L 12 AS 5924/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 425/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5924/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Oktober 2009 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 27,95 EUR monatlich ab 1. Oktober 2008.

Der Kläger bezieht von der Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Zuletzt wurde ihm im Bewilligungsabschnitt von April bis September 2008 neben der Regelleistung ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen Neurodermitis in Höhe von 25,56 EUR monatlich gewährt.

Mit dem Weitergewährungsantrag legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung seines Hausarztes Dr. K. vom 8. September 2008 vor, wonach beim Kläger wegen Psoriasis eine vitalstoffreiche Vollwertkost notwendig sei. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 in Höhe der Regelleistung von 351 EUR. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung könne nicht gewährt werden, da das bescheinigte Krankheitsbild einen ernährungsbedingten Mehrbedarf nicht rechtfertige.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2009 zurück. Dem Kläger sei ursprünglich Neurodermitis attestiert worden, weshalb nach dem Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge ein Mehrbedarf in Höhe von 25,56 EUR festgelegt worden sei. In der neuen Bescheinigung sei vom behandelnden Arzt Psoriasis angegeben worden, was nach Beurteilung des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit nicht zu einem Mehrbedarf der Leistungen nach dem SGB II führe, da es sich lediglich um eine Schuppenflechte handele und sich insoweit offenbar eine Besserung im Gesundheitsbild ergeben habe.

Hiergegen richtet sich die am 13. Februar 2009 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Selbst wenn von einer Besserung des Gesundheitszustandes auszugehen sei, dienten die Leistungen für den Mehrbedarf auch dazu, drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zukünftig zu verhindern. Es sei dem Kläger nicht zuzumuten, eine erneute Verschlechterung seines Gesundheitszustandes hinzunehmen.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Die Hautärztin G. hat mit Schreiben vom 25. Juni 2009 eine fleischarme ausgewogene vollwertige Ernährung bei Psoriasis empfohlen. Der Hausarzt Dr. K. hat mit Schreiben vom 13. August 2009 mitgeteilt, dass bei dem Kläger Hyperlipidämie, Hypertonie, Hepatopathie und Psoriasis vorlägen; auch er empfiehlt eine fettarme rohkostreiche Vollwertkost.

Mit Urteil vom 22. Oktober 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Streitgegenstand des Verfahrens sei ausschließlich der Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2009. Der Bescheid vom 2. April 2009 betreffend den nachfolgenden Bewilligungsabschnitt sei nicht gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er weder den angefochtenen Bescheid abändere noch ersetze. Im hier streitigen Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 habe der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendig Ernährung. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, einen Mehrbedarf von angemessener Höhe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 15. April 2008 (- B 14/11 B AS 3/07 R -) klargestellt, dass die Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. im Regelfall zur Konkretisierung des angemessenen Mehrbedarfs herangezogen werden könnten. In den Empfehlungen mit Stand vom 1. Oktober 2008 sei bei einer Hauterkrankung in Form der Psoriasis keine spezielle Krankenkost vorgesehen. Gleiches gelte für die Erkrankungen Hyperlipidämie und Hepatopathie. Bei sämtlichen Erkrankungen sei nach den Auskünften der behandelnden Ärzte eine ausgewogene Vollkost angezeigt. Eine solche vollwertige Ernährung führe nicht zu einem erhöhten Ernährungsaufwand, weil der auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bemessene Regelsatz den für diese Ernährungsform notwendigen finanziellen Aufwand decke. Auch für den Fall, dass sich die Hauterkrankung wieder zu einer Neurodermitis verschlimmere, sei in den Empfehlungen keine besondere Kostform vorgesehen.

Gegen das seinem damaligen Bevollmächtigten am 18. November 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Dezember 2009 eingelegte Berufung des Klägers. Das BSG habe klargestellt, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins im Regelfall zur Konkretisierung des angemessenen Mehrbedarfs herangezogen worden könnten und darüber hinaus eine individuelle Beurteilung des Einzelfalls erfolgen solle. Das SG sei nur den Empfehlungen des Deutschen Vereins gefolgt, ohne die tatsächlichen Kosten für einen angemessenen Ernährungsmehraufwand zu prüfen und ohne sich ein exaktes Bild von den zusammenspielenden Einzelerkrankungen hinsichtlich eines Ernährungsmehrbedarfs zu machen. Erst im Oktober 2009 sei eine Histamin-Intoleranz festgestellt worden sowie eine genetisch bedingte Laktoseintoleranz. Darüber hinaus sei für jeden folgenden Leistungsabschnitt ein Bescheid der Beklagten mit vorläufiger Gültigkeit unter Hinweis auf das anhängige Verfahren erstellt worden. Der Anspruchszeitraum reiche daher vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2010. Es handele sich nicht um einen einmaligen Antrag auf Ernährungsmehraufwand, sondern um eine dauerhafte Leistung.

Der Kläger beantragt, teilweise sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2009 zu verurteilen, ihm monatlich weitere 27,95 EUR für ernährungsbedingten Mehraufwand zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil sei in der Sache nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist nicht statthaft (§ 143 SGG), da weder der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), noch die Berufung wiederkehrend oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Der Senat macht nach Anhörung der Beteiligten nach pflichtgemäßem Ermessen von der Möglichkeit Gebrauch, die unzulässige Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu verwerfen (§ 158 Satz 1 und 2 SGG).

Streitgegenstand ist allein die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Bewilligungsabschnitt 1. Oktober 2008 bis 31. März 2010. Für diesen Bewilligungsabschnitt hat der Kläger den geltend gemachten Mehrbedarf auf 167,70 EUR beziffert, entsprechend hat er auch seinen Klageantrag vor dem SG gefasst. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beläuft sich daher auf 167,70 EUR. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung ist nach § 202 SGG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung die Einlegung der Berufung (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 19 f.).

Im Hinblick auf den begrenzten Streitgegenstand eines sechsmonatigen Bewilligungszeitraumes sind auch nicht Leistungen von mehr als einem Jahr im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG streitig. Die Bewilligungsbescheide für die nachfolgenden Bewilligungsabschnitte ab 1. April 2009 bis zuletzt 30. September 2010 sind weder nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden noch im Wege einer Klageänderung in das Verfahren einzubeziehen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7 B AS 64/06 - SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Vorliegend ist bereits vom SG zutreffend verneint worden, dass der Bescheid für den nachfolgenden Bewilligungsabschnitt vom 2. April 2009 Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Insoweit sind auch die Voraussetzungen für eine gewillkürte Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG nicht gegeben, denn eine Änderung der Klage ist nach dieser Vorschrift nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Beklagte hat sich im Klageverfahren gegen die Einbeziehung des Bescheides vom 2. April 2009 ausgesprochen, die Klageänderung war auch nicht sachdienlich. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass der Bescheid vom 2. April 2009 (wie auch der nachfolgende Bewilligungsbescheid vom 21. September 2009) in Bezug auf den ernährungsbedingten Mehrbedarf ausdrücklich nur vorläufig erging. Die Beklagte hat insoweit auf das Klageverfahren verwiesen und sich bereit erklärt, den Bescheid abzuändern, sofern sich aus dem Klageverfahren ein anderweitiges Ergebnis ergeben sollte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das SG in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils die Berufung als zulässiges Rechtsmittel bezeichnet hat. Denn eine fehlerhafte Belehrung eröffnet nicht ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Breith. 78, 998). Ebenso liegt in der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung auch nicht die Zulassung der Berufung durch das SG (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 2. Juni 2004 - B 7 AL 10/04 B - (juris)).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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