L 31 R 818/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 RA 5607/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 R 818/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2008 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den Zeitraum vom 1. Januar 1981 bis zum 20. April 1988 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zu dem Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) -AVItech-) und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellen muss.

Der 1943 geborene Kläger war vom 1. Juli 1968 bis zum Abschluss seines Fernstudiums an der Bakademie F als Assistent im volkseigenen Betrieb (VEB) Bandstahlkombinat E tätig. Nach erfolgreichem Abschluss des Fernstudiums erhielt er die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieur" zu führen. Anschließend war er ausweislich der vorliegenden Kopien des Sozialversicherungsausweises bis zum 31. Dezember 1975 als Ingenieur bzw. als Abschnittsleiter bei dem VEB Bandstahlkombinat E, vom 1. Januar 1976 bis 25. Oktober 1976 bei dem VEB Spezialwickelmaschinen B, vom 26. Oktober 1976 bis 31. Januar 1978 bei dem VEB Betonwerke B, vom 1. Februar 1978 bis zum 11. Mai 1979 bei dem VEB Schallschutz B, vom 14. Mai 1979 bis zum 31. Dezember 1980 bei der Vereinigung volkseigener Betriebe (VVB) Altrohstoffe B, vom 1. Januar 1981 bis zum 20. April 1988 bei dem volkseigenen (VE) Kombinat Sekundärrohstofferfassung B und vom 25. April 1988 bis zum 30. Juni 1990 bei dem VEB Druckguss und Formenbau B beschäftigt.

Eine Versorgungszusage wurde dem Kläger nicht erteilt; er hatte auch keinen einzelvertraglichen Anspruch auf eine derartige Zusage. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) trat er zum 1. Januar 1987 bei.

Am 9. Juli 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften für die Zeit von Januar 1968 bis zum 30. Juni 1990. Mit Bescheid vom 23. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2003 stellte die Beklagte die Zeit vom 1. Mai 1972 bis zum 31. Dezember 1980 sowie vom 25. April 1988 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten tatsächlichen Entgelte fest, lehnte jedoch die Feststellung für die Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum 20. April 1988 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger sei vom 1. Januar 1981 bis zum 20. April 1988 im VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung beschäftigt gewesen. Der genannte Betrieb sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) noch einem solchen im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 24. Mai 1951 gleichgestellt. Industriebetriebe seien einem der Industrieministerien der DDR als staatlichem Organ unterstellt gewesen. Das nur derartige Industriebetriebe von der Versorgungsordnung der technischen Intelligenz erfasst werden sollten, ergebe sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass das Ministerium für Industrie gemäß § 5 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben am Erlass von Durchführungsbestimmungen beteiligt gewesen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 41/01 R). Darüber hinaus hätten zu den Produktionsbetrieben nur diejenigen gezählt, deren Hauptzweck die industrielle Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion von Sachgütern gewesen sei. Der strittige Beschäftigungsbetrieb zähle damit nach diesen Kriterien nicht zu den von der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben erfassten Beschäftigungsstellen.

Die dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 17. Januar 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, es fehle an der betrieblichen Voraussetzung, da der Kläger weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem diesen gleichgestellten Betrieb tätig gewesen sei. Der Personenkreis der Versorgungsberechtigten aus dem Kreis der technischen Intelligenz im Sinne der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 17. August 1950 (GBl. DDR Nr. 93, Seite 844) werde in § 1 der dazu ergangenen 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR Nr. 62, Seite 487) näher definiert. Die Überschrift des Absatzes 2, in dem die gleichgestellten Betriebe definiert würden, laute wie folgt: "Den volkseigenen Produktionsbetrieben werden gleichgestellt." Das Bundessozialgericht (BSG) habe daraus die inzwischen ständige höchstrichterliche Rechtsprechung dahin entwickelt, dass es sich bei den volkseigenen Betrieben im Sinne von § 1 Abs. 1 2. Durchführungsbestimmung um solche gehandelt haben muss, deren Hauptzweck auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sei (vergleiche Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 41/01 R, Seite 12 ff.). Für die streitige Zeit komme das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Wortlaut von § 1 2. Durchführungsbestimmung nach der rechtserweiternden Rechtsprechung des BSG in ihrer näheren Ausformung genau zu beachten sei. Ergänzende Auslegungen insoweit habe das BSG stets ausgeschlossen. Aus diesem Grunde treffe die Auffassung der Beklagten, dass mangels Aufführung in der Vorschrift volkseigene Kombinate nicht entsprechend ihrer vorherigen Benennung als Vereinigung volkseigener Betriebe im Sinne von § 1 Abs. 2 2. Durchführungsbestimmung angesehen werden könnten. Demnach fehle es für den streitigen Zeitraum vom 14. Mai 1979 bis zum 20. April 1988 an der betrieblichen Voraussetzung als einer der Voraussetzungen, die der 4. Senat des BSG in seiner rechtserweiternden Rechtsprechung zu § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG verlange. Die Klage könne deshalb keinen Erfolg haben.

Zur Begründung seiner dagegen eingelegten fristgemäßen Berufung führt der Kläger unter anderem aus, es gebe keine einleuchtenden Gründe dafür, die Zeit beim VVB Altrohstoffe als Zugehörigkeitszeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen, demgegenüber aber die Zeit beim VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung nicht zu berücksichtigen. Zum 1. Januar 1981 habe sich lediglich die Bezeichnung des Betriebes geändert. Die von ihm verrichtete Tätigkeit sei hiervon völlig unbeeinflusst geblieben. Im Übrigen habe es sich bei dem VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung um einen volkseigenen Produktionsbetrieb gehandelt. Der Begriff des "volkseigenen Produktionsbetriebes" werde unter anderem in der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967 (GBl. DDR Nr. 21, Seite 121 ff.) näher definiert. Dabei werde der Begriff "Produktion" nicht allein in dem Sinne verwendet, dass damit nur die materielle Produktion gemeint sei. Der Produktionsbegriff sei zu Zeiten der DDR viel weiter und umfassender verstanden worden und zwar unter anderem als "Prozess der Herstellung materieller Güter und Leistungen durch Menschen " (vergleiche Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, Stand Juli 1988, Seite 747). Selbst aus der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes gehe hervor, dass unter Produktion nicht nur die materielle Produktion verstanden werde (vergleiche unter anderem § 6 Abs. 4 der Verordnung). Zunächst sei nochmals eindeutig und unmissverständlich festzuhalten, dass der VEB Sekundärrohstofferfassung Berlin nie sein Beschäftigungsbetrieb gewesen sei. Er sei vom 14. Mai 1979 bis 20. April 1988 als Abteilungsleiter Direktionsbereich Technik des Betriebes VVB Altrohstoffe beschäftigt gewesen, der zum 1. Januar 1981 in VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung (= wirtschaftsleitendes Organ) umbenannt worden sei. Eine Beschäftigung im VEB Sekundärrohstofferfassung Berlin habe jedoch zu keiner Zeit bestanden. Insoweit gehe die Beklagte schon von einer falschen Sachlage aus. Zum 1. Januar 1981 sei lediglich eine Umbenennung erfolgt, mithin eine reine Namensänderung ohne die Struktur etc. zu verändern. Die von ihm verrichtete Tätigkeit sei hiervon unbeeinflusst geblieben. Die Namensänderung habe nicht zu einer Änderung der Rechtsgrundlage und zum Anspruchsverlust der Zusatzversorgung beziehungsweise Einbeziehung in das AAÜG geführt. Die betriebliche Voraussetzung, mithin die Voraussetzung nach der 2. Durchführungsbestimmung zur Versorgungsordnung der technischen Intelligenz sei gegeben. Das VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung sei ein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung gewesen, mithin habe es zu den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben im Sinne der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben gehört. Ferner ergebe sich aus der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR eindeutig, dass es sich um einen Betrieb der Industrie gehandelt habe. Insoweit lasse sich eindeutig feststellen, dass er eine Beschäftigung ausgeübt habe, die von einem Zusatzversorgungssystem erfasst gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagte vom 23. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum 20. April 1988 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und führt zur Begründung unter anderem aus, der VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung habe nicht zu den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben gehört. Welche Betriebe hierzu im Sinne der AVItech gehörten, könne nur durch Auslegung ermittelt werden. Bei der Auslegung sei das Sprachverständnis der ehemaligen DDR zum 30. Juni 1990 zu berücksichtigen. Nur so könne festgestellt werden, ob der Kläger eine Beschäftigung ausgeübt habe, die von einem Zusatzversorgungssystem erfasst gewesen sei. Bei der Auslegung komme es auf den Wortlaut der Versorgungsordnung und auf das Rechtsverständnis der ehemaligen DDR zum 30. Juni 1990 an. In der 2. Durchführungsbestimmung zur AVItech werde bestimmt, dass zu den volkseigenen Betrieben nur die volkseigenen Produktionsbetriebe zählen würden. In dieser Durchführungsbestimmung werde nämlich geregelt, dass den volkseigenen Produktionsbetrieben bestimmte Einrichtungen der DDR gleichgestellt würden. Sie sei der Ansicht, dass die AVItech hauptsächlich nur in den Betrieben der Industrie und des Bauwesens gegolten habe. Nur so lasse sich auch erklären, wieso bestimmte andere volkseigene Betriebe den volkseigenen Produktionsbetrieben in der 2. Durchführungsbestimmung gleichgestellt worden seien. Diese gleichgestellten Betriebe hätten nicht den Volkswirtschaftsbereichen der Industrie und des Bauwesens, sondern den anderen Volkswirtschaftsbereichen der DDR angehört. Die DDR sei in insgesamt neun Volkswirtschaftsbereiche gegliedert gewesen, die in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR (Ausgabe 1985, herausgegeben von der staatlichen Zentralverwaltungsstatistik) näher beschrieben worden seien. Die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR würde bestätigen, dass keine Beschäftigung in einem Betrieb ausgeübt worden sei, der dem Geltungsbereich der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben unterfalle. Der VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung sei der Wirtschaftsgruppe 61152 (wirtschaftsleitende Organe des Handels) zugeordnet gewesen. Er habe auch nicht zu den gleichgestellten Betrieben im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung gehört, denn dort seien zwar die Vereinigungen volkseigener Betriebe, nicht jedoch die Kombinate genannt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (Versicherungsnummer ) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat es mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2003 zu Recht abgelehnt, auch den Zeitraum vom 1. Januar 1981 bis 20. April 1988 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz festzustellen, denn einen solchen Anspruch hat der Kläger nicht.

Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG stellt der Versorgungsträger die Daten fest, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind, und teilt sie dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mit. Zu diesen Daten gehören neben den Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 5 AAÜG) die in diesen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat der Versorgungsträger dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung durch Bescheid bekannt zu geben (vgl. zu diesem Verfahren im Einzelnen das Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 20. Dezember 2001, Az.: B 4 RA 6/01 R m. w. N., SozR 3-8570 § 8 Nr. 7), so dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen solchen Verwaltungsakt besteht. Dies ist für den Zeitraum vom 01. Januar 1981 bis zum 20. April 1988 nicht der Fall.

Zwar ergibt eine Prüfung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen, dass die Vorschriften des AAÜG grundsätzlich auf den Kläger Anwendung finden, was zwischen den Beteiligten auch nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 15. Juni 2010 (Urteile des Bundessozialgerichts vom 15. Juni 2010 Az. B 5 RS 2/09 R, Az. B 5 RS 6/09 R, Az. B 5 RS 9/09 R, Az. B 5 RS 10/09 R, Az. B 5 RS 16/09 R und Az. B 5 RS 17/09 R) - wieder - unstreitig ist.

Die nunmehr geltend gemachten Zeiträume sind aber keine Pflichtbeitragszeiten im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, weil der Kläger in diesen nicht die Voraussetzungen für eine obligatorische Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hat. Zur Beantwortung der Frage nach der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem bedarf es des Rückgriffs auf diejenigen Gegebenheiten der DDR, an die das AAÜG anknüpft. Im Falle des § 5 Abs. 1 AAÜG sind dies die Texte der in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelisteten und damit insoweit als bundesrechtlich relevante Fakten anerkannten Versorgungsordnungen, wobei diese gegebenenfalls durch sonstige einschlägige und in Übereinstimmung hiermit ergangene abstrakt-generelle Vorgaben von zuständigen Stellen der früheren DDR, zu denen insbesondere Durchführungsbestimmungen gehören, ergänzt werden. Dabei ist die Bedeutung der Texte ausschließlich nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts, insbesondere unter Beachtung des Gleichheitssatzes (Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG) und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift des § 5 AAÜG zu bestimmen (vgl. dazu das Urteil des BSG vom 9. April 2002, Az.: B 4 RA 42/01 R, zitiert nach juris). Wie die Versorgungsordnungen und die Durchführungsbestimmungen durch Stellen der DDR ausgelegt und angewandt wurden, muss insoweit ohne Belang sein, denn anderenfalls bestünde die Möglichkeit einer normativen Verfestigung willkürlicher Vorgehensweisen (vgl. die Entscheidungen des BSG vom 24. März 1998, Az.: B 4 RA 27/97 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 3, und vom 30. Juni 1998, B 4 RA 11/98 R, SGb 1998, S. 526 f. [Kurzwiedergabe], Volltext in Juris). Ob nämlich außerhalb des von den Texten der Versorgungsordnungen und der einschlägigen Durchführungsbestimmungen vorgegebenen Rahmens liegende Umstände die Aussicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage als berechtigt erscheinen lassen konnten, lässt sich heute mangels einer gesicherten faktischen Beurteilungsgrundlage gerade nicht willkürfrei entscheiden (vgl. das Urteil des BSG vom 12. Juni 2001, Az.: B 4 RA 117/00 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6).

Im streitbefangenen Zeitraum gehörte der Kläger nicht zur Gruppe derjenigen, die in das System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz obligatorisch einzubeziehen waren. Ob jemand aufgrund seiner Qualifikation und der ausgeübten Beschäftigung zum Kreis der durch die Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz Begünstigten zu zählen ist, lässt sich durch die Heranziehung der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I S. 844) allein nicht klären. Dort heißt es in § 1 nur, für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben werde über den Rahmen der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt. Dass es - unter anderem - zur Konkretisierung des nur vage umrissenen Begriffs der Angehörigen der technischen Intelligenz und damit des Kreises der Begünstigten noch näherer Bestimmungen bedurfte, war dem Verordnungsgeber offenbar bewusst, denn § 5 zufolge waren durch das Ministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie und dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Die Ausfüllung des Begriffs "Angehörige der technischen Intelligenz", das heißt die Definition des von der Verordnung erfassten Personenkreises, dem die zusätzliche Versorgungsversicherung zugute kommen sollte, findet sich in der hier ebenfalls heranzuziehenden 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR S. 487), durch welche die vom 26. September 1950 datierende 1. Durchführungsbestimmung (GBl. DDR S. 1043) außer Kraft gesetzt wurde.

Danach war das Versorgungssystem eingerichtet für Personen, die

1. berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, 2. entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausübten und 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb

tätig waren. Bei dem Kläger lag im streitigen Zeitraum jedenfalls die dritte, das heißt die betriebsbezogene Voraussetzung nicht vor. Er war vom 1. Januar 1981 bis zum 20. April 1988 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens, sondern im VEB Kombinat Sekundärrohstofferfassung beschäftigt, dem nicht die Produktion das überwiegende Gepräge gab.

Wie das Bundessozialgericht jedoch bereits in seinen Urteilen vom 09 und 10. April 2002 (Az. B 4 RA 41/01 R und B 4 RA 10/02 R, zitiert nach Juris) ausgeführt hat, war der versorgungsrechtlich maßgebliche Betriebstyp durch die drei Merkmale

1. Betrieb 2. volkseigen und 3. Produktion (Industrie oder Bauwesen)

gekennzeichnet. Er erfasst nach dem letzten maßgeblichen Sprachgebrauch der DDR nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens, war also nicht nur auf den Ausschluss privater Betriebe gerichtet.

Vorliegend fehlt es unter Beachtung dieser vom BSG aufgestellten Grundsätze jedenfalls an der dritten Voraussetzung, dem Produktionsbetrieb.

Eine Voraussetzung ist, dass der verfolgte Hauptzweck des VEB auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein muss. Der Kläger war im streitigen Zeitraum bei keinem Betrieb beschäftigt, der nach dem versorgungsrechtlichen Sprachgebrauch (und der Staatspraxis) der DDR am 30. Juni 1990 als "Produktionsbetrieb" bezeichnet wurde, weil der Hauptzweck des Betriebes nicht in der industriellen Fertigung von Sachgütern bestand. Eine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb lässt sich insbesondere aus dem Statut des VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung vom 16. Januar 1981 nicht erkennen. In § 2 des Statuts werden die Aufgaben des Kombinates definiert. Danach war (Abs. 1) das Kombinat die Wirtschaftseinheit der DDR für die Sicherung der maximalen Erfassung von Sekundärrohstoffen aus Haushalten der Bevölkerung und durch die gesellschaftlichen Kräfte im Zusammenwirken mit den örtlichen Räten sowie aus den Anlaufstellen der Volkswirtschaft im Rahmen des bestätigten Erfassungsprogramms. Auf der Grundlage einer planmäßigen bedarfsgerechten Entwicklung des Erfassungsnetzes, einer rationellen Erfassungsorganisation und effektiver Technologien zur Erschließung aller Rohstoffreserven sicherte das Kombinat die Bereitstellung der aufbereiteten Rohstoffe für die stabile kontinuierliche Versorgung der Verbraucher von Sekundärrohstoffen in der Volkswirtschaft (Abs. 2). Das Kombinat schaffte alle Voraussetzung dafür, dass die Sammel- und Abgabebereitschaft der Bevölkerung und aller gesellschaftlichen Kräfte zur maximalen Stärkung der Rohstoffbasis der Volkswirtschaft voll genutzt und weiterbefördert wurde (Abs. 3). Zur Sicherung der Stabilität und Kontinuität in der Erfassung war eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit des bestehenden Annahmestellennetzes und dessen gezielte Erweiterung vor allem in Berlin, Hauptstadt der DDR, in den Bezirksstädten und in den Kreisstädten, insbesondere in den Neubaugebieten und in zu rekonstruierenden Wohngebieten gemeinsam mit den zuständigen Räten durchzusetzen (Abs. 4). Das Kombinat hatte zur Sicherung des erforderlichen Leistungszuwachses und seiner intensiven Reproduktion die Durchsetzung einer einheitlichen wissenschaftlich-technischen Politik bei der Rationalisierung und Intensivierung der Erfassungs-, Aufbereitungs-, Umschlags- und Versorgungsprozesse zu sichern. Der Bau von zweigspezifischen Rationalisierungsmitteln war entscheidend zu steigern. Leistungsfähige eigene Bau- und Reparaturkapazitäten waren zur Sicherung der notwendigen Rekonstruktion- und Instandhaltungsmaßnahmen, insbesondere des Annahmestellennetzes, zu entwickeln (Abs. 5). Dass eine Produktion von Sachgütern Hauptzweck des VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung war, lässt sich aus alledem nicht entnehmen. Dem entsprach auch die Zuordnung des Kombinates zur Wirtschaftsgruppe 61152 (wirtschaftsleitende Organe des Handels).

Es handelt sich bei dem VEB Kombinat Sekundärrohstofferfassung auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb. Nach § 1 Abs. 2 2. Durchführungsbestimmung werden den volkseigenen Betrieben wissenschaftliche Institute, Forschungsinstitute, Versuchstationen, Laboratorien, Konstruktionsbüros, technische Hochschulen, technische Schulen, Bauakademie und Bauschulen, Bergakademie und Bergbauschulen, Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens, Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie), Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien gleichgestellt. Kombinate werden in dieser Vorschrift nicht genannt. Das VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung stellt auch keine Vereinigung volkseigener Betriebe (VVB) im Sinne dieser Vorschrift dar.

Der - soweit erkennbar - letzte maßgebliche staatliche Sprachgebrauch der DDR zu dem Begriff "VVB" ist in der Kombinats-VO 1973 enthalten. Denn §§ 33 ff dieser Verordnung sind nicht durch die Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und VVB vom 08. November 1979 (Kombinats-VO 1979, GBl. DDR I S. 355) aufgehoben worden (§ 43 Abs. 2 Kombinats-VO 1979). § 34 Abs. 1 Kombinats-VO 1973 definiert die VVB als ein wirtschaftsleitendes Organ, dem VEB, Kombinate und Einrichtungen unterstellt sind (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, Az. B 4 RA 23/04 R, zitiert nach Juris; Urteil vom 10. Februar 2005, Az. B 4 RA 47/04 R, zitiert nach Juris). Im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben, Rechte und Pflichten ist sie für die Durchsetzung der Wirtschaftspolitik des Staates im Industriezweig verantwortlich (§ 34 Abs. 1 Kombinats-VO 1973). Die Leitungstätigkeit der VVB war darauf zu richten, dass der Beitrag des Industriezweiges für die Steigerung der Effektivität der gesamten Volkswirtschaft ständig erhöht wird (§ 34 Abs. 3 Kombinats-VO 1973). Hieran anknüpfend wird die VVB im ökonomischen Lexikon (3. Aufl. 1979, Verlag Die Wirtschaft Berlin) als juristisch selbstständiges und ökonomisch eigenverantwortliches wirtschaftsleitendes Organ eines Industriezweiges definiert. Gemäß § 35 Abs. 1-VO 1973 ist die VVB rechtsfähig. Sie führt einen eigenen Namen und tritt unter diesem Namen im Rechtsverkehr auf. Sie ist einem Ministerium oder einem anderen zentralen Staatsorganen unterstellt. Über die Bildung, Auflösung und Zusammenlegung von VVB entscheidet der Ministerrat. Gemäß § 47 Abs. 3 Kombinats-VO 1973 hat die VVB ein Statut und ist in das Register der volkseigenen Wirtschaft einzutragen. Selbst wenn das VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung diese Voraussetzungen sinngemäß erfüllt, fehlt es an der Bezeichnung des Kombinates als VVB, denn die Kombinats-VO 1973 unterschied zwischen Kombinaten und VVB. Die Kombinats-VO 1979 hat diese Unterscheidung nicht aufgehoben, denn sie enthält Regelungen für Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigene Betriebe lässt dabei aber die Regelungen für die VVB, die in §§ 34 bis 47 der Kombinats-VO 1973 enthalten sind ausdrücklich bestehen. So wird das volkseigene Kombinat in § 1 Abs. 1 Satz 1 Kombinats-VO 1979 als grundlegende Wirtschaftseinheit der materiellen Produktion als eine moderne Form der Leitung und Organisation in Industrie und Bauwesen sowie weiteren Bereichen der Volkswirtschaft auf der Grundlage des einheitlichen staatlichen Volkeigentums beschrieben. § 34 der auch weiterhin geltenden Kombinats-VO 1973 stellt dagegen fest, dass der VVB als wirtschaftsleitendem Organ die volkeigenen Betriebe, Kombinate und Einrichtungen unterstellt sind. Hat also der maßgebliche letzte Sprachgebrauch der DDR zwischen VVB und Kombinaten unterschieden, so ist hieran anzuknüpfen.

Nach diesen Kriterien erweist sich der VE Kombinat Sekundärrohstofferfassung nicht als gleichgestellter Betrieb, denn er war kein VVB (vergleiche zur Abgrenzung der Kombinate von den Vereinigungen volkseigener Betriebe ausführlich: Wolfgang Gößmann, Die Kombinate in der DDR, Berlin 1987), auch wenn der Misserfolg der VVB der Grund für Kombinatsbildungen gewesen sein mag (so Gößmann, a. a. O., S. 34).

Da der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum 20. April 1988 keinen Anspruch auf die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem gegen die Beklagte hat, kann er auch keinen Anspruch auf Feststellung der in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte haben, denn die letztgenannte Feststellung setzt die erstgenannte voraus.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da das Bundessozialgericht zwar bereits entschieden hat, dass die später eingerichteten Kreisbetriebe für Landtechnik den in der 2. Durchführungsbestimmung genannten Maschinenausleihstationen und damit den volkseigenen Produktionsbetrieben nicht gleich zu stellen sind, eine entsprechende Entscheidung hinsichtlich der in der 2. Durchführungsbestimmung ebenfalls genannten Vereinigungen volkseigener Betriebe und den Kombinaten – soweit ersichtlich – jedoch noch nicht vorliegt. Folgt man den Gedanken von Gößmann zum Misserfolg der VVB als zumindest einer der wirtschaftlichen Ursachen der späteren Kombinatsbildungen, so ist ein nachvollziehbarer Grund für die versorgungsrechtliche Privilegierung der gescheiterten VVB nicht mehr ersichtlich. Die Anknüpfung an den – in der Sache überholten – Sprachgebrauch im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (s. o.) führt deshalb zu nicht minder schwer nachvollziehbaren Ergebnissen, wie die zu vermutende, heute aber nicht mehr beweisbare Staatspraxis der DDR, Einbeziehungen ohnehin ohne Bindung an die Voraussetzungen des jeweiligen Versorgungssystems vorzunehmen, was dann auch eine Überarbeitung der Einbeziehungsvoraussetzungen der Versorgungssysteme nach den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten der DDR überflüssig machte.
Rechtskraft
Aus
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