L 11 R 2840/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1615/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2840/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1962 geborene Kläger war zuletzt seit Juli 1997 als Altenpflegehelfer im Nachtdienst versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einem (konservativ behandelten) Bandscheibenvorfall L5/S1 am 17. März 2005 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und bezog vom 28. April 2005 bis 7. September 2006 Kranken- und Übergangsgeld. Eine berufliche Wiedereingliederung im Januar 2006 scheiterte. Nach Bezug von Arbeitslosengeld bezieht der Kläger derzeit neben einer privaten Berufsunfähigkeitsrente Arbeitslosengeld II.

Vom 4. August 2005 bis 1. September 2005 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der K.-Klinik in Bad R. teil. Dr. T. gab im Entlassungsbericht vom 12. September 2005 an, der Kläger leide an einem chronischen myofaszialen Schmerzsyndrom des Beckengürtels und der Schulter, einer Lumboischialgie bei Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1 und einer Psoriasis capitis. Bei Entlassung sei der Kläger noch arbeitsunfähig in seiner Tätigkeit als Altenpfleger, nach weiterer Stabilisierung sei jedoch eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit möglich. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Bewegungswechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, nur zeitweise im Sitzen und ohne Einschränkung der Arbeitsorganisation könne der Kläger mindestens sechs Stunden täglich leisten. Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten, häufiges Bücken, die dauerhafte Einnahme von Zwangshaltungen sowie Ausführungen monotoner Stereotypien, die kaum einen Bewegungswechsel beinhalteten, wie zB ein langer Anfahrtsweg mit dem Fahrzeug, müssten vermieden werden.

Am 6. Juli 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, seit 17. März 2005 wegen eines Schmerzsyndroms am gesamten Bewegungsapparat keine Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten zu können. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht des Dr. T. bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. August 2006 ab, da der Kläger noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich auszuüben.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, die Gesundheitsstörungen seien nur teilweise korrekt erfasst. Die behandelnden Ärzte hätten eine zunehmende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes festgestellt. Hierzu hat der Kläger ua den Bericht der Internistin und Rheumatologin Dr. H., S.-Kliniken M., vom 16. Mai 2006 an die V.-Lebensversicherung-AG vorgelegt (Diagnosen: chronifiziertes myofasziales Schmerzsyndrom des Schulter- und Beckengürtels mit polytopen Insertionstendinosen am Rumpf und allen vier Extremitäten, drohender Übergang in ein sekundäres Fibromyalgie-Syndrom und das Altersmaß überschreitende Knochendichteminderung im Sinne einer deutlichen Osteopenie; Leistungsbeurteilung: Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne langes Bücken, ohne Zwangshaltung, ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, unter Schutz von Nässe, Kälte und Zugluft sowie ohne langes Sitzen und ohne langes Stehen seien noch zumutbar, die Leistungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Dauernachtwache in einem Alters- und Pflegeheim sei dauerhaft aufgehoben).

Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte, des Orthopäden Dr. M. vom 16. Oktober 2006 und der Fachärztin für Allgemeinmedizin N. vom 17. Oktober 2006, und die Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 22. September 2005 und 21. Februar 2006 bei und holte das orthopädische Gutachten des Dr. A. vom 20. Dezember 2006 und das nervenärztliche Gutachten des Dr. E. vom 15. Januar 2007 ein.

Dr. M. berichtete über die am 5. September 2006 vorgenommene Innenmeniskusteilresektion links und gab an Funktionseinschränkungen eine völlige körperliche Belastungsunfähigkeit des Klägers an. Hausärztin N. verwies darauf, dass die Belastungsfähigkeit des Klägers massiv zurückgegangen und die Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt sei und Schlafstörungen und eine Bewegungseinschränkung mit hinkendem Gangbild bestünden.

Orthopäde Dr. A. kam zum Ergebnis, im Vordergrund stehe die somatoforme Schmerzstörung. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe eine leichte Aufbaustörung der Wirbelsäule, der Zustand nach Kniearthroskopie links mit Funktionsbehinderung, eine angedeutete Krampfaderbildung und eine Fußfehlform. Dennoch sei der Kläger in der Lage, die Tätigkeit als Altenpfleger und sonstige mittelschwere Tätigkeiten nicht ausschließlich in länger gebeugter Zwangshaltung, überwiegend im Stehen, zeitweise auch im Liegen und Sitzen vollschichtig durchzuführen. Dr. E. diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Polyneuropathie unklarer Ursache. Berufs- oder Arbeitsunfähigkeit liege bei Vermeidung von Nachtarbeiten und Arbeiten unter Zeitdruck nicht vor. Der Erfolg einer zielgerichteten nervenärztlichen und psychotherapeutischen Maßnahme, ggfs auch einer erneuten stationären Rehabilitationsmaßnahme, sollte abgewartet werden.

Da Beratungsärztin Röhrbein der Leistungsbeurteilung der beiden Gutachten mit Stellungnahme vom 30. Januar 2007 folgte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2007 zurück. Denn der Kläger sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsminderung liege daher nicht vor.

Mit der am 8. Mai 2007 dagegen erhobenen Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) hat der Kläger geltend gemacht, auf nicht absehbare Zeit außerstande zu sein, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dr. M. habe eine völlige körperliche Belastungsunfähigkeit bestätigt. Nach Auffassung von Dr. H. sei ihm die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr möglich. Umso überraschender sei die Leistungsbeurteilung der Gutachter. Dr. A. habe nicht einmal einen Anhalt für einen Bandscheibenvorfall gefunden, obwohl sich diese Diagnose durch sämtliche anderen Arztberichte wie ein roter Faden hindurch ziehe. Selbst Dr. E. habe auf die degenerativen Veränderungen und eine Osteopenie im Bereich der lumbalen Wirbelsäule hingewiesen. Dr. A. gehe auf diese Diagnosen jedoch nicht ein. Auch der MDK habe im Gutachten vom 21. Februar 2006 eine dauerhafte Leistungsminderung festgestellt. Auf Empfehlung des Dr. E. habe er sich in Behandlung bei Dr. Mü. begeben. Dieser habe ein psychosomatisches Zustandsbild im Sinne eines pseudoneurasthenischen Syndroms und eines somatoformen Schmerzzustandes bestätigt. Hierzu hat der Kläger den Arztbrief des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. Mü. vom 10. Juli 2007 vorgelegt.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört und eine psychiatrische Begutachtung des Klägers bei Dr. Mün. veranlasst.

Dr. M. hat in der Auskunft vom 14. September 2007 die Auffassung vertreten, der Kläger könne eine körperlich wenig anstrengende Berufstätigkeit ohne durchgehend einseitige Körperhaltung sechs Stunden täglich ausüben. Zudem hat er den Entlassungsbericht der SRH-Klinik H. vom 26. Juni 2007 über die stationäre Abklärung des Verdachts auf Polyneuropathie vorgelegt (kein Anhalt für Polyneuropathie, da sich in der neuropsychologischen Testung ein uneinheitliches Bild mit Aggravationstendenz ergeben habe). Dr. Mü. hat in der Auskunft vom 27. September 2007 ausgeführt, der neurologisch-psychopathologische Befund stimme im Wesentlichen mit dem von Dr. E. erhobenen Befund überein. Lediglich die vermutete Diagnose einer Polyneuropathie könne nicht bestätigt werden. Dr. E. habe allerdings die psychische Situation des Klägers und dessen Hintergrund zu wenig berücksichtigt. Deshalb sei es aufgrund des bisherigen Verlaufs der Behandlung (am 4. April 2005, am 23. Oktober 2006 und an vier Tagen im Jahr 2007) nicht vorstellbar, dass der Kläger einer Berufstätigkeit täglich sechs Stunden nachgehe. Auch Hausärztin N. und Dr. H., Oberärztin der Inneren Abteilung Krankenhaus M., haben in ihren Auskünften vom 8. Januar 2008 bzw 11. Januar 2008 den Kläger nicht mehr für in der Lage erachtet, eine leichte Tätigkeit sechs Stunden täglich zu verrichten.

Dr. Mün. hat im Gutachten vom 19. Mai 2008 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit organischen Komponenten in Form leichter bis mäßiger degenerativer Gelenksveränderungen mit Einschränkungen der Arbeitsschwere, der Arbeitshaltung, des Bewegungs- und Haltungsapparates sowie für gewisse Gefährdungsfaktoren diagnostiziert. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in der letzten Tätigkeit als Altenpflegehelfer in Früh- und Spätschicht könne bei Berücksichtigung von qualitativen Leistungseinschränkungen von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausgegangen werden.

Gegen das Gutachten des Dr. Mün. hat der Kläger ua eingewendet, Dr. Mün. könne nur fachgebietsspezifische Fragen beantworten. Soweit der Gutachter festhalte, dass keine psychiatrischen Erkrankungen vorliegen würden, werde dies nicht bestritten. Denn Grund für die Arbeitsunfähigkeit seien allein Erkrankungen organischer Natur. Dr. Mün. habe einzelne Aussagen nicht ausreichend begründet. Jedenfalls sei er im Tagesablauf sehr schwerwiegend eingeschränkt. Bei körperlichen Aktivitäten selbst leichtester Art leide er unter starken Schmerzen. Es trete schnell ein Erschöpfungszustand ein, er leide unter Konzentrationsschwächen, Vergesslichkeit, ständigen Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Kreislaufproblemen, Schlafstörungen und Taubheitserscheinungen an Händen, Fingern und im rechten Bein.

Auf Antrag des Klägers hat das SG das Gutachten des Prof. Dr. B., Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum H., vom 27. Januar 2009 eingeholt. Dieser hat beim Kläger ein chronifiziertes, generalisiertes myofasziales Schmerzsyndrom, rezidivierende Lumboischialgien bei Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1, eine Wirbelsäulenfehlhaltung, multilokuläre Arthralgien, Ein- und Durchschlafstörungen, eine depressive Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und ausgeführt, durch die chronische Schmerzkrankheit sei die Erwerbstätigkeit dauerhaft beeinträchtigt. Eine leichte körperliche Tätigkeit ohne Belastung der Wirbelsäule und der Gelenke könne der Kläger nur noch drei Stunden täglich ausüben. Die Ausübung einer leichten Tätigkeit sei zwar medizinisch sinnvoll und für den Erhalt der Lebensqualität nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung des Alters des Klägers erstrebenswert, absolute Voraussetzung dafür sei jedoch eine entsprechend systematische und adäquate schmerztherapeutische Behandlung entsprechend einem multimodalen Therapiekonzept inklusive einer psychotherapeutischen Behandlung. Eine adäquate Therapie sei bis zum Untersuchungszeitpunkt nicht erkennbar.

Zu diesem Gutachten hat Dr. Mün. in der vom SG veranlassten Stellungnahme vom 4. April 2009 ausgeführt, dass bezüglich der diagnostischen Einschätzungen weitgehende Übereinstimmung bestehe. Allerdings habe Prof. Dr. B. lediglich ein dreistündiges Leistungsvermögen angenommen. Er selbst habe sich im Gutachten an der "Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen" orientiert. Danach komme dem Nachweis körperlicher und/oder psychischer Beeinträchtigungen im Alltags- und Berufsleben bei der Begutachtung von Schmerzen überragende Bedeutung zu. Die Schwere der Krankheit ergebe sich nicht nur aus den Diagnosen, sondern insbesondere aus den belegten Funktionsminderungen. Prof. Dr. B. habe ohne Konsistenzprüfung die vom Kläger selbst eingeschätzten Einschränkungen als gegeben angenommen und deshalb seine sozialmedizinische Einschätzung überwiegend an den subjektiven Schilderungen des Klägers orientiert. Eine nach wissenschaftlichen Kriterien anerkannte Überprüfung der zumutbaren Willensanspannung bei ebenfalls nicht erfolgt.

Der Kläger hat am Tag vor der mündlichen Verhandlung noch auf verschlechterte orthopädische Gesundheitsstörungen hingewiesen und die Arztbriefe über die erfolgten Magnetresonanztomographien der LWS vom 18. Mai 2009 und der HWS vom 20. Mai 2009 vorgelegt, zu denen das SG Dr. M. noch telefonisch gehört hat. Nach dem Aktenvermerk über das Telefonat hat Dr. M. erklärt, an den Diagnosen und Einschätzungen habe sich seit September 2007 nichts wesentliches geändert. Der Spondylodiszitis sollte zunächst kein allzu großes Gewicht zugemessen werden.

Mit Urteil vom 3. Juni 2009 hat das SG die Klage nach ausführlicher persönlicher Anhörung des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat sich das SG im Wesentlichen auf die Gutachten des Dr. A. und Dr. Mün. und den Bericht des Dr. M. gestützt. Der Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. Mü. und Dr. H. und dem Gutachten des Prof. Dr. B. könne nicht gefolgt werden. Insbesondere habe Prof. Dr. B. keinerlei Konsistenzprüfung bei der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung vorgenommen und nicht überprüft, ob der Kläger bei zumutbarer Willensanspannung in der Lage wäre, die von ihm erlebten Einschränkungen zu überwinden. Im Fall des Klägers seien auch keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erkennbar.

Am 8. Juni 2009 hat der Kläger hiergegen beim SG Berufung eingelegt. Das SG habe die Einschätzungen des Prof. Dr. B. nicht hinreichend gewürdigt. Dieses Gutachten spiegele jedoch den tatsächlichen Gesundheitszustand wider. Dem Gutachten des Dr. A. könne nicht gefolgt werden, da Dr. A. keinen Anhalt für einen Bandscheibenvorfall gefunden habe, obwohl diese Diagnose gesichert sei. Im Übrigen gehe Dr. A. auf die Diagnosen der degenerativen Veränderungen und einer Osteopenie nicht ein. Die Ausführungen des Dr. Mün., die dem Fachgebiet der Orthopädie zuzurechnen seien, seien insoweit unbeachtlich, da Dr. Mün. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Juli 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig.

Auf den Antrag des Klägers vom 22. September 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger erneut eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der K.-Klinik in Bad R ... Diese ist im Zeitraum vom 3. Dezember 2009 bis 5. Januar 2010 durchgeführt worden. Dr. T. hat im Entlassungsbericht vom 12. Januar 2010 ausgeführt, das vorliegende komplexe Krankheitsbild aus chronischem generalisiertem Schmerzsyndrom, somatoformer Schmerzstörung, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, multiplen Arthralgien sowie vegetativen und kognitiven Begleitstörungen schränkten das Leistungsvermögen des Klägers erheblich ein. Deshalb sei der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten lediglich unter drei Stunden täglich einsetzbar.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung der Befundberichte des Orthopäden Dr. M. vom 28. Januar 2010, des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Mü. vom 2. Februar 2010 und der Internistin und Rheumatologin Dr. H. vom 26. Februar 2010.

Dr. M. hat darauf hingewiesen, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers trotz Therapie insgesamt verschlechtert habe. Dr. Mü. hingegen hat ausgeführt, eine wesentliche Veränderung des Zustandsbildes sei nicht eingetreten. Der Befund der K.-Klinik liege ihm noch nicht vor. Dr. H. hat den Kläger am 11. August 2008 und am 28. Januar 2010 untersucht. Seit Mai 2005 habe sich ihres Erachtens das sekundäre Fibromyalgie-Syndrom kontinuierlich verschlechtert im Sinne eines jetzt anhaltenden und quälenden Ganzkörperschmerzes mit erheblicher psychovegetativer Begleitsymptomatik. Das Leistungsvermögen des Klägers werde anhaltend und hochgradig durch die Gesundheitsstörungen beeinträchtigt.

Schließlich hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des nervenärztlichen Gutachtens des Dr. He. vom 21. Juni 2010. Dr. He. ist zu der Auffassung gelangt, der Kläger könne trotz der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, das durch ausgeprägte demonstrative Tendenzen überformt werde, Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder Arbeiten unter besonderem Zeitdruck müsse vermieden werden. Dies gelte gleichermaßen für besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration für eine besonders hohe Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung. Weitere Einschränkungen würden sich nicht ergeben. Die in der K.-Klinik in Bad R. getroffene Leistungsbeurteilung lasse sich jedenfalls durch die Erkrankungen auf nervenfachärztlichem Gebiet definitiv nicht begründen.

Der Kläger ist der Beurteilung des Dr. He. entgegengetreten. Schon fraglich sei, welcher Tätigkeit er nachgehen solle, wenn er gleichzeitig Medikamente einnehmen müsse, die zu Nebenwirkungen wie starken Müdigkeit und Trägheit, Alpträumen und Halluzinationen, Verwirrtheit und Krampfanfällen führen könnten. Die neuropsychiatrische Komponente stelle lediglich eine Randerscheinung des körperlichen Gebrechens dar. Die körperliche Komponente stehe bei ihm an erster Stelle. Von der Agentur für Arbeit T. bzw deren Medizinischen Dienst sei er als nicht mehr vermittelbar eingestuft worden. An den Mitteilungen des Dr. He. seien Korrekturen vorzunehmen. Der Sachverständige schreibe, dass er "die 136 km täglich" nicht verkraftet habe. Tatsächlich habe der Arbeitsweg einfach 136 km betragen. Nicht richtig sei, dass er gerade mal 800 EUR Rente erhalten würde. Denn bislang erhalte er keinerlei Rentenzahlungen. Dr. He. führe aus, dass demonstrative Tendenzen unverkennbar gewesen seien. Er lege jedoch Wert auf die Feststellung, dass er bei jeglicher Art von Bewegung und selbst in Ruhestellung Schmerzen in unterschiedlicher Intensität verspüre. Dr. He. gebe keine Begründung für seine Leistungseinschätzung. Denn die Mehrzahl der von Dr. He. aufgeführten Stellungnahmen gingen von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen aus. Mit denen habe sich Dr. He. nicht auseinandergesetzt. Dr. Mü. habe noch nicht den Entlassungsbericht der K.-Klinik berücksichtigen können. Es werde deshalb angeregt, Dr. Mü. ergänzend zu hören. Den Einschätzungen der behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. H. und dem Gutachten des Prof. Dr. B. sei zu folgen. Gerade Prof. Dr. B. habe sich anhand seines Tätigkeitsfeldes der Schmerztherapie und Palliativmedizin tagtäglich mit sämtlichen Formen der Schmerzsymptomatik auseinanderzusetzen und sei zur Einschätzung gelangt, dass bei ihm keinerlei Anzeichen von Simulation oder Aggravation festzustellen seien. Wenn die Sachverständigen anderer Fachgebiete eine solche Tendenz festzustellen meinten, folge dies möglicherweise aus der Tatsache, dass diese Sachverständigen weniger Erfahrung mit Patienten mit solch massiver Schmerzsymptomatik aufweisen dürften.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 2 SGG, da die Berufung Leistungen für mehr als ein Jahr umfasst. Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 18. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weshalb das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (BGBl I 2000, 1827) und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554). Denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden gemäß § 302b SGB VI keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß § 43 Abs 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB II Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Zur Überzeugung des Senats steht im Hinblick auf die durchgeführte Beweisaufnahme in erster und zweiter Instanz und die im Verwaltungsverfahren vorgenommene Ermittlungen fest, dass der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert ist, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies ergibt sich insbesondere aus den Gutachten des Dr. A. vom 20. September 2006, des Dr. E. vom 15. Januar 2007, des Dr. Mün. vom 19. Mai 2008 und des Dr. He. vom 21. Juni 2010. Der Kläger ist danach noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, überwiegend im Stehen und Gehen, ständig im Sitzen, ohne häufige Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken oder Überkopf-Arbeiten, ohne häufige kniende Tätigkeiten, ohne Arbeiten häufig in Kälte, Nässe und Zugluft, ohne Akkord- und Nachtarbeit und ohne Arbeiten unter besonderem Zeitdruck mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers wird in erster Linie durch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung bzw das myofasziale Schmerzsyndrom beeinträchtigt. Bereits nach der stationären medizinischen Rehabilitation im Jahr 2005 wurde ein chronisches myofasziales Schmerzsyndrom des Beckengürtels und der Schulter diagnostiziert (Entlassungsbericht des Dr. T. vom 12. September 2005). Bei sämtlichen Gutachtern und behandelnden Ärzten hat der Kläger über wandelnde Schmerzen in verschiedenen Körperregionen bzw Ganzkörperschmerzen geklagt, weshalb nicht nur die nervenärztlichen Sachverständigen, sondern auch der orthopädische Sachverständige Dr. A. und die den Kläger behandelnden Ärzte Dr. M., Dr. Mü. und Dr. H. diese Schmerzen als im Vordergrund der Beurteilung stehend sehen. Diagnostisch gehen dabei die Sachverständigen Dr. A., Dr. Mün. und Dr. He. von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung aus, die ebenfalls der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. Mü. bestätigt (und ebenfalls als im Vordergrund stehend ansieht, vgl Stellungnahme des Dr. Mü. vom 27. September 2007 vor dem SG). Auch Orthopäde Dr. M. nennt an erster Stelle nicht etwa orthopädische Diagnosen, sondern die Diagnose "generalisierende Schmerzen des gesamten Bewegungsapparates bei Fibromyalgie" (sowohl in der Auskunft vom 14. September 2007 vor dem SG als auch in der Auskunft vom 28. Januar 2010 vor dem Senat). Internistin und Rheumatologin Dr. H. hat den anhaltenden und quälenden Ganzkörperschmerz diagnostisch als sekundäres Fibromyalgiesyndrom eingeordnet. Schließlich hat Prof. Dr. B. ein chronifiziertes, generalisiertes myofasziales Schmerzsyndrom an erster Stelle genannt und daneben noch eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert.

Zu Recht weist Dr. Mün. in der Stellungnahme vom 4. April 2009 darauf hin, dass Diagnosen allein jedoch den Schweregrad einer Schmerzsymptomatik nicht erklären. Die problematische Frage nach der Diagnose eines Fibromyalgie-Syndroms und ihre Abgrenzung zur somatoformen Schmerzstörung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats von nachrangiger Bedeutung (zB Urteil des Senats vom 14. Juli 2009 - L 11 R 5825/08). Maßgebend sind ausschließlich die Auswirkungen einer Erkrankung auf das berufliche Leistungsvermögen. Wesentlich für die Leistungsbeurteilung sind deshalb die Funktionseinschränkungen, die sich aus den Schmerzen des Klägers ergeben. Deshalb ist allein der Hinweis des Klägers auf die Schmerzen in unterschiedlicher Intensität selbst in Ruhestellung nicht weiterführend. Funktionelle Einschränkungen, die das Leistungsvermögen des Klägers zeitlich limitieren könnten, liegen nämlich zur Überzeugung des Senats nicht vor. Denn der psychische Befund war bei den Begutachtungen durch Dr. E., Dr. Mün. und Dr. He. im Wesentlichen unauffällig. Die Stimmung war nur leicht gedrückt bei guter Schwingungs- und Resonanzfähigkeit. Im Übrigen haben sich bei den Begutachtungen keinerlei Einschränkungen von Auffassung, Konzentration und Durchhaltevermögen ergeben, obwohl der Kläger hierüber geklagt hatte und insbesondere nach Kenntnisnahme des Gutachtens des Dr. Mün. noch einmal auf die Beeinträchtigungen durch einen schnellen Erschöpfungszustand, Konzentrationsschwächen, Vergesslichkeit, ständige Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Kreislaufprobleme, Schlafstörungen und Taubheitserscheinungen hingewiesen hat. Demgegenüber haben die Sachverständigen Dr. E., Dr. Mün. und Dr. He. wesentliche Beeinträchtigungen des Klägers weder bei den Begutachtungen noch im privaten Bereich aufgrund der eigenen Schilderungen des Klägers feststellen können. ZB bei der Begutachtung durch Dr. Mün. waren mnestische Defizite beim Kläger nicht erkennbar, die Darstellung der Biographie exakt und geordnet und Hinweise auf Gedächtnisstörungen haben sich nicht gefunden. Im privaten Bereich versorgt der Kläger die Haustiere der Familie, insbesondere drei Yorkshire Terrier, hat einen großen Freundeskreis und Kontakt zu früheren Berufskollegen und spielt Gitarre. Er nutzt jeden Sonnenstrahl, da ihm Wärme gut tut und geht deshalb einmal wöchentlich zum Warmwasserschwimmen. Im Haushalt versucht er, seiner Ehefrau zur Hand zu gehen und übernimmt zB das Staubsaugen und zum Teil das Putzen. Außerdem kümmert er sich um den Rasen um das Haus. Darüber hinaus haben die Gutachter demonstrative Tendenzen des Klägers festgestellt, da dieser Bewegungen nur auffällig-verlangsamt durchgeführt hat, aber zB bei der Überprüfung des Finger-Boden-Abstands bei Dr. A. und Dr. Mün. keinen konsistenten Befund gezeigt hat. Die Analyse der Alltagsaktivitäten, die bei den Begutachtungen durch Dr. E., Dr. Mün. und Dr. He. im Wesentlichen übereinstimmend vom Kläger geschildert werden, spricht deshalb auch zur Überzeugung des Senats gegen eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 20. Juli 2010, L 11 R 5140/09; 24. August 2010, L 11 R 715/10) wird der Schweregrad somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und gemessen.

Dabei hat der Senat keinerlei Zweifel an der Kompetenz der Sachverständigen Dr. Mün. und Dr. He. zur Beurteilung nicht nur (neurologischer und/oder) psychiatrischer Gesundheitsstörungen, sondern auch der Begutachtung von Schmerzen. Der Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen entsprechend, die von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, dem Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde verabschiedet wurde, haben Dr. Mün. und Dr. He. ihre Gutachten nach ihren Fachgebieten benannt und nicht etwa als "Schmerzgutachten" bezeichnet. Die Begutachtung chronischer Schmerzen ist, worauf die Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen nachvollziehbar hinweist, eine interdisziplinäre Aufgabe und erfordert Kompetenz sowohl zur Beurteilung körperlicher als auch psychischer Störungen. Notwendig sind daher fachübergreifende Erfahrungen hinsichtlich der Diagnostik und Beurteilung von Schmerzstörungen (BSG, Beschlüsse vom 9. April 2003 - B 5 RJ 80/02 B - und 12. Dezember 2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160 a Nr 3). Deshalb besitzen zur Überzeugung des Senats gerade auch Neurologen und/oder Psychiater die erforderliche Kompetenz zur Beurteilung der mit chronischen Schmerzen zusammenhängenden Gesundheitsstörungen.

Auf die weiteren, im einzelnen vom Kläger vorgebrachten Argumente gegen das Gutachten des Dr. Mün. muss nicht näher eingegangen werden. Denn der Kläger greift lediglich Aussagen im Zusammenhang mit der Begründung und der von Dr. Mün. dargelegten Ursache der Diagnose der somatoformen Schmerzstörung an. Wie oben schon ausgeführt, ist zur Beurteilung des Leistungsvermögens jedoch letztlich weder die Diagnose noch deren Ursache entscheidend.

Dahinstehen kann, warum Dr. He. einzelne Formulierungen bei der Anamnese nicht richtig widergegeben hat. Denn diese Formulierungen betreffen keine Funktionseinschränkungen oder Alltagsaktivitäten. Deshalb ändert sich die vorgenommene Leistungsbeurteilung auch bei richtiger Wiedergabe nicht, zB des Arbeitsweges von zuletzt tatsächlich ca 270 km täglich anstelle 136 km täglich bzw der Differenzierung zwischen privater Berufsunfähigkeitsrente und Arbeitslosengeld II anstelle der Wiedergabe des Rentenbezuges von 800 EUR monatlich. Anlass für weitere Ermittlungen auf nervenärztlichem Fachgebiet besteht nicht. Insbesondere hat der Kläger Gründe, warum nach dem überzeugenden Gutachten des Dr. He. nochmals der (den Kläger nur sporadisch) behandelnde Nervenarzt Dr. Mü. gehört werden sollte, nicht dargelegt.

Mit den Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet können die Schmerzen des Klägers ebenfalls weder ausreichend erklärt werden noch wirken sich die orthopädischen Gesundheitsstörungen auf das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers aus. Dies hat schon Dr. A. im Gutachten vom 20. Dezember 2006 nachvollziehbar erklärt. Der den Kläger behandelnde Orthopäde Dr. M. hat zeitlich nach der Begutachtung durch Dr. A. neben den generalisierenden Schmerzen des gesamten Bewegungsapparates bei Fibromyalgie noch folgende Diagnosen gestellt: Osteopenie, Zervikobrachialgie, Dorsalgie, Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfall L5/S1, Skoliose, Hohlrundrückenfehlstatik, Impingementsyndrom beider Schultern, Tendinopathie der Supraspinatussehne der rechten Schulter, AC-Gelenkarthrose beider Schultern, Bursitis subacromialis und subdeltoidea beider Schultern, mediale Meniskopathie beider Knie, Z.n. arthroskopischer Revision des linken Knies am 5. September 2006, retropatellare Chondropathie beider Knie, Epicondylitis humeri radialis rechts und unklarer Ellenbogenschmerz. In der Auskunft vor dem SG hat Dr. M. noch erklärt, dass der Kläger eine leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, und nach den erfolgten MRT-Untersuchungen im Mai 2009 darauf hingewiesen, dass sich an dieser Einschätzung nichts geändert hat. Diese Leistungseinschätzung hat Dr. M. in der Auskunft vom 28. Januar 2010 nicht revidiert. Auch wenn er darauf hinweist, dass das Leistungsvermögen seit Jahren durch die Gesundheitsstörungen beeinträchtigt wird und sich insgesamt eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ergeben hat, liegen keine Anhaltspunkte für ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen vor. Denn die Beschwerden des Klägers haben sich im Wesentlichen nicht verändert. Radiologische Befunde, wie die leichte Wurzelkompression der Nervenwurzel S1 links (MRT der LWS vom 18. Mai 2009) und die Spondylodiszitis C7/Th1 (MRT der HWS vom 20. Mai 2009) geben keine Auskunft über daraus resultierende Funktionsstörungen. Selbst mit den von Dr. M. genannten Diagnosen - und den dadurch verursachten Schmerzen - bleibt es daher aufgrund der nachfolgend bei der Begutachtung durch Dr. He. festgestellten Alltagsaktivitäten dabei, dass die Gesundheitsstörungen das Leistungsvermögen des Klägers nur qualitativ, nicht aber quantitativ einschränken.

Der Beurteilung des Prof. Dr. B. kann nicht gefolgt werden. Zu Recht verweist Dr. Mün. schon darauf, dass Prof. Dr. B. ohne Konsistenzprüfung die vom Kläger selbst eingeschätzten Einschränkungen als gegeben angenommen hat. Einen ausdrücklichen Tagesablauf hat Prof. Dr. B. nicht festgehalten, sondern lediglich die Angaben des Klägers, inwieweit er sich auf einer Skala von eins bis zehn bei familiären und häuslichen Aktivitäten als beeinträchtigt ansieht. Die Aussagen des Klägers gegenüber Prof. Dr. B., sich in den Bereichen familiäre häusliche Aktivitäten / Erholung / soziale Aktivitäten / Haus- und Berufsarbeit und Selbstversorgung jeweils mit mindestens sieben bzw acht Punkten als beeinträchtigt anzusehen, divergieren jedoch nicht nur mit den Feststellungen des Dr. Mün. zum Tagesablauf und den sozialen Aktivitäten des Klägers, sondern auch mit den Feststellungen, die zeitlich nach der Begutachtung durch Prof. Dr. B. durch Dr. He. erhoben worden sind und denen des Dr. Mün. entsprechen. Eine ausreichende Begründung hierfür gibt Prof. Dr. B. nicht, sondern verweist lediglich auf seine Einschätzung und den beim Kläger vorliegenden Schmerztyp (von nozizeptiven Schmerzen). Die Art der empfundenen Schmerzen kann jedoch deren Auswirkungen im Alltag und im Beruf nicht erklären.

Aus denselben Gründen ist auch der Leistungsbeurteilung des Dr. T. im Entlassungsbericht vom 12. Januar 2010 nicht zu folgen. Denn Dr. T. schildert zwar eine Einschränkung des Klägers bezüglich Ausdauer, Kraft, Reaktionsvermögen und erhöhte Anforderungen an Konzentration und Aufmerksamkeit, hat jedoch ebenfalls diese Funktionsstörungen keiner Konsistenzprüfung unterzogen. Sämtliche Beschwerden des Klägers werden als wahr unterstellt übernommen, ohne die Alltagsaktivitäten zu erfragen oder den demonstrativ schlürfenden Gang zu hinterfragen.

Eine weitergehende Einschränkung ist schließlich nicht durch die Aussagen der behandelnden Ärzte Dr. H., Dr. Mü. und Frau N. oder den Gutachten des MDK nachgewiesen. Denn in den Stellungnahmen und Gutachten werden lediglich Diagnosen und Beschwerdeangaben des Klägers aufgelistet, ohne Befunde oder Funktionsstörungen zu nennen. Eine ausreichende Begründung der Leistungsbeurteilung wird dadurch nicht gegeben.

Zu Recht hat das SG einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 bzw 1. Januar 2008 geltenden Fassung) ebenfalls verneint. Denn Anspruch darauf können nur Versicherte haben, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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