Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 SO 1016/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 117/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2010 wie folgt gefasst wird:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die ungedeckten Pflegeheimkosten der Antragstellerin für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis zum 31. Mai 2010 in Höhe von 12.533,85 Euro vorläufig als Darlehen gegen Bestellung einer Sicherungsgrundschuld in entsprechender Höhe im Grundbuch von S Blatt (Eigentumswohnung der Antragstellerin in B, H Weg ) zu übernehmen.
Der Antragsgegner trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin des Beschwerdeverfahrens.
Tatbestand:
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebenten Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Die 1949 geborene Antragstellerin leidet an einer Demenzerkrankung. Mit ärztlichem Kurzbericht vom 8. Juli 2008 über eine stationäre Behandlung vom 16. bis 30. Mai 2008 hatten die Ärzte der Kliniken im T-W-Werk bei ihr ein mittelschweres dementielles Syndrom vom Alzheimer Typ mit frühem Beginn diagnostiziert und ausgeführt, dass eine Entlassung in die häusliche Umgebung erfolge, "welche zurzeit noch gerade möglich erscheine". Mit dem Sohn sei über eine mögliche Betreuung und die weitere nötige Pflegeplanung beraten worden. In dem Bericht heißt es weiter, bei der Patientin bestünden Unsicherheiten zu näheren Angaben zu Ort und Zeit, die Konzentration sei mangelhaft, die Merkfähigkeit deutlich gestört, das Gedächtnis beeinträchtigt, das formale Denken zum Teil wenig strukturiert, es bestünden formale Denkstörungen (Perseveration). Der Rentenversicherungsträger (DRV) erkannte daraufhin in Übereinstimmung mit der behandelnden Ärztin ein aufgrund der Alzheimer-Demenz ab Januar 2007 auf Dauer aufgehobenes Restleistungsvermögen an und gewährte der Antragstellerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 988,48 EUR monatlich. Ferner erhält die Antragstellerin eine Rente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Höhe von 165,07 EUR monatlich. Für die Antragstellerin war seit dem 30. Juni 2009 das Vorliegen der Pflegestufe II (monatliche Pflegekassenleistung von 1279,00 EUR) und seit dem 1. Februar 2010 das Vorliegen der Pflegestufe III (monatliche Pflegekassenleistungen von 1510,00 EUR) anerkannt. Seit dem 14. Juli 2009 steht die Antragstellerin unter gesetzlicher Betreuung (Wirkungskreis Wahrnehmung der Vermögens-und Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Wahrnehmung der Rechte bei einer Heilbehandlung sowie Vertretung gegenüber Behörden und der Post).
Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer im Jahr 2000 zum Kaufpreis von 127.691,00 DM (65.287,37 EUR) erworbenen Eigentumswohnung im HW B. Eine im Grundbuch zu Gunsten der Commerzbank AG eingetragene Grundschuld mit dem Nennbetrag von 69.024,40 EUR valutierte am 11. Juli 2007 noch in Höhe von 25.564,59 EUR. Am 7. August 2008 wurde das der Grundschuld zu Grunde liegende Darlehen durch Einzahlungen in Höhe von 14.825,32 EUR und 95,80 EUR weiter abgelöst. Nach Angaben des Sohnes und Betreuers der Antragstellerin im Sozialhilfeantrag ist das Darlehen bei der Commerzbank vollständig abgelöst. Am 26. Oktober 2009 meldete sich die Tochter der Antragstellerin rückwirkend zum 1. April 2009 polizeilich mit einem zusätzlichen Wohnsitz in der Eigentumswohnung der Antragstellerin an.
Am 13. Mai 2009 wurde dem Girokonto der Antragstellerin eine Rentennachzahlung der DRV über 10.519,08 EUR, am 9. Juni 2009 eine Rentennachzahlung der VBL in Höhe von 4.372,53 EUR gutgeschrieben. In der Zeit vom 09. April bis 10. Juni 2009 wurden vom Konto der Antragstellerin insgesamt 15.100 EUR abgehoben bzw. auf die Konten des Vaters und des Sohnes der Antragstellerin jeweils mit dem Verwendungszweck "Darlehensrückzahlung" überwiesen (Abhebungen am Geldautomaten in Höhe von 9.100,00 EUR, Überweisungen in Höhe von 6.000,00 EUR). Am 1. Juli 2009 betrug der Kontostand 1.908,90 EUR.
Am 30. Juni 2009 wurde die Antragstellerin in einem Pflegeheim aufgenommen, für das tägliche Heimkosten in Höhe von 112,27 EUR beziehungsweise seit Februar 2010 in Höhe von 124,81 EUR anfallen. Der Sohn und Betreuer der Antragstellerin beantragte am 23. Juli 2009 beim Antragsgegner die Übernahme der ungedeckten Kosten. Im Verwaltungsverfahren legte er einen mit 7.08.2008 datierten "Darlehensvertrag" zwischen der Antragstellerin als Darlehensnehmer und ihren Eltern als Darlehensgeber über 15.000 Euro vor. In dem Vertrag werden ferner insgesamt 41.500,00 Euro als weitere "aufgelaufene, noch rückzuzahlende Darlehen" und ein Darlehensgesamtbetrag von 56.700 Euro angegeben. Beigefügt war ein "Darlehens-Tilgungsplan", demzufolge am 10. Juli 2009 noch eine Restschuld von 49.160,18 EUR bestand.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 3. Juni 2010 die Übernahme der ungedeckten Pflegeheimkosten für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31.8.2010 als Darlehen und lehnte gleichzeitig die Übernahme der Kosten für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis zum 31. Mai 2010 mit der Begründung ab, die Antragstellerin habe in der Zeit vom 9. April 2009 bis zum 10. Juni 2009 Vermögen in Höhe von 15.100 EUR verschenkt. Privatrechtliche Schulden könnten nicht anerkannt werden, da die Antragstellerin vorrangig ihren Lebensunterhalt in der Einrichtung sicherstellen müsse.
Am 4. Mai 2010 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme der ungedeckten Pflegeheimkosten beantragt. Diesem Antrag gab das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss statt. Zwar sei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu klären, ob die Antragstellerin einen Anspruch nach § 61 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) habe oder ob ein solcher wegen absichtlicher Herbeiführung der Sozialhilfebedürftigkeit oder aufgrund bestehender Rückforderungsansprüche als verarmter Schenker gegenüber ihrem Vater und ihrem Sohn ausgeschlossen sei, die Verpflichtung des Antragsgegners sei aber aufgrund einer Folgenabwägung vorzunehmen. Das erforderliche Eilbedürfnis liege vor, weil der Heimträger für den Fall der Nichtbegleichung der rückständigen Pflegeheimkosten bereits die Kündigung des Pflegeheimvertrages angedroht habe.
Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss am 5. Juli 2010 Beschwerde eingelegt, mit der er geltend macht, dass eine Leistungspflicht wegen absichtlicher Herbeiführung der Sozialhilfebedürftigkeit durch das unmittelbar vor der Heimaufnahme durch den Vater und Sohn der Antragstellerin erfolgte Leerräumen des Kontos der Antragstellerin bis zur Vermögensschongrenze nicht bestehe. Das Bestehen privater Schulden sei schon nicht hinreichend nachgewiesen und selbst wenn diese unterstellt würden, sei die Antragstellerin verpflichtet gewesen, ihr Geld für ihren Lebensunterhalt und nicht zur Begleichung von Schulden einzusetzen. Da die Antragstellerin eine Eigentumswohnung besitze, könnten bereite Mittel kurzfristig durch eine Bankanleihe zur Verfügung gestellt werden, auch könne das Heim seine Zahlungsansprüche durch einen Eintrag ins Grundbuch und evtl. Verwertung der Wohnung sichern, ein Grund zur fristlosen Kündigung bestehe nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und des Rentenversicherungsträgers (Az.: 25 140549S518), die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner im Ergebnis zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, darlehensweise die ungedeckten Pflegeheimkosten der Antragstellerin für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis 31. Mai 2010 zu übernehmen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf vorläufige Leistung im Wege der Darlehensgewährung hinreichend glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin gehört unstreitig zum Personenkreis der Leistungsberechtigte nach § 61 SGB XII und kann die Kosten der für sie erforderlichen Pflege nicht aus ihren eigenen Einnahmen bestreiten. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Die Antragstellerin verfügt jedoch über verwertbares Vermögen in Form ihrer - dinglich nicht belasteten - Eigentumswohnung, die nach den vom Sohn der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Immobilienangeboten vergleichbarer Wohnungen einen Verkehrswert von mindestens 50.000 Euro haben dürfte. Dieses Vermögen hat die Antragstellerin gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII vor einer Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers einzusetzen. Der Umstand, dass die Tochter der Antragstellerin diese Wohnung eigenen Angaben zufolge seit April 2009 bewohnt, steht einer Verwertung der Wohnung nicht entgegen, ein Härtefall nach § 90 Abs. 3 SGB XII, der dem Einsatz der Wohnung entgegenstehen könnte, ist nicht erkennbar.
Allerdings duldet der Bedarf der Antragstellerin nicht so lange Aufschub, wie die Veräußerung einer Eigentumswohnung beansprucht. Die vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren als vorrangige Maßnahme der Selbsthilfe benannte Belastung der Wohnung mit einem – dinglich gesicherten - Bankkredit scheidet als unrealistisch aus und wäre, selbst wenn sich eine Bank fände, die einer pflegebedürftigen Demenzkranken einen Kredit gewähren würde, jedenfalls nicht kurzfristig zu realisieren. Die Antragstellerin hat daher vorläufig gemäß § 91 SGB XII einen Anspruch auf eine darlehensweise Leistungsgewährung. Gemäß § 91 Satz 1 SGB XII soll Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden, soweit – wie hier - die sofortige Verwertung eines nach § 90 SGB XII einzusetzenden Vermögens nicht möglich ist.
Im Hinblick auf das aktenkundigen Vorgehen des Sohnes und Betreuers der Antragstellerin war die Leistungserbringung bereits im Beschluss des Senats entsprechend § 91 Satz 2 SGB XII davon abhängig zu machen, dass der Anspruch des Antragsgegners auf Rückzahlung des Darlehens dinglich gesichert wird (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 921 Satz 2 ZPO). Aufgrund des Vorgehens der Familie der Antragstellerin besteht nämlich die Befürchtung, dass diese alles daran setzen werde, das vorhandene Vermögen der Antragstellerin einem Zugriff des Antragsgegners zu entziehen. Hierfür spricht zum einen, dass noch im August 2008 mit einer seit Januar 2007 an Alzheimer erkrankten dementen Person ein so genannter Darlehensvertrag geschlossen wurde, wobei nach den aktenkundigen ärztlichen Feststellungen viel dafür spricht, dass eine Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben war, so dass eine Rückzahlungsverpflichtung zu diesem Zeitpunkt wirksam nicht mehr begründet werden konnte. Für die genannte Befürchtung sprechen ferner in erster Linie auch die nicht unbeträchtlichen Abhebungen vom Konto der Antragstellerin zu einem Zeitpunkt, zu dem eine kostenträchtige Pflege der Antragstellerin aufgrund der Entwicklung ihrer Erkrankung bereits abzusehen war. Insoweit wird der Antragsgegner einen Anspruch gegen den Sohn der Antragstellerin auf Kostenersatz gemäß § 103 SGB XII zu prüfen haben. Ferner spricht hierfür die irrige Annahme des Betreuers der Antragstellerin, dass dinglich nicht gesicherte Darlehensforderungen bei einer etwaigen Verwertung der Eigentumswohnung der Antragstellerin vorrangig vor Ansprüchen des Sozialhilfeträgers auf Darlehensrückzahlung zu befriedigen wären sowie dessen Ausführungen zur angeblichen Unverwertbarkeit der Eigentumswohnung sowie der Versuch, eine Verwertbarkeit der Wohnung durch die rückwirkende polizeiliche Anmeldung der Tochter der Antragstellerin als erschwert erscheinen zu lassen.
Der – vorläufige – Anspruch der Antragstellerin scheitert nicht am Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe. Zwar erhält nach § 2 Abs. 1 SGB XII Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen erhält. Dabei muss sich der Hilfesuchende auch auf künftige Möglichkeiten zur Bedarfsdeckung verweisen lassen, soweit sie in angemessener Frist zu verwirklichen sind. Es wäre mit dem Nachranggrundsatz nicht zu vereinbaren, wenn der Einzelne sich ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, seinen Bedarf von dritter Seite zu befriedigen, an den Träger der Sozialhilfe mit der Bitte um Hilfe wenden könnte, um diesem auch dann die Durchsetzung seiner Ansprüche zu überlassen, wenn er selbst bei rechtzeitigem Tätigwerden eine Deckung seines Bedarfs hätte erreichen können (OVG Hamburg, Beschluss vom 5. April 1995 , FamRZ 1995, 1453f.; 28. April 1989, FEVS 39, 148, 149; Beschluss vom 22. Februar 1995 - Bs IV 256/94 -, JURIS). Insoweit ist die Realisierung von Leistungsverpflichtungen Dritter eine Möglichkeit der Selbsthilfe, deren Einsatz vom Sozialhilfeträger gefordert werden kann, bevor ein Anspruch auf Sozialhilfe entsteht (OVG Hamburg, Beschluss vom 22. Februar 1995, a.a.O.; VGH Kassel, Beschluss vom 31. August 1992, NVwZ-RR 1993 S. 307). Ein Rechtsanspruch auf Hilfe durch einen Dritten – hier ein denkbarer bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch gegen den Vater oder den Sohn der Antragstellerin - steht einem Sozialhilfeanspruch jedoch nur dann entgegen, wenn der Anspruch rechtzeitig durchzusetzen ist, d.h. wenn seine Verwirklichung umgehend möglich scheint und es sich deshalb um ein bereites Mittel der Selbsthilfe handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1993, Buchholz 436.0 § 2 Nr. 16; OVG Hamburg, Beschlüsse vom 22. Februar 1995 und vom 28. April 1989, a.a.O. - dort jeweils zu Unterhaltsansprüchen -; VGH Kassel, Beschluss vom 31. August 1992, a.a.O.). Ist eine solche rechtzeitige Realisierung etwaiger Ansprüche gegen Dritte – so wie im vorliegenden Fall - nicht möglich, kommt die Überleitung dieses Anspruches auf den Träger der Sozialhilfe nach § 93 SGB XII in Betracht.
Eine Versagung der Hilfe im Hinblick auf eine vorsätzliche Herbeiführung der Sozialhilfebedürftigkeit kommt nicht in Betracht. Insoweit sieht das Gesetz gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII lediglich vor, die Hilfe auf das bis zum Lebensunterhalt Unerlässliche einzuschränken, wenn Leistungsberechtigte nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistung herbeizuführen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, brauchte vom Senat nicht entschieden zu werden, denn eine Aufrechnung ist gemäß § 26 Abs. 4 SGB XII zwingend ausgeschlossen, soweit dadurch der Gesundheit dienende Leistungen – wie vorliegend die Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff SGB XII – gefährdet werden. Insoweit hat der Antragsgegner im vorliegenden Fall ausschließlich die Möglichkeit des Kostenersatzes bei schuldhaftem Verhalten nach § 103 SGB XII.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund, die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (§ 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG), glaubhaft gemacht. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen, die weiterhin Bestand haben. Anhaltspunkte dafür, dass das Pflegeheim von seinem fristlosen Kündigungsrecht nach § 18 Abs. 4 des vorgelegten Heimvertrages entgegen der schriftlichen Androhung keinen Gebrauch machen werde, sind nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Antragsgegner mit seiner Beschwerde weit überwiegend unterlegen ist und der Senat lediglich die für den Antragsgegner bestehende Möglichkeit, die Darlehensgewährung von einer dinglichen Sicherung abhängig zu machen, in den Beschlusstenor aufgenommen hat.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die ungedeckten Pflegeheimkosten der Antragstellerin für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis zum 31. Mai 2010 in Höhe von 12.533,85 Euro vorläufig als Darlehen gegen Bestellung einer Sicherungsgrundschuld in entsprechender Höhe im Grundbuch von S Blatt (Eigentumswohnung der Antragstellerin in B, H Weg ) zu übernehmen.
Der Antragsgegner trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin des Beschwerdeverfahrens.
Tatbestand:
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebenten Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Die 1949 geborene Antragstellerin leidet an einer Demenzerkrankung. Mit ärztlichem Kurzbericht vom 8. Juli 2008 über eine stationäre Behandlung vom 16. bis 30. Mai 2008 hatten die Ärzte der Kliniken im T-W-Werk bei ihr ein mittelschweres dementielles Syndrom vom Alzheimer Typ mit frühem Beginn diagnostiziert und ausgeführt, dass eine Entlassung in die häusliche Umgebung erfolge, "welche zurzeit noch gerade möglich erscheine". Mit dem Sohn sei über eine mögliche Betreuung und die weitere nötige Pflegeplanung beraten worden. In dem Bericht heißt es weiter, bei der Patientin bestünden Unsicherheiten zu näheren Angaben zu Ort und Zeit, die Konzentration sei mangelhaft, die Merkfähigkeit deutlich gestört, das Gedächtnis beeinträchtigt, das formale Denken zum Teil wenig strukturiert, es bestünden formale Denkstörungen (Perseveration). Der Rentenversicherungsträger (DRV) erkannte daraufhin in Übereinstimmung mit der behandelnden Ärztin ein aufgrund der Alzheimer-Demenz ab Januar 2007 auf Dauer aufgehobenes Restleistungsvermögen an und gewährte der Antragstellerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 988,48 EUR monatlich. Ferner erhält die Antragstellerin eine Rente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Höhe von 165,07 EUR monatlich. Für die Antragstellerin war seit dem 30. Juni 2009 das Vorliegen der Pflegestufe II (monatliche Pflegekassenleistung von 1279,00 EUR) und seit dem 1. Februar 2010 das Vorliegen der Pflegestufe III (monatliche Pflegekassenleistungen von 1510,00 EUR) anerkannt. Seit dem 14. Juli 2009 steht die Antragstellerin unter gesetzlicher Betreuung (Wirkungskreis Wahrnehmung der Vermögens-und Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, Wahrnehmung der Rechte bei einer Heilbehandlung sowie Vertretung gegenüber Behörden und der Post).
Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer im Jahr 2000 zum Kaufpreis von 127.691,00 DM (65.287,37 EUR) erworbenen Eigentumswohnung im HW B. Eine im Grundbuch zu Gunsten der Commerzbank AG eingetragene Grundschuld mit dem Nennbetrag von 69.024,40 EUR valutierte am 11. Juli 2007 noch in Höhe von 25.564,59 EUR. Am 7. August 2008 wurde das der Grundschuld zu Grunde liegende Darlehen durch Einzahlungen in Höhe von 14.825,32 EUR und 95,80 EUR weiter abgelöst. Nach Angaben des Sohnes und Betreuers der Antragstellerin im Sozialhilfeantrag ist das Darlehen bei der Commerzbank vollständig abgelöst. Am 26. Oktober 2009 meldete sich die Tochter der Antragstellerin rückwirkend zum 1. April 2009 polizeilich mit einem zusätzlichen Wohnsitz in der Eigentumswohnung der Antragstellerin an.
Am 13. Mai 2009 wurde dem Girokonto der Antragstellerin eine Rentennachzahlung der DRV über 10.519,08 EUR, am 9. Juni 2009 eine Rentennachzahlung der VBL in Höhe von 4.372,53 EUR gutgeschrieben. In der Zeit vom 09. April bis 10. Juni 2009 wurden vom Konto der Antragstellerin insgesamt 15.100 EUR abgehoben bzw. auf die Konten des Vaters und des Sohnes der Antragstellerin jeweils mit dem Verwendungszweck "Darlehensrückzahlung" überwiesen (Abhebungen am Geldautomaten in Höhe von 9.100,00 EUR, Überweisungen in Höhe von 6.000,00 EUR). Am 1. Juli 2009 betrug der Kontostand 1.908,90 EUR.
Am 30. Juni 2009 wurde die Antragstellerin in einem Pflegeheim aufgenommen, für das tägliche Heimkosten in Höhe von 112,27 EUR beziehungsweise seit Februar 2010 in Höhe von 124,81 EUR anfallen. Der Sohn und Betreuer der Antragstellerin beantragte am 23. Juli 2009 beim Antragsgegner die Übernahme der ungedeckten Kosten. Im Verwaltungsverfahren legte er einen mit 7.08.2008 datierten "Darlehensvertrag" zwischen der Antragstellerin als Darlehensnehmer und ihren Eltern als Darlehensgeber über 15.000 Euro vor. In dem Vertrag werden ferner insgesamt 41.500,00 Euro als weitere "aufgelaufene, noch rückzuzahlende Darlehen" und ein Darlehensgesamtbetrag von 56.700 Euro angegeben. Beigefügt war ein "Darlehens-Tilgungsplan", demzufolge am 10. Juli 2009 noch eine Restschuld von 49.160,18 EUR bestand.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 3. Juni 2010 die Übernahme der ungedeckten Pflegeheimkosten für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 31.8.2010 als Darlehen und lehnte gleichzeitig die Übernahme der Kosten für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis zum 31. Mai 2010 mit der Begründung ab, die Antragstellerin habe in der Zeit vom 9. April 2009 bis zum 10. Juni 2009 Vermögen in Höhe von 15.100 EUR verschenkt. Privatrechtliche Schulden könnten nicht anerkannt werden, da die Antragstellerin vorrangig ihren Lebensunterhalt in der Einrichtung sicherstellen müsse.
Am 4. Mai 2010 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme der ungedeckten Pflegeheimkosten beantragt. Diesem Antrag gab das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss statt. Zwar sei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu klären, ob die Antragstellerin einen Anspruch nach § 61 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) habe oder ob ein solcher wegen absichtlicher Herbeiführung der Sozialhilfebedürftigkeit oder aufgrund bestehender Rückforderungsansprüche als verarmter Schenker gegenüber ihrem Vater und ihrem Sohn ausgeschlossen sei, die Verpflichtung des Antragsgegners sei aber aufgrund einer Folgenabwägung vorzunehmen. Das erforderliche Eilbedürfnis liege vor, weil der Heimträger für den Fall der Nichtbegleichung der rückständigen Pflegeheimkosten bereits die Kündigung des Pflegeheimvertrages angedroht habe.
Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss am 5. Juli 2010 Beschwerde eingelegt, mit der er geltend macht, dass eine Leistungspflicht wegen absichtlicher Herbeiführung der Sozialhilfebedürftigkeit durch das unmittelbar vor der Heimaufnahme durch den Vater und Sohn der Antragstellerin erfolgte Leerräumen des Kontos der Antragstellerin bis zur Vermögensschongrenze nicht bestehe. Das Bestehen privater Schulden sei schon nicht hinreichend nachgewiesen und selbst wenn diese unterstellt würden, sei die Antragstellerin verpflichtet gewesen, ihr Geld für ihren Lebensunterhalt und nicht zur Begleichung von Schulden einzusetzen. Da die Antragstellerin eine Eigentumswohnung besitze, könnten bereite Mittel kurzfristig durch eine Bankanleihe zur Verfügung gestellt werden, auch könne das Heim seine Zahlungsansprüche durch einen Eintrag ins Grundbuch und evtl. Verwertung der Wohnung sichern, ein Grund zur fristlosen Kündigung bestehe nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und des Rentenversicherungsträgers (Az.: 25 140549S518), die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner im Ergebnis zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, darlehensweise die ungedeckten Pflegeheimkosten der Antragstellerin für die Zeit vom 30. Juni 2009 bis 31. Mai 2010 zu übernehmen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf vorläufige Leistung im Wege der Darlehensgewährung hinreichend glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin gehört unstreitig zum Personenkreis der Leistungsberechtigte nach § 61 SGB XII und kann die Kosten der für sie erforderlichen Pflege nicht aus ihren eigenen Einnahmen bestreiten. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Die Antragstellerin verfügt jedoch über verwertbares Vermögen in Form ihrer - dinglich nicht belasteten - Eigentumswohnung, die nach den vom Sohn der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Immobilienangeboten vergleichbarer Wohnungen einen Verkehrswert von mindestens 50.000 Euro haben dürfte. Dieses Vermögen hat die Antragstellerin gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII vor einer Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers einzusetzen. Der Umstand, dass die Tochter der Antragstellerin diese Wohnung eigenen Angaben zufolge seit April 2009 bewohnt, steht einer Verwertung der Wohnung nicht entgegen, ein Härtefall nach § 90 Abs. 3 SGB XII, der dem Einsatz der Wohnung entgegenstehen könnte, ist nicht erkennbar.
Allerdings duldet der Bedarf der Antragstellerin nicht so lange Aufschub, wie die Veräußerung einer Eigentumswohnung beansprucht. Die vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren als vorrangige Maßnahme der Selbsthilfe benannte Belastung der Wohnung mit einem – dinglich gesicherten - Bankkredit scheidet als unrealistisch aus und wäre, selbst wenn sich eine Bank fände, die einer pflegebedürftigen Demenzkranken einen Kredit gewähren würde, jedenfalls nicht kurzfristig zu realisieren. Die Antragstellerin hat daher vorläufig gemäß § 91 SGB XII einen Anspruch auf eine darlehensweise Leistungsgewährung. Gemäß § 91 Satz 1 SGB XII soll Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden, soweit – wie hier - die sofortige Verwertung eines nach § 90 SGB XII einzusetzenden Vermögens nicht möglich ist.
Im Hinblick auf das aktenkundigen Vorgehen des Sohnes und Betreuers der Antragstellerin war die Leistungserbringung bereits im Beschluss des Senats entsprechend § 91 Satz 2 SGB XII davon abhängig zu machen, dass der Anspruch des Antragsgegners auf Rückzahlung des Darlehens dinglich gesichert wird (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 921 Satz 2 ZPO). Aufgrund des Vorgehens der Familie der Antragstellerin besteht nämlich die Befürchtung, dass diese alles daran setzen werde, das vorhandene Vermögen der Antragstellerin einem Zugriff des Antragsgegners zu entziehen. Hierfür spricht zum einen, dass noch im August 2008 mit einer seit Januar 2007 an Alzheimer erkrankten dementen Person ein so genannter Darlehensvertrag geschlossen wurde, wobei nach den aktenkundigen ärztlichen Feststellungen viel dafür spricht, dass eine Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben war, so dass eine Rückzahlungsverpflichtung zu diesem Zeitpunkt wirksam nicht mehr begründet werden konnte. Für die genannte Befürchtung sprechen ferner in erster Linie auch die nicht unbeträchtlichen Abhebungen vom Konto der Antragstellerin zu einem Zeitpunkt, zu dem eine kostenträchtige Pflege der Antragstellerin aufgrund der Entwicklung ihrer Erkrankung bereits abzusehen war. Insoweit wird der Antragsgegner einen Anspruch gegen den Sohn der Antragstellerin auf Kostenersatz gemäß § 103 SGB XII zu prüfen haben. Ferner spricht hierfür die irrige Annahme des Betreuers der Antragstellerin, dass dinglich nicht gesicherte Darlehensforderungen bei einer etwaigen Verwertung der Eigentumswohnung der Antragstellerin vorrangig vor Ansprüchen des Sozialhilfeträgers auf Darlehensrückzahlung zu befriedigen wären sowie dessen Ausführungen zur angeblichen Unverwertbarkeit der Eigentumswohnung sowie der Versuch, eine Verwertbarkeit der Wohnung durch die rückwirkende polizeiliche Anmeldung der Tochter der Antragstellerin als erschwert erscheinen zu lassen.
Der – vorläufige – Anspruch der Antragstellerin scheitert nicht am Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe. Zwar erhält nach § 2 Abs. 1 SGB XII Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen erhält. Dabei muss sich der Hilfesuchende auch auf künftige Möglichkeiten zur Bedarfsdeckung verweisen lassen, soweit sie in angemessener Frist zu verwirklichen sind. Es wäre mit dem Nachranggrundsatz nicht zu vereinbaren, wenn der Einzelne sich ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, seinen Bedarf von dritter Seite zu befriedigen, an den Träger der Sozialhilfe mit der Bitte um Hilfe wenden könnte, um diesem auch dann die Durchsetzung seiner Ansprüche zu überlassen, wenn er selbst bei rechtzeitigem Tätigwerden eine Deckung seines Bedarfs hätte erreichen können (OVG Hamburg, Beschluss vom 5. April 1995 , FamRZ 1995, 1453f.; 28. April 1989, FEVS 39, 148, 149; Beschluss vom 22. Februar 1995 - Bs IV 256/94 -, JURIS). Insoweit ist die Realisierung von Leistungsverpflichtungen Dritter eine Möglichkeit der Selbsthilfe, deren Einsatz vom Sozialhilfeträger gefordert werden kann, bevor ein Anspruch auf Sozialhilfe entsteht (OVG Hamburg, Beschluss vom 22. Februar 1995, a.a.O.; VGH Kassel, Beschluss vom 31. August 1992, NVwZ-RR 1993 S. 307). Ein Rechtsanspruch auf Hilfe durch einen Dritten – hier ein denkbarer bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch gegen den Vater oder den Sohn der Antragstellerin - steht einem Sozialhilfeanspruch jedoch nur dann entgegen, wenn der Anspruch rechtzeitig durchzusetzen ist, d.h. wenn seine Verwirklichung umgehend möglich scheint und es sich deshalb um ein bereites Mittel der Selbsthilfe handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1993, Buchholz 436.0 § 2 Nr. 16; OVG Hamburg, Beschlüsse vom 22. Februar 1995 und vom 28. April 1989, a.a.O. - dort jeweils zu Unterhaltsansprüchen -; VGH Kassel, Beschluss vom 31. August 1992, a.a.O.). Ist eine solche rechtzeitige Realisierung etwaiger Ansprüche gegen Dritte – so wie im vorliegenden Fall - nicht möglich, kommt die Überleitung dieses Anspruches auf den Träger der Sozialhilfe nach § 93 SGB XII in Betracht.
Eine Versagung der Hilfe im Hinblick auf eine vorsätzliche Herbeiführung der Sozialhilfebedürftigkeit kommt nicht in Betracht. Insoweit sieht das Gesetz gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII lediglich vor, die Hilfe auf das bis zum Lebensunterhalt Unerlässliche einzuschränken, wenn Leistungsberechtigte nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistung herbeizuführen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, brauchte vom Senat nicht entschieden zu werden, denn eine Aufrechnung ist gemäß § 26 Abs. 4 SGB XII zwingend ausgeschlossen, soweit dadurch der Gesundheit dienende Leistungen – wie vorliegend die Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff SGB XII – gefährdet werden. Insoweit hat der Antragsgegner im vorliegenden Fall ausschließlich die Möglichkeit des Kostenersatzes bei schuldhaftem Verhalten nach § 103 SGB XII.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund, die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (§ 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG), glaubhaft gemacht. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen, die weiterhin Bestand haben. Anhaltspunkte dafür, dass das Pflegeheim von seinem fristlosen Kündigungsrecht nach § 18 Abs. 4 des vorgelegten Heimvertrages entgegen der schriftlichen Androhung keinen Gebrauch machen werde, sind nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Antragsgegner mit seiner Beschwerde weit überwiegend unterlegen ist und der Senat lediglich die für den Antragsgegner bestehende Möglichkeit, die Darlehensgewährung von einer dinglichen Sicherung abhängig zu machen, in den Beschlusstenor aufgenommen hat.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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