Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 7309/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 2977/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. Mai 2006 hinaus.
Die am 1951 in Kroatien geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Nach einer ersten Einreise im September 1968 lebte sie nach zwischenzeitlichen Unterbrechungen zur Rückkehr ins Heimatland seit August 1978 durchgängig in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war sie nach ihren eigenen Angaben zunächst bis Juli 1976 als Kantinenhilfe beschäftigt, anschließend bis März 1995 als Arbeiterin in einer Brillenfabrik. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit von April 1995 bis Januar 1998 war sie bis Juni 1999 wiederum als Küchenhilfe beschäftigt. Anschließend war sie zunächst arbeitslos, ab 15. November 1999 arbeitsunfähig.
Auf den Rentenantrag vom 14. Februar 2001 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 9. April 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. September 2001 bis zunächst 31. August 2004. Dem lag ein neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. Schüssler vom 4. Oktober 2001 zugrunde. Dieser beschrieb insbesondere einen "derzeit noch mäßig ausgeprägten reaktiv akzentuierten depressiven Verstimmungszustand bei langfristig zurückreichenden Stimmungsschwankungen". Die Klägerin könne auch leichte Tätigkeiten nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Ein internistisches Gutachten von Dr. Silberberg vom 19. September 2001 ergab keine Einschränkung auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet. Im Rahmen eines ersten Weiterbewilligungsverfahrens ergaben sich wiederum keine orthopädisch oder internistisch bedingten Einschränkungen des Leistungsvermögens (Gutachten von Dr. H.-Z. vom 10. Mai 2004). Die Nervenärztin Dr. Saul beschrieb jedoch in ihrem Gutachten vom 24. Mai 2004 eine chronisch depressive Symptomatik, verstärkt durch den Tod des Ehemannes und andere biographische Belastungen, z.Z. in mittelschwerer Ausprägung. Das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liege bei drei bis unter sechs Stunden, in Richtung drei Stunden. Daraufhin gewährte die Beklagte die Rente bis 31. Mai 2006 weiter (Bescheid vom 26. Mai 2004).
Auf den im Dezember 2005 gestellten Weiterbewilligungsantrag ließ die Beklagte die Klägerin erneut nervenärztlich begutachten. In seinem Gutachten vom 21. März 2006 beschrieb der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. eine leichtgradig bis bestenfalls mittelgradig ausgeprägte Dysthymie bei primär histrionisch strukturierter Persönlichkeit, ein zervikales und lumbales Reizsyndrom mit Ausstrahlung in den linken Arm und ins linke Beine, jedoch ohne neurologisch fassbare Auffälligkeiten, eine zervikogene Cephalgie; ein Karpaltunnelsyndrom links sowie eine beginnende leichtgradige sensible Polyneuropathie. Leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Gehen oder Stehen ohne besondere geistig-psychische Belastungen, Zwangshaltungen sowie schweres Heben und Tragen seien der Klägerin mindestens sechsstündig zumutbar.
Mit Bescheid vom 24. April 2006 lehnte die Beklagte daraufhin die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. Oktober 2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, zu deren Begründung sie ausgeführt hat, sie leide an Depressionen, Nervosität, Schlaflosigkeit, Schwindel, Ohrensausen und Schwerhörigkeit beidseits. Desweiteren bestünden eine schwere Hüft-, Knie-und OSG-Arthrose beidseits, degenerative Veränderungen der gesamten Wirbelsäule, Nacken- und Schulterschmerzen, Kopfschmerzen, Zuckerkrankheit, hoher Blutdruck mit Herzbeschwerden und Herzrhythmusstörungen, rheumatische Beschwerden und Gichtanfälle. Wegen Herzrhythmusstörungen Lown IV sei sie in kardiologischer Behandlung. Sie sei daher insgesamt nicht mehr in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten.
Das SG hat die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Die Augenärztin Dr. A.-Br. und der behandelnde Orthopäde Dr. Ahrendt (Stellungnahmen vom 22. und 27. November 2006, Bl. 17/19 der SG-Akte) haben jeweils für ihr Fachgebiet keine Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin gesehen. Neurologe und Psychiater Dr. P. hat in seiner Stellungnahme vom 17. November 2006 u.a. eine Depression nach dem Tod des Ehemannes, eine ausgeprägte, therapieresistente, depressiv gefärbte Anpassungsstörung, eine Persönlichkeits- und Somatisierungsstörung beschrieben; auf absehbare Zeit sei keine berufliche Leistungsfähigkeit mehr gegeben. Wegen der Stellungnahme der Hausärztin Dr. I. wird auf Bl. 25 der SG-Akte verwiesen.
Das SG hat den Neurologen und Psychiater Dr. Pa. zum Sachverständigen bestellt, der in seinem Gutachten vom 2. Oktober 2007 folgende Diagnosen stellte: depressiv-ängstliche Anpassungsstörungen bei psychosozialer Belastungssituation; ängstlich vermeidende Persönlichkeit; Selbstwertproblematik; chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Cervikobrachialgien und Lumboischialgien linksbetont ohne funktionelle neurologische Ausfälle; Restless-legs-Syndrom. Dem Grunde nach sei die Klägerin von Seiten des neurologisch-psychiatrischen Fachgebietes noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Aufgrund der eingetretenen regressiven Symptom- und Einstellungsbildungen halte er vor Abforderung einer solchen Leistungsfähigkeit rehabilitative Maßnahmen, sowohl medizinisch und vor allem auch schwerpunktmäßig im Sinne von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, für erforderlich.
In der Zeit vom 21. Mai bis 18. Juni 2008 hat die Klägerin daraufhin eine stationäre Rehabilitation in der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie der Schlossklinik Bad Buchau absolviert. Im Entlassungsbericht vom 25. Juni 2008 sind eine mittelgradige depressive Episode, ein leichtgradiges HWS-LWS-Syndrom ohne radikuläre Symptomatik, ein Metabolisches Syndrom mit Adipositas, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie sowie eine gut eingestellte arterielle Hypertonie beschrieben; als Behandlungsergebnis für alle Gesundheitsstörungen mit Ausnahme des Metabolischen Syndroms "gebessert" angegeben worden. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Stehen oder Gehen seien der Klägerin mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechsstündig möglich. Das Erreichen des prognostizierten Leistungsbildes sei jedoch fraglich. Eine Wiederholungsbegutachtung nach sechs Monaten solle erfolgen. In der Epikrise ist ausgeführt worden, nach wie vor bestehe eine mittelgradige depressive Episode; eine Verbesserung der Störung sei nicht erzielt worden. Eine Prognose sei schwierig wegen der Interaktion der Motivation Therapie und Rente.
Mit Urteil vom 4. Juni 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Gestützt auf das Gutachten von Dr. Sch. und die Erhebungen von Dr. Pa. ist es zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sei nicht zu gewähren, da die Klägerin als ungelernte Arbeiterin keinen Berufsschutz genieße und somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne.
Gegen diese ihr am 9. Juni 2009 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 30. Juni 2009 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, zu deren Begründung sie ein Attest des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 9. Juli 2009 vorgelegt hat; auf Bl. 19 der Senatsakten wird insoweit Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Mai 2006 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist im Übrigen auf ihr bisheriges Vorbringen.
Der Senat hat ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. Fr. eingeholt, das dieser am 15. Juni 2010 erstattet hat. Der Sachverständige hat die psychiatrische Diagnose einer chronischen depressiven Verstimmung i.S.e. Dysthymia am Rande zur mittelschweren Ausprägung gestellt. Des Weiteren bestünden eine einseitige Hörminderung und eine Blutdruckerhöhung. Anforderungen an das selektive und Richtungshören, insbesondere Publikumsverkehr mit mehreren Sprechern, seien aufgrund der Hörstörung ausgeschlossen. Die Klägerin könne aber noch überwiegend im Sitzen ausgeübte leichte bis allenfalls mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten, wenn diese keine besonderen psychischen Belastungen, insbesondere keinen Zeitdruck, Akkord und Schichtarbeit, umfassten. Dieses Leistungsvermögen bestehe bereits seit Antragstellung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend verneint.
Maßgeblich für die Weitergewährung der ursprünglich befristeten Rente ist das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingefügt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 ( BGBl. I S. 1827)), da der Anspruch erst am 1. September 2001 entstanden ist (§§ 300 Abs. 2, 302b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ( SGB VI)). Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs. 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin berühren vorwiegend das nervenärztliche Fachgebiet, wobei es für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit in erster Linie nicht auf die gestellten Diagnosen ankommt, sondern die aus den Leiden resultierenden Funktionseinschränkungen. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden täglich nicht begründen. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat nach eigener Prüfung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen ist ergänzend lediglich auszuführen, dass deren Ergebnisse dieser Beurteilung der Leistungsfähigkeit bestätigt haben.
In Übereinstimmung mit Dr. Sch. stellt auch Dr. Fr. die Depressivität der Klägerin in den Mittelpunkt, die er noch als leichtgradig wertet, aber doch bereits am Rande einer mittelschweren Beeinträchtigung sieht. Diese Einschätzung deckt sich mit der von Dr. Sch. und nähert sich auch der im Rehabericht angenommenen Bewertung an. Allein nach Maßgabe der diagnostischen Checkliste für die depressive Episode ergab sich bei der Untersuchung durch Dr. Fr. eine nicht nur leichte, sondern bereits eine mittelschwere Depressivität. Allerdings verweist der Sachverständige in diesem Zusammenhang auf das Fehlen einer Anhedonie sowie den geschilderten Tagesablauf. Diesem kann kein Unvermögen der Klägerin entnommen werden, mit den verbliebenen Routineanforderungen des täglichen Lebens fertigzuwerden. Vielmehr zeigt der Tagesablauf, dass sie in der Lage ist, ihren Haushalt einschließlich kleinerer Einkäufe zu bewältigen. Hilfe erhält sie von der Tochter oder den Enkelkindern bei aufwändigeren Arbeiten wie Fensterputzen oder der Kehrwoche. Diese Feststellungen finden sich auch bereits im Gutachten von Dr. Pa ... Freude empfindet die Klägerin noch an kleineren Besorgungen in der Stadt und über die Enkelkinder, getrübt allerdings durch den dabei aufkommenden Gedanken an den verstorbenen Ehemann. Im Hinblick auf die von der Klägerin selbst geschilderte gute Beziehung zu ihren Angehörigen und insbesondere einer Freundin, mit der sie auch Gottesdienste besuche, schließt Dr. Fr. schlüssig einen relevanten sozialen Rückzug aus. Während der mehr als einstündigen Exploration bei Dr. Fr. kamen der Klägerin zweimal die Tränen; sie war jedoch jeweils in der Lage, sich zu fangen und das Gespräch weiterzuführen, ohne dass weitere Zeichen einer Affektlabilität zu Tage getreten wären. Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeiten einschließlich Konzentration und Gedächtnis wurden wie bereits bei Dr. Pa. nicht gefunden. Während der fast dreistündigen Begutachtung bei Dr. Fr. ließ die Klägerin in der Aufmerksamkeit nicht nach. Die Klägerin verfügt somit, wie von Dr. Fr. beschrieben, noch über ausreichende Kompensationsmechanismen, die trotz der bestehenden Depressivität eine Erwerbstätigkeit bei Beachtung qualitativer Einschränkungen noch erlauben. Auch Dr. Pa. hielt es für bemerkenswert, dass sie bezüglich der Alltagsgestaltung offensichtlich durchaus in der Lage ist, trotz aller geklagten Beschwerden ihren Haushalt zu führen. Der Sachverständige im sozialgerichtlichen Verfahren verweist insoweit darauf, dass die Klägerin einkaufen geht, kocht und im Familienkreis Kontakt hält. Nicht außer Acht gelassen werden darf des weiteren, dass die Klägerin im August 2007 und erneut im Jahr 2008 oder 2009 in der Lage war, in ihrem Heimatland Urlaub zu machen, ohne dass dort psychische Probleme aufgetreten wären. Besondere psychische Belastungen, insbesondere Zeitdruck, Schicht- oder Akkordarbeit, sind somit nicht mehr leidensgerecht. Unter Berücksichtigung dessen steht aber nach der überzeugenden Einschätzung von Dr. Fr. einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nichts entgegen. Dies entspricht im Ergebnis auch dem Abschlussbericht des Rehabilitationsverfahrens, der allerdings in der Bewertung der Leistungsfähigkeit den beschriebenen Kompensationsmechanismen ohnehin zu wenig Gewicht beimisst. Jedenfalls ist die dort angeregte Wiederholungsbegutachtung durch die Ermittlungen im Berufungsverfahren mit dem oben beschriebenen Ergebnis erfolgt.
Eine ausgeprägte Angststörung, wie von Dr. P. angegeben, konnte keiner der im Verlaufe des Verfahrens gutachtenden Fachärzte feststellen. Eine nähere Begründung lässt sich dem zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Attest von Dr. P. nicht entnehmen. Konkrete Funktionsbeeinträchtigungen, die sich hieraus ergeben sollten, werden nicht benannt. Die Alltagsbewältigung lässt ein aktives Vermeidungsverhalten nicht erkennen. Der Senat vermochte daher der Einschätzung von Dr. P. nicht zu folgen.
Auch die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen außerhalb des psychiatrischen Fachgebietes bedingen keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens bezogen auf leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der beschriebene Bluthochdruck ist ohne weiteres medikamentös zu behandeln und bedingt daher keine relevante Leistungseinschränkung. Dies ergibt sich aus dem im Wege des Urkundenbeweises zu verwertenden Gutachten von Dr. H.-Z. vom 10. Mai 2004. Relevante Änderungen sind insoweit weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Hörminderung bedingt nachvollziehbar qualitative Ausschlüsse, wie von Dr. Fr. beschrieben, nämlich keine Anforderungen an das Richtungs- und selektive Hören; ausgeschlossen ist mithin eine Tätigkeit mit Publikumsverkehr mit mehreren gleichzeitigen Sprechern.
Auf orthopädischem Fachgebiet ist das im Rehabericht vom 25. Juni 2008 beschriebene HWS-LWS-Syndrom zu beachten, das aber nur als leichtgradig gewertet wird. Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung durch Dr. Fr. fand sich insoweit lediglich ein positives Zeichen nach Lasègue links als Hinweis auf eine Beeinträchtigung im Bereich des Ischiasnervs. Motorische Ausfälle bestanden jedoch nicht. Die Extremitäten waren frei beweglich, Muskelatrophien nicht vorhanden. Die grobe Kraft war gut auslösbar. In Übereinstimmung mit den urkundsbeweislich verwerteten Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren hält auch Dr. Fr. für den Senat nachvollziehbar qualitative Ausschlüsse für ausreichend, um diesen Leiden der Klägerin gerecht zu werden. Die Beschränkung auf leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne Zwangshaltungen und schweres Heben und Tragen schließt eine Überlastung der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule aus. Dies entspricht auch dem im Rehabericht beschriebenen Leistungsbild.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht somit zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich eine körperlich leichte Tätigkeit überwiegend im Sitzen ohne Zwangshaltungen und schweres Heben und Tragen sowie ohne besondere psychische Belastungen wie Zeitdruck, Schicht- oder Akkordarbeit und ohne Anforderungen an das selektive oder Richtungshören zu verrichten. Diese Einschränkungen sind weder ihrer Art nach noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. Mai 2006 hinaus.
Die am 1951 in Kroatien geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Nach einer ersten Einreise im September 1968 lebte sie nach zwischenzeitlichen Unterbrechungen zur Rückkehr ins Heimatland seit August 1978 durchgängig in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war sie nach ihren eigenen Angaben zunächst bis Juli 1976 als Kantinenhilfe beschäftigt, anschließend bis März 1995 als Arbeiterin in einer Brillenfabrik. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit von April 1995 bis Januar 1998 war sie bis Juni 1999 wiederum als Küchenhilfe beschäftigt. Anschließend war sie zunächst arbeitslos, ab 15. November 1999 arbeitsunfähig.
Auf den Rentenantrag vom 14. Februar 2001 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 9. April 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. September 2001 bis zunächst 31. August 2004. Dem lag ein neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. Schüssler vom 4. Oktober 2001 zugrunde. Dieser beschrieb insbesondere einen "derzeit noch mäßig ausgeprägten reaktiv akzentuierten depressiven Verstimmungszustand bei langfristig zurückreichenden Stimmungsschwankungen". Die Klägerin könne auch leichte Tätigkeiten nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Ein internistisches Gutachten von Dr. Silberberg vom 19. September 2001 ergab keine Einschränkung auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet. Im Rahmen eines ersten Weiterbewilligungsverfahrens ergaben sich wiederum keine orthopädisch oder internistisch bedingten Einschränkungen des Leistungsvermögens (Gutachten von Dr. H.-Z. vom 10. Mai 2004). Die Nervenärztin Dr. Saul beschrieb jedoch in ihrem Gutachten vom 24. Mai 2004 eine chronisch depressive Symptomatik, verstärkt durch den Tod des Ehemannes und andere biographische Belastungen, z.Z. in mittelschwerer Ausprägung. Das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liege bei drei bis unter sechs Stunden, in Richtung drei Stunden. Daraufhin gewährte die Beklagte die Rente bis 31. Mai 2006 weiter (Bescheid vom 26. Mai 2004).
Auf den im Dezember 2005 gestellten Weiterbewilligungsantrag ließ die Beklagte die Klägerin erneut nervenärztlich begutachten. In seinem Gutachten vom 21. März 2006 beschrieb der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. eine leichtgradig bis bestenfalls mittelgradig ausgeprägte Dysthymie bei primär histrionisch strukturierter Persönlichkeit, ein zervikales und lumbales Reizsyndrom mit Ausstrahlung in den linken Arm und ins linke Beine, jedoch ohne neurologisch fassbare Auffälligkeiten, eine zervikogene Cephalgie; ein Karpaltunnelsyndrom links sowie eine beginnende leichtgradige sensible Polyneuropathie. Leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Gehen oder Stehen ohne besondere geistig-psychische Belastungen, Zwangshaltungen sowie schweres Heben und Tragen seien der Klägerin mindestens sechsstündig zumutbar.
Mit Bescheid vom 24. April 2006 lehnte die Beklagte daraufhin die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. Oktober 2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, zu deren Begründung sie ausgeführt hat, sie leide an Depressionen, Nervosität, Schlaflosigkeit, Schwindel, Ohrensausen und Schwerhörigkeit beidseits. Desweiteren bestünden eine schwere Hüft-, Knie-und OSG-Arthrose beidseits, degenerative Veränderungen der gesamten Wirbelsäule, Nacken- und Schulterschmerzen, Kopfschmerzen, Zuckerkrankheit, hoher Blutdruck mit Herzbeschwerden und Herzrhythmusstörungen, rheumatische Beschwerden und Gichtanfälle. Wegen Herzrhythmusstörungen Lown IV sei sie in kardiologischer Behandlung. Sie sei daher insgesamt nicht mehr in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten.
Das SG hat die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Die Augenärztin Dr. A.-Br. und der behandelnde Orthopäde Dr. Ahrendt (Stellungnahmen vom 22. und 27. November 2006, Bl. 17/19 der SG-Akte) haben jeweils für ihr Fachgebiet keine Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin gesehen. Neurologe und Psychiater Dr. P. hat in seiner Stellungnahme vom 17. November 2006 u.a. eine Depression nach dem Tod des Ehemannes, eine ausgeprägte, therapieresistente, depressiv gefärbte Anpassungsstörung, eine Persönlichkeits- und Somatisierungsstörung beschrieben; auf absehbare Zeit sei keine berufliche Leistungsfähigkeit mehr gegeben. Wegen der Stellungnahme der Hausärztin Dr. I. wird auf Bl. 25 der SG-Akte verwiesen.
Das SG hat den Neurologen und Psychiater Dr. Pa. zum Sachverständigen bestellt, der in seinem Gutachten vom 2. Oktober 2007 folgende Diagnosen stellte: depressiv-ängstliche Anpassungsstörungen bei psychosozialer Belastungssituation; ängstlich vermeidende Persönlichkeit; Selbstwertproblematik; chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Cervikobrachialgien und Lumboischialgien linksbetont ohne funktionelle neurologische Ausfälle; Restless-legs-Syndrom. Dem Grunde nach sei die Klägerin von Seiten des neurologisch-psychiatrischen Fachgebietes noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Aufgrund der eingetretenen regressiven Symptom- und Einstellungsbildungen halte er vor Abforderung einer solchen Leistungsfähigkeit rehabilitative Maßnahmen, sowohl medizinisch und vor allem auch schwerpunktmäßig im Sinne von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, für erforderlich.
In der Zeit vom 21. Mai bis 18. Juni 2008 hat die Klägerin daraufhin eine stationäre Rehabilitation in der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie der Schlossklinik Bad Buchau absolviert. Im Entlassungsbericht vom 25. Juni 2008 sind eine mittelgradige depressive Episode, ein leichtgradiges HWS-LWS-Syndrom ohne radikuläre Symptomatik, ein Metabolisches Syndrom mit Adipositas, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie sowie eine gut eingestellte arterielle Hypertonie beschrieben; als Behandlungsergebnis für alle Gesundheitsstörungen mit Ausnahme des Metabolischen Syndroms "gebessert" angegeben worden. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Stehen oder Gehen seien der Klägerin mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechsstündig möglich. Das Erreichen des prognostizierten Leistungsbildes sei jedoch fraglich. Eine Wiederholungsbegutachtung nach sechs Monaten solle erfolgen. In der Epikrise ist ausgeführt worden, nach wie vor bestehe eine mittelgradige depressive Episode; eine Verbesserung der Störung sei nicht erzielt worden. Eine Prognose sei schwierig wegen der Interaktion der Motivation Therapie und Rente.
Mit Urteil vom 4. Juni 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Gestützt auf das Gutachten von Dr. Sch. und die Erhebungen von Dr. Pa. ist es zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sei nicht zu gewähren, da die Klägerin als ungelernte Arbeiterin keinen Berufsschutz genieße und somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne.
Gegen diese ihr am 9. Juni 2009 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 30. Juni 2009 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, zu deren Begründung sie ein Attest des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 9. Juli 2009 vorgelegt hat; auf Bl. 19 der Senatsakten wird insoweit Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Mai 2006 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist im Übrigen auf ihr bisheriges Vorbringen.
Der Senat hat ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. Fr. eingeholt, das dieser am 15. Juni 2010 erstattet hat. Der Sachverständige hat die psychiatrische Diagnose einer chronischen depressiven Verstimmung i.S.e. Dysthymia am Rande zur mittelschweren Ausprägung gestellt. Des Weiteren bestünden eine einseitige Hörminderung und eine Blutdruckerhöhung. Anforderungen an das selektive und Richtungshören, insbesondere Publikumsverkehr mit mehreren Sprechern, seien aufgrund der Hörstörung ausgeschlossen. Die Klägerin könne aber noch überwiegend im Sitzen ausgeübte leichte bis allenfalls mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten, wenn diese keine besonderen psychischen Belastungen, insbesondere keinen Zeitdruck, Akkord und Schichtarbeit, umfassten. Dieses Leistungsvermögen bestehe bereits seit Antragstellung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend verneint.
Maßgeblich für die Weitergewährung der ursprünglich befristeten Rente ist das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingefügt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 ( BGBl. I S. 1827)), da der Anspruch erst am 1. September 2001 entstanden ist (§§ 300 Abs. 2, 302b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ( SGB VI)). Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs. 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin berühren vorwiegend das nervenärztliche Fachgebiet, wobei es für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit in erster Linie nicht auf die gestellten Diagnosen ankommt, sondern die aus den Leiden resultierenden Funktionseinschränkungen. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden täglich nicht begründen. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat nach eigener Prüfung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen ist ergänzend lediglich auszuführen, dass deren Ergebnisse dieser Beurteilung der Leistungsfähigkeit bestätigt haben.
In Übereinstimmung mit Dr. Sch. stellt auch Dr. Fr. die Depressivität der Klägerin in den Mittelpunkt, die er noch als leichtgradig wertet, aber doch bereits am Rande einer mittelschweren Beeinträchtigung sieht. Diese Einschätzung deckt sich mit der von Dr. Sch. und nähert sich auch der im Rehabericht angenommenen Bewertung an. Allein nach Maßgabe der diagnostischen Checkliste für die depressive Episode ergab sich bei der Untersuchung durch Dr. Fr. eine nicht nur leichte, sondern bereits eine mittelschwere Depressivität. Allerdings verweist der Sachverständige in diesem Zusammenhang auf das Fehlen einer Anhedonie sowie den geschilderten Tagesablauf. Diesem kann kein Unvermögen der Klägerin entnommen werden, mit den verbliebenen Routineanforderungen des täglichen Lebens fertigzuwerden. Vielmehr zeigt der Tagesablauf, dass sie in der Lage ist, ihren Haushalt einschließlich kleinerer Einkäufe zu bewältigen. Hilfe erhält sie von der Tochter oder den Enkelkindern bei aufwändigeren Arbeiten wie Fensterputzen oder der Kehrwoche. Diese Feststellungen finden sich auch bereits im Gutachten von Dr. Pa ... Freude empfindet die Klägerin noch an kleineren Besorgungen in der Stadt und über die Enkelkinder, getrübt allerdings durch den dabei aufkommenden Gedanken an den verstorbenen Ehemann. Im Hinblick auf die von der Klägerin selbst geschilderte gute Beziehung zu ihren Angehörigen und insbesondere einer Freundin, mit der sie auch Gottesdienste besuche, schließt Dr. Fr. schlüssig einen relevanten sozialen Rückzug aus. Während der mehr als einstündigen Exploration bei Dr. Fr. kamen der Klägerin zweimal die Tränen; sie war jedoch jeweils in der Lage, sich zu fangen und das Gespräch weiterzuführen, ohne dass weitere Zeichen einer Affektlabilität zu Tage getreten wären. Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeiten einschließlich Konzentration und Gedächtnis wurden wie bereits bei Dr. Pa. nicht gefunden. Während der fast dreistündigen Begutachtung bei Dr. Fr. ließ die Klägerin in der Aufmerksamkeit nicht nach. Die Klägerin verfügt somit, wie von Dr. Fr. beschrieben, noch über ausreichende Kompensationsmechanismen, die trotz der bestehenden Depressivität eine Erwerbstätigkeit bei Beachtung qualitativer Einschränkungen noch erlauben. Auch Dr. Pa. hielt es für bemerkenswert, dass sie bezüglich der Alltagsgestaltung offensichtlich durchaus in der Lage ist, trotz aller geklagten Beschwerden ihren Haushalt zu führen. Der Sachverständige im sozialgerichtlichen Verfahren verweist insoweit darauf, dass die Klägerin einkaufen geht, kocht und im Familienkreis Kontakt hält. Nicht außer Acht gelassen werden darf des weiteren, dass die Klägerin im August 2007 und erneut im Jahr 2008 oder 2009 in der Lage war, in ihrem Heimatland Urlaub zu machen, ohne dass dort psychische Probleme aufgetreten wären. Besondere psychische Belastungen, insbesondere Zeitdruck, Schicht- oder Akkordarbeit, sind somit nicht mehr leidensgerecht. Unter Berücksichtigung dessen steht aber nach der überzeugenden Einschätzung von Dr. Fr. einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nichts entgegen. Dies entspricht im Ergebnis auch dem Abschlussbericht des Rehabilitationsverfahrens, der allerdings in der Bewertung der Leistungsfähigkeit den beschriebenen Kompensationsmechanismen ohnehin zu wenig Gewicht beimisst. Jedenfalls ist die dort angeregte Wiederholungsbegutachtung durch die Ermittlungen im Berufungsverfahren mit dem oben beschriebenen Ergebnis erfolgt.
Eine ausgeprägte Angststörung, wie von Dr. P. angegeben, konnte keiner der im Verlaufe des Verfahrens gutachtenden Fachärzte feststellen. Eine nähere Begründung lässt sich dem zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Attest von Dr. P. nicht entnehmen. Konkrete Funktionsbeeinträchtigungen, die sich hieraus ergeben sollten, werden nicht benannt. Die Alltagsbewältigung lässt ein aktives Vermeidungsverhalten nicht erkennen. Der Senat vermochte daher der Einschätzung von Dr. P. nicht zu folgen.
Auch die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen außerhalb des psychiatrischen Fachgebietes bedingen keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens bezogen auf leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der beschriebene Bluthochdruck ist ohne weiteres medikamentös zu behandeln und bedingt daher keine relevante Leistungseinschränkung. Dies ergibt sich aus dem im Wege des Urkundenbeweises zu verwertenden Gutachten von Dr. H.-Z. vom 10. Mai 2004. Relevante Änderungen sind insoweit weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Hörminderung bedingt nachvollziehbar qualitative Ausschlüsse, wie von Dr. Fr. beschrieben, nämlich keine Anforderungen an das Richtungs- und selektive Hören; ausgeschlossen ist mithin eine Tätigkeit mit Publikumsverkehr mit mehreren gleichzeitigen Sprechern.
Auf orthopädischem Fachgebiet ist das im Rehabericht vom 25. Juni 2008 beschriebene HWS-LWS-Syndrom zu beachten, das aber nur als leichtgradig gewertet wird. Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung durch Dr. Fr. fand sich insoweit lediglich ein positives Zeichen nach Lasègue links als Hinweis auf eine Beeinträchtigung im Bereich des Ischiasnervs. Motorische Ausfälle bestanden jedoch nicht. Die Extremitäten waren frei beweglich, Muskelatrophien nicht vorhanden. Die grobe Kraft war gut auslösbar. In Übereinstimmung mit den urkundsbeweislich verwerteten Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren hält auch Dr. Fr. für den Senat nachvollziehbar qualitative Ausschlüsse für ausreichend, um diesen Leiden der Klägerin gerecht zu werden. Die Beschränkung auf leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne Zwangshaltungen und schweres Heben und Tragen schließt eine Überlastung der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule aus. Dies entspricht auch dem im Rehabericht beschriebenen Leistungsbild.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht somit zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich eine körperlich leichte Tätigkeit überwiegend im Sitzen ohne Zwangshaltungen und schweres Heben und Tragen sowie ohne besondere psychische Belastungen wie Zeitdruck, Schicht- oder Akkordarbeit und ohne Anforderungen an das selektive oder Richtungshören zu verrichten. Diese Einschränkungen sind weder ihrer Art nach noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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