L 10 U 3964/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 5460/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3964/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.07.2007 aufgehoben und der Bescheid vom 18.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2006 abgeändert.

Als Folge des Arbeitsunfalls vom 09.02.2006 wird ein Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 festgestellt.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) Folge eines Unfallereignisses vom 09.02.2006 ist.

Die am 1954 geborene Klägerin erlitt auf dem Heimweg von ihrer Arbeit als Buchhalterin bei der Firma K W. S. GmbH und Co. KG am 09.02.2006 einen Unfall, als ein nachfolgendes Auto auf ihren Wagen auffuhr.

Am 14.02.2006 stellte sie sich wegen Schmerzen im Bereich des Hinterkopfes und des Nackens sowie Missempfindungen im linken Arm bei der Chirurgin Dr. G. vor. Dr. G. beschrieb einen starken Spontan- und Bewegungsschmerz im Hinterkopf und im Bereich des Nackens, eine Verhärtung der Nacken- und Schultermuskulatur, einen unregelmäßigen Knochenaufbau der Schädelkalotte und Missempfindungen im linken Arm und veranlasste eine Computertomographie der HWS. Die am 21.02.2006 durchgeführte Computertomographie der HWS ergab - so der Radiologe Dr. T. - eine kyphotische Steil-Fehlhaltung mit polyetagerer Osteochondrose und leichter Knickbildung HWK 3/4 mit Verdacht auf Gefügestörung in dieser Höhe, einen rechts mediolateralen Bandscheibenvorfall HWK 3/4 mit Duralsackimpression und eine betonte Retrospondylose in Höhe HWK 4/5 mit sekundärer, zentraler und beidseits lateraler Spinalkanaleinengung. Als Ergebnis des am 02.03.2006 durchgeführten MRT der HWS beschrieb Dr. T. einen kräftigen, frisch imponierenden Bandscheibenvorfall HWK 3/4 rechts mediolateral bis lateral mit geringer Duralsackimpression und Einengung des rechten Neuroforamens, eine älter imponierende Bandscheibenverlagerung HWK 4 bis HWK 7 ohne nennenswerte Duralsackimpression, eine polyetagere Osteochondrose und Spondylosis deformans und keinen Nachweis einer intraspinalen Einblutung, ebenso wenig einer discoligamentären Läsion. Dr. G. nahm im Hinblick auf das Ergebnis der CT- und MRT-Untersuchung und im Hinblick darauf, dass die Klägerin bis zum Unfallzeitpunkt nie im HWS-Bereich Beschwerden hatte und es nach dem Unfall zu neurologischen Veränderungen gekommen sei, einen direkten Unfallzusammenhang an. Ebenso äußerte Prof. Dr. S. , Direktor der Neurochirurgischen Klinik des S. Klinikums K. , auf Grund einer Untersuchung der Klägerin am 21.03.2006 den Verdacht auf eine traumatische Entstehung des Bandscheibenvorfalls HWK 3/4 rechts.

In dem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten diagnostizierte der Chirurg Dr. K. ältere spondylarthrotische Veränderungen der HWS von HWK 2/3 bis HWK 5/6 und einen frischen Bandscheibenvorfall HWK 3/4 rechts mediolateral bis lateral mit Duralsackimpression und Einengung des rechten Neuroforamens. Röntgenologisch hätten sich deutliche ältere degenerative Veränderungen zwischen HWK 2 und 3, HWK 4 und 5, 5 und 6, eine Knickbildung zwischen HWK 3 und 4 und eine Osteochondrose und Spondylosis deformans der gesamten HWS gezeigt. Im medizinischen Schrifttum werde übereinstimmend festgestellt, dass bei vorgeschädigter Wirbelsäule ein geringer Zusatzimpuls genüge, um das aktuelle klinische Symptom auszulösen. Auf Grund des Vorschadens komme es dann zu einer Riss- und Spaltbildung im Bereich des Faserrings, durch den dann zermürbtes Bandscheibengewebe heraustreten könne. Bei dem streitgegenständlichen Auffahrunfall handele es sich nicht um ein Bagatelltrauma, der geschilderte Vorgang sei deshalb nicht nur Gelegenheitsursache, sondern mindestens eine wesentlich mitwirkende Teilursache der geklagten Beschwerden.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. M. , der ausführte, dem Gutachten des Dr. Kr. sei nicht zu folgen, da sich in den Funktionsaufnahmen keine Instabilität gezeigt habe, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2006 die Entschädigung des am 09.02.2006 eingetretenen Körperschadens ab. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch änderte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2006 den Bescheid insoweit ab, als der Unfall vom 09.02.2006 mit der Folge einer HWS-Zerrung als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe für maximal sechs Wochen bestanden, demnach bis einschließlich 22.03.2006. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dem lag die ergänzende beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. M. zu Grunde. Dieser führte aus, kernspintomographisch habe ein sicherer frischer traumatischer Bandscheibenvorfall nicht festgestellt werden können. Des Weiteren seien hochgradige degenerative Veränderungen vorhanden. Hinweise für eine verstärkte mechanische Einwirkung auf die Halswirbelsäule im Sinne von Einblutungen oder Bandzerreißungen oder Knochenkontusionen seien im Kernspintomogramm nicht zu erkennen. Ein Bandscheibenvorfall, welcher die Zerreißung von funktionell benachbarten Bandstrukturen voraussetzen würde, sei auch im Hinblick auf das Verhalten der Klägerin, die erst nach fünf Tagen ärztliche Konsultation in Anspruch genommen habe, nicht wahrscheinlich. Handele es sich jedoch um eine überwiegend degenerative Veränderung, so reiche eine Zerrung der Halswirbelsäule, um ein endgültiges Zerreißen des Faserringes hervorzurufen. Wesentlich für die dann eingetretene Zerreißung im Bereich des Faserrings seien dann aber die vorbestehenden degenerativen Veränderungen.

Die Klägerin hat am 20.11.2006 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. K. geltend gemacht, der Bandscheibenvorfall HWK 3/4 sei Folge des streitgegenständlichen Unfallereignisses. Das Sozialgericht hat ein Gutachten von Prof. Dr. C. , Leiter der Gutachtenambulanz der Orthopädischen Universitätsklinik H. , eingeholt. Prof. Dr. C. hat ausgeführt, der Bandscheibenvorfall sei nicht Folge des streitgegenständlichen Ereignisses. Ein isolierter unfallbedingter Bandscheibenvorfall sei eine außerordentliche Rarität. In solchen Fällen komme es immer auch zu einer Verletzung der die Bandscheibe umgebenden Strukturen wie Knochen, Muskeln, Bänder bzw. Gelenken. Solche Begleitverletzungen seien im Falle der Klägerin nicht nachweisbar. Zum Unfallzeitpunkt habe ein erheblicher degenerativer Vorschaden vorgelegen, die geklagten Missempfindungen im Bereich des linken Armes seien mit dem Bandscheibenvorfall zwischen dem 3. und 4. Halswirbelkörper nicht im Zusammenhang zu bringen. Insgesamt sei damit nicht wahrscheinlich zu machen, dass der Bandscheibenvorfall auf den Unfall vom 09.02.2006 zurückzuführen sei.

Mit Urteil vom 04.07.2007 hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf das Gutachten des Prof. Dr. C. die Klage abgewiesen. Gegen das am 12.07.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 13.08.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei der Bandscheibenvorfall Folge des Auffahrunfalls vom 09.02.2006.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.07.2007 aufzuheben, den Bescheid vom 18.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2006 abzuändern und den Bandscheibenvorfall im Bereich des HWK 3/4 als Folge des Wegeunfalls vom 09.02.2006 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Ärztin Dr. G. , Einholung eines neuroradiologischen Gutachtens von Prof. Dr. H. sowie eines fachorthopädischen Gutachtens von Dr. H ... Dr. G. hat über eine Behandlung der Klägerin seit Dezember 1997 berichtet. Behandlungen wegen Beschwerden der Halswirbelsäule hätten vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis nicht stattgefunden. Prof. Dr. H. , Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie am K. Hospital S. , hat ausgeführt, das CT der HWS vom 21.02.2006 zeige einen rechts mediolateralen Bandscheibenprolaps C3/4 und deutliche degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, das MRT der HWS vom 02.03.2006 zeige einen rechts mediolateralen Bandscheibenprolaps HWK 3/4, der die Nervenwurzel C3 tangiere, eine Bandscheibenprotrusion HWK 4/5 und HWK 5/6, deutliche degenerative Veränderungen mit Zeichen einer Osteochondrose, am ausgeprägtesten auf Höhe HWK 4/5, eine Spondylosis deformans und keine Zeichen einer ligamentären oder ossären Verletzung. Ein weiteres MRT der HWS vom 03.07.2007 zeige im Vergleich zur Voruntersuchung von 2006 eine deutlich rückläufige Bandscheibenvorwölbung HWK 3/4 rechts mediolateral. Auf Grund der 16 Monate später erstellten Verlaufskontrolle, die eine Rückbildung der Bandscheibenvorwölbung zeige, sei ein relativ frischer Bandscheibenvorfall zum Zeitpunkt der ersten MRT-Untersuchung (März 2006) anzunehmen. Allerdings sei der Zeitpunkt nicht näher zu bestimmen. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den vorliegenden morphologischen Veränderungen sei nicht zu unterstellen, da nach der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage) traumatische Bandscheibenvorfälle stets mit begleitenden (minimalen) knöchernen oder Bandverletzungen erschienen.

Der Orthopäde Dr. H. hat ausgeführt, der Bandscheibenvorfall C3/C4 sei mit Wahrscheinlichkeit durch das streitgegenständliche Ereignis hervorgerufen worden. Es gebe weder klinisch noch radiologisch irgendwelche Hinweise dafür, dass der Bandscheibenvorfall schon vor dem Unfall bestanden habe, der radiologische Verlauf belege eindeutig, dass der Bandscheibenvorfall um den Unfallzeitpunkt herum entstanden sein müsse. Die Klägerin weise im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule Besonderheiten auf, die zu einer besonderen Belastung des Bewegungssegments C3/4 führten. Es sei durchaus vorstellbar, dass das Bewegungssegment C3/C4 unfallunabhängig zu irgendeinem Zeitpunkt versagt hätte, er halte es aber für äußerst unwahrscheinlich, dass dies unfallunabhängig ausgerechnet zum Zeitpunkt des Unfalls geschehen wäre. Durch welche alltägliche Belastung der Bandscheibenvorfall auch ohne das Unfallereignis hätte herbeigeführt werden können, lasse sich nicht beantworten, da hierfür weder gesicherte wissenschaftliche Grundlagen noch valide ärztliche Erfahrungen vorliegen würden.

Zu dem Gutachten des Dr. H. hat die Beklagte geltend gemacht, es sei nicht nachgewiesen, dass durch das Unfallereignis ein Bandscheibenvorfall als Gesundheitserstschaden verursacht worden sei. Auch Dr. H. räume ein, dass bei fehlenden Begleitverletzungen von Muskel- und Bandstrukturen isolierte Bandscheibenvorfälle nach Unfällen Raritäten seien. Auch Prof. Dr. H. habe im neuroradiologischen Gutachten den Zeitpunkt des Bandscheibenvorfalls nicht exakt bestimmen können, weshalb ein Gesundheitserstschaden an der Bandscheibe C3/4 durch das Ereignis nicht nachgewiesen sei. Soweit man dem Unfallereignis überhaupt einen nachweisbare kausale Bedeutung für den Bandscheibenvorfall geben könne, ließen die Ausführungen von Dr. H. , wonach das Segment C3/4 besonders verletzungsanfällig gewesen sei, an eine sogenannte Anlassursache denken. Es hätte offensichtlich nur eines geringen Zusatzimpulses bedurft, um fortdauernde Beschwerden klinisch manifest werden zu lassen. In der aktuellen unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 436) finde sich: "ohne Begleitverletzungen ist die Schadensanlage wesentlich". Im Übrigen könne nicht geschlossen werden, dass die als Unfallfolge später geltend gemachten Gesundheitsstörungen durch das Unfallereignis nachweislich hervorgerufen worden seien, auch Dr. H. sehe insoweit nur eine Möglichkeit. Beschrieben sei vielmehr lediglich ein zeitlicher Zusammenhang.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hätte den Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 als Unfallfolge feststellen und die angefochtenen Bescheide, soweit sie dieser Feststellung entgegenstehen, aufheben, die Bescheide somit abändern müssen.

Die Klägerin erstrebt bei sachdienlicher Auslegung ihres prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen - weil diese andernfalls bei zu treffender Feststellung von Unfallfolgen einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden - sowie - weil die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil keine Unfallfolgen verblieben seien - die gerichtliche Feststellung fortbestehender Unfallfolgen. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrages kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. zu der gleichgelagerten Konstellation der Verneinung eines Arbeitsunfalles wegen fehlenden Versicherungsschutzes BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.

Hier ist zwischen den Beteiligten nicht nur unstreitig, sondern steht durch die bestandskräftig gewordene Feststellung im Widerspruchsbescheid vom 19.10.2006 über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verbindlich fest, dass der Auffahrunfall, den die Klägerin am 09.02.2006 erlitt, ein Arbeitsunfall ist. Damit ist aber nicht zugleich die Annahme gerechtfertigt, dass der nach dem Arbeitsunfall festgestellte Gesundheitsschaden in Form eines Bandscheibenvorfalls im Bereich HWK 3/4 ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Vorliegend ist wahrscheinlich, dass der Auffahrunfall vom 09.02.2006 naturwissenschaftliche Ursache des Bandscheibenvorfalls im Bereich HWK 3/4 war.

Im vorliegenden Fall deuten alle Indizien auf eine akute traumatische Schädigung der Bandscheibe im Bereich HWK 3/4 in Form eines Bandscheibenvorfalls durch den Auffahrunfall hin. Der Senat stützt sich bei seiner Beurteilung auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H ... Fest steht zunächst, dass die Klägerin an einem Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 leidet. Dies steht auf Grund der nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis durchgeführten bildgebenden Diagnostik (CT der Halswirbelsäule vom 21.02.2006 und MRT der Halswirbelsäule vom 02.03.2006) fest. Bei Auswertung dieser bildgebenden Verfahren hat bereits der behandelnde Radiologe Dr. T. einen Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 beschrieben (Beurteilung des CT vom 21.02.2006: rechts mediolateraler Bandscheibenvorfall HWK 3/4 mit Duralsackimpression; Beurteilung des MRT vom 02.03.2006: kräftiger, frisch imponierender Bandscheibenvorfall HWK 3/4 rechts mediolateral bis lateral mit geringer Duralsackimpression und Einengung des rechten Neuroforamens).

Diese Beurteilung hat der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Prof. Dr. H. in seinem neuroradiologischen Fachgutachten bestätigt. Denn auch er hat den Befund des CT vom 21.02.2006 als rechts mediolateralen Bandscheibenprolaps C3/4 und den Befund des MRT vom 02.03.2006 als rechts mediolateralen Bandscheibenprolaps HWK 3/4, der die Nervenwurzel C3 tangiert, beschrieben. Das Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls im Bereich HWK 3/4 bestreitet auch die Beklagte nicht. Sie ist vielmehr lediglich der Auffassung, dass "nicht nachgewiesen" sei, dass der Bandscheibenvorfall durch das streitgegenständliche Unfallereignis verursacht worden ist. Soweit die Beklagte insoweit - hierauf deutet die Formulierung "nicht nachgewiesen" hin - allerdings der Auffassung ist, der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 müsse im Sinne des Vollbeweises erwiesen sein, geht sie fehl. Denn wie bereits oben dargelegt müssen insoweit lediglich die anspruchsbegründenden Tatsachen, also die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen seien (vgl. hierzu auch Becker, Versicherungsfall: Listen-Berufskrankheit in Die Sozialgerichtsbarkeit 2010, S. 133/134). Hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen genügt vielmehr - wie ebenfalls bereits oben dargelegt - das Vorliegen hinreichender Wahrscheinlichkeit. Hierfür genügt allerdings nicht, dass der Ursachenzusammenhang nur möglich ist; vielmehr muss dieser bei vernünftiger Abwägung aller wesentlicher Gesichtspunkte des Einzelfalls positiv festgestellt werden.

Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin gegeben. So bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 bereits vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis bestanden hätte und es somit bereits an der sogenannten naturwissenschaftlichen Kausalität (conditio sine qua non) fehlen würde. So hat die Klägerin glaubhaft dargelegt, dass sie vor dem streitgegenständlichen Ereignis zu keinem Zeitpunkt Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule hatte. Eine Behandlung oder gar Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen derartiger Beschwerden sind aus dem von der Beklagten von der AOK E. und Stadt P. beigezogenen Auszug aus der Leistungsdatei nicht ersichtlich. Auch die die Klägerin seit Dezember 1997 behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin und Chirurgie Dr. G. hat in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Senat bestätigt, dass im gesamten Behandlungszeitraum bis zur ersten Vorstellung nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis hinsichtlich der Halswirbelsäule von Seiten der Klägerin weder Schmerzen noch Funktionsstörungen geklagt oder gar Funktionsstörungen nachgewiesen wurden.

Gegen einen bereits vorbestehenden Bandscheibenvorfall spricht auch - so nachvollziehbar Dr. H. unter Hinweis auf die Beurteilung des radiologischen Befundes durch Dr. T. und Prof. Dr. H. - der nativ radiologische Befund. Bereits Dr. T. beschrieb das Ergebnis der MR-Untersuchung vom 02.03.2006 als "frisch imponierenden" Bandscheibenvorfall HWK 3/4. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. H ... Dieser hat vielmehr dargelegt, dass auf Grund der Verlaufskontrolle 16 Monate nach der ersten MRT-Untersuchung (MRT vom 03.07.2007: im Vergleich zur Voruntersuchung von 2006 deutlich rückläufige Bandscheibenvorwölbung HWK 3/4 rechts mediolateral), die eine Rückbildung der Bandscheibenvorwölbung zeigt, zum Zeitpunkt der ersten MRT-Untersuchung im März 2006 ein relativ frischer Bandscheibenvorfall anzunehmen ist. Ergänzend hat Dr. H. dargelegt, dass die Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule wenige Tage nach dem Unfall zwar fortgeschrittene degenerative Schäden in mehreren benachbarten Halssegmenten und darüber hinaus Anlagestörungen im Bereich der oberen Brustwirbelsäule in Form von knöchernen Verbindungen mehrerer Brustwirbel (Blockwirbel) zeigen, sich im Segment C3/C4 auf diesen Aufnahmen aber keine Zeichen einer vorbestehenden degenerativen Schädigung finden, der Zwischenwirbelraum in dieser Etage nicht höhengemindert erscheint und sich in diesem Segment keine knöchernen Anbauten an den benachbarten Wirbelkörpern (Spondylophyten), die auf eine vorbestehende degenerative Bandscheibenerkrankung hinweisen würden, finden.

Sind damit keinerlei Anhaltspunkte für einen bereits vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis bestehenden Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 ersichtlich, bewegen sich die Ausführungen der Beklagten, der Bandscheibenvorfall könne "ebenso gut wahrscheinlich" auch zeitlich vor dem streitgegenständlichen Ereignis eingetreten sein, im Bereich der reinen Spekulation.

Auch ist vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Auffahrunfall vom 09.02.2006 naturwissenschaftliche Ursache für den Eintritt des Bandscheibenvorfalls im Bereich HWK 3/4 war. Hierfür sprechen vor allem jene Indizien, die auf den Eintritt des Bandscheibenvorfalls im Bereich HWK 3/4 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinweisen. So stellte Dr. G. bei der erstmaligen Vorstellung der Klägerin nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis am 14.02.2006 einen starken Spontan- und Bewegungsschmerz im Hinterkopf und im Bereich des Nackens, eine Verhärtung der Nacken- und Schultermuskulatur und Missempfindungen im linken Arm fest. Wie Dr. H. dargelegt hat, spricht auch der Umstand, dass die Klägerin erst fünf Tage nach dem streitgegenständlichen Ereignis Dr. G. gesuchte, nicht gegen einen Zusammenhang, da das Verhalten eines Unfallverletzten nach einem Unfallereignis - so Dr. H. - nicht nur von Art und Umfang der subjektiven Beschwerden, sondern auch von der Schmerzempfindlichkeit und Ängstlichkeit der betroffenen Person abhängt. Darüber hinaus hat die Klägerin die Entwicklung von Schmerzen im oberen Nackenbereich bereits zwei bis drei Stunden nach dem Unfallereignis angegeben (vgl. die Anamnese in den Gutachten von Dr. K. , Prof. Dr. C. und Dr. H. ). Am darauffolgenden Tag, einem Freitag, habe sie sich freigenommen und Schmerzmittel eingenommen, ebenso über das Wochenende, wobei - so die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. H. - etwa am Wochenende auch Missempfindungen im linken Arm aufgetreten seien. Die Klägerin ging dann zwar am Montag, den 13.02.2006 wieder zur Arbeit und auch zunächst noch am darauffolgenden Dienstag, suchte dann aber wegen der anhaltenden Schmerzhaftigkeit an diesem Tag Dr. G. auf, die dann auch den oben dargelegten Befund erhob. Der Senat hat keinen Anlass, an den glaubhaften Angaben der Klägerin zu zweifeln, derartige Zweifel hat auch die Beklagte nicht erhoben. Damit steht fest, dass die Klägerin Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule bereits ca. zwei bis drei Stunden nach dem streitgegenständlichen Ereignis entwickelte und diese Schmerzen sowie die von der Klägerin beschriebenen Missempfindungen im linken Arm im Anschluss daran auch weiter fortbestanden. Soweit Prof. Dr. C. ausgeführt hat, dass die Missempfindungen im Bereich des linken Armes mit einem Bandscheibenvorfall zwischen dem 3. und 4. Halswirbelkörper nicht in Zusammenhang zu bringen sind, hat Dr. H. nachvollziehbar dargelegt, dass zwar zutreffend ist, dass der Bandscheibenvorfall nicht dadurch zu Missempfindungen im linken Arm geführt hat, dass er eine Nervenwurzel schädigte. Durch sekundäre Verursachung von Gelenkblockierungen und Aktivierung von Triggerpunkten kann - so Dr. H. - aber ein Bandscheibenvorfall auch zu ausstrahlenden Missempfindungen führen, die nicht auf einen Nervenwurzelschaden zurückzuführen sind.

Auch die bildgebenden Befunde weisen - wie bereits oben dargelegt - auf das Entstehen des Bandscheibenvorfalls im Bereich HWK 3/4 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis hin. So beschrieb Dr. T. den Befund der MRT-Untersuchung als "frisch imponierenden" Bandscheibenvorfall und Prof. Dr. H. hat in seinem radiologischen Gutachten bestätigt, dass ein relativ frischer Bandscheibenvorfall zum Zeitpunkt der ersten MRT-Untersuchung anzunehmen ist. Auch der gerichtliche Sachverständige Dr. H. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass der radiologische Befund sehr gut zu einem unfallbedingten Bandscheibenvorfall C3/C4 passt.

Darüber hinaus ist neben dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis auch ein örtlicher Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Ereignis gegeben. Hiervon geht selbst die Beklagte aus, da sie im Widerspruchsbescheid vom 19.10.2006 eine Halswirbelsäulenzerrung als Folge des streitgegenständlichen Ereignisses anerkannt hat.

Zu Unrecht stellt die Beklagte darauf ab, dass das streitgegenständliche Ereignis nicht geeignet gewesen sei, den Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 zu verursachen. Die Eignung des Unfallereignisses ist eine Frage nach dem naturwissenschaftlichen Zusammenhang (Urteil des Senats vom 12.11.2009, L 10 U 3951/08). Denn wenn das Unfallereignis tatsächlich nicht geeignet war, die fragliche Schädigung hervorzurufen, kann es hinweggedacht werden und die Schädigung wäre trotzdem vorhanden. Dementsprechend können Unfallereignisse regelmäßig nur dann als "nicht geeignet" bewertet werden, wenn der als geschädigt in Rede stehende Körperteil durch den Unfall überhaupt nicht betroffen war. Auch lediglich geringfügige Einwirkungen durch den Unfall lassen dagegen die naturwissenschaftliche Eignung nicht entfallen; die Frage nach dem Ausmaß der Einwirkung ist erst auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung, bei der Frage der "Wesentlichkeit", von Bedeutung. Dabei handelt es sich bei der Prüfung der Wesentlichkeit um eine wertende Entscheidung (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 31.07.1985, 2 RU 74/84 in SozR 2200 § 584 Nr. 75), die - weil mit der Wertung zugleich die Reichweite des Unfallversicherungsschutzes beschrieben wird (BSG, a. a. O.) - dem juristischen Betrachter vorbehalten ist.

Zu prüfen ist somit vorliegend, ob das Unfallereignis auch wesentlich war. Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum gesamten Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.

Die innere Ursache muss bei dieser Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, die bloße Möglichkeit einer inneren Ursache genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Dies gilt auch für das Ausmaß der inneren Ursache (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 2 RU 7/89). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob das Unfallgeschehen bloße Gelegenheitsursache war, ob ein alltägliches Ereignis etwa zu derselben Zeit zum selben Erfolg geführt hätte, Wahrscheinlichkeit notwendig; die bloße Möglichkeit genügt auch hier nicht (BSG Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91). Dies bedeutet, dass die Grundlagen der Beurteilung, ob das Unfallereignis bloße "Gelegenheitsursache" war, im Sinne des Vollbeweises feststehen müssen, die Kausalitätsfrage ist wieder nach Wahrscheinlichkeit zu beurteilen.

Soweit die Beklagte unter Berufung auf das Gutachten des Prof. Dr. C. und die unfallmedizinische Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 434 ff.) ausführt, dass nach den herrschenden unfallmedizinischen Erkenntnissen isolierte, traumatische Bandscheibenvorfälle nicht vorkommen würden, mag dies im Falle einer nicht wesentlich vorgeschädigten Wirbelsäule zutreffend sein. Auch der gerichtliche Sachverständige Dr. H. hat dargelegt, dass ein isolierter unfallbedingter Bandscheibenvorfall eine außerordentliche Rarität darstellt. Vorliegend ist aber - wie Dr. H. überzeugend dargelegt hat - zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin besondere verletzungsfördernde Faktoren vorlagen, die gerade das Bewegungssegment C3/C4, in welchem sich der Bandscheibenvorfall ereignete, überdurchschnittlich verletzlich machten. So zeigt die vorliegende Bildgebung - so Dr. H. - Einsteifungen mehrerer Segmente im Bereich der unteren Hälfte der Halswirbelsäule und der oberen Hälfte der Brustwirbelsäule, die teilweise durch Missbildungen (Blockwirbelbildung) im Bereich der oberen Halswirbelsäule C2/C3 und der oberen Brustwirbelsäule, teilweise durch degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelsäule (fortgeschrittene Spondylochondrose in den Segmenten C4/C5 und C5/C6) verursacht sind. Diese Beurteilung des Vorliegens deutlicher degenerativer Veränderungen durch Dr. H. deckt sich mit der Beurteilung von Prof. Dr. H. in seinem radiologischen Gutachten, der ebenfalls deutliche degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Zeichen einer Osteochondrose und Spondylosis deformans beschrieben hat.

Die auf Grund der anlagebedingt bzw. durch degenerative Veränderungen verursachten Bewegungseinschränkungen der von Dr. H. beschriebenen Wirbelsäulensegmente führen - so Dr. H. - nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung zu einer vermehrten Belastung der noch beweglichen Segmente und führten damit zu einer verstärkten biomechanischen Belastung des Segments C3/C4 zum Unfallzeitpunkt. Damit ist nachvollziehbar, dass es im konkreten (Einzel)Fall der Klägerin durch das streitgegenständliche Ereignis zu einem Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 kam, ohne gleichzeitige Verletzung der die Bandscheibe umgebenden Strukturen wie Knochen, Muskeln, Bänder und Gelenke. Insoweit hat Dr. H. zu Recht ausgeführt, dass Prof. Dr. C. zwar auch die zum Unfallzeitpunkt bestehenden erheblichen degenerativen Veränderungen beschrieben, die hierdurch bedingte besondere Verletzungsanfälligkeit im Bewegungssegment C3/C4 bei seiner Beurteilung dann aber außer Betracht gelassen hat. Dies wird insbesondere auch daraus deutlich, dass Prof. Dr. C. ebenfalls von einer erheblichen Anfälligkeit des Halswirbelsäulensegments HWK 3/4 ausgegangen ist, da er sogar - allerdings ohne jegliche Begründung - die Auffassung vertreten hat, dass sich der Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 auch ohne das streitgegenständliche Ereignis zu etwa derselben Zeit hätte entwickeln können. Letztlich wird die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. durch die von der Beklagten eingeholte beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. M. bestätigt. Denn dieser hat ausgeführt, dass im Hinblick auf die "überwiegend degenerative Veränderung" bereits eine Zerrung der Halswirbelsäule ausreichte, um ein endgültiges Zerreißen des Faserrings hervorzurufen. Davon, dass die Klägerin bei dem streitgegenständlichen Ereignis aber eine Halswirbelsäulenzerrung bzw. Halswirbelsäulendistorsion erlitt, gehen sowohl Dr. M. als auch Prof. Dr. C. aus und dies anerkannte die Beklagte im Widerspruchsbescheid auch als Unfallfolge. Damit geht schlussendlich aber auch Dr. M. davon aus, dass für die Verursachung des Bandscheibenvorfalls bei der Klägerin in Folge des streitgegenständlichen Ereignisses gerade keine unfallbedingte Schädigung der die Bandscheibe umgebenden Strukturen erforderlich war.

Soweit Dr. M. im Weiteren davon ausgegangen ist, dass wesentlich für die eingetretene Zerreißung im Bereich des Faserrings der Bandscheibe und damit den Bandscheibenvorfall die vorbestehenden degenerativen Veränderungen und nicht "die traumatische Komponente" waren, ist dies im Ergebnis allerdings nicht überzeugend. Denn nach der für diese Beurteilung maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage - vorliegend die degenerative Vorschädigung der Halswirbelsäule - so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sodass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte bzw., wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.1999, a. a. O.). Vorliegend kann aber gerade nicht festgestellt werden, dass die vorbestehenden degenerativen Veränderungen im Bereich der Hals- und unteren Brustwirbelsäule so stark ausgeprägt waren, dass der Bandscheibenvorfall zu etwa dem gleichen Zeitpunkt durch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis oder gar ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre. Soweit Dr. M. die Zerreißung im Bereich des Faserrings der Bandscheibe und damit den Bandscheibenvorfall auf die unfallbedingt verursachte Zerrung der Halswirbelsäule zurückführt, handelt es sich bei einer solchen Zerrung gerade nicht um ein alltägliches Ereignis. Auch die Ausführungen des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. C. überzeugen insoweit nicht, da dieser ohne jegliche Begründung davon ausgegangen ist, dass der Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 auch ohne das streitgegenständliche Ereignis zu etwa derselben Zeit eingetreten wäre. Worauf diese Einschätzung gründet, ist nicht ersichtlich. Demgegenüber hat der im Berufungsverfahren gehörte Sachverständige Dr. H. nachvollziehbar dargelegt, dass besondere Belastungen im Bereich des Bewegungssegments C3/C4, die zum Eintritt eines Bandscheibenvorfalls führen können, zwar auch im Alltag auftreten könnten und es damit vorstellbar ist, dass das Bewegungssegment über kurz oder lang unabhängig vom Unfall überlastet worden wäre und dekompensiert hätte, beispielsweise in Form eines akuten Bandscheibenvorfalls. Wie Dr. H. allerdings dargelegt hat, ist diese Entwicklung zwar vorstellbar, aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar. Hierfür spricht - so Dr. H. - dass die anlagebedingten Störungen im Bereich der oberen Halswirbelsäule und der oberen Brustwirbelsäule seit Geburt, zumindest aber seit Abschluss des Knochenwachstums (jugendlichen Alter) bestanden und auch die degenerativen Schäden in den Segmenten C4 bis C6 zum Unfallzeitpunkt zumindest seit einigen Jahren oder gar Jahrzehnten bestanden, worauf die knöchernen Anbauten an den Wirbelkörpern (Spondylophyten) hindeuten. Bestehen aber die Krankheitsanlagen bereits seit langer Zeit und kam es bis zum Unfallzeitpunkt im Rahmen der alltäglichen Belastungen gerade nicht zu einem Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4, gibt es - so schlüssig Dr. H. - keine plausible Begründung dafür, warum ausgerechnet zum Unfallzeitpunkt dieses Bewegungssegment unfallunabhängig versagt haben sollte.

Damit ist der Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 3/4 als Unfallfolge festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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