelnden Arztes Dr. L. in der letzten Zeugenaussage vom 22. Mai 2009, es könne - ohne nähere quantitative Präzisierung - etwa im Januar 2006 zu einer rentenrechtlich erheblichen Verschlechterung gekommen sein, wird durch die weiteren Angaben dieses Arztes nicht mit der notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit erhärtet, wie Medizinaldirektor Le. in der Stellungnahme vom 18. Juni 2009 dargelegt hat. Der behandelnde Arzt vermochte lediglich zu bemerken, dass der Versicherte seinen Alkoholkonsum zu keinem Zeitpunkt eingestellt habe, was aus langjähriger allgemeinärztlicher Erfahrung ausgesprochen werden könne. Nach Mitteilung des behandelnden Arztes sei es manchmal zu einer Verbesserung oder zu einer Verschlechterung gekommen; präzisere Angaben zu Zeitabschnitten waren nicht mehr möglich. Nach der mit der Zeugenaussage des Arztes vom 30. November 2008 - noch zu Lebzeiten des Versicherten - mitgeteilten datumsmäßigen Anamnese haben von Mitte 2007 bis Mitte 2008 keine auffälligen, eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den Gutachtenszeitpunkten naheliegenden Befunde bestanden. Falls der Vermerk vom 09. Juli 2008, er habe "Schmerzen, kann nichts mehr essen, bekommt nichts mehr runter", den signifikanten Zeitpunkt für eine Verschlimmerung markieren sollte und nicht erst der im wesentlichen ähnliche Vermerk vom 26. November 2008, wäre die Frist von sieben Monaten bis zum Tod am 03. Januar 2009 nicht mehr abgelaufen.
Etwas Günstigeres lässt sich auch nicht aus der Aussage des Notfallarztes Dr. Wi. vom 31. Januar 2010 über seinen Einsatz am Todestag des Versicherten 03. Januar 2009 erschließen. Der Versicherte habe geschätzt 1,5 bis zwei Liter Blut erbrochen. Hierfür verantwortlich gemacht wurden im Zusammenwirken mit dem hinzugerufenen Hausarzt Dr. L., dessen letzter Behandlungstermin der 30. November 2008 gewesen war, krampfartige Erweiterungen der Magenvenen auf dem Boden eines Milzverschlusses (Fundusvarizen), die sich aufgrund einer Leberzirrhose oder Entzündung der Bauchspeicheldrüse zwanglos erklären ließen. Eine tragfähige Aussage, ob es sich um ein akutes Ereignis handelte oder auf eine dauerhafte Erwerbsminderung bereits im Vormonat geschlossen werden kann, vermochten weder Dr. L. (letzte Aussage vom 22. Mai 2009) noch Dr. Wi. (Aussage vom 31. Januar 2010) zu treffen. Arztkontakte hatten seit 30. November 2008 nicht bestanden, sodass weitere Klärung nicht möglich ist. Der letzten Stellungnahme von Medizinaldirektor Le. vom 24. Februar 2010 kann mithin im Ergebnis nicht entgegengetreten werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da der Kläger erst im Berufungsrechtszug das Verfahren aufgenommen hat, bleibt dieses kostenfrei (vgl. § 183 Satz 2 SGG).
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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