Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 6334/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5598/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.10.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Erhöhung des bei ihm festgestellten Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem im Jahre 1949 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des damaligen Versorgungsamts St. vom 30.04.2001 ein GdB von 30 seit dem 29.05.2000 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Schlafapnoe-Syndrom (Teil-GdB 20), Bluthochdruck (Teil-GdB 20) sowie Leistenbruch rechts und Nabelbruch (Teil-GdB 10) bestandskräftig festgestellt.
Am 24.05.2005 beantragte der Kläger beim zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt R. die Neufeststellung seines GdB und berief sich hierzu auf einen im Rahmen eines Arbeitsunfalles erlittenen Bruch mehrerer Finger der rechten Hand, eine Verletzung seiner linken Schulter sowie Schäden an der Wirbelsäule und am linken Knie. Das Landratsamt holte Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 18.06.2005 und des Chirurgen Dr. H. vom 08.07.2005 sowie die Auskunft der Berufsgenossenschaft M. S. vom 23.06.2005 ein. Mit Bescheid vom 22.11.2005 hob das Landratsamt gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 31.10.2005 den Bescheid vom 30.04.2001 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte einen GdB von weiterhin 30 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Schlafapnoe-Syndrom (Teil-GdB 20), Bluthochdruck (Teil-GdB 20), Leistenbruch, Nabelbruch (Teil-GdB 10), Wirbelgleiten, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 20) sowie Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (Teil-GdB 10) fest. Der Zustand nach Fingerbruch rechts bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Teil-GdB von wenigstens 10.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte das Landratsamt Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. B. vom 06.06.2006 und des Orthopäden Dr. O. vom 07.06.2006 ein. Nachdem Dr. H. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.07.2006 die bisherige Beurteilung der Behinderungen des Klägers bestätigt hatte, wies Regierungspräsidium St. den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2006 zurück. Am 22.08.2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart Klage und begehrte die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mindestens 50.
Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Dr. K. vom 09.11.2006 (Hypertonus [leichtgradig], Linksherzhypertrophie [gering bis leichtgradig], Schlafapnoe-Syndrom [schwergradig], latenter Diabetes mellitus [leichtgradig], Steatosis hepasis [leichtgradig], Wirbelsäulenfehlhaltung und degenerative Wirbelsäulenveränderungen [mittelgradig], Retropattellararthrose [leichtgradig] sowie Schulterluxation und Rotatoren-manschettensyndrom rechts [mittelgradig]; Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes auf allgemeinärztlichem Fachgebiet zutreffend) und Dr. O. vom 22.11.2006 (Pseudospondylolisthese, Chondropatia patellae bei Dysplasie nach Wiberg, Rumpfmuskelinsuffizienz, Rundrücken teilfixiert, Spondylchondrose/arthrose, Rotatorenmanschetten-degeneration/teilruptur, Epikondylitis radialis; Einstufung der orthopädischen Beschwerden durch den versorgungsärztlichen Dienst korrekt, GdB orthopädischerseits 30) ein. Darüber hinaus zog es den Entlassungsbericht der Fachklinik S., W., vom 05.06.2007 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 02. bis zum 30.05.2007 (chronisches Lumbalsyndrom bei Spondylchondrose und Arthrose L 4/5, L5/S1, chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom, Patelladysplasie Typ 3, arterielle Hypertonie, latenter diabetes mellitus Typ II b, Schlafapnoe-Syndrom, Adipositas) bei.
Einen anschließend vom Beklagten unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 08.10.2007 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelgleiten [Teil-GdB 20], Schlafapnoe-Syndrom [Teil-GdB 20], Bluthochdruck [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks [Teil-GdB 10], Diabetes mellitus [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 40 ab 24.05.2005) vorgeschlagenen Vergleich lehnte der Kläger unter Hinweis auf die Schwere seines Schlafapnoe-Syndroms, eine Verschlechterung seines Diabetes mellitus sowie eine zusätzlich festzustellende Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks ab.
Das Sozialgericht zog daraufhin den Behandlungsbericht sowie den Operationsbericht des Kreiskrankenhauses Sch. jeweils vom 24.10.2007 (zusätzlich zu den bereits bekannten Diagnosen: radiärer Innenmeniskushinterhornriss rechts, II.°-ige Chondromalazie medialer Femurkondylus und mediales Tibiaplateau rechts, I.°-ige Chondromalazie retropattellar und femorales Gleitlager rechts, dilative Cardiomyopathie; arthroskopische Innenmeniskus-hinterhornteilresektion rechts mit komplikationslosem auch postoperativem Verlauf) bei und holte die weitere schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 05.02.2008 (keine Verschlechterung des diätetisch gut beherrschbaren latenten Diabetes mellitus) ein.
Hierauf vertrat der Beklagte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 20.06.2008 die Ansicht, eine dauerhaft verbleibende GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks sei nicht belegt; eine Verschlechterung des Diabetes mellitus ergebe sich aus der schriftlichen sachverständige Zeugenaussage von Dr. K. nicht. Der Kläger machte geltend, seine Knieprobleme hätten sich nicht verbessert; im Gegenteil seien mittlerweile beide Kniegelenke betroffen. Er legte die Arztbriefe von Dr. O. vom 21.05.2008 (über die bekannten Diagnosen hinaus: muskuläre Dysbalance der Hüfte bei Coxarthrose) sowie der radiologischen Praxis W., Dr. H. und Dr. St. vom 05.09.2008 (osteochondrale Läsion im medialen Femurkondylus, deutliche Degeneration des Innenmeniskus im Hinterhorn sowie in der pars intermedia, Knorpeldegeneration Höhe Vorderhorn Grad 2 bis 3, geringe Zeichen einer Chondropathia patellae, Erguss, intakter Bandapparat links) und vom 06.10.2008 (Einriss in pars intermedia und Hinterhorn des Innenmeniskus, Knorpelschädigungen bis Grad 4 im medialen Kompartiment, Gelenkerguss rechts).
Mit Urteil vom 09.10.2008 änderte das Sozialgericht den Bescheid vom 22.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2006 ab und verurteilte den Beklagten, beim Kläger einen GdB von 40 seit dem 24.05.2005 festzustellen; im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung ist ausgeführt, die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule des Klägers seien mit einem Teil-GdB von 20, diejenigen des linken Kniegelenks mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die Hypertonie und die Linksherz-Hypertrophie rechtfertigten gemeinsam einen Teil-GdB von 20, der Diabetes mellitus einen solchen von 10 und das Schlafapnoe-Syndrom einen Teil-GdB von 20. Hieraus ergebe sich insgesamt ein GdB von 40; die Annahme einer Schwerbehinderteneigenschaft sei nicht gerechtfertigt. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 10.11.2008 zugestellt.
Am 02.12.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien einzeln und in ihrer Gesamtheit nicht angemessen bewertet. Zur Begründung hat er den Arztbrief des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der R.-M.-Klinik Sch., Dr. A., vom 13.10.2008 (insgesamt Vollbild einer weit fortgeschrittenen Gonarthrose rechts mit jetzt bestehenden III.- IV.°-igen Knorpelschäden, Flüssigkeitseinlagerungen am Restinnenmeniskus im Sinne eines degenerativen Re-Einrisses, intraartikulärer Erguss, erhebliche Rotations- und Bewegungsschmerzen; Rat zur Kniegelenksarthroskopie) vorgelegt.
Der Senat hat die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. O. vom 15.07.2009 mit Ergänzungen vom 14.08.2009 und vom 10.09.2009 (keine gutachterliche Einschätzung möglich) eingeholt. Der Kläger selbst hat das Protokoll des Internisten und Kardiologen Dr. von Sch. über die am 15.10.2009 erfolgte Herzkatheteruntersuchung (beginnende KHK, Ausschluss stenosierende KHK, gute linksventrikuläre Funktion) vorgelegt. In der vom Beklagten daraufhin eingereichten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. P. vom 11.01.2010 wird der Gesamt-GdB weiterhin mit 40 (Teil-GdB 20 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die degenerativen Veränderungen und das Wirbelgleiten, Teil-GdB 20 für das Schlafapnoe-Syndrom, Teil-GdB 20 für den Bluthochdruck und die beginnende KHK, Teil-GdB 10 für die Funktionsbehinderung der Kniegelenke beidseits, Teil-GdB 10 für den Diabetes mellitus) bewertet.
Der Senat hat daraufhin das schriftliche Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. H. vom 06.04.2010 (mittelschweres chronisches lumbales Schmerzsyndrom ohne neurologische Begleiterscheinungen [Teil-GdB 20], leichte chronische Knieschmerzen [Teil-GdB 10], leichte akute Fersenschmerzen [Teil-GdB weniger als 10], geringfügige chronische Hand- und Fingergelenksbeschwerden [Teil-GdB weniger als 10]; GdB auf orthopädischem Fachgebiet insgesamt 20, Gesamt-GdB 40 angemessen) eingeholt.
Der Kläger ist der Auffassung, seine Kniebeschwerden seien vom Sachverständigen ausweislich der früheren radiologischen bzw. kernspintomografischen Befunde nicht ausreichend eingestuft. Für eine Abweichung von diesen Befunden bedürfe es entsprechender aktueller Untersuchungen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.10.2008 sowie den Bescheid vom 22.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit dem 24.05.2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf das angegriffene Urteil,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Stuttgart sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Der Kläger erstrebt mit seinem sachdienlich (§ 123 SGG) als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 1. und 2. Alt. SGG) gefassten Begehren die weitere gerichtliche Abänderung des sein Erhöhungsbegehren ablehnenden Bescheides des Landratsamts R. vom 22.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums St. vom 03.08.2006 sowie die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von (mindestens) 50 statt 40. Einer Aufhebung bzw. Teilaufhebung des früher ergangenen Bescheides des damaligen Versorgungsamts St. vom 30.04.2001 bedarf es nicht. Denn der Bescheid steht einem Erhöhungsanspruch nicht entgegen, nachdem er bereits durch die hier angegriffene Behördenentscheidung vom 22.11.2005 ohne - hinreichend erkennbare - Einschränkung und damit in vollem Umfang aufgehoben worden ist.
Die so gefasste Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung eines GdB von mehr als 40 erstrebt.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen nachfolgend einzelnen angeführten Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.
In Anwendung dieser Grundsätze sind zunächst die Kniegelenksbeschwerden des Klägers mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Angesichts fehlender Bewegungseinschränkungen bei einer Bewegungsfähigkeit beidseits für Beugung/Streckung von 140-0-0 (vgl. hierzu das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. H. vom 06.04.2010) ergibt sich ein GdB-relevanter Schaden lediglich aus den Knorpelschäden der Kniegelenke. Dabei sind nach Teil B Nr. 18.14 der VG ausgeprägte Knorpelschäden (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II – IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen, einseitig und ohne Bewegungseinschränkung mit einem Teil-GdB von 10 bis 30 in Ansatz zu bringen. Auch wenn man - anders als Dr. H., der angesichts des von ihm erhobenen körperlichen Untersuchungsbefundes und des im Rahmen der Kniegelenksarthroskopie rechts im Jahre 2007 erhobenen Befundes Gelenkknorpelschäden bis Grad IV für äußerst unwahrscheinlich hält – von III.- IV.°-igen Knorpelschäden im rechten Knie (vgl. die Arztbriefe der radiologischen Praxis W., Dr. H. und Dr. St. vom 06.10.2008 und des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der R.-M.-Klinik Sch., Dr. A., vom 13.10.2008) und von II.- III.°-igen Knorpelschäden im linken Knie (vgl. den Arztbrief der radiologischen Praxis W., Dr. H. und Dr. St. vom 05.09.2008) ausgeht, ist angesichts des Umstandes, dass im Rahmen der Untersuchung durch Dr. H. Reizerscheinungen nicht feststellbar waren und daher jedenfalls nicht anhaltend vorliegen, auf der Grundlage von B Nr. 18.14 der VG ein Teil-GdB von 20 für die Beschwerden an beiden Knien zusammen angemessen. Einer weiteren röntgenologischen oder magnetresonanztomografischen Untersuchung der Kniegelenke des Klägers bedarf es daher nicht. Die üblichen Schmerzen sind dabei bereits berücksichtigt (vgl. Teil B Nr. 18.1 der VG).
Die schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Begleiterscheinungen bei Wirbelgleiten L3/4 (vgl. hierzu das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. H. vom 06.04.2010) ist als mittelgradige funktionelle Auswirkung in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) i. S. von Teil B Nr. 18.9 der VG mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet.
Weitere GdB-relevante Funktionsbehinderungen des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet liegen nicht vor. Dies gilt nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. insbesondere für die vom Kläger bei der Untersuchung angegebenen leichten bzw. geringfügigen Beschwerden an seiner rechten Ferse sowie an seinen Hand- und Fingergelenken, die keinen GdB von wenigstens 10 rechtfertigen. Es gilt aber auch für die im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen klinisch unauffälligen Schulter- und Hüftgelenke des Klägers (vgl. hierzu das Gutachten vom 06.04.2010).
Das Schlafapnoe-Syndrom mit Erforderlichkeit einer nasalen Überdruckbeatmung (vgl. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 09.11.2006) ist nach Teil B Nr. 8.7 der VG mit einem Teil-GdB von 20 in die Gesamtbeurteilung einzustellen.
Für die von Dr. K. als leichtgradig eingestufte, medikamentös behandelte arterielle Hypertonie mit in der Vergangenheit geringer bis leichtgradiger (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 09.11.2006), zwischenzeitlich aber nicht mehr bestehender Linksherzhypertrophie (vgl. das Protokoll des Internisten und Kardiologen Dr. von Sch. über die am 15.10.2009 erfolgte Herzkatheteruntersuchung) ergibt sich nach Teil B Nr. 9.3 i. V. mit Teil B Nr. 9.1.1 Ziff. 1. und 2. der VG angesichts der beginnenden KHK bei geringen arteriosklerotischen Wandunregelmäßigkeiten ohne Stenose und des Abbruchs der Ergometrie bei 100 Watt wegen Belastungsdyspnoe und thorakalen Drucks (vgl. auch hierzu das Protokoll des Internisten und Kardiologen Dr. von Sch. über die am 15.10.2009 erfolgte Herzkatheteruntersuchung) ein Teil-GdB von 20.
Der allein diätetisch gut beherrschbare latente Diabetes mellitus (vgl. die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 09.11.2006 und vom 05.02.2008) ergibt einen Teil-GdB von allenfalls 10 (vgl. Teil B Nr. 15.1 der VG [Teil-GdB 0] sowie Nr. 26.15 der AHP [Teil-GdB 10]).
Unter Zugrundelegung der Kniegelenksbeschwerden, der Lendenwirbelsäulenbeschwerden, des Schlafapnoe-Syndroms sowie der arteriellen Hypertonie nebst beginnender KHK mit einem Teil-GdB von jeweils 20 sowie des Diabetes mellitus mit einem Teil-GdB von allenfalls 10 ergibt sich kein Gesamt-GdB von mehr als 40. Zwar ist angesichts der insgesamt vier den Ablauf des täglichen Lebens in unterschiedlichen Bereichen betreffenden Behinderungen mit einem Teil-GdB von jeweils 20 - anders als vielfach bei solchermaßen leichten Funktionsbehinderungen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG) - eine Erhöhung der Einsatzwerte vorzunehmen. Indes ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen der jeweils leichten Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers bei der Gesamtwürdigung nicht - wie aber erforderlich (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. b der VG) - mit Gesundheitsschäden vergleichbar sind, für die in der Tabelle ein fester GdB-Wert von 50 angegeben und bei deren Vorliegen damit die Schwerbehinderung anzuerkennen ist. Denn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen ist nicht so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung (vgl. zu diesen Beispielsfällen noch Nr. 19 Abs. 2 der AHP 2008).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Erhöhung des bei ihm festgestellten Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem im Jahre 1949 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des damaligen Versorgungsamts St. vom 30.04.2001 ein GdB von 30 seit dem 29.05.2000 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Schlafapnoe-Syndrom (Teil-GdB 20), Bluthochdruck (Teil-GdB 20) sowie Leistenbruch rechts und Nabelbruch (Teil-GdB 10) bestandskräftig festgestellt.
Am 24.05.2005 beantragte der Kläger beim zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt R. die Neufeststellung seines GdB und berief sich hierzu auf einen im Rahmen eines Arbeitsunfalles erlittenen Bruch mehrerer Finger der rechten Hand, eine Verletzung seiner linken Schulter sowie Schäden an der Wirbelsäule und am linken Knie. Das Landratsamt holte Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 18.06.2005 und des Chirurgen Dr. H. vom 08.07.2005 sowie die Auskunft der Berufsgenossenschaft M. S. vom 23.06.2005 ein. Mit Bescheid vom 22.11.2005 hob das Landratsamt gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 31.10.2005 den Bescheid vom 30.04.2001 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte einen GdB von weiterhin 30 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Schlafapnoe-Syndrom (Teil-GdB 20), Bluthochdruck (Teil-GdB 20), Leistenbruch, Nabelbruch (Teil-GdB 10), Wirbelgleiten, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (Teil-GdB 20) sowie Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (Teil-GdB 10) fest. Der Zustand nach Fingerbruch rechts bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Teil-GdB von wenigstens 10.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte das Landratsamt Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. B. vom 06.06.2006 und des Orthopäden Dr. O. vom 07.06.2006 ein. Nachdem Dr. H. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.07.2006 die bisherige Beurteilung der Behinderungen des Klägers bestätigt hatte, wies Regierungspräsidium St. den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2006 zurück. Am 22.08.2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart Klage und begehrte die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mindestens 50.
Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Dr. K. vom 09.11.2006 (Hypertonus [leichtgradig], Linksherzhypertrophie [gering bis leichtgradig], Schlafapnoe-Syndrom [schwergradig], latenter Diabetes mellitus [leichtgradig], Steatosis hepasis [leichtgradig], Wirbelsäulenfehlhaltung und degenerative Wirbelsäulenveränderungen [mittelgradig], Retropattellararthrose [leichtgradig] sowie Schulterluxation und Rotatoren-manschettensyndrom rechts [mittelgradig]; Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes auf allgemeinärztlichem Fachgebiet zutreffend) und Dr. O. vom 22.11.2006 (Pseudospondylolisthese, Chondropatia patellae bei Dysplasie nach Wiberg, Rumpfmuskelinsuffizienz, Rundrücken teilfixiert, Spondylchondrose/arthrose, Rotatorenmanschetten-degeneration/teilruptur, Epikondylitis radialis; Einstufung der orthopädischen Beschwerden durch den versorgungsärztlichen Dienst korrekt, GdB orthopädischerseits 30) ein. Darüber hinaus zog es den Entlassungsbericht der Fachklinik S., W., vom 05.06.2007 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 02. bis zum 30.05.2007 (chronisches Lumbalsyndrom bei Spondylchondrose und Arthrose L 4/5, L5/S1, chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom, Patelladysplasie Typ 3, arterielle Hypertonie, latenter diabetes mellitus Typ II b, Schlafapnoe-Syndrom, Adipositas) bei.
Einen anschließend vom Beklagten unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 08.10.2007 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelgleiten [Teil-GdB 20], Schlafapnoe-Syndrom [Teil-GdB 20], Bluthochdruck [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks [Teil-GdB 10], Diabetes mellitus [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 40 ab 24.05.2005) vorgeschlagenen Vergleich lehnte der Kläger unter Hinweis auf die Schwere seines Schlafapnoe-Syndroms, eine Verschlechterung seines Diabetes mellitus sowie eine zusätzlich festzustellende Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks ab.
Das Sozialgericht zog daraufhin den Behandlungsbericht sowie den Operationsbericht des Kreiskrankenhauses Sch. jeweils vom 24.10.2007 (zusätzlich zu den bereits bekannten Diagnosen: radiärer Innenmeniskushinterhornriss rechts, II.°-ige Chondromalazie medialer Femurkondylus und mediales Tibiaplateau rechts, I.°-ige Chondromalazie retropattellar und femorales Gleitlager rechts, dilative Cardiomyopathie; arthroskopische Innenmeniskus-hinterhornteilresektion rechts mit komplikationslosem auch postoperativem Verlauf) bei und holte die weitere schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 05.02.2008 (keine Verschlechterung des diätetisch gut beherrschbaren latenten Diabetes mellitus) ein.
Hierauf vertrat der Beklagte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 20.06.2008 die Ansicht, eine dauerhaft verbleibende GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks sei nicht belegt; eine Verschlechterung des Diabetes mellitus ergebe sich aus der schriftlichen sachverständige Zeugenaussage von Dr. K. nicht. Der Kläger machte geltend, seine Knieprobleme hätten sich nicht verbessert; im Gegenteil seien mittlerweile beide Kniegelenke betroffen. Er legte die Arztbriefe von Dr. O. vom 21.05.2008 (über die bekannten Diagnosen hinaus: muskuläre Dysbalance der Hüfte bei Coxarthrose) sowie der radiologischen Praxis W., Dr. H. und Dr. St. vom 05.09.2008 (osteochondrale Läsion im medialen Femurkondylus, deutliche Degeneration des Innenmeniskus im Hinterhorn sowie in der pars intermedia, Knorpeldegeneration Höhe Vorderhorn Grad 2 bis 3, geringe Zeichen einer Chondropathia patellae, Erguss, intakter Bandapparat links) und vom 06.10.2008 (Einriss in pars intermedia und Hinterhorn des Innenmeniskus, Knorpelschädigungen bis Grad 4 im medialen Kompartiment, Gelenkerguss rechts).
Mit Urteil vom 09.10.2008 änderte das Sozialgericht den Bescheid vom 22.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2006 ab und verurteilte den Beklagten, beim Kläger einen GdB von 40 seit dem 24.05.2005 festzustellen; im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung ist ausgeführt, die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule des Klägers seien mit einem Teil-GdB von 20, diejenigen des linken Kniegelenks mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die Hypertonie und die Linksherz-Hypertrophie rechtfertigten gemeinsam einen Teil-GdB von 20, der Diabetes mellitus einen solchen von 10 und das Schlafapnoe-Syndrom einen Teil-GdB von 20. Hieraus ergebe sich insgesamt ein GdB von 40; die Annahme einer Schwerbehinderteneigenschaft sei nicht gerechtfertigt. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 10.11.2008 zugestellt.
Am 02.12.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien einzeln und in ihrer Gesamtheit nicht angemessen bewertet. Zur Begründung hat er den Arztbrief des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der R.-M.-Klinik Sch., Dr. A., vom 13.10.2008 (insgesamt Vollbild einer weit fortgeschrittenen Gonarthrose rechts mit jetzt bestehenden III.- IV.°-igen Knorpelschäden, Flüssigkeitseinlagerungen am Restinnenmeniskus im Sinne eines degenerativen Re-Einrisses, intraartikulärer Erguss, erhebliche Rotations- und Bewegungsschmerzen; Rat zur Kniegelenksarthroskopie) vorgelegt.
Der Senat hat die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. O. vom 15.07.2009 mit Ergänzungen vom 14.08.2009 und vom 10.09.2009 (keine gutachterliche Einschätzung möglich) eingeholt. Der Kläger selbst hat das Protokoll des Internisten und Kardiologen Dr. von Sch. über die am 15.10.2009 erfolgte Herzkatheteruntersuchung (beginnende KHK, Ausschluss stenosierende KHK, gute linksventrikuläre Funktion) vorgelegt. In der vom Beklagten daraufhin eingereichten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. P. vom 11.01.2010 wird der Gesamt-GdB weiterhin mit 40 (Teil-GdB 20 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die degenerativen Veränderungen und das Wirbelgleiten, Teil-GdB 20 für das Schlafapnoe-Syndrom, Teil-GdB 20 für den Bluthochdruck und die beginnende KHK, Teil-GdB 10 für die Funktionsbehinderung der Kniegelenke beidseits, Teil-GdB 10 für den Diabetes mellitus) bewertet.
Der Senat hat daraufhin das schriftliche Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. H. vom 06.04.2010 (mittelschweres chronisches lumbales Schmerzsyndrom ohne neurologische Begleiterscheinungen [Teil-GdB 20], leichte chronische Knieschmerzen [Teil-GdB 10], leichte akute Fersenschmerzen [Teil-GdB weniger als 10], geringfügige chronische Hand- und Fingergelenksbeschwerden [Teil-GdB weniger als 10]; GdB auf orthopädischem Fachgebiet insgesamt 20, Gesamt-GdB 40 angemessen) eingeholt.
Der Kläger ist der Auffassung, seine Kniebeschwerden seien vom Sachverständigen ausweislich der früheren radiologischen bzw. kernspintomografischen Befunde nicht ausreichend eingestuft. Für eine Abweichung von diesen Befunden bedürfe es entsprechender aktueller Untersuchungen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.10.2008 sowie den Bescheid vom 22.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit dem 24.05.2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf das angegriffene Urteil,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Stuttgart sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Der Kläger erstrebt mit seinem sachdienlich (§ 123 SGG) als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 1. und 2. Alt. SGG) gefassten Begehren die weitere gerichtliche Abänderung des sein Erhöhungsbegehren ablehnenden Bescheides des Landratsamts R. vom 22.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums St. vom 03.08.2006 sowie die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von (mindestens) 50 statt 40. Einer Aufhebung bzw. Teilaufhebung des früher ergangenen Bescheides des damaligen Versorgungsamts St. vom 30.04.2001 bedarf es nicht. Denn der Bescheid steht einem Erhöhungsanspruch nicht entgegen, nachdem er bereits durch die hier angegriffene Behördenentscheidung vom 22.11.2005 ohne - hinreichend erkennbare - Einschränkung und damit in vollem Umfang aufgehoben worden ist.
Die so gefasste Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung eines GdB von mehr als 40 erstrebt.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen nachfolgend einzelnen angeführten Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.
In Anwendung dieser Grundsätze sind zunächst die Kniegelenksbeschwerden des Klägers mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Angesichts fehlender Bewegungseinschränkungen bei einer Bewegungsfähigkeit beidseits für Beugung/Streckung von 140-0-0 (vgl. hierzu das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. H. vom 06.04.2010) ergibt sich ein GdB-relevanter Schaden lediglich aus den Knorpelschäden der Kniegelenke. Dabei sind nach Teil B Nr. 18.14 der VG ausgeprägte Knorpelschäden (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II – IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen, einseitig und ohne Bewegungseinschränkung mit einem Teil-GdB von 10 bis 30 in Ansatz zu bringen. Auch wenn man - anders als Dr. H., der angesichts des von ihm erhobenen körperlichen Untersuchungsbefundes und des im Rahmen der Kniegelenksarthroskopie rechts im Jahre 2007 erhobenen Befundes Gelenkknorpelschäden bis Grad IV für äußerst unwahrscheinlich hält – von III.- IV.°-igen Knorpelschäden im rechten Knie (vgl. die Arztbriefe der radiologischen Praxis W., Dr. H. und Dr. St. vom 06.10.2008 und des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der R.-M.-Klinik Sch., Dr. A., vom 13.10.2008) und von II.- III.°-igen Knorpelschäden im linken Knie (vgl. den Arztbrief der radiologischen Praxis W., Dr. H. und Dr. St. vom 05.09.2008) ausgeht, ist angesichts des Umstandes, dass im Rahmen der Untersuchung durch Dr. H. Reizerscheinungen nicht feststellbar waren und daher jedenfalls nicht anhaltend vorliegen, auf der Grundlage von B Nr. 18.14 der VG ein Teil-GdB von 20 für die Beschwerden an beiden Knien zusammen angemessen. Einer weiteren röntgenologischen oder magnetresonanztomografischen Untersuchung der Kniegelenke des Klägers bedarf es daher nicht. Die üblichen Schmerzen sind dabei bereits berücksichtigt (vgl. Teil B Nr. 18.1 der VG).
Die schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Begleiterscheinungen bei Wirbelgleiten L3/4 (vgl. hierzu das schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. H. vom 06.04.2010) ist als mittelgradige funktionelle Auswirkung in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) i. S. von Teil B Nr. 18.9 der VG mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet.
Weitere GdB-relevante Funktionsbehinderungen des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet liegen nicht vor. Dies gilt nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. H. insbesondere für die vom Kläger bei der Untersuchung angegebenen leichten bzw. geringfügigen Beschwerden an seiner rechten Ferse sowie an seinen Hand- und Fingergelenken, die keinen GdB von wenigstens 10 rechtfertigen. Es gilt aber auch für die im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen klinisch unauffälligen Schulter- und Hüftgelenke des Klägers (vgl. hierzu das Gutachten vom 06.04.2010).
Das Schlafapnoe-Syndrom mit Erforderlichkeit einer nasalen Überdruckbeatmung (vgl. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 09.11.2006) ist nach Teil B Nr. 8.7 der VG mit einem Teil-GdB von 20 in die Gesamtbeurteilung einzustellen.
Für die von Dr. K. als leichtgradig eingestufte, medikamentös behandelte arterielle Hypertonie mit in der Vergangenheit geringer bis leichtgradiger (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 09.11.2006), zwischenzeitlich aber nicht mehr bestehender Linksherzhypertrophie (vgl. das Protokoll des Internisten und Kardiologen Dr. von Sch. über die am 15.10.2009 erfolgte Herzkatheteruntersuchung) ergibt sich nach Teil B Nr. 9.3 i. V. mit Teil B Nr. 9.1.1 Ziff. 1. und 2. der VG angesichts der beginnenden KHK bei geringen arteriosklerotischen Wandunregelmäßigkeiten ohne Stenose und des Abbruchs der Ergometrie bei 100 Watt wegen Belastungsdyspnoe und thorakalen Drucks (vgl. auch hierzu das Protokoll des Internisten und Kardiologen Dr. von Sch. über die am 15.10.2009 erfolgte Herzkatheteruntersuchung) ein Teil-GdB von 20.
Der allein diätetisch gut beherrschbare latente Diabetes mellitus (vgl. die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 09.11.2006 und vom 05.02.2008) ergibt einen Teil-GdB von allenfalls 10 (vgl. Teil B Nr. 15.1 der VG [Teil-GdB 0] sowie Nr. 26.15 der AHP [Teil-GdB 10]).
Unter Zugrundelegung der Kniegelenksbeschwerden, der Lendenwirbelsäulenbeschwerden, des Schlafapnoe-Syndroms sowie der arteriellen Hypertonie nebst beginnender KHK mit einem Teil-GdB von jeweils 20 sowie des Diabetes mellitus mit einem Teil-GdB von allenfalls 10 ergibt sich kein Gesamt-GdB von mehr als 40. Zwar ist angesichts der insgesamt vier den Ablauf des täglichen Lebens in unterschiedlichen Bereichen betreffenden Behinderungen mit einem Teil-GdB von jeweils 20 - anders als vielfach bei solchermaßen leichten Funktionsbehinderungen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG) - eine Erhöhung der Einsatzwerte vorzunehmen. Indes ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen der jeweils leichten Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers bei der Gesamtwürdigung nicht - wie aber erforderlich (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. b der VG) - mit Gesundheitsschäden vergleichbar sind, für die in der Tabelle ein fester GdB-Wert von 50 angegeben und bei deren Vorliegen damit die Schwerbehinderung anzuerkennen ist. Denn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen ist nicht so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung (vgl. zu diesen Beispielsfällen noch Nr. 19 Abs. 2 der AHP 2008).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved