Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 876/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2556/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.05.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die behördliche Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mehr als 80 sowie des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G).
Bei dem im Jahre 1949 geborenen Kläger hatte das seinerzeit zuständige Versorgungsamt Heidelberg mit Ausführungsbescheid vom 19.07.1991 wegen der Behinderungen Darmerkrankung, Magengeschwürsleiden und Zwerchfellbruch (Teil-GdB 30), Wirbelsäulenerkrankung und Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20), psychische Störung (Teil-GdB 40) sowie Narbenbildung im Bereich des behaarten Kopfes mit Wetterfühligkeit (Teil-GdB 10) einen GdB von 60 ab dem 03.12.1990 festgestellt.
Nachdem ein im Jahre 1992 gestellter Erhöhungsantrag des Klägers ohne Erfolg geblieben war, beantragte er am 27.03.2007 erneut die Feststellung eines höheren GdB und in der Folgezeit auch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G, des Vorliegens von Hilflosigkeit (Merkzeichen H) und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen RF). Zur Begründung seines Begehrens legte er verschiedene ärztliche Unterlagen vor.
Das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt R.-N.-Kreis holte den Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. G. vom 15.10.2007 (Fibromyalgiesyndrom mit massiven Schmerzen und weiteren Beeinträchtigungen, depressive Grundstimmung mit Schlafstörungen, Zustand nach Morbus Crohn mit Reizdarm und chronischer Gastritis, Gonarthrose beidseits mit Schmerzen, erheblicher Reflux, bronchiale Hyperreagibilität, Römheld-Syndrom mit massiver Luftansammlung im Oberbauch und thorakalem Druckgefühl, Hypertonus, Diabetes mellitus mit massiver Erhöhung der Leberenzyme, Zustand nach BWK-9-Fraktur mit Schmerzen, Arthrose in beiden Daumensattelgelenken mit belastungsabhängigen Schmerzen, Schlafapnoe-Syndrom mit häufiger Tagesmüdigkeit; MdE 100 %) ein.
Gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. R. vom 12.08.2007 und Dr. K.-D. vom 26.11.2007 hob das Landratsamt den Bescheid vom 19.07.1991 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte beim Kläger wegen der Funktionsbeeinträchtigungen seelische Störung (Teil-GdB 40), Darmerkrankung, Magengeschwürsleiden, Zwerchfellbruch, Refluxkrankheit der Speiseröhre und chronische Magenschleimhautentzündung (Teil-GdB 30), Diabetes mellitus - mit Diät und oralen Antidiabetika und Insulin einstellbar - (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom und Fibromyalgiesyndrom (Teil-GdB 20), hyperreagibles Bronchialsystem, Allergie- und Schlafapnoe-Syndrom (Teil-GdB 20), Narbenbildung im Bereich des behaarten Kopfes mit Wetterfühligkeit (Teil-GdB 10), Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10), Leberschaden (Teil-GdB 10) und Daumensattelgelenksarthrose beidseits (Teil-GdB 10) einen GdB von 80 seit dem 28.06.2007 fest. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Fettstoffwechselstörung, Einschlafen der Arme, Krämpfe der Füße, Hämorrhoidalleiden, Chilaidichi-Syndrom, Taubheitsgefühl rechter Oberschenkel, gelegentliches Schwächegefühl rechtes Bein, apoplexe Behinderung der Beine, posttraumatische Amnesie, Harnsäurestoffwechselstörung, Zustand nach Rhinoplastik, labiler Hypertonus, Zustand nach Distorsion Sprunggelenk und Oberschenkelprellung bedingten keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10; die weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen Asthma bronchiale und cardiale, Darmpilz, Sensibilitätsstörung linker Fuß und Varikose hätten nicht nachgewiesen werden können. Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Merkzeichen G, H und RF lägen nicht vor.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. St. vom 14.12.2007 mit am Tage seines Erlasses zur Post gegebenem Widerspruchsbescheid vom 11.02.2008 zurück.
Am 18.03.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht Mannheim Klage. Nach Hinweis auf Bedenken an der Einhaltung der Klagefrist berief er sich auf verlängerte Postlaufzeiten, die sich auch anhand des Eingangs von Schreiben des Beklagten bei Gericht und Schreiben des Gerichts bei ihm selbst zeigten. In der Sache machte er einen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 100 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, H und RF geltend.
Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Orthopäden Dr. H. vom 25.04.2008 (degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Bandscheibenschaden [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung der rechten Schulter [Teil-GdB 10] sowie Funktionsbehinderung der Füße und des linken Sprunggelenks [Teil-GdB 10], darüber hinaus Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom, Colitis ulcerosa und psychovegetative Erschöpfung), des Allgemeinmediziners Dr. G. vom 08.05.2008 (Neurosen/Persönlichkeitsstörung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten [Teil-GdB 100], Krankheiten der Atmungsorgane geringen Ausmaßes [Teil-GdB 20], Hypertonie leichte Form [Teil-GdB 10], Verdauungsorgane [Teil-GdB 30], Magen-Darm-Erkrankungen mit mittelschwerer Auswirkung [Teil-GdB 40], Leberparenchymschaden [Teil-GdB 20], Stoffwechsel - Diabetes mellitus Typ 2 mit Insulin - [Teil-GdB 30], Wirbelsäulenschäden [Teil-GdB 40], Kniegelenk und Sprunggelenk [Teil-GdB 20]; Zurücklegen einer Wegstrecke von ca. zwei Kilometern in ca. einer halben Stunde möglich, dabei allerdings Gefahr des Auftretens von Schmerzen am Bewegungsapparat, des Nichtauffindens einer Toilette sowie des Auftretens von Angstgefühlen und Panikattacken; unter Inkaufnahme dieser Gefährdungen Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen durchaus möglich; auf Grund der paranoiden Persönlichkeit Hilflosigkeit bei der Bewältigung seiner Angelegenheiten anzunehmen), der Fachärztin für Psychiatrie Dr. G. vom 30.05.2008 (keine sach- und fachgerechten Angaben möglich) und des Internisten Dr. D. vom 03.07.2008 (chronischer Alkoholabusus mit schwerer ethyltoxischer Hepatopathie und beginnende chronische Pankreatitis [Teil-GdB 50], gastroösophageale Refluxkrankheit mit histologisch gesichertem Short-Barrettösophagos [Teil-GdB 20], Diabetes mellitus Typ II b [Teil-GdB 30] sowie Divertikulose mit rezidivierend auftretenden zum Teil kolikartigen abdominellen Beschwerden und Stuhlgangsunregelmäßigkeit [Teil-GdB 20]; keinerlei Untersuchungsergebnisse bezüglich des anamnestisch stattgehabten Myokardinfarktes 2006; Voraussetzungen der Merkzeichen G, RF und H auf internistischem Fachgebiet nicht erfüllt; Übereinstimmung mit den versorgungsärztlichen Feststellungen und Beurteilungen von Dr. St.) ein.
Sodann erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. das vom Sozialgericht von Amts wegen eingeholte Gutachten vom 31.10.2008 (Persönlichkeitsakzentuierung mit querulatorischen Zügen [Teil-GdB 30] sowie Verdacht auf Alkoholmissbrauch; Voraussetzungen der Merkzeichen G, RF und H aus nervenärztlicher Sicht nicht erfüllt; Bewertung der seelischen Störung durch den Beklagten [Teil-GdB 40] an der oberen noch vertretbaren Grenze). Eine vom Sozialgericht zunächst vorgesehene internistische Begutachtung unterblieb, nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er sei körperlich nicht in der Lage, durch die Gegend zu laufen und öffentliche Verkehrsmittel ohne Begleitung zu nutzen; in Frage komme allerdings eine Untersuchung bei ihm zu Hause oder ein Transport mit einem Taxi oder Krankenwagen.
Der Kläger machte geltend, seine Funktionsbeeinträchtigungen seien auch ärztlicherseits nicht ausreichend und objektiv berücksichtigt. Der Beklagte trug vor, auf der Grundlage der eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen sei der Leberschaden mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, was sich allerdings auf den Gesamt-GdB ebenso wenig auswirke, wie Teil-GdB-Werte von jeweils 10 für die rechte Schulter und die unteren Gliedmaßen.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.05.2009 wies das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf die angegriffenen Bescheide ab. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Degeneration der Wirbelsäule auch nach Auffassung von Dr. H. mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet sei. Die von ihm als leichtgradig eingestuften weiteren Funktionsbeeinträchtigungen der rechten Schulter bzw. der unteren Extremitäten seien für die Bildung des Gesamt-GdB ohne Relevanz. Die nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. P. leichtgradigen Einschränkungen durch die Persönlichkeitsakzentuierung mit querulatorischen Zügen bei Verdacht auf Alkoholmissbrauch seien mit einem Teil-GdB von maximal 30 anzusetzen. Ob weitere Behinderungen nicht ausreichend berücksichtigt seien, habe die Kammer nicht überprüfen können, da der Kläger nicht bereit gewesen sei, den vorgesehenen Sachverständigen in seinen Praxisräumen aufzusuchen. Dass der Kläger hierzu körperlich nicht in der Lage sei, sei auszuschließen, nachdem er auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seinem Beisein bestanden und auch als Bürgermeister in M. kandidiert habe. Die Voraussetzungen der Merkzeichen G, RF und H seien nicht erfüllt.
Mit seiner am 04.06.2009 eingelegten Berufung hat der Kläger zunächst sein Begehren vollumfänglich weiterverfolgt. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 10.09.2009 hat er die Berufung hinsichtlich der Merkzeichen RF und H zurückgenommen.
Der Senat hat das interdisziplinäre Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie und spezielle Schmerztherapie Prof. Dr. Sch. vom 01.12.2009 samt psychologischer Evaluation der Dipl.-Psych. G. vom 17.11.2009 (Daumensattelgelenksarthrose links [Teil-GdB 10], Funktionsstörung nach Sprunggelenksfraktur links [Teil-GdB 10], anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit weit verbreitetem Schmerz im gesamten Rückenbereich, Kopfbereich, beider Kniegelenke, beider Handgelenke und beider Sprunggelenke sowie Dysthymie mit chronisch leichter Herabminderung der Stimmung und Hedonie [Teil-GdB 30]; zusammengefasster GdB für die angeführten drei Erkrankungen 40, Gesamt-GdB unter Berücksichtigung der übrigen Erkrankungen 80; Voraussetzungen des Merkzeichens G nicht erfüllt) eingeholt.
Der Kläger trägt unter Vorlage ärztlicher Unterlagen und Abhandlungen, u. a. des Arztschreibens des Internisten Dr. W. vom 23.12.2009 vor, er leide an einem Morbus Crohn mit dem klinischen Bild einer Colitis ulcerosa, derzeit ohne Anhalt für einen akuten Schub, einer Fibromyalgie, einem Diabetes mellitus Typ II, einer Adipositas, einer Hypercholesterinämie, einer Fettleber mit beginnender Zirrhose, einem Reizdarmsyndrom, einer axialen Hiatushernie mit Reflexösophagitis und Roemheld-Syndrom, einem Chilaiditi-Syndrom, einem Schulter-Arm-Syndrom mit Arthritis, einem Diskusprolaps, einem Zustand nach BWK-9-Fraktur, einem Zustand nach OSG-Fraktur links, einem Schlafapone-Syndrom, einer Septumdeviation, einer Varikosis bei Zustand nach Varizen-OP, einer Depression sowie einer Migräne. Seine Gesundheitsstörungen seien vom Beklagten, dem Sozialgericht und ärztlicherseits, auch von Prof. Dr. Sch., nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.05.2009 sowie den Bescheid vom 03.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, beim ihm einen Grad der Behinderung von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Mannheim sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage (auch) in dem noch zur Entscheidung des Gerichts gestellten Umfang abgewiesen.
Zwar hegt der Senat ebenso wie das Sozialgericht keine durchgreifenden Zweifel gegen die Zulässigkeit der Klage, insbesondere die Einhaltung der einmonatigen Klagefrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn der Kläger hat die Zugangsfiktion des § 37 SGB X unter Hinweis auf den verzögerten Zugang von Schreiben des Beklagten an das Sozialgericht und insbesondere auch von Schreiben des Gerichts an ihn selbst hinreichend erschüttert, zumal ihm auch der am 27.05.2009 zur Post gegebene erstinstanzliche Gerichtsbescheid ausweislich des bei den Akten des Sozialgerichts befindlichen Rückscheins erst am 04.06.2009 und mithin fünf Tage nach Ablauf der Dreitagesfrist des § 37 SGB X übergeben worden ist. Indes sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 80 (1.) und der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G (2.).
1. Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen im Folgenden einzeln bezeichneten Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 80.
Auf internistischem Fachgebiet liegt beim Kläger zunächst eine Darmerkrankung in Form einer Cholondivertikulose, derzeit ohne Entzündungszeichen, vor (vgl. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. D. vom 03.07.2008) und besteht für ein Rezidiv des Morbus Crohn mit dem klinischen Bild einer Colitis ulcerosa kein Anhalt (vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. D. vom 03.07.2008 sowie den Arztbrief von Dr. W. vom 23.12.2009). Unter Berücksichtigung der hausärztlich mitgeteilten häufigen Durchfälle (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. G. vom 05.08.2008) ist insoweit der von Dr. D. in Ansatz gebrachte Teil-GdB von 20 (vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 03.07.2008) angemessen. Denn die VG sehen in Teil B Nr. 10.2.2 für chronische Darmstörungen mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z. B. Durchfälle, Spasmen) einen GdB von 20 bis 30 vor. Eine Ausschöpfung des genannten Bewertungsrahmens ist nicht veranlasst, nachdem angesichts der vom Kläger selbst geltend gemachten Adipositas (vgl. den Arztbrief von Dr. W. vom 23.12.2009) gerade keine Minderung des Ernährungszustandes als Zeichen verstärkter Auswirkungen der Darmstörungen (vgl. auch hierzu Teil B Nr. 10.2.2 der VG) vorliegt. Die Refluxkrankheit der Speiseröhre ist in Anwendung von Teil B Nr. 10.1 der VG bei einem Rahmen für die GdB-Bewertung von 10 bis 30 in Übereinstimmung mit Dr. D. (vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 03.07.2008) gleichfalls mit einem Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. In diesem Teil-GdB geht der mit der Refluxkrankheit im Zusammenhang stehende kleine Zwerchfellbruch (axiale Hiatushernie; vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. D. vom 03.07.2008) im Sinne von Teil B Nr. 11.3 der VG auf. Die chronische Gastritis und beginnende chronische Pankreatitis sind unter Berücksichtigung von Teil B Nr. 10.2.1 und Teil B Nr. 10.3.6 der VG angesichts der von Dr. D. mitgeteilten geringen Auswirkungen (Schonkost; vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 03.07.2008) mit einem Teil-GdB von allenfalls 20 zu bewerten. Hinzu kommt der durch Alkoholmissbrauch herbeigeführte Leberschaden, den Dr. G. und der Versorgungsarzt Dr. Wolf gemäß Teil B Nr. 10.3.3 der VG zutreffend mit einem isolierten Teil-GdB von 20 in Ansatz gebracht haben (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 08.05.2008 und die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 17.07.2008). Zusammengenommen ergibt sich aus diesen eher leichten Funktionsbeeinträchtigungen für das Funktionssystem Verdauung ein Teil-GdB von 40, nicht hingegen bereits eine Schwerbehinderung mit einem Teil-GdB von 50. Die durch die Magen-Darmproblematik hervorgerufenen Syndrome (Roemheld und Chilaiditi) sind damit abgegolten. Auch geht der chronische Alkoholabusus (vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. D. vom 03.07.2008) in Ermangelung einer bereits eingetretenen Alkoholabhängigkeit (vgl. hierzu das nervenärztliche Gutachten von Dr. P. vom 30.10.2008) gemäß Teil B Nr. 3.8 der VG in den Folgeerkrankungen auf. Der von Dr. D. für den chronischen Alkoholabusus mit schwerer ethyltoxischer Hepatopathie und beginnender chronischer Pankreatitis angenommene Teil-GdB von 50 ist nach alledem überhöht.
Der Diabetes mellitus Typ II ist nach übereinstimmender Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. G. und Dr. D. (vgl. hierzu die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen vom 08.05.2008 und vom 03.07.2008) sowie der Versorgungsärzte Dr. R., Dr. K.-D. und Dr. St. (vgl. die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 12.08.2007, 26.11.2007 und vom 14.12.2007) mit einem Teil-GdB von 30 in Ansatz zu bringen. Diese Beurteilung trifft in Anwendung sowohl der früheren Bemessungsregelung in Nr. 26.15 der AHP als auch der zwischenzeitlich anzuwendenden Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" (vgl. das im Anschluss an das Urteil des BSG vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - ergangene Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 22.09.2008 - IVc 3-48064-3 -) und der nunmehr geltenden Regelung in Teil B Nr. 15.1 der VG auch unter Berücksichtigung der bereits von Dr. G. berichteten Insulintherapie (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 08.05.2008) zu. Insbesondere werden nämlich unter Insulintherapie instabile Stoffwechsellagen und Hypoglykämien ärztlicherseits nicht berichtet.
Die leichte Hypertonie rechtfertigt nach Teil B Nr. 9.3 der VG allenfalls einen Teil-GdB von 10 (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. G. vom 08.05.2008).
Aus dem vom Kläger nunmehr angegebenen anaphylaktischen Schock lässt sich keine berücksichtigungsfähige Behinderung ableiten. Zum einen ist weder der behauptete Schock noch eine diesem zu Grund liegende Allergie ärztlicherseits bestätigt. Zum anderen bestehen auch keine Anhaltspunkte für einen sich hieraus ergebenden Teil-GdB.
Die bronchiale Hyperreagibilität mit Hustenattacken und Atemnotzuständen sowie Schlafapnoe-Syndrom ist ausweislich der hausärztlichen Einschätzung von Dr. G. lediglich geringgradig (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 08.05.2008) und mithin in Übereinstimmung mit dem genannten Arzt nach Teil B Nr. 8.5 in Verbindung mit Teil B Nr. 8.7 der VG mit einem Teil-GdB von 20 angemessen bewertet.
Auf orthopädischem Fachgebiet liegen ausweislich des vom Senat eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. Sch. lediglich eine Daumensattelgelenksarthrose links bei klinisch gut erhaltener Beweglichkeit sowie eine geringe Druckschmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Sprunggelenks auf Grund Mindernutzung der Bewegungsmöglichkeit vor, die mit einem Teil-GdB von jeweils 10 ausreichend bewertet sind (vgl. Teil B Nr. 18.13 sowie Teil B Nr. 18.14 der VG, wonach selbst eine Versteifung eines Daumengelenks in günstiger Stellung nur mit einem Teil-GdB von 0 bis 10 und geringgradige Bewegungseinschränkungen des Sprunggelenks gleichfalls nur mit einem Teil-GdB von 0 bis 10 zu bewerten sind). Eine Fraktur des 9. Brustwirbelkörpers hat Prof. Dr. Sch. in Übereinstimmung mit dem vom Kläger selbst bei der Beklagten vorgelegten fachradiologischen Gutachten von Priv.-Doz. Dr. H. vom 29.05.2006 ausgeschlossen und altersentsprechende Befunde in allen Wirbelsäulenabschnitten sowohl klinisch als auch radiologisch erhoben.
Ferner besteht beim Kläger eine Persönlichkeitsakzentuierung mit querulatorischen Zügen mit leichtgradigen Einbußen (vgl. hierzu das nervenärztliche Gutachten von Dr. P. vom 31.10.2008 nebst somatoformer Schmerzstörung und Dysthymie (vgl. hierzu das interdisziplinäre Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Sch.). Insoweit bestehen stärker behindernde Störungen im Sinne von Teil B Nr. 3.7 der VG, die nach übereinstimmender Einschätzung der Sachverständigen Dr. P. und Prof. Dr. Sch. einen Teil-GdB von 30 rechtfertigen. Dem schließt sich der Senat an, nachdem die objektivierbare Funktionsbeeinträchtigung durch die Schmerzen ausweislich des Gutachtens von Prof. Dr. Sch. nur gering bis mittelgradig ausgeprägt ist und auch Dr. P. schlüssig dargelegt hat, dass der Kläger über Möglichkeiten verfügt, sein Leben zu gestalten, Beziehungen zu unterhalten und sich auf sein Gegenüber einzulassen (vgl. auch hierzu die Gutachten vom 01.12.2009 und vom 31.10.2008). Eine Bewertung der psychischen Störungen am oberen Rand des durch Teil B Nr. 3.7 der VG gezogenen Bemessungsrahmens von 30 bis 40 lässt sich danach nicht begründen.
Hinzu kommt schließlich noch die vom Beklagten mit einem Teil-GdB von 10 berücksichtigte Narbenbildung im Bereich des behaarten Kopfes mit Wetterfühligkeit. Weitere hier erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen liegen nicht vor.
Unter Berücksichtigung der danach vorliegenden Teil-GdB ergibt sich ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 80. Die zunächst in Ansatz zu bringenden Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems Verdauung mit einem Teil-GdB von 40 werden durch die psychischen Beeinträchtigungen (Teil-GdB 30) unter Einschluss der orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen (Teil-Gdb zweimal 10) mit einem Teil-GdB von 40 (vgl. hierzu das Gutachten von Prof. Dr. Sch. vom 01.12.2009) auf 60 erhöht. Der hinzukommende Diabetes mellitus mit einem Teil-GdB von 30 führt zu einer weiteren Erhöhung des GdB um 10 auf 70 und die Auswirkungen der Atmungsbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 zu einer Erhöhung des GdB auf allenfalls 80. Die Hypertonie mit einem Teil-GdB von 10 sowie die Narbenbildung im Bereich des behaarten Kopfes mit Wetterfühligkeit und einem Teil-GdB von ebenfalls 10 fallen dabei nicht weiter ins Gewicht. Eine weitergehende Behinderung lässt sich auch unter Berücksichtigung von Vergleichen mit Gesundheitsschäden, zu denen in der GdB-Tabelle der VG feste Werte angegeben sind (vgl. Teil A Nr. 3 b der VG), wie bspw. dem Verlust beider Beine im Unterschenkel bei einseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen (GdB 90) oder beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen (GdB 100) nicht begründen.
2. Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. Nach der Legaldefinition des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als solchermaßen üblich sind - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - Wegstrecken von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten anzusehen (vgl. BSG, Urteile vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - und vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 - jew. zit. nach juris).
Den VG lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Merkzeichen G, B, aG, Gl und Bl unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich (mit Ausnahme des Merkzeichens H) weder in § 30 Abs. 17 BVG (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4), noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (vgl. auch LSG Bad-Württ., Urteil vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09 - http://www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Eine danach für das Merkzeichen G erforderliche Einschränkung der Gehfähigkeit liegt nicht vor. Denn nach den oben gemachten Ausführungen besteht kein Anhalt dafür, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, eine Wegstrecke von bis zu zwei Kilometern in einer Zeit von etwa 30 Minuten zurückzulegen. Dementsprechend hat zuletzt auch Prof. Dr. Sch. eine entsprechende Wegefähigkeit des Klägers unter Berücksichtigung sowohl der orthopädischen als auch der schmerzbedingten Einschränkungen bejaht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die behördliche Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mehr als 80 sowie des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G).
Bei dem im Jahre 1949 geborenen Kläger hatte das seinerzeit zuständige Versorgungsamt Heidelberg mit Ausführungsbescheid vom 19.07.1991 wegen der Behinderungen Darmerkrankung, Magengeschwürsleiden und Zwerchfellbruch (Teil-GdB 30), Wirbelsäulenerkrankung und Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20), psychische Störung (Teil-GdB 40) sowie Narbenbildung im Bereich des behaarten Kopfes mit Wetterfühligkeit (Teil-GdB 10) einen GdB von 60 ab dem 03.12.1990 festgestellt.
Nachdem ein im Jahre 1992 gestellter Erhöhungsantrag des Klägers ohne Erfolg geblieben war, beantragte er am 27.03.2007 erneut die Feststellung eines höheren GdB und in der Folgezeit auch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G, des Vorliegens von Hilflosigkeit (Merkzeichen H) und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen RF). Zur Begründung seines Begehrens legte er verschiedene ärztliche Unterlagen vor.
Das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt R.-N.-Kreis holte den Befundbericht des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. G. vom 15.10.2007 (Fibromyalgiesyndrom mit massiven Schmerzen und weiteren Beeinträchtigungen, depressive Grundstimmung mit Schlafstörungen, Zustand nach Morbus Crohn mit Reizdarm und chronischer Gastritis, Gonarthrose beidseits mit Schmerzen, erheblicher Reflux, bronchiale Hyperreagibilität, Römheld-Syndrom mit massiver Luftansammlung im Oberbauch und thorakalem Druckgefühl, Hypertonus, Diabetes mellitus mit massiver Erhöhung der Leberenzyme, Zustand nach BWK-9-Fraktur mit Schmerzen, Arthrose in beiden Daumensattelgelenken mit belastungsabhängigen Schmerzen, Schlafapnoe-Syndrom mit häufiger Tagesmüdigkeit; MdE 100 %) ein.
Gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. R. vom 12.08.2007 und Dr. K.-D. vom 26.11.2007 hob das Landratsamt den Bescheid vom 19.07.1991 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte beim Kläger wegen der Funktionsbeeinträchtigungen seelische Störung (Teil-GdB 40), Darmerkrankung, Magengeschwürsleiden, Zwerchfellbruch, Refluxkrankheit der Speiseröhre und chronische Magenschleimhautentzündung (Teil-GdB 30), Diabetes mellitus - mit Diät und oralen Antidiabetika und Insulin einstellbar - (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom und Fibromyalgiesyndrom (Teil-GdB 20), hyperreagibles Bronchialsystem, Allergie- und Schlafapnoe-Syndrom (Teil-GdB 20), Narbenbildung im Bereich des behaarten Kopfes mit Wetterfühligkeit (Teil-GdB 10), Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10), Leberschaden (Teil-GdB 10) und Daumensattelgelenksarthrose beidseits (Teil-GdB 10) einen GdB von 80 seit dem 28.06.2007 fest. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Fettstoffwechselstörung, Einschlafen der Arme, Krämpfe der Füße, Hämorrhoidalleiden, Chilaidichi-Syndrom, Taubheitsgefühl rechter Oberschenkel, gelegentliches Schwächegefühl rechtes Bein, apoplexe Behinderung der Beine, posttraumatische Amnesie, Harnsäurestoffwechselstörung, Zustand nach Rhinoplastik, labiler Hypertonus, Zustand nach Distorsion Sprunggelenk und Oberschenkelprellung bedingten keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10; die weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen Asthma bronchiale und cardiale, Darmpilz, Sensibilitätsstörung linker Fuß und Varikose hätten nicht nachgewiesen werden können. Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Merkzeichen G, H und RF lägen nicht vor.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. St. vom 14.12.2007 mit am Tage seines Erlasses zur Post gegebenem Widerspruchsbescheid vom 11.02.2008 zurück.
Am 18.03.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht Mannheim Klage. Nach Hinweis auf Bedenken an der Einhaltung der Klagefrist berief er sich auf verlängerte Postlaufzeiten, die sich auch anhand des Eingangs von Schreiben des Beklagten bei Gericht und Schreiben des Gerichts bei ihm selbst zeigten. In der Sache machte er einen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 100 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, H und RF geltend.
Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Orthopäden Dr. H. vom 25.04.2008 (degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Bandscheibenschaden [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung der rechten Schulter [Teil-GdB 10] sowie Funktionsbehinderung der Füße und des linken Sprunggelenks [Teil-GdB 10], darüber hinaus Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom, Colitis ulcerosa und psychovegetative Erschöpfung), des Allgemeinmediziners Dr. G. vom 08.05.2008 (Neurosen/Persönlichkeitsstörung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten [Teil-GdB 100], Krankheiten der Atmungsorgane geringen Ausmaßes [Teil-GdB 20], Hypertonie leichte Form [Teil-GdB 10], Verdauungsorgane [Teil-GdB 30], Magen-Darm-Erkrankungen mit mittelschwerer Auswirkung [Teil-GdB 40], Leberparenchymschaden [Teil-GdB 20], Stoffwechsel - Diabetes mellitus Typ 2 mit Insulin - [Teil-GdB 30], Wirbelsäulenschäden [Teil-GdB 40], Kniegelenk und Sprunggelenk [Teil-GdB 20]; Zurücklegen einer Wegstrecke von ca. zwei Kilometern in ca. einer halben Stunde möglich, dabei allerdings Gefahr des Auftretens von Schmerzen am Bewegungsapparat, des Nichtauffindens einer Toilette sowie des Auftretens von Angstgefühlen und Panikattacken; unter Inkaufnahme dieser Gefährdungen Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen durchaus möglich; auf Grund der paranoiden Persönlichkeit Hilflosigkeit bei der Bewältigung seiner Angelegenheiten anzunehmen), der Fachärztin für Psychiatrie Dr. G. vom 30.05.2008 (keine sach- und fachgerechten Angaben möglich) und des Internisten Dr. D. vom 03.07.2008 (chronischer Alkoholabusus mit schwerer ethyltoxischer Hepatopathie und beginnende chronische Pankreatitis [Teil-GdB 50], gastroösophageale Refluxkrankheit mit histologisch gesichertem Short-Barrettösophagos [Teil-GdB 20], Diabetes mellitus Typ II b [Teil-GdB 30] sowie Divertikulose mit rezidivierend auftretenden zum Teil kolikartigen abdominellen Beschwerden und Stuhlgangsunregelmäßigkeit [Teil-GdB 20]; keinerlei Untersuchungsergebnisse bezüglich des anamnestisch stattgehabten Myokardinfarktes 2006; Voraussetzungen der Merkzeichen G, RF und H auf internistischem Fachgebiet nicht erfüllt; Übereinstimmung mit den versorgungsärztlichen Feststellungen und Beurteilungen von Dr. St.) ein.
Sodann erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. das vom Sozialgericht von Amts wegen eingeholte Gutachten vom 31.10.2008 (Persönlichkeitsakzentuierung mit querulatorischen Zügen [Teil-GdB 30] sowie Verdacht auf Alkoholmissbrauch; Voraussetzungen der Merkzeichen G, RF und H aus nervenärztlicher Sicht nicht erfüllt; Bewertung der seelischen Störung durch den Beklagten [Teil-GdB 40] an der oberen noch vertretbaren Grenze). Eine vom Sozialgericht zunächst vorgesehene internistische Begutachtung unterblieb, nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er sei körperlich nicht in der Lage, durch die Gegend zu laufen und öffentliche Verkehrsmittel ohne Begleitung zu nutzen; in Frage komme allerdings eine Untersuchung bei ihm zu Hause oder ein Transport mit einem Taxi oder Krankenwagen.
Der Kläger machte geltend, seine Funktionsbeeinträchtigungen seien auch ärztlicherseits nicht ausreichend und objektiv berücksichtigt. Der Beklagte trug vor, auf der Grundlage der eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen sei der Leberschaden mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, was sich allerdings auf den Gesamt-GdB ebenso wenig auswirke, wie Teil-GdB-Werte von jeweils 10 für die rechte Schulter und die unteren Gliedmaßen.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.05.2009 wies das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf die angegriffenen Bescheide ab. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Degeneration der Wirbelsäule auch nach Auffassung von Dr. H. mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet sei. Die von ihm als leichtgradig eingestuften weiteren Funktionsbeeinträchtigungen der rechten Schulter bzw. der unteren Extremitäten seien für die Bildung des Gesamt-GdB ohne Relevanz. Die nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. P. leichtgradigen Einschränkungen durch die Persönlichkeitsakzentuierung mit querulatorischen Zügen bei Verdacht auf Alkoholmissbrauch seien mit einem Teil-GdB von maximal 30 anzusetzen. Ob weitere Behinderungen nicht ausreichend berücksichtigt seien, habe die Kammer nicht überprüfen können, da der Kläger nicht bereit gewesen sei, den vorgesehenen Sachverständigen in seinen Praxisräumen aufzusuchen. Dass der Kläger hierzu körperlich nicht in der Lage sei, sei auszuschließen, nachdem er auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seinem Beisein bestanden und auch als Bürgermeister in M. kandidiert habe. Die Voraussetzungen der Merkzeichen G, RF und H seien nicht erfüllt.
Mit seiner am 04.06.2009 eingelegten Berufung hat der Kläger zunächst sein Begehren vollumfänglich weiterverfolgt. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 10.09.2009 hat er die Berufung hinsichtlich der Merkzeichen RF und H zurückgenommen.
Der Senat hat das interdisziplinäre Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie und spezielle Schmerztherapie Prof. Dr. Sch. vom 01.12.2009 samt psychologischer Evaluation der Dipl.-Psych. G. vom 17.11.2009 (Daumensattelgelenksarthrose links [Teil-GdB 10], Funktionsstörung nach Sprunggelenksfraktur links [Teil-GdB 10], anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit weit verbreitetem Schmerz im gesamten Rückenbereich, Kopfbereich, beider Kniegelenke, beider Handgelenke und beider Sprunggelenke sowie Dysthymie mit chronisch leichter Herabminderung der Stimmung und Hedonie [Teil-GdB 30]; zusammengefasster GdB für die angeführten drei Erkrankungen 40, Gesamt-GdB unter Berücksichtigung der übrigen Erkrankungen 80; Voraussetzungen des Merkzeichens G nicht erfüllt) eingeholt.
Der Kläger trägt unter Vorlage ärztlicher Unterlagen und Abhandlungen, u. a. des Arztschreibens des Internisten Dr. W. vom 23.12.2009 vor, er leide an einem Morbus Crohn mit dem klinischen Bild einer Colitis ulcerosa, derzeit ohne Anhalt für einen akuten Schub, einer Fibromyalgie, einem Diabetes mellitus Typ II, einer Adipositas, einer Hypercholesterinämie, einer Fettleber mit beginnender Zirrhose, einem Reizdarmsyndrom, einer axialen Hiatushernie mit Reflexösophagitis und Roemheld-Syndrom, einem Chilaiditi-Syndrom, einem Schulter-Arm-Syndrom mit Arthritis, einem Diskusprolaps, einem Zustand nach BWK-9-Fraktur, einem Zustand nach OSG-Fraktur links, einem Schlafapone-Syndrom, einer Septumdeviation, einer Varikosis bei Zustand nach Varizen-OP, einer Depression sowie einer Migräne. Seine Gesundheitsstörungen seien vom Beklagten, dem Sozialgericht und ärztlicherseits, auch von Prof. Dr. Sch., nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.05.2009 sowie den Bescheid vom 03.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, beim ihm einen Grad der Behinderung von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Mannheim sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage (auch) in dem noch zur Entscheidung des Gerichts gestellten Umfang abgewiesen.
Zwar hegt der Senat ebenso wie das Sozialgericht keine durchgreifenden Zweifel gegen die Zulässigkeit der Klage, insbesondere die Einhaltung der einmonatigen Klagefrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn der Kläger hat die Zugangsfiktion des § 37 SGB X unter Hinweis auf den verzögerten Zugang von Schreiben des Beklagten an das Sozialgericht und insbesondere auch von Schreiben des Gerichts an ihn selbst hinreichend erschüttert, zumal ihm auch der am 27.05.2009 zur Post gegebene erstinstanzliche Gerichtsbescheid ausweislich des bei den Akten des Sozialgerichts befindlichen Rückscheins erst am 04.06.2009 und mithin fünf Tage nach Ablauf der Dreitagesfrist des § 37 SGB X übergeben worden ist. Indes sind die angegriffenen Bescheide des Beklagten rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 80 (1.) und der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G (2.).
1. Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen im Folgenden einzeln bezeichneten Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 80.
Auf internistischem Fachgebiet liegt beim Kläger zunächst eine Darmerkrankung in Form einer Cholondivertikulose, derzeit ohne Entzündungszeichen, vor (vgl. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. D. vom 03.07.2008) und besteht für ein Rezidiv des Morbus Crohn mit dem klinischen Bild einer Colitis ulcerosa kein Anhalt (vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. D. vom 03.07.2008 sowie den Arztbrief von Dr. W. vom 23.12.2009). Unter Berücksichtigung der hausärztlich mitgeteilten häufigen Durchfälle (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. G. vom 05.08.2008) ist insoweit der von Dr. D. in Ansatz gebrachte Teil-GdB von 20 (vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 03.07.2008) angemessen. Denn die VG sehen in Teil B Nr. 10.2.2 für chronische Darmstörungen mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z. B. Durchfälle, Spasmen) einen GdB von 20 bis 30 vor. Eine Ausschöpfung des genannten Bewertungsrahmens ist nicht veranlasst, nachdem angesichts der vom Kläger selbst geltend gemachten Adipositas (vgl. den Arztbrief von Dr. W. vom 23.12.2009) gerade keine Minderung des Ernährungszustandes als Zeichen verstärkter Auswirkungen der Darmstörungen (vgl. auch hierzu Teil B Nr. 10.2.2 der VG) vorliegt. Die Refluxkrankheit der Speiseröhre ist in Anwendung von Teil B Nr. 10.1 der VG bei einem Rahmen für die GdB-Bewertung von 10 bis 30 in Übereinstimmung mit Dr. D. (vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 03.07.2008) gleichfalls mit einem Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. In diesem Teil-GdB geht der mit der Refluxkrankheit im Zusammenhang stehende kleine Zwerchfellbruch (axiale Hiatushernie; vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. D. vom 03.07.2008) im Sinne von Teil B Nr. 11.3 der VG auf. Die chronische Gastritis und beginnende chronische Pankreatitis sind unter Berücksichtigung von Teil B Nr. 10.2.1 und Teil B Nr. 10.3.6 der VG angesichts der von Dr. D. mitgeteilten geringen Auswirkungen (Schonkost; vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 03.07.2008) mit einem Teil-GdB von allenfalls 20 zu bewerten. Hinzu kommt der durch Alkoholmissbrauch herbeigeführte Leberschaden, den Dr. G. und der Versorgungsarzt Dr. Wolf gemäß Teil B Nr. 10.3.3 der VG zutreffend mit einem isolierten Teil-GdB von 20 in Ansatz gebracht haben (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 08.05.2008 und die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 17.07.2008). Zusammengenommen ergibt sich aus diesen eher leichten Funktionsbeeinträchtigungen für das Funktionssystem Verdauung ein Teil-GdB von 40, nicht hingegen bereits eine Schwerbehinderung mit einem Teil-GdB von 50. Die durch die Magen-Darmproblematik hervorgerufenen Syndrome (Roemheld und Chilaiditi) sind damit abgegolten. Auch geht der chronische Alkoholabusus (vgl. auch hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. D. vom 03.07.2008) in Ermangelung einer bereits eingetretenen Alkoholabhängigkeit (vgl. hierzu das nervenärztliche Gutachten von Dr. P. vom 30.10.2008) gemäß Teil B Nr. 3.8 der VG in den Folgeerkrankungen auf. Der von Dr. D. für den chronischen Alkoholabusus mit schwerer ethyltoxischer Hepatopathie und beginnender chronischer Pankreatitis angenommene Teil-GdB von 50 ist nach alledem überhöht.
Der Diabetes mellitus Typ II ist nach übereinstimmender Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. G. und Dr. D. (vgl. hierzu die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen vom 08.05.2008 und vom 03.07.2008) sowie der Versorgungsärzte Dr. R., Dr. K.-D. und Dr. St. (vgl. die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 12.08.2007, 26.11.2007 und vom 14.12.2007) mit einem Teil-GdB von 30 in Ansatz zu bringen. Diese Beurteilung trifft in Anwendung sowohl der früheren Bemessungsregelung in Nr. 26.15 der AHP als auch der zwischenzeitlich anzuwendenden Empfehlung des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" (vgl. das im Anschluss an das Urteil des BSG vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - ergangene Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 22.09.2008 - IVc 3-48064-3 -) und der nunmehr geltenden Regelung in Teil B Nr. 15.1 der VG auch unter Berücksichtigung der bereits von Dr. G. berichteten Insulintherapie (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 08.05.2008) zu. Insbesondere werden nämlich unter Insulintherapie instabile Stoffwechsellagen und Hypoglykämien ärztlicherseits nicht berichtet.
Die leichte Hypertonie rechtfertigt nach Teil B Nr. 9.3 der VG allenfalls einen Teil-GdB von 10 (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. G. vom 08.05.2008).
Aus dem vom Kläger nunmehr angegebenen anaphylaktischen Schock lässt sich keine berücksichtigungsfähige Behinderung ableiten. Zum einen ist weder der behauptete Schock noch eine diesem zu Grund liegende Allergie ärztlicherseits bestätigt. Zum anderen bestehen auch keine Anhaltspunkte für einen sich hieraus ergebenden Teil-GdB.
Die bronchiale Hyperreagibilität mit Hustenattacken und Atemnotzuständen sowie Schlafapnoe-Syndrom ist ausweislich der hausärztlichen Einschätzung von Dr. G. lediglich geringgradig (vgl. hierzu die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 08.05.2008) und mithin in Übereinstimmung mit dem genannten Arzt nach Teil B Nr. 8.5 in Verbindung mit Teil B Nr. 8.7 der VG mit einem Teil-GdB von 20 angemessen bewertet.
Auf orthopädischem Fachgebiet liegen ausweislich des vom Senat eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. Sch. lediglich eine Daumensattelgelenksarthrose links bei klinisch gut erhaltener Beweglichkeit sowie eine geringe Druckschmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Sprunggelenks auf Grund Mindernutzung der Bewegungsmöglichkeit vor, die mit einem Teil-GdB von jeweils 10 ausreichend bewertet sind (vgl. Teil B Nr. 18.13 sowie Teil B Nr. 18.14 der VG, wonach selbst eine Versteifung eines Daumengelenks in günstiger Stellung nur mit einem Teil-GdB von 0 bis 10 und geringgradige Bewegungseinschränkungen des Sprunggelenks gleichfalls nur mit einem Teil-GdB von 0 bis 10 zu bewerten sind). Eine Fraktur des 9. Brustwirbelkörpers hat Prof. Dr. Sch. in Übereinstimmung mit dem vom Kläger selbst bei der Beklagten vorgelegten fachradiologischen Gutachten von Priv.-Doz. Dr. H. vom 29.05.2006 ausgeschlossen und altersentsprechende Befunde in allen Wirbelsäulenabschnitten sowohl klinisch als auch radiologisch erhoben.
Ferner besteht beim Kläger eine Persönlichkeitsakzentuierung mit querulatorischen Zügen mit leichtgradigen Einbußen (vgl. hierzu das nervenärztliche Gutachten von Dr. P. vom 31.10.2008 nebst somatoformer Schmerzstörung und Dysthymie (vgl. hierzu das interdisziplinäre Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Sch.). Insoweit bestehen stärker behindernde Störungen im Sinne von Teil B Nr. 3.7 der VG, die nach übereinstimmender Einschätzung der Sachverständigen Dr. P. und Prof. Dr. Sch. einen Teil-GdB von 30 rechtfertigen. Dem schließt sich der Senat an, nachdem die objektivierbare Funktionsbeeinträchtigung durch die Schmerzen ausweislich des Gutachtens von Prof. Dr. Sch. nur gering bis mittelgradig ausgeprägt ist und auch Dr. P. schlüssig dargelegt hat, dass der Kläger über Möglichkeiten verfügt, sein Leben zu gestalten, Beziehungen zu unterhalten und sich auf sein Gegenüber einzulassen (vgl. auch hierzu die Gutachten vom 01.12.2009 und vom 31.10.2008). Eine Bewertung der psychischen Störungen am oberen Rand des durch Teil B Nr. 3.7 der VG gezogenen Bemessungsrahmens von 30 bis 40 lässt sich danach nicht begründen.
Hinzu kommt schließlich noch die vom Beklagten mit einem Teil-GdB von 10 berücksichtigte Narbenbildung im Bereich des behaarten Kopfes mit Wetterfühligkeit. Weitere hier erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen liegen nicht vor.
Unter Berücksichtigung der danach vorliegenden Teil-GdB ergibt sich ein Gesamt-GdB von nicht mehr als 80. Die zunächst in Ansatz zu bringenden Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems Verdauung mit einem Teil-GdB von 40 werden durch die psychischen Beeinträchtigungen (Teil-GdB 30) unter Einschluss der orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen (Teil-Gdb zweimal 10) mit einem Teil-GdB von 40 (vgl. hierzu das Gutachten von Prof. Dr. Sch. vom 01.12.2009) auf 60 erhöht. Der hinzukommende Diabetes mellitus mit einem Teil-GdB von 30 führt zu einer weiteren Erhöhung des GdB um 10 auf 70 und die Auswirkungen der Atmungsbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 zu einer Erhöhung des GdB auf allenfalls 80. Die Hypertonie mit einem Teil-GdB von 10 sowie die Narbenbildung im Bereich des behaarten Kopfes mit Wetterfühligkeit und einem Teil-GdB von ebenfalls 10 fallen dabei nicht weiter ins Gewicht. Eine weitergehende Behinderung lässt sich auch unter Berücksichtigung von Vergleichen mit Gesundheitsschäden, zu denen in der GdB-Tabelle der VG feste Werte angegeben sind (vgl. Teil A Nr. 3 b der VG), wie bspw. dem Verlust beider Beine im Unterschenkel bei einseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen (GdB 90) oder beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen (GdB 100) nicht begründen.
2. Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. Nach der Legaldefinition des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als solchermaßen üblich sind - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - Wegstrecken von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten anzusehen (vgl. BSG, Urteile vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - und vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 - jew. zit. nach juris).
Den VG lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Merkzeichen G, B, aG, Gl und Bl unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich (mit Ausnahme des Merkzeichens H) weder in § 30 Abs. 17 BVG (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4), noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (vgl. auch LSG Bad-Württ., Urteil vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09 - http://www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Eine danach für das Merkzeichen G erforderliche Einschränkung der Gehfähigkeit liegt nicht vor. Denn nach den oben gemachten Ausführungen besteht kein Anhalt dafür, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, eine Wegstrecke von bis zu zwei Kilometern in einer Zeit von etwa 30 Minuten zurückzulegen. Dementsprechend hat zuletzt auch Prof. Dr. Sch. eine entsprechende Wegefähigkeit des Klägers unter Berücksichtigung sowohl der orthopädischen als auch der schmerzbedingten Einschränkungen bejaht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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