L 4 KA 46/08

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 390/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 46/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 53/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. April 2008 sowie der Beschluss des Beklagten vom 23. August 2007 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines Arzneikostenregresses gegen das Universitätsklinikum A. - die Beigeladene zu 9) - für die Quartale III/01 – II/05 wegen der Verordnung des Wirkstoffs Sildenafil im Rahmen eines sog. Off-Label-Use.

Die Beigeladene zu 9) betreibt die Medizinische Klinik II in A-Stadt, die wiederum eine Ambulanz für pulmonale Hypertonie betreibt. In den streitbefangenen Quartalen wurde in der Ambulanz für die am 3. September 1934 geborene und bei der Klägerin versicherte Patientin U. W. das Medikament Viagra® mit dem Wirkstoff Sildenafil verordnet. Wegen dieser Verordnungen stellte die Klägerin beim Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkasse in Hessen Anträge auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses. Zur Begründung führte die Klägerin aus, Viagra® sei bisher ausschließlich zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassen. Derzeit lägen laut aktueller Aussage des Herstellers noch keine Daten aus großen placebokontrollierten Studien zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in der Behandlung der pulmonalen Hypertonie vor. Ein Einsatz von Viagra® bei dieser Indikation könne auch außerhalb klinischer Studien von der Firma Pfizer nicht empfohlen werden. Zudem werde an eine Erweiterung der Zulassung für Viagra® in Kombination mit Ilomedin zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie zurzeit nicht gedacht. Sie beantragte die Festsetzung eines sonstigen Schadens und meldete ihren Schadensersatzanspruch an.

Die Beigeladene zu 9) erklärte zu den Anträgen der Klägerin, sie verordne Viagra® in der Indikation pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) unter bestimmten Voraussetzungen, seitdem im Jahr 2000 eine Publikation auf eine sehr deutliche Besserung im Einzelfall hingewiesen habe und sie eine signifikante akute Wirkung bei Katheteruntersuchung direkt habe nachweisen können. Sie sehe in der klinischen Praxis sehr gute Erfolge und eine geringe Rate an Nebenwirkungen. Es gebe mittlerweile eine beträchtliche Anzahl von Studien, die eine Wirksamkeit von Viagra® bei pulmonaler Hypertonie nahe legten. Sildenafil habe seine Orphan Drug Indikation von der EMEA in der Indikation pulmonaler Hypertonie erhalten und es sei im Jahre 2004 ein Zulassungsantrag gestellt worden. Es bestehe ein breiter Konsens auf Expertenseite bezüglich der Wirksamkeit von Sildenafil bei pulmonaler Hypertonie. Bei der Patientin U.W. liege eine Ausnahmeindikation vor aufgrund einer lebensbedrohlichen schweren pulmonalen Hypertonie mit drohender Rechtsherzdekompensation. Die Patientin sei seit 1997 zunächst mit inhalativem Ilomedin® erfolgreich behandelt worden. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sei es allerdings zu einer erneuten Verschlechterung gekommen, weshalb ab Januar 2001 zusätzlich Viagra verordnet worden sei. Darunter habe sich die Patientin erneut stabilisiert und sei nicht verstorben, wie man sonst hätte erwarten müssen. Eine Therapie mit Prostacyclin führe sie seit 1998 nicht mehr durch, weil sie in keinem Falle damit das Leben des betreffenden Patienten habe retten können und weil sie mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet sei, sie in Deutschland in keiner Indikation zugelassen sei, keine ausreichende Erfahrung in Deutschland bestehe, diese Therapie außerordentlich teuer sei und mit der Dauerinfusion von Ilomedin eine kostengünstigere Alternative bei gleicher Wirkungsweise bestehe. Bis Mai 2002 hätten sie solche Patienten, für die als nächste Therapieoption nur noch die lebenslange Dauerinfusion mit Ilomedin® oder Prostacyclin® zur Verfügung gestanden habe, auf Sildenafil eingestellt. Seit Mai 2002 stehe nunmehr mit Tracleer® (Wirkstoff Bosentan) ein zugelassenes Medikament zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie zur Verfügung. Die Patientin U.W. würde bei einer Neueinstellung heute von ihr auf Tracleer® eingestellt werden. Die Patientin fühle sich unter der bisherigen Therapie mit inhalativem Ilomedin® plus Viagra® aber wohl und die hämodynamischen Ergebnisse seien zufrieden stellend. Die Patientin stehe einer Therapieumstellung skeptisch gegenüber. Die Therapieumstellung von einer sehr erfolgreichen Therapie auf Bosentan sei risikoreich und solle niemals gegen den Willen des Patienten erzwungen werden. Bei der Therapie mit Viagra® handele es sich mit Jahrestherapiekosten von ca. 12.000,00 EUR um eine vergleichsweise preiswerte Therapie. Im Vergleich beliefen sich die Kosten für Tracleer® auf 45.000,00 EUR pro Jahr, für inhalatives Ilomedin® auf 30.000,00 EUR bis 60.000,00 EUR, für intravenöses Ilomedin® rund 90.000,00 EUR bis 180.000,00 EUR und für intravenöses Prostacyclin® auf 150.000,00 EUR bis 1,5 Mio. EUR. Als Ärzte könnten sie es ethisch nicht verantworten, dem Patienten eine Therapie vorzuenthalten, die bei einer lebensbedrohlichen Krankheit im Einzelfall nachweisbar akut und chronisch wirksam sei.

Der Prüfungsausschuss lehnte die Anträge der Klägerin mit mehreren Bescheiden ab, die dagegen jeweils Widerspruch einlegte. Die einzelnen Daten der Anträge, der Verordnungen, der Kosten der Verordnungen, die Daten der Bescheide des Prüfungsausschusses und die Daten der Widerspruchsschreiben ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:

Antrag v./Eingang beim Prüfungsausschuss am Verordnung der Klinik v. Betrag in EUR Prüfungsausschuss Bescheid. v. Widerspruch v.
20.09.2002/23.09.2002 05.09.2001 1.821,48 17.02.2003 10.03.2003
13.11.2001 455,37
03.03.2003/12.03.2003 07.01.2002 1.802,32 05.06.2003 16.06.2003
10.04.2002 1.501,93
19.06.2002 450,58
26.07.2002 1.501,03
16.09.2003/29.09.2003 01.10.2002 1.802,31 28.11.2003 09.12.2003
01.12.2003/22.12.2003 11.01.2003 1.333,30 12.08.2005 08.09.2005
09.04.2003 1.599,96
24.06.2004/29.06.2004 10.07.2003 1.599,96
08.10.2003 1.599,96
16.11.2004/22.12.2004 19.01.2004 1.263,36
20.05.2005/30.05.2005 07.04.2004 1.383,36
06.07.2004 806,96
07.10.2004 1.383,36
16.11.2005/02.12.2005 24.01.2005 1.152,50 05.04.2006 16.05.2006
28.02.2005 952,84
16.11.2005 19.04.2005 1.633,44

Die Gesamtregressforderung belief sich damit auf 24.044,02 EUR.

Der Prüfungsausschuss verwies in seiner Begründung auf von der Beigeladenen zu 9) kurzfristig vorgelegte Arbeiten aus dem europäischen Ausland, welche die Wirksamkeit belegten. Es sei auch mit berücksichtigt worden, dass aus dem Blickwinkel eines wirtschaftlichen Therapieverhaltens keine Beanstandungsgründe vorlägen.

Die Klägerin begründete ihre Widersprüche mit weitgehender Wiederholung ihrer Antragsbegründung. Erprobungen von Arzneimitteln auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung seien unzulässig. Die Stellungnahme des Beigeladenen zu 9) lasse vermuten, dass das Arzneimittel im Rahmen einer Studie verabreicht werde. Es liege kein austherapierter Einzelfall vor, sondern es bestünden weitere Therapieoptionen. Bei der Therapie ihrer Versicherten handele es sich um eine reine Erprobung.

Der Beklagte verband alle Widerspruchsverfahren und wies die Widersprüche mit Beschluss vom 28. März 2007 (der Klägerin am 17. August 2007 zugestellt) als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, ausweislich der Literatur und einer Auskunft des Bundesamtes für Arzneimittelzulassung und Medizinprodukte habe Viagra® zum Zeitpunkt der Verordnung für die Diagnose der pulmonalen Hypertonie keine Zulassung gehabt. Das Bundessozialgericht habe aber klargestellt, dass der Ausschluss eines Off-Label-Gebrauchs von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausnahmslos gelte. In den Jahren 2001 und 2002 habe es sich bei der Verordnung von Viagra zwar um Off-Label-Use-Verordnungen gehandelt. Zu diesem Zeitpunkt habe es jedoch keine zugelassenen therapeutischen Alternativen gegeben, allerdings eine Fülle von begründeten Ergebnissen, die zu dem Punkt geführt hätten, der dann auch zu einem späteren Zeitpunkt eine bessere Erkenntnissituation ergeben habe und letztendlich auch die Zulassung durch die FDA und EMEA zwingend nach sich gezogen habe. Zwar sei es richtig, dass die Verordnung von Sildenafil in den Jahren 2001 und 2002 noch nicht auf gesicherten Erkenntnissen beruht habe, danach habe sich aber das wissenschaftliche Erkenntnismaterial erheblich gefestigt und spätestens mit der Zulassung von Sildenafil durch die FDA und EMEA werde die Handlungsweise der Beigeladenen zu 9) gerechtfertigt. Obwohl sich aus einer Recherche der KBV vom 2. November 2004 noch keine gesicherten Empfehlungen für Sildenafil zur Behandlung von pulmonaler Hypertonie ergeben hätten, sei schon ca. ein halbes Jahr nach Erhebung dieser Daten in Amerika die Zulassung durch die FDA erteilt worden und auch die Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA sei am 4. November 2005 unter dem Namen Revatio® erfolgt. Revatio® habe den sogenannten "Orphan-drug"-Status erhalten. Zwar hätten ab Mai 2002 die Alternativen Bosentan oder Iloprost zur Verfügung gestanden, da für diese Arzneimittel ab diesem Zeitpunkt schon eine Zulassung vorgelegen habe, jedoch lägen die Therapiekosten für Bosentan und bei Iloprost ungleich höher. Außerdem hätten die Ärzte glaubhaft angegeben, dass sie Viagra® bzw. den Wirkstoff Sildenafil nur in medizinisch begründeten Fällen einsetzten, bei denen eine alternative Therapie nicht möglich bzw. nicht ausreichend sei. Ebenso wenig hätte in diesen Fällen eine Erprobung von Arzneimitteln auf Kosten der Versicherungsträger stattgefunden.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. September 2007 Klage erhoben und vorgetragen, entgegen der Ansicht des Beklagten hätten Therapiealternativen zur Verfügung gestanden. Das Medikament Ilomedin® mit dem Wirkstoff Iloprost sei in Deutschland zur intravenösen Verabreichung bei der Buerger-Krankheit zugelassen und habe in Neuseeland 2001 eine Indikationserweiterung für die intravenöse Behandlung der primären und sekundären pulmonalen Hypertonie erhalten. In Deutschland sei dann im Mai 2002 die Zulassung von Tracleer® (Wirkstoff Bosentan) für die Therapie der pulmonalen Hypertonie erfolgt. Seit 2003 stehe mit Ventavis® ein inhalatives Iloprost-Präparat auf dem deutschen Markt zur Verfügung. Auch sei Flolan® (Wirkstoff Epoprostenol) seit 1995 in den USA sowie einigen europäischen Ländern zugelassen. Eine Aussicht auf einen Behandlungserfolg mit Viagra® sei seinerzeit nicht gegeben gewesen. Es hätten weder publizierte Daten einer Phase-III-Studie noch andere wissenschaftliche Publikationen bestanden, die zuverlässige und wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über Qualität, Wirksamkeit und Überlegenheit der Viagra®-Gabe zugelassen hätten. Entsprechend habe sich auch der Hersteller geäußert. Daten einer klinischen Phase-III-Studie seien erst im November 2005 veröffentlicht worden. Die Zulassung von Revatio® mit dem Wirkstoff Sildenafil sei erst im Oktober 2005 erfolgt. Die Kostengegenüberstellung, wie sie der Beklagte vorgenommen habe, sei unzulässig und begründe keinen Leistungsanspruch. Berücksichtige man, dass Viagra® in Kombination mit dem Wirkstoff Iloprost angewandt worden sei, so erhalte man neben den Kosten für Viagra® die zusätzliche Summe von über 170.000,00 EUR. Zur Kombinationstherapie mit dem Wirkstoff Iloprost werde in der Fachinformation von Revatio® gewarnt. Auch seien bis zum heutigen Zeitpunkt keine Veröffentlichungen von Phase-III-Studien für den Einsatz der Kombination Ilomedin® und Viagra® bekannt. Es habe sich nur um eine Erprobung gehandelt.

Mit Urteil vom 16. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich den Ausführungen in dem angefochten Beschluss angeschlossen und ergänzend auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = BVerfGE 115, 25) hingewiesen. Danach sei es unzulässig, einen Versicherten, der an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leide, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorlägen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen, sofern die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspreche. Ein solcher Fall liege hier vor. Bei der pulmonalen Hypertonie, an der die Patientin U. W. erkrankt sei, handele es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von drei Jahren. Zu Beginn des hier strittigen Behandlungszeitraums habe auch keine Behandlungsalternative bestanden, wie die mündliche Verhandlung ergeben habe. Im Jahr 2001 habe nur die Möglichkeit zur Gabe von Ilomedin®, entweder intravenös oder inhalativ, bestanden. Die Patientin sei zunächst mit Ilomedin® inhalativ behandelt worden und habe sich darunter zunächst stabilisiert, ihr Gesundheitszustand habe sich dann aber im Jahr 2001 verschlechtert und eine Therapieerweiterung sei erforderlich gewesen. Als Alternative sei die intravenöse Gabe von Ilomedin® in Betracht gekommen; diese Medikation geht aber mit vielen weiteren Problemen einher. Alternativ habe zusätzlich, eben als Kombination, Sildenafil eingesetzt werden können. Eine andere Möglichkeit habe auch aus heutiger medizinischer Sicht zum damaligen Zeitpunkt nicht bestanden, wie der die Klägerin in der Folgezeit behandelnde Arzt Dr. R. in der mündlichen Verhandlung für die Beigeladene zu 9) im Einzelnen erläutert habe. Bosentan sei erst ein Jahr später verfügbar gewesen. Eine Umstellung sei der Patientin dann aber aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar gewesen, da sie dies auch nicht gewünscht habe. Die Patientin hatte sich unter der Gabe von inhalativem Ilomedin® in der Kombination mit Sildenafil so gut stabilisiert, dass eine Änderung der Therapie medizinisch nicht zu rechtfertigen gewesen sei. Die Behandlung sei auch nicht im Rahmen einer klinischen Studie erfolgt. Von daher habe die Patientin einen Anspruch auf Versorgung mit Sildenafil gegenüber der Klägerin gehabt. Soweit aber ein Versorgungsanspruch bestehe, sei ein Arzneikostenregress ausgeschlossen.

Gegen das ihr am 22. April 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. Mai 2008 Berufung eingelegt.

Sie führt – gestützt auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 4. September 2009 – aus, das Sozialgericht gehe unzutreffend von einem zulässigen Off-Label-Use aus. Es hätten Therapiealternativen zu Viagra® zur Verfügung gestanden. Bereits 2001 sei eine intravenöse Gabe von Ilomedin® in Betracht gekommen; weshalb dies nicht angewandt worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Ebenfalls habe seit 1995 Flolan® mit dem Wirkstoff Epoprostenol existiert. Die Behauptung, eine Umstellung auf das zugelassene und sichere Medikament Tracleer ® ab 2002 sei aus medizinischen Gründen nicht zumutbar gewesen, entbehre der Grundlage. Medizinische Gründe gegen eine Umstellung hätten nicht vorgelegen; der vom Sozialgericht angeführte Wunsch der Patientin, nicht umgestellt zu werden, sei allein nicht ausreichend. Schließlich habe auch für den Einsatz von Viagra keine ausreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg bestanden. Das Sozialgericht setze sich überhaupt nicht mit der Datenlage zum Verordnungszeitpunkt bezüglich der Behandlungsaussichten auseinander.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. April 2008 sowie den Beschluss des Beklagten vom 23. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, ausschlaggebend seien die individuellen patientenbezogenen Verordnungsgründe, die das Sozialgericht überzeugend dargelegt habe.

Die Beigeladenen zu 1) bis 8) stellen keine Anträge und haben sich zur Sache inhaltlich nicht geäußert.

Die Beigeladene zu 9) trägt vor, eine Zulassung für eine intravenöse Dauerinfusion von Ilomedin® habe weder damals noch heute in Deutschland bestanden, so dass es sich ebenfalls um einen Off-Label-Use gehandelt hätte. Es handele sich um eine nachgewiesen wirksame Therapie, die jedoch mit ungleich ausgeprägteren und gefährlicheren Nebenwirkungen einhergehe und zudem für den Patienten wegen der Dauerkatheterisierung ungleich stärker belastend und mit Risiken (z.B. Infektionsgefahren) verbunden sei. Die Jahrestherapiekosten seien um den Faktor 5 höher als bei Sildenafil. Gleiches gelte für intravenöses Flolan®, welches die erste Therapie für die idiopathische PAH gewesen sei; Ilomedin sei ein "weiterentwickeltes" Flolan® mit längerer Wirkungszeit. Schon im Jahre 2002 hätten nach ihrer Auffassung ausreichende Studienergebnisse vorgelegen, die eine gute klinische Wirksamkeit von Sildenafil nahe gelegt hätten. Die Patientin sei mit Sildenafil gut behandelt und stabil gewesen. Es sei einheitliche Meinung der internationalen PAH-Spezialisten, dass eine Therapieumstellung von einer Substanzgruppe auf eine andere nicht ohne zwingende medizinische Gründe erfolgen dürfe, da die individuelle Ansprache auf die Medikation nicht voraussagbar sei und eine klinische Verschlechterung nach einem solchen Umstellungsversuch teilweise nicht mehr aufgefangen werden könne. Bei ungenügendem Ansprechen auf eine Therapie oder Verschlechterung unter Therapie würden die Substanzen nicht gegen eine andere Gruppe gewechselt, sondern um eine weitere Substanzgruppe ergänzt. Dieses Vorgehen werde auch in der aktuellsten Therapieempfehlung, basierend auf dem World Meeting for PAH in Dana Point 2008, wiedergegeben. Vor dem Hintergrund des natürlichen Verlaufs der Erkrankung ohne Therapie (50% verstorben in 2,5 Jahren) sei im Nachhinein der vergleichsweise gute Zustand der Patientin nach nunmehr fast 10jähriger Therapie mit Sildenafil als großer therapeutischer Erfolg zu werten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Beigeladenen zu 1) bis 9) aufgrund der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beigeladenen ordnungsgemäß zum Termin geladen und mit der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass auch im Falle ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts kann keinen Bestand haben. Der angegriffene Beschluss des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte ist verpflichtet, über den Antrag auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Nach § 106 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arzt-bezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina und/oder auf der Grundlage von Stichproben geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (vgl. zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 17 RdNr. 12 f m.w.N.). Diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in §§ 13, 14 der hier einschlägigen Prüfvereinbarung vom 21. Dezember 1992 (PV) vorgesehen.

Vorliegend hat der Beklagte es zu Unrecht abgelehnt, gegen die Beigeladene zu 9) einen Regress wegen der Verordnung von Viagra® in der Zeit zwischen September 2001 und April 2005 vorzunehmen. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 3/08 R – Juris RdNr. 25).

Ein Anspruch auf Versorgung besteht im Rahmen der GKV nur nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V. Diese Bestimmungen ergeben im Kontext mit den allgemeinen Regelungen der § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten. Dafür sind zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über das Arzneimittel in dem Sinne erforderlich, dass der Erfolg der Behandlung mit ihm durch eine ausreichende Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R - BSGE 95, 132 RdNr. 18 f. = SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 RdNr. 25 f).

Aufgrund der Datenlage bestand keine hinreichend begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg mit Viagra® (Wirkstoff Sildenafil). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr. 8; SozR 4-2500 § 31 Nr. 5) kann von hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht. Diese Voraussetzungen lagen in Bezug auf die Behandlung der primären schweren pulmonalen Hypertonie mit Sildenafil nicht vor. Es gab im Zeitraum der streitigen Verordnungen noch keine Erkenntnisse, die über Qualität und Wirksamkeit dieses Mittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zuließen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne bestand. Es existierten lediglich einzelne unkontrollierte Studien und Fallbeobachtungen; kontrollierte, randomisierte Studien wurden erst Ende 2004 publiziert (Prasad u.a., New England Journal of Medizin 2000, 343 (18): 1342; Ghofrani u.a., Journal of the american College of Cardiology, Vol. 42, Nr. 1 (2003); Galiè u.a., Journal of the american College of Cardiology, Vol. 43, Nr. 12, 2004, S. 82 ff.). Der Beklagte hat in dem angegriffenen Beschluss vom 16. August 2007 darauf hingewiesen, dass nach einer Recherche der KBV vom 2. November 2004 noch zu diesem Zeitpunkt keine gesicherten Empfehlungen für Sildenafil zur Behandlung bei pulmonaler Hypertonie vorlagen. Insofern ist es auch unbeachtlich, dass das Medikament Revatio® (Wirkstoff Sildenafil) Ende 2005 eine Zulassung für die Behandlung der pulmonalen Hypertonie erhielt. Für die Frage eines zulässigen Off-Label-use kommt es nämlich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Zeitpunkt der streitigen Behandlung an (stRspr, vgl z.B. BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1; Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 5/05 R, Juris).

Vor allem war aber der Nutzen einer Kombinationstherapie von zwei Substanzen mit unterschiedlichem Wirkmechanismus, wie hier bei der Kombination von inhalativem Ilomedin® mit Viagra®, zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie ungeklärt. Im Jahr 2004 wurden derartige Kombinationen in den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Diagnose und Therapie der PAH (Galiè u.a., Eurpean Heart Journal 2004; 25: 2243-2278) nach Maßgabe evidenzbasierter Bewertung mit IIb C bewertet, also als Therapien, für die keine Daten aus randomisierten Studien vorlagen und bei denen die Meinung der Experten zum Nutzen dieser Therapie divergent war. Bezüglich der Kombination von inhalativem Iloprost mit Sildenafil existierten bis 2005 lediglich drei kleinere unkontrollierte Studien (vgl. Schering GmbH (Hsgb.): Iloprost aktuell Nr. 19, S. 11, Heidelberg 2006). Noch im Jahr 2006 wurde in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie&8722;, Herz&8722; und Kreislaufforschung, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie festgestellt, dass kontrollierte Studien zu Kombinationstherapien ausstünden (Pneumologie 2006; 60; 749, 766). Lediglich für die Kombination von inhalativem Iloprost kombiniert mit Bosentan gab es ab dem Jahr 2005 mit der sog. STEP-Studie einen Nachweis der Wirksamkeit dieses Behandlungsansatzes (vgl. Iloprost aktuell Nr. 19, S. 14, Heidelberg 2006). Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass die Firma Pfizer Pharma GmbH noch in ihrer Produktinformation zu REVATIO vom Mai 2006 darauf aufmerksam machte, dass die Wirksamkeit und Sicherheit von Sildenafil bei gleichzeitiger Anwendung mit anderen Arzneimitteln zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie (z.B. Bosentan, Epoprostenol, Iloprost) bisher nicht in kontrollierten Studien untersucht worden sei und eine gleichzeitige Gabe von Sildenafil zusammen mit diesen Arzneimitteln deshalb nicht empfohlen werden könne.

Auch unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts war der Beigeladene zu 9) nicht berechtigt, die Patientin U.W. mit einer Kombination von inhalativem Iloprost und Sildenafil zu Lasten der Klägerin zu behandeln. Allerdings geht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ( vgl. Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R) davon aus, dass die Regelungen des Leistungsrechts der GKV zur Arzneimittelversorgung aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 6. Dezember 2005 einer verfassungskonformen Auslegung bedürfen, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Vorliegend stand jedoch eine anerkannte Standardbehandlung zur Verfügung, und zwar in Form der intravenösen Gabe von Epoprostenol. Zwar war auch dieses Medikament in Deutschland für die Behandlung der schweren pulmonalen Hypertonie nicht zugelassen. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verlangt vor der Anwendung eines Medikaments, dessen Wirksamkeit in dem entsprechenden Anwendungsgebiet nicht durch kontrollierte Studien nachgewiesen ist, auch die Prüfung, ob andere Medikamente im Rahmen eines nach den dargestellten Grundsätzen zulässigen Off-Label-Use angewandt werden können. Denn eine aus dem Gesichtspunkt des Verfassungsrechts zum Schutz der Patienten in notstandsähnlichen Situationen geschuldete Erweiterung der leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB V auf Therapien, für die es bisher keinen Wirksamkeitsnachweis gibt, sondern lediglich ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Heilung oder auch nur auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf im konkreten Einzelfall, hat das Bundesverfassungsgericht nur für solche Situationen gefordert, in denen eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiert (vgl. BVerfGE 115, 25 ff. = Juris Rdnr. 67). Gibt es aber eine solche – zwar nur "off-label" verfügbare, aber anerkannt wirksame Therapie –, so hat diese den Vorrang (vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 1/06 R).

Die Behandlung von Patienten mit idiopathischer pulmonaler Hypertonie im Stadium III mit dem Wirkstoff Epoprostenol stellt eine anerkannte Standardbehandlung dar (vgl. Galiè u.a., European Heart Journal 2004; 25: 2243, 2262). Aus der Stellungnahme der Beigeladenen zu 9) vom 10. Juni 2009 ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass eine Behandlung der Patientin U.W. mit Epoprostenol aus individuellen medizinischen Gründen ausgeschieden wäre. Eine Behandlung mit Epoprostenol durch die Beigeladene zu 9) wäre auch tatsächlich möglich gewesen, weil dieses Medikament im Rahmen eines zulässigen Einzelimports aus dem Ausland nach § 73 Abs. 3 AMG hätte beschafft werden können (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 1/06 R, Juris Rdnr. 28).

Als Behandlungsalternative zu Sildenalfil kam zudem das Medikament Ilomedin® (Wirkstoff Iloprost) in intravenöser (statt wie bis dahin in inhalativer) Anwendung in Betracht. Dr. RR. hat als Vertreter der Beigeladenen zu 9) vor dem Sozialgericht erklärt, dass diese Behandlungsmöglichkeit bestand. In ihrer Stellungnahme vom 10. Juni 2009 hat die Beigeladene zu 9) ausgeführt, dass es sich bei dieser Therapie um eine durch Therapiestudien und offene Beobachtungsstudien nachgewiesen wirksame Therapie bei der idiopathischen pulmonalarterilellen Hypertonie handele. Allerdings war die Behandlung mit Ilomedin® intravenös im Jahr 2001 keine durch kontrollierte Studien nachgewiesen wirksame Therapie der pulmonalen Hypertonie. In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie&8722;, Herz&8722; und Kreislaufforschung, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie (Pneumologie 2006; 60; 749-771) wird diese Behandlungsform mit der Evidenzstufe IIa C bewertet, also als Konsensus&8722;Meinung von Experten basierend auf Studien und klinischer Erfahrung, bei der Nutzen/Effektivität einer Maßnahme mit positiver Tendenz beurteilt wurde. Es wird darauf hingewiesen, dass Ilomedin intravenös in mehreren nichtkontrollierten Studien vergleichbare Wirkungen und Nebenwirkungen wie intravenöses Epoprostenol gezeigt habe, dabei aber aufgrund seiner chemischen Stabilität erhebliche praktische Vorteile und einen Vorteil bei unbeabsichtigten Therapieunterbrechungen biete, weshalb es in Deutschland bevorzugt werde (aaO., S. 764 f.); in diesem Zusammenhang wird auch auf den außerordentlich hohen Preis für Epoprostenol hingewiesen. Auch wenn Ilomedin intravenös somit kein nachgewiesen wirksames Medikament bei der Behandlung der pulmonalen Hypertonie war, so bleibt doch festzuhalten, dass es unter Experten aufgrund von Studien und klinischer Erfahrung eine positive Bewertung hatte, während für die von der Beigeladenen zu 9) gewählte Kombinationstherapie zum damaligen Zeitpunkt überhaupt keine belastbaren Erkenntnisse über eine Wirksamkeit vorlagen und der Nutzen dieser Therapie unter Experten divergent beurteilt wurde.

Soweit die Beigeladene zu 9) in diesem Zusammenhang auf mögliche Nebenwirkungen der Behandlung mit intravenösem Epoprostenol bzw. Ilomedin und die Erschwernisse für den Patienten, die sich aus der bei dieser Behandlungsform nötigen Anlage eines Dauerkatheders ergeben, hinweist, sind diese Einwände nicht geeignet, die Voraussetzungen für einen zulässigen off-label-use von Sildenafil in der Kombination mit Ilomedin zu begründen. Eine Kontraindikation gegen Epoprostenol oder Ilomedin intravenös bestand bei der Patientin nicht. Die potentiellen Gesundheitsgefahren, die im Rahmen einer nachgewiesen wirksamen Therapie von der Notwendigkeit der Anlage eines Dauerkatheters ausgehen, können keinen Vorrang zugunsten einer hinsichtlich ihrer Wirksamkeit ungeklärten Therapie begründen. Deshalb reicht auch der Gebrauchsvorteil, der aus der oralen Anwendung von Viagra gegenüber der intravenösen Anwendung von Iloprost folgt, nicht aus, um einen zulässigen off-label-use zu begründen. Denn letztlich würde über eine derartige Argumentation der unbegrenzte Einsatz nicht ausreichend erprobter Medikamente ermöglicht, weil alternative Therapien typischerweise damit werben, dass sie für den Patienten weniger belastend sind. Ebenso wenig kommt es auf Kostenvorteile der Therapie mit Viagra an. Eine derartige Betrachtungsweise würde die Frage der Zulässigkeit des Einsatzes von Arzneimitteln außerhalb ihres zugelassenen Anwendungsbereichs allein von einem Kostenvergleich abhängig machen und damit den Anwendungsvorrang nachgewiesen wirksamer Medikamente grundlegend unterlaufen.

Steht damit fest, dass die Beigeladene zu 9) bereits bei der Erstverordnung von Viagra im Jahr 2001 unwirtschaftlich gehandelt hat, bedarf es keiner Prüfung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die Patientin U.W. ab Mai 2002 auf das ab diesem Zeitpunkt zur Behandlung der PAH zugelassene Medikament Tracleer® hätte eingestellt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als unterliegende Partei hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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